Protokoll der Sitzung vom 26.01.2001

Frau Vockert! - Dann Frau Lau.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, stimmen Sie mir vor dem Hintergrund Ihrer Eingangsbemerkung, dass der Sport - sowohl der Schulsport als auch die Sportvereine - gesundheitspolitisch, gesellschaftspolitisch und sozialpolitisch eine immense Bedeutung hat, zu, dass es notwendig ist, dass Sie im Lande Niedersachsen entsprechende Initiativen, über Erlasse hinausgehend, ergreifen, um sicherzustellen, dass wenigstens die zweite Schulsportstunde auch tatsächlich erteilt wird?

(Beckmann [SPD]: Wie kann man nur so reden?)

Bitte schön!

Frau Vockert, ich bin mir nicht sicher, ob Sie mir noch die Hand reichen würden, wenn ich anfangen würde, den Erlass zur Lehrerstundenzuteilung so zu verändern, wie Sie dies gerade beschrieben haben. Ich habe damit so meine Probleme an anderer Stelle gehabt. Als wir das im Zusammenhang mit der Verlässlichen Grundschule diskutiert haben, sind Sie als erste von der Fahne gegangen. Insofern würde ich Ihnen hier nicht so gern die Hand erreichen.

(Beifall bei der SPD - Frau Vockert [CDU]: Das war keine Antwort auf meine Frage nach der gesellschafts- politischen Bedeutung des Sports!)

Frau Lau!

Frau Ministerin, werden von den Schulen verstärkt Sportlehrerinnen bzw. Sportlehrer angefordert, und können Sie dementsprechend die Schulen mit Sportlehrerinnen bzw. Sportlehrern ausstatten?

Bitte die Antwort!

Es gibt keine verstärkten Anforderungen seitens der Schulen für Sportlehrer. Hier können wir gegenüber anderen Fächern nichts Besonderes feststellen.

Wortmeldungen für weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Wir kommen damit zur

Frage 5: Welche Rolle spielen die Beziehungen zur russischen und ukrainischen Atomindustrie für die in Betrieb befindlichen oder geplanten Atomanlagen in Niedersachsen?

Die Frage wird von dem Kollegen Schwarzenholz gestellt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die russische Duma hat auf Vorschlag der PutinAdministration die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass zukünftig Atommüll aus Deutschland und anderen Staaten legal nach Russland eingeführt und dort entsorgt werden kann. Bereits im Vorfeld dieser Entscheidung war bekannt geworden, dass zukünftig der Verkauf von MOX-Brennelementen aus russischer Produktion mit einem Rücknahme- und Entsorgungsangebot verbunden werden soll. Im Zusammenhang mit der Aufklärung der Unregelmäßigkeiten bei der Produktion von Brennelementen in Sellafield war vom Niedersächsischen Umweltminister im Umweltausschuss des Landtages bekannt gegeben worden, dass zumindest auch in einem niedersächsischen Atomkraftwerk – Unterweser - der Einsatz von russischen Brennelementen geplant sei.

Russische Wissenschaftler und viele Medien haben in den letzten Monaten immer stärker darauf aufmerksam gemacht, dass sich die russischen Atomanlagen in einem immer desolateren technischen Zustand befinden sollen. Dies soll ganz besonders auf die Wiederaufbereitungsanlagen und die so genannten Entsorgungseinrichtungen zutreffen. Hier seien große Sicherheitsrisiken und Freisetzungen von Radioaktivität an die Umgebung festzustellen. Eine wirksame Kontrolle und Behördenaufsicht sei in keiner Weise festzustellen. Vielmehr wäre die gesamte russische Atomwirtschaft von mafiösen Strukturen und Korruption durchzogen.

Wie die Vorfälle in Sellafield gezeigt haben, sind aber gerade das Funktionieren eines wirksamen Kontrollsystems und die Beachtung der höchsten Sicherheitsstandards die Voraussetzung dafür, zusätzliche Risiken abzuwenden.

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Welche Erkenntnisse liegen ihr über die Verbindungen zwischen der russischen und ukrainischen

Atomindustrie und niedersächsischen Atomanlagen und deren Betreibern vor?

2. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Zustände und die Sicherheit in den russischen Atomanlagen vorliegen, aus denen die deutschen Atomkraftwerke mit Brennelementen versorgt werden oder zukünftig versorgt werden sollen?

3. Welche Rolle spielen die Firma Siemens, ihre Tochtergesellschaften und die norddeutschen Technischen Überwachungsvereine (TÜV) bei den Atomgeschäften mit Russland und der Ukraine?

Die Antwort erteilt Umweltminister Jüttner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die unweit von Moskau gelegene Firma MSZ-Elektrostal ist bislang die einzige Anlage der russischen kerntechnischen Industrie, die in einem atomrechtlichen Verfahren für ein niedersächsisches Kernkraftwerk Bedeutung erlangt hat. Wie bekannt ist, hat die Firma MSZ-Elektrostal im Unterauftrag der Firma Siemens den Brennstoff für vier so genannte ERU-Brennelemente für das Kernkraftwerk Unterweser gefertigt. Sie hat diese Brennelemente auch zusammengefügt. Die vom Niedersächsischen Umweltministerium veranlassten Prüfungen erstreckten sich auf den Bereich der Brennstofffertigung. Hier ging es um alle Aspekte, die für die Beurteilung der Qualität des Produkts, also des Brennstoffs, und die Einhaltung der sicherheitstechnischen Rahmenbedingungen für den Einsatz im KKU erforderlich waren.

Mit der Durchführung der Prüfungen war der Technische Überwachungsverein Nord e. V. beauftragt. Ferner hat vom 7. bis zum 10. Dezember 1998 ein Mitarbeiter meines Ministeriums die Fabrik besucht. Über den geplanten Einsatz der ERU-Brennelemente im Kernkraftwerk Unterweser und technische Einzelheiten ist der Ausschuss für Umweltfragen in mehreren Sitzungen, zuletzt am 3. April 2000, unterrichtet worden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu 1: Die e.on-Kernkraft-GmbH setzt seit dem Brennelementwechsel 2000 im KKU vier ERUBrennelemente mit Brennstoff ein, der bei der

Firma MSZ-Elektrostal im Unterauftrag der Firma Siemens gefertigt wurde. Nach Angaben der e.onKernkraft-GmbH sind für die Jahre 2003 und 2004 zwei Nachlieferungen mit jeweils 32 ERU-Brennelementen geplant. Die e.on-Kernkraft-GmbH gibt weiter an, dass zwei ihrer in Niedersachsen gelegenen Kernkraftwerke partnerschaftliche Beziehungen zu dem russischen Kernkraftwerk Smolensk sowie zu dem Kernkraftwerk JushnoUkrainsk in der Südukraine unterhalten. Diese Partnerschaften dienen dem gegenseitigen Informationsaustausch und dem Transfer von Knowhow insbesondere zu Fragen der nuklearen Sicherheit und zum Strahlenschutz, so die Aussagen des Unternehmens.

Zu 2: Die im atomrechtlichen Verfahren zur Verwendung der ERU-Brennelemente im KKU durchgeführten Prüfungen von August 1998 bis Juni 2000 haben ergeben, dass MSZ-Elektrostal über moderne Fertigungs- und Prüfeinrichtungen sowie über ein technischen und rechtlichen Anforderungen genügendes Qualitätssicherungs- und Dokumentationsystem verfügt.

Die Firma besitzt ein von der Zertifizierungsstelle des TÜV Thüringen bestätigtes Qualitätsmanagementsystem nach internationalen Normen. Die Qualität der bei MSZ-Elektrostal gefertigten Brennelemente entspricht damit der Qualität bei anderen Herstellern. Die Prüfungen wurden seinerzeit auf Veranlassung des Umweltministeriums wesentlich erweitert, nachdem sich aus den Ereignissen bei BNFL in Sellafield besondere Fragestellungen ergeben hatten.

