Protokoll der Sitzung vom 14.06.2001

(Beifall von Abgeordneten der CDU)

Bei dieser Diskussion geht es gerade nicht um Ideologie, sondern es geht abseits aller parteipolitischen und sonstigen Meinungsunterschiede, die wir pflegen, um den Kernbestand menschlichen Daseins, um nicht mehr und um nicht weniger. Das ist etwas ganz Anderes als Ideologie.

Drittens. Karl Finke, der Behindertenbeauftragte unseres Landes, stellt in einem Vorwort zu einer Broschüre, die er dieser Tage veröffentlicht hat, die berechtigte Frage, ob unsere Gesellschaft im rastlosen Streben nach dem perfekten Menschen leben will, der letztlich aber ein normierter Mensch sein würde. Ich glaube, dass der Behindertenbeauftragte Niedersachsens hiermit eine gute und richtige Frage gestellt hat. Der perfekte Mensch in einer perfekten Gesellschaft, dann möglichst auch noch mit einem perfekten Tod am Ende des Lebens, ist nämlich, wenn man die Dinge zu Ende denkt, in Wahrheit das genaue Gegenteil von einer menschlichen Gesellschaft.

Es ist richtig, dass Behinderte nicht behinderte Menschen brauchen, die ihnen bei der Bewältigung ihres Lebens helfen. Aber mir scheint, dass Nichtbehinderte mindestens so dringlich Behinderte brauchen, die ihnen deutlich machen und aufzeigen, wie man trotz zum Teil massiver körperlicher und geistiger Unvollkommenheiten dennoch ein Leben in Würde führen kann.

(Beifall bei der CDU und von Abge- ordneten der SPD)

Ich kann, verehrte Kolleginnen und Kollegen, nicht verhehlen - der Kollege Räke wird das gut verstehen -, dass mir mein diakonisches Jahr in den Rotenburger Werkstätten zu vielen Einsichten in diesem Zusammenhang verholfen hat. Wer nämlich einmal über einen längeren Zeitraum Menschen mit schwersten körperlichen und geistigen Behinderungen kennen gelernt und mit ihnen gelebt und gearbeitet hat, wird feststellen, dass diese Menschen eine Seele haben, dass sie sich freuen können, dass sie lachen können und dass sie traurig sein können wie alle anderen Menschen auch.

Ich behaupte mit einiger Sicherheit, meine Damen und Herren - das ist ein Punkt, der mich im Hinblick auf diese Diskussion seit langer Zeit umtreibt -, dass mindestens zwei Drittel dieser Menschen in Rotenburg nicht leben würden oder nie gelebt hätten, wenn es bereits vor 30 Jahren die Präimplantationsdiagnostik, wie sie sich manche heute vorstellen, gegeben hätte. Damit ist für mich persönlich die Grenze markiert. Ich kann nicht akzeptieren, wenn sie überschritten werden sollte. Mit anderen Worten: Heilung und Linderung von Krankheiten sowie wissenschaftlicher Fortschritt unter Beachtung der Würde des Menschen, da sind wir uns einig, Herr Plaue, ja. Aber Heilung von Menschen auf Kosten werdenden Lebens und eine damit verbundene Selektion von Menschen, eindeutig nein!

Im Übrigen, meine Damen und Herren, auch wenn es unangenehm ist: Es kann nicht sein, dass sich die allermeisten Politiker aus allen politischen Richtungen gegen die PID wenden, aber gleichzeitig das große Problem der Spätabtreibungen negieren.

(Beifall bei der CDU und von Abge- ordneten der GRÜNEN - Biallas [CDU]: Das ist der Kasus knacktus!)

Wer das eine will, muss über das andere reden. Ich möchte die Diskussion über den § 218 nicht neu beginnen,

(Plaue [SPD]: Damit fangen Sie an!)

aber über dieses Problem müssen wir reden. Wir kommen nicht darum herum.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es hilft auch nicht der Verweis auf andere Länder, den ich aus der Ökonomie höre, zum Teil auch aus der Wissenschaft. Zuerst haben wir Deutschen die Pflicht, auf der Basis unserer Kultur, im Übrigen auch auf der Basis unserer Geschichte, Herr Plaue, zu sagen, wie wir mit diesen Problemen umgehen wollen. Dann können wir überlegen, was wir im Kontext mit den internationalen Gegebenheiten tun wollen. Aber wir Deutschen haben zuerst die Pflicht, zu sagen, was wir Deutschen in diesem Zusammenhang wollen.

Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich gern einer Person ein herzliches Wort des Dankes für ihre ungeheuer guten, menschlichen und mutigen Einlassungen in diesem Zusammenhang in den letzten Monaten sagen. Ich möchte an dieser Stelle Frau Landesbischöfin Käßmann dafür danken, wie klug und weitsichtig sie sich eingelassen hat. Ich meine, dass sie durch das, was sie sagt, Christen und Nichtchristen eine Diskussionsorientierung gibt, die für viele Menschen - sicherlich auch in diesem Hause - wirklich wertvoll ist. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abge- ordneten der SPD)

Das Wort hat Frau Kollegin Harms.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, woran es liegt, aber die andauernden Debatten zur Gentechnik erscheinen mir zunehmend wie Pflichtübungen in „Ethik und Politik“. Es werden sehr viele große Worte gemacht, es wird sehr edel debattiert, und es gibt unglaublich viele Einlassungen zu Toleranz und Respekt auch bei eigentlich völlig konträren Meinungen. Ich frage mich natürlich, was das zu bedeuten hat, worauf das schließen lässt.

(Vizepräsidentin Goede übernimmt den Vorsitz)

Ich glaube, dass in der Debatte, die wir hier führen und die der Bundestag geführt hat, möglicherweise nichts mehr zu entscheiden ist oder - das wäre noch weiter gehend - dass bereits alles entschieden ist. Das ist meinerseits eine deprimierende Einschätzung und Bewertung der Arbeit unseres Berufsstandes. Aber ich stehe dazu. Mein Eindruck in dieser Debatte ist: Es ist entschieden worden, bevor die Debatte, bevor der gesellschaftlichen Diskurs überhaupt begonnen worden ist.

Denken wir doch einmal ein Jahr zurück. Im letzten Sommer war es die Entschlüsselung des genetischen Codes des Menschen, die zu einer tatsächlich überbordenden Hurra-Debatte über die grenzenlosen Möglichkeiten der Gentechnik geführt hat. Damals gab es aber eigentlich nichts wirklich Neues. Hinterfragt wurden die Erfolgsmeldungen aus den USA nur sehr wenig und sehr leise. Heute, ein Jahr später, sind es die Chancen der Präimplantationsdiagnostik und der Forschung an embryonalen Stammzellen, die zunächst das deutsche Feuilleton und dann die Leitartikel der deutschen Presse gefüllt haben.

Wieder sind es, wie im letzten Jahr - ganz unbescheiden -, Gesundheit, Glück und besseres Leben, die dank Embryonenforschung über uns kommen sollen. Versprochen wird das alles zunächst einmal so genannten Risikoehepaaren, deren eigenen Kindern Behinderungen drohen. Versprochen wird das bessere Leben auch Behinderten dank neuer Methoden zur Heilung bisher unheilbarer Krankheiten. Wie viel von diesen Versprechen derzeit wissenschaftlich zu halten ist, wird in dieser Debatte kaum noch gefragt.

Diejenigen, die sich laut fragen, was denn z. B. die Behinderten, denen ein besseres Leben durch Heilung versprochen wird, davon eigentlich halten, oder die sich laut fragen, warum die Forschung an embryonalen Stammzellen zugelassen werden soll, obwohl es doch bisher eigentlich nur bei der Forschung an adulten Stammzellen erkennbare Erfolgsaussichten gibt, oder die sich fragen, wie viele bzw. wie wenige genetisch bedingte Erkrankungen erkannt und abgewendet werden könnten, oder die sich fragen, ob den Risikopaaren - ein schreckliches Wort - nicht mit einer Samenspende oder einer Adoption besser geholfen wäre als mit einer Ausweitung der Prozeduren und Torturen der Invitro-Fertilisation, diejenigen, die sich fragen, wo

hin der Einstieg in die Selektion von Embryonen die Gesellschaft letztendlich führen kann, gelten um das mit den zugespitzten Worten des Sozialdemokraten Peter Glotz zu sagen - im Zweifelsfall als hartherzig, als Fundamentalisten und als Fortschrittsfeinde.

Meine Damen und Herren, meiner Meinung nach gerade noch rechtzeitig für unsere heutige Debatte kam gestern ein Wink von der Universität Bonn, und zwar von Oliver Brüstle. Er wirft der Politik vor, vage Versprechen in die Welt zu setzen, die durch keine Forschungsergebnisse gedeckt seien; eine meiner Meinung nach überraschende Intervention. Bisher ging es in der Wissenschaft doch so zu: Wer Risikokapital anlocken wollte, neigte zu großen Versprechungen. Wer dann tatsächlich das Risikokapital angelockt hatte, der hatte die Politik auf seiner Seite, auch wenn die Einlösung der großen Versprechungen bisher überhaupt nicht in Aussicht steht. Wenn von Herrn Brüstle noch ein Risiko befürchtet wird, dass seine Forschungen an embryonalen Stammzellen nicht durchgeführt werden könnten, dann verstehe ich diese Befürchtung nicht. Was soll nämlich dem, der Herrn Winnacker, Herrn Clement, Herrn Glotz, den Bundeskanzler und meiner Meinