Protokoll der Sitzung vom 26.01.2001

(Beifall bei der CDU - Frau Vockert [CDU]: Genauso ist es!)

Wir müssen uns damit abfinden, dass nicht mehr angestrebt wird, die Unterrichtsversorgung auf 100 % zu bringen, sondern dass die Landesregierung die Vorgabe von 97 % gemacht hat. Sie wird sie wahrscheinlich im nächsten Jahr noch reduzieren müssen, weil sie das an den weiterführenden Schulen nicht halten kann. Sie braucht zu viele Ressourcen für die Grundschule, um alle Grundschulen zu verlässlichen zu machen. Ihr wird nichts anderes übrig bleiben, als all die Anträge, die jetzt vorliegen, zu genehmigen. Ich glaube, es wäre politisch daneben, wenn sie es nicht täte. Das wird zulasten der Unterrichtsversorgung der anderen Schulen gehen.

Bei der Entscheidung über Eingaben ist es für mich bisher immer ein Kriterium gewesen - es sind meist Eltern, die sich beschweren -, ob die Schule unter dem Landesdurchschnitt versorgt ist, weil ich es nicht als Vorteil empfinde, wenn eine Schule zu 98 % versorgt ist - also eigentlich zu wenig - und dann an einer anderen, die auch zu 98 % versorgt ist, ein Loch gerissen werden muss, damit die erste Schule auf 100 % oder eine auf 102 % kommt. Ich meine, denjenigen Schulen, die weit unter dem miesen Landesdurchschnitt liegen, muss man helfen. Die brauchen zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer. An dieser Stelle beschweren sich die Eltern zu Recht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Auch ich übe Kritik daran, wie die Stellungnahmen des Kultusministeriums seit einiger Zeit formuliert

werden. Früher hieß es "Die Schule hat so und so viel Prozent Unterrichtsversorgung ", etwa 93,7 %, wie bei einer dieser Schulen, über die man sich hier beschwert.

(Meinhold [SPD]: Das stimmt nicht!)

- Der Landesschnitt liegt bei 97 %. Sie liegt also darunter. Jetzt ist davon überhaupt keine Rede mehr. Jetzt wird gesagt - nur als Beispiel -: "Der Schule stehen 213,4 Sollstunden zu" - das ist eine absolute Minimal- und Pflichtausstattung, wie Walter Meinhold auch hier vorgetragen hat - "und sie hat 209 Iststunden". 4,4 Stunden Unterschied hören sich ja nicht so schlimm an.

Schlimm ist an dieser Stelle, dass bei den Eltern, die sich beschweren, der Eindruck erweckt wird, die Schulen seien diejenigen, die die Schuld daran hätten, dass es immense Unterrichtsausfälle gibt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

So den schwarzen Peter weiterzugeben, halte ich wirklich für fies. Das werde ich auch nicht mitmachen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Den Gymnasien wird der Vorwurf gemacht, Kursfrequenzen von 13 Schülerinnen und Schülern zu haben. Walter Meinhold, das geht bei Gymnasien im ländlichen Raum oft nicht anders. In den großen Städten, bei großen Gymnasien kriegt man es meistens hin, 18 Schülerinnen und Schüler in die Kurse zu packen und noch ein angemessenes Angebot zu machen. Würde man das an den kleineren Gymnasien auch so machen, hätten die Schülerinnen und Schüler überhaupt keine Wahlmöglichkeiten mehr. Ihnen könnten nur ganz wenige Kurse angeboten werden, die sie belegen können. Damit würden sie eklatant gegenüber denjenigen Schülerinnen und Schülern benachteiligt, die in den großen Städten ihr Abitur ablegen. Auch das ist nicht hinzunehmen, dass wir hier die Unterschiede zwischen den Ballungsgebieten und dem ländlichen Raum so drastisch verstärken.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Diese Schulen brauchen die zusätzlichen Lehrkräfte, die die Eltern über diese Petitionen verlangen, um ein angemessenes Angebot zu machen. Deshalb haben wir diese beiden Petitionen zur

Unterrichtsversorgung strittig gestellt und appellieren an das Haus, die Zahlen gerecht zu sehen und anzuerkennen, was das Kultusministerium in der Sitzung des Kultusausschusses gesagt hat, dass beide Schulen unter dem Landesschnitt liegen, und dafür zu sorgen, dass sie wenigstens auf den miesen Landesschnitt gebracht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Zu den beiden schulischen Eingaben hat sich Frau Jürgens-Pieper gemeldet.