Im Zuge des atomrechtlichen Verfahrens zum Einsatz von ERU-Brennelementen im Kernkraftwerk Unterweser hat sich das Niedersächsische Umweltministerium auch an das Bundesumweltministerium gewandt. Dieses hat mitgeteilt, dass dort hinsichtlich der Sicherstellung der Qualität keine Erkenntnisse vorliegen, die gegen die Fertigung der Brennelemente und ihren Einsatz in deutschen Kernkraftwerken sprächen.

Das Ministerium für Umwelt und Verkehr des Landes Baden-Württemberg als atomrechtliche Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde über das Kernkraftwerk Obrigheim, in dem ebenfalls Brennelemente aus russischer Fertigung eingesetzt werden, hat dem Niedersächsischen Umweltministerium auf entsprechende Fragen mitgeteilt, dass es im Zuge der laufenden Fertigung der Brennelemente für das Kernkraftwerk Obrigheim keine

Auffälligkeiten gab und die schon im Einsatz befindlichen Brennstäbe und Brennelemente keinerlei Beanstandungen zeigten. Über den Zustand und die Sicherheit anderer kerntechnischer Anlagen in Russland und der Ukraine stehen hier keine Informationen zur Verfügung.

Zu 3: Die Firma MSZ-Elektrostal ist bei der Fertigung der zum Einsatz im Atomkraftwerk Unterweser bestimmten ERU-Brennelemente im Unterauftrag von Siemens tätig geworden. Die Firma ANF GmbH, die eine Tochter der Siemens AG ist, beabsichtigt, der russischen Firma MSZ-Elektrostal eine Trockenkonversionsanlage zur Brennstofferstellung zu liefern. Der TÜV Hannover/SachsenAnhalt hat die Vorprüfung von Komponenten der Anlage durchgeführt. Über Kontakte der Firma Siemens oder ihrer Tochtergesellschaften mit anderen russischen oder ukrainischen Unternehmen der kerntechnischen Industrie liegen dem Umweltministerium, abgesehen von der allgemeinen Medienberichterstattung, keine Informationen vor.

Zu der Tätigkeit der norddeutschen Technischen Überwachungsvereine ist Folgendes zu sagen: In dem atomrechtlichen Verfahren für den Einsatz der ERU-Brennelemente im Atomkraftwerk Unterweser ist der TÜV Nord vom MU als Sachverständiger hinzugezogen worden. In dieser Funktion war der TÜV Nord zeitgleich auch für das Land Schleswig-Holstein tätig. Der TÜV Nord und der TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt haben im Auftrag des Bundesumweltministeriums bzw. der EU sowie in Zusammenarbeit mit verschiedenen deutschen Länderbehörden Informationsveranstaltungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörden und Betreiber in Russland und der Ukraine über atomrechtliche Aufsichts- und Genehmigungsverfahren in Deutschland durchgeführt. Diese Tätigkeit wird nach Auskunft des TÜV derzeit nicht mehr ausgeübt.

Die TÜV-Gruppe Nord hat nach eigenen Angaben Niederlassungen in Russland - in Moskau und in Petersburg - und eine Tochterfirma in der Ukraine, deren Aufgaben in der Beratung von Unternehmen beim Aufbau von Qualitäts- und Umweltmanagementsystemen liegen. Aufträge der russischen oder ukrainischen Atomindustrie sollen nicht vorliegen.

Wortmeldungen für Zusatzfragen liegen nicht vor.

Wir kommen damit noch zur Frage 6. Frau Abgeordnete Stokar von Neuforn fragt nach

Frage 6: Maßnahmen der Landesregierung zur verbesserten Eigensicherung im Polizeidienst

(Klare [CDU]: Und der Herr Innen- minister hatte sich schon so gefreut!)

Ich hatte mich auch schon gefreut. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im vergangenen Jahr wurden neun Polizeibeamte im Dienst getötet. In allen Bundesländern werden Maßnahmen zur verbesserten Eigensicherung im Polizeidienst diskutiert. Die Ausstattung jedes Polizeibeamten und jeder Polizeibeamtin im Streifendienst mit einer eigenen maßangefertigten Unterziehschutzweste gilt als notwendige Schutzmaßnahme. Keine Einigkeit besteht in der Frage, ob das Tragen der Schutzweste verpflichtend sein soll, sowohl in der Dienststelle als auch im Streifendienst. Die Ausstattung aller Streifenwagen mit Videokameras, die das Geschehen vor dem Streifenwagen dokumentieren, ist geeignet, die Eigensicherung zu verbessern. Eine von der Innenministerkonferenz eingerichtete Arbeitsgruppe hat Maßnahmen zur „Eigensicherung in der polizeilichen Praxis“ entwickelt, die jetzt in den Ländern umgesetzt werden müssen. Neben diesen notwendigen Schutzmaßnahmen müssen die Ursachen von Gewalt gegen Polizeibeamte erforscht werden.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie viele Polizeibeamte in Niedersachsen sind derzeit mit einer eigenen Unterziehschutzweste ausgerüstet und tragen diese ständig im Polizeidienst?

2. Welche von der Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz vorgeschlagenen Maßnahmen zur „Eigensicherung in der polizeilichen Praxis“ werden in Niedersachsen bereits umgesetzt?

3. Mit welchen Konzepten reagiert die polizeiliche Aus- und Fortbildung auf das steigende Gewaltpotential gegenüber Polizeibeamten?

Die Antwort erteilt der Innenminister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zunahme von Mordanschlägen gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte im vergangenen Jahr verlangt eine neuerliche Auseinandersetzung mit Ursachen dieser Gewalt, den Möglichkeiten der Ursachenbekämpfung und mit den Methoden der Eigensicherung. Die Landesregierung ist entschlossen, auf der Basis der bereits fundierten bisherigen Konzepte zur Eigensicherung die ausbildungsmäßigen, technischen und taktischen Möglichkeiten zu optimieren. Niedersachsen steht hier im Einklang mit den übrigen Ländern und dem Bund. Frühzeitig haben wir im vergangenen Jahr diese Thematik in der Innenministerkonferenz sowie im Arbeitskreis II „Innere Sicherheit“ aufgegriffen und mit hoher Priorität behandelt.

Auf der Grundlage entsprechender IMK-Beschlüsse hat der AK II am 11. Juli 2000 eine länderoffene Projektgruppe „Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte“ eingerichtet. Diese hat alle Maßnahmen einzuleiten und zu koordinieren, die notwendig sind, um den Schutz der Beamtinnen und Beamten zu erhöhen und zukunftsorientiert die technischen Möglichkeiten zur Eigensicherung zu verbessern. Die Projektarbeit dauert an.

Im Rahmen der Arbeit der Projektgruppe wird zurzeit in einem Trageversuch in NordrheinWestfalen geprüft, welche Art von Schutzwesten mit integriertem Stichschutz über die Dauer einer Dienstschicht getragen werden kann, ohne dass unvertretbare Beeinträchtigungen der Bewegungsfreiheit und des Wohlbefindens eintreten. Mit Unterstützung der IMK und der Gewerkschaft der Polizei untersucht das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen Ursachen und Begleitumstände tätlicher Angriffe sowie vollendeter Tötungsdelikte gegenüber Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten.

Zur Eigensicherung in der polizeilichen Praxis hat die Projektgruppe festgestellt, dass kein Regelungsdefizit besteht. Nach übereinstimmender Auffassung liegt ein Problem insbesondere in der alltäglichen Routine, die einer wirksamen Eigensicherung oft entgegensteht. Es kommt insbesondere auf die Aufmerksamkeit, die professionelle Lageeinschätzung und die Umsicht der einzelnen Beamtinnen und Beamten an. Deswegen sollen Inhalt und Gestaltung des Leitfadens 371 „Eigensicherung im Polizeidienst“ überarbeitet werden, um

seine Akzeptanz bei den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zu verbessern.