Protokoll der Sitzung vom 21.06.2000

Sollte die häusliche Pflege der Frau D. auch weiterhin nur vorübergehend nicht gesichert werden können, könnten auf Antrag Leistungen der – bitte wundern Sie sich nicht über das schreckliche Wort – Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI für erneut maximal vier Wochen gewährt werden. Das ist leider die Gesetzessprache. Frau D. könnte dabei in der Einrichtung bleiben, in der sie sich zurzeit noch befindet.

Zu Frage 2: Gemäß § 1896 Abs. 2 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Mit Beschluss des Vormundschaftsgerichts Uelzen vom 17. Mai 2000 wurden der Betreuerin von Frau D. die Aufgabenkreise Sorge für die Gesundheit sowie Aufenthaltsbestimmung einschließlich der

Entscheidung über den Wohnsitzwechsel in ein Alters- und Pflegeheim und die Vertretung vor Behörden und ähnlichen Einrichtungen, auch gegenüber dem Heim übertragen. Dem lagen die Beurteilungen durch den Sachverständigen und der persönliche Eindruck des Vormundschaftsrichters von der Betreuten in der mündlichen Anhörung zugrunde. Danach erschienen sowohl die Betreuungserweiterung als auch die Übersiedlung in ein Alters- und Pflegeheim notwendig.

(Lindhorst [CDU]: Können Sie bitte etwas lauter sprechen? Ich verstehe Sie nicht!)

- Ich spreche aber eigentlich sehr klar und deutlich.

(Zurufe von der CDU: Stimmt nicht!)

- Vielleicht könnten Sie leiser sein. Ich kann nicht lauter sprechen. - Außerdem erlaubte ihre finanzielle Lage eine ausreichende Versorgung in der eigenen Wohnung nicht mehr. Zu der Entscheidung des Vormundschaftsrichters habe ich aus Gründen der richterlichen Unabhängigkeit keine Stellung zu nehmen.

Meine Damen und Herren, ich bin froh darüber, dass sich der Landtag eines solchen Themas annimmt. Ich bin auch froh darüber, dass alle daran mitwirken, dass es der Frau möglichst schnell wieder besser geht. Lassen Sie uns dafür wirken, dass diese Art von Bürokratie, die eine derart dramatische Folgewirkung hat, weiter abgebaut wird. Sie merken schon an der Art der Gesetzessprache, dass diese Fälle auf diese Art kaum lösbar sind, schon gar nicht menschlich lösbar sind.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Meine Damen und Herren, bevor ich die Wortmeldungen für Zusatzfragen aufrufe, erlaube ich mir den Hinweis, dass wir vor der Mittagspause noch die Dringliche Anfrage zu Tagesordnungspunkt 17 c) behandeln und anschließend in die Mittagspause eintreten. Ist das so einvernehmlich geregelt? - Okay. Dann können sich die Kolleginnen und Kollegen darauf einstellen, dass wir so verfahren. - Bitte sehr, die Zusatzfrage, Herr Kollege Groth!

(Vizepräsident Jahn übernimmt den Vorsitz)

Frau Ministerin, ich möchte gerne wissen, ob Sie sich die Unterlagen, insbesondere das medizinische Gutachten, das zur Fremdbestimmung des Aufenthalts der Dame geführt hat, zugänglich machen können, um auch zu prüfen - das wäre die zweite Frage -, ob Betreuungsbehörde oder Betreuerin eventuell ermessensfehlerhaft einen Antrag bei Gericht gestellt haben. Die letzte Frage - ich weiß nicht, ob sie noch zulässig ist -: Ist die Frau in der Lage - -

Da Sie es nicht wissen, wollen wir sie lieber weglassen.

(Heiterkeit)

Bitte sehr, Frau Ministerin!

Herr Abgeordneter, im Moment sind die Unterlagen bei Gericht, und solange dort noch die Verfahren laufen, müsste ich versuchen, ein Doppel zu erhalten, um überhaupt Akteneinsicht nehmen zu können. Meines Erachtens könnte das die Aufarbeitung aber verzögern. Ich will, dass möglichst schnell zugunsten der Frau Lösungen gefunden werden. Wenn dieser Vorgang abgeschlossen ist, habe ich auch ein persönliches Interesse - wie Sie zu sehen, was bei dem Fall im Einzelnen schief gelaufen ist und ob die Betreuungsformen in richtiger Weise wahrgenommen worden sind.

(Zustimmung von Frau Lau [SPD])

Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Voigtländer.

Frau Ministerin, in welcher Höhe entstehen Kosten für die Heimbetreuung von Frau D.? Wie hoch sind die Kosten bei ambulanter Pflege in der eigenen Wohnung? Und schließlich - -

Nein, nicht „schließlich“. - Schließlich kommt jetzt die Antwort. Bitte sehr!

(Heiterkeit - Fischer [CDU]: Das sind 30 Jahre Parlamentserfahrung!)

Für die Kosten der Heimbetreuung, also sowohl für Kurzzeit- als auch vollständige Dauerpflege, haben wir einen Satz von monatlich 3.598 DM. Bei der ambulanten Pflege liegt der monatliche Kostenbetrag bei 4.525 DM. Also ist die ambulante Pflege etwas teuer als die stationäre. Aber das kann es bei der Lösung dieses Problems ja nicht gewesen sein.

Frau Elsner-Solar will eine Frage stellen. Bitte sehr!

Mich bewegt auch die Frage des Kollegen Groth, ob bei der 100-jährigen Dame denn gewährleistet ist, dass die Betreuung künftig in ihrem Interesse ausgeübt wird.