Herr Präsident, vielen Dank, dass Sie mir das Wort erteilen. Ich ergreife es bei Petitionen eigentlich nur ungern, weil ich meine, das ist eine Angelegenheit des Parlaments. Ich möchte auch begründen, warum. Hier sind Beamte beleidigt worden. Ich weise das für die Landesregierung zurück.

(Beifall bei der SPD - Klare [CDU]: Was heißt „beleidigt“?)

Herr Klare, Sie haben gesagt - ich habe das mitgeschrieben -, hier sei verantwortungslos gehandelt worden, hier sei etwas irreführend dargestellt worden, hier sei nicht die volle Wahrheit gesagt worden. Das sind schon scharfe Beleidigungen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Klare, so geht es nicht. Wir können uns gerne darüber unterhalten, Frau Litfin und Herr Klare, wenn Sie Kritik an der Abfassung der Stellungnahmen haben. Ich möchte nur klarstellen, dass hier nichts irreführend ist.

Ich will das an der Realschule deutlich machen. Wir erklären auch den Petenten sehr deutlich, worum es in der Sache geht. Wenn Sie Zahlen nicht ertragen können, dann ist das allerdings Ihr Problem. Ich lese noch einmal die Zahlen vor. Wir haben genau gesagt, wie viele Lehrersollstunden diese Schule hat, nämlich 450. Wir haben genau gesagt, wie viele Iststunden diese Schule hat, nämlich 423,5. Daraus können Sie auch einen prozentualen Wert machen. Der sagt aber nicht viel. Es sind also 423 Lehrer-Iststunden da. Dann haben wir zum Ausdruck gebracht: Zur Abdeckung des Pflichtunterrichts nach der Stundentafel: 412. Dann haben wir den Zusatzbedarf, den Sie einge

fordert haben, ausgedrückt, nämlich 11,5. Jetzt sage ich Ihnen, wenn ich das zu bewerten hätte: Der ist zu klein.

(Klare [CDU]: Das ist falsch!)

- Das ist nicht falsch. 11,5 Stunden Zusatzbedarf. Das heißt, die Schule hat wenig Bewegungsspielraum im Zusatzbereich. Sie kann ihre Stundentafel abdecken. Wenn Sie diese Zahlen nicht ertragen können, dann verstehe ich es nicht mehr. Darin steht keine Bewertung. Sie haben das hier völlig irreführend vorgetragen; das muss ich allerdings sagen. Dass wir den Leuten nicht die Zahlen nennen, stimmt nicht.

Wir sagen darüber hinaus, dass die Klassenfrequenz - jetzt kommt es - an der Realschule allerdings am unteren Wert der Bandbreite liegt, nämlich bei 24,7. Das heißt, die Klassenfrequenz - da ist die Qualität darin - ist sehr klein an dieser Schule. Das hat sich die Schule geleistet. Das wird doch auch noch gesagt werden dürfen! Das muss man doch ertragen können, Herr Klare!

(Zustimmung bei der SPD)

Die Schulen haben hier eine Freiheit, selbst zu entscheiden. Dann wird es aber auch notwendig sein, darzustellen, wofür sie sich in der Priorität entschieden haben, und zwar für die kleinen Klassenfrequenzen an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD)

Zu diesen Petitionen spricht jetzt Frau Vockert. Sie hat noch zwei Minuten Redezeit!

(Lindhorst [CDU]: Frag‘ mal nach den „faulen Säcken“!)

Herr Präsident! Frau Ministerin, ich möchte noch einmal darauf aufmerksam machen: Wenn jahrelang in diesem Hause im Bereich der Unterrichtsversorgung mit Prozentzahlen gearbeitet wird - 95 %, 98 %, 99 % -, dann können sich alle Eltern, jeder Schüler und jede Schülerin genau vorstellen, wie die Unterrichtsversorgung bei ihnen an der Schule auszusehen hat. Jetzt, nachdem die Unterrichtsversorgung so desolat und miserabel ist, macht diese Landesregierung den folgenden Trick: Sie sagt ganz einfach nicht mehr „Es sind 87 %“,

sie sagt nicht mehr „Es sind 85 %,“ sondern hier wird vertuscht. Sie sagt jetzt - das haben Sie eben wieder bewiesen, Frau Ministerin - „423 Sollstunden“. In dem Moment kann sich kein Mensch etwas darunter vorstellen.

(Beifall bei der CDU)

Sie vertuschen!

Meine Damen und Herren von der SPD, Sie nehmen auch Ihre Verantwortung in Ihrer Rolle überhaupt nicht wahr. Hier sind Petitionen ernst zu nehmen. Das ist ein Anliegen der Bevölkerung. In den letzten Monaten, mehr als ein halbes Jahr, haben Sie zu keiner einziger Petition zum Thema „Unterrichtsversorgung“ im Ausschuss „Überweisung an die Landesregierung zur Berücksichtigung“ beschlossen,

(Plaue [SPD]: Schauspielerei!)

weil Sie sich uneingeschränkt hinter die Ministerin stellen und es Ihnen gleichgültig ist, wie es vor Ort an den Schulen aussieht. Wir lassen uns das nicht gefallen!

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Sie halten hier nur Fensterreden!)

Zu diesem Punkt hat sich Herr Abgeordneter Meinhold gemeldet. Danach Frau Seeler. Ich mache darauf aufmerksam, dass Herr Kollege Mühe zu einer anderen Eingabe auch noch Zeit beansprucht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist unglaublich, was hier abläuft.

(Zustimmung bei der CDU)

Das ist deshalb unglaublich, weil die Debatte um Prozentzahlen etwas anderes nicht deutlich genug gemacht. Es werden neuerdings nicht Prozentwerte mitgeteilt, die relativ abstrakt sind, sondern das Ministerium legt bis auf die Stelle hinter dem Komma die Fakten der Schule offen. Lassen Sie mich das noch einmal deutlich machen, damit das klar wird, und zwar an der Realschule; dann kann man den Prozentwert ausrechnen. 450 : 423,5 bedeutet eine Unterrichtsversorgung von 94,1 %.

(Frau Vockert [CDU]: Nur die Soll- stunden, keine Zusatzstunden! - Ge- genruf von Frau Seeler [SPD]: Sie wissen doch, dass ein Unterschied zwischen Sollstunden und Pflicht- stunden besteht!) Dann gliedert die Landesregierung das in der Antwort gegenüber den Eltern sorgfältig auf. In den Sollstunden - meine Damen und Herren, das muss auch gesagt werden - sind erst einmal alle Pflichtstunden zuzüglich der Stunden enthalten, die die Schulen als Zusatzbedarf beantragen. Das muss auch klar sein. Dann sagt die Antwort der Landesregierung für die Eltern sehr differenziert aus, wie die Schulen mit den Stunden umgehen. Das will ich Ihnen noch einmal deutlich machen. In den Realschulen gibt es Kursfrequenzen von 13 und 13,2 Schülern. Da muss man sich fragen: Ist das in Ordnung oder nicht? Dazu hat es nach unserer Kenntnis Abstimmungen innerhalb der Schulen gegeben. Wir haben lange genug gefordert: mehr Mitverantwortung, mehr Mitbestimmung für die Schulen. Wenn sie sie haben, sollen sie sie auch nutzen können. Dann kann man nicht hier im Parlament die Kurve drehen und sagen, wir würden den schwarzen Peter nach unten geben. Was wollen Sie eigentlich, selbständige Schulen mit mehr Eigenverantwortung (Decker [CDU]: Und weniger Leh- rern!)

oder nach wie vor geregelt von oben? Wir haben uns für den ersten Weg entschieden. Dabei sollten wir auch bleiben. Wir finden es gut, dass die Schulen Eigenverantwortung haben.

(Eveslage [CDU]: Bleiben Sie dabei, dann gewinnen wir die Wahl!)

Zur selben Frage Frau Seeler!

Frau Vockert, es ist richtig bedauerlich, dass Sie, obwohl Sie schon so lange im Kultusausschuss sind, immer noch nicht den Unterschied zwischen Soll- und Pflichtstunden kennen.

(Eveslage CDU: Waren Sie mal Leh- rerin?)