(Die Abgeordnete zögert)

Sie dürfen noch eine Frage stellen.

Nein. Ich habe nur die eine Frage.

Frau Ministerin Merk, bitte sehr!

Ich will über die Betreuerin nicht den Stab brechen, weil ich bisher keine saubere Akteneinsicht haben nehmen können. Ich gehe davon aus, dass der Fall mit einer derart hohen Aufmerksamkeit betrachtet wird, dass in diesem Betreuungsfall nichts mehr schief lief. Aber ich halte es für falsch, dass ich hier eine Beurteilung abgebe. Ich gehe aber davon aus - lassen Sie uns das feststellen -, dass die Betreuung als ehrenamtliches Amt in unserer Bevölkerung im Allgemeinen sehr ernsthaft wahrgenommen wird.

Nun hat sich Frau Groneberg gemeldet.

Frau Ministerin, wie bewertet die Landesregierung die Bereitschaft der Uelzener Bevölkerung, durch Spenden Frau D. die Rückkehr in ihre Wohnung zu ermöglichen?

Bitte sehr, Frau Ministerin!

Ich bewerte das als ausgesprochen positiv. Ich finde es ungewöhnlich, aber doch erfreulich, dass es immer wieder Gruppen gibt, die sich sozial engagieren und den Versuch unternehmen, etwas wieder gutzumachen, was sie selbst gar nicht angerichtet haben.

Ich freue mich darüber, dass diese Frau dadurch eine Wärme erfährt, die ihr in ihrem hohen Alter ansonsten gar nicht widerfahren wäre. Damit ist diese Angelegenheit aber nicht erledigt, sodass ein Landkreis nicht meinen sollte, dass er sich dadurch die Kosten ersparen könnte. Nein, es gibt gesetzliche Ansprüche, die zu erfüllen sind. Wenn für die Frau der Lebensabend, vielleicht die letzte Zeit durch finanzielle Mittel von Bürgerinnen und Bürgern etwas verbessert werden kann, dann würde ich mich freuen, und dann hätte sie das in ihrem hohen Alter mehr als verdient.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Frage stellt der Kollege Schwarz.

Frau Ministerin, liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, warum der Landkreis Uelzen die Spitzfinanzierung des überschießenden Betrages eingestellt hat, obwohl es hierzu eine andere Empfehlung des Landes gibt, die vom BVG bestätigt wurde? Gibt es bekannte vergleichbare Fälle aus Uelzen?

Bitte sehr, Frau Ministerin!

Herr Abgeordneter, bedauerlicherweise gibt es insgesamt weitere sechs Fälle. Die Frage ist in Uelzen bisher im Sinne der Entscheidungen gelöst worden, die das OVG in vorangegangenen Fällen getroffen hat. Es hatte so entschieden. Darauf bezog sich auch die Behandlung weiterer Fälle. Das erübrigt sich jetzt. Der Landkreis Uelzen wird alle diese Fälle im Lichte der neuen Entscheidung des BVG wieder aufrollen müssen. Er hat auch zugesichert, dass er die „Wiederaufnahme“ des Verfahrens gestatten wird, sodass alle diese Fälle noch einmal ein Korrektiv erfahren, was auch dringend nötig ist.

(Zustimmung von Frau Janssen-Kucz [GRÜNE])

Wir hatten immer diese Position des BVG und nicht die des OVG vertreten. Deshalb, meine Damen und Herren, bin ich froh darüber, dass wir jetzt auch in diesem Punkt in unserer Auffassung bestätigt sind.

Eine weitere Frage stellt der Kollege Bachmann.

Frau Ministerin, vor dem Hintergrund der von Ihnen soeben zitierten aktuellen Rechtsprechung Sie haben eben auch schon ein Beispiel aus dem Landkreis Uelzen genannt; ich befürchte, dass dies im Lande keine Einzelfälle sind und hier möglicherweise nur die Spitze eines Eisbergs aktuell diskutiert wird - frage ich Sie: Beabsichtigen Sie, diese aktuelle Rechtsprechung und die Situation zur Sensibilisierung an die übrigen örtlichen Sozialhilfeträger im Lande heranzutragen?

(Beifall bei der SPD - Frau Lau [SPD]: Das wäre sehr schön!)

Frau Ministerin Merk antwortet auf die Frage.

Herr Abgeordneter, ich gehe eigentlich davon aus, dass Kommunen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts umgehend zur Kenntnis nehmen und umsetzen. Dieser Fall hat ja ohnehin sehr hohe Aufmerksamkeit genossen. Wenn wir die Kommunen jeweils auf die bundesweite Rechtsprechung aufmerksam machen müssten, hätten wir viel zu tun. Ich gehe davon aus, dass sie sich ab jetzt verfassungsgemäß so verhalten, wie es ihnen das Bundesverwaltungsgericht vorschreibt.

Es ist selbstverständlich, dass sich jede Kommune, jeder Landkreis die Frage, die zu Recht aufgeworden wird, nämlich die Frage der Abwicklung dieser Fälle in eine andere Richtung, noch einmal stellen muss.

Eine zweite Frage stellt Frau Kollegin Groneberg.

Frau Ministerin, ich bin schockiert darüber, dass Sie gerade sagten, dass es im Landkreis Uelzen noch vergleichbare Fälle gebe. Was passiert denn mit den Personen, die bereits in ein Altenheim eingewiesen worden sind, also aus ihrer Wohnung, ihrer Umgebung herausgenommen worden sind? Wie will man denn das wieder regeln?

Bitte sehr, Frau Ministerin Merk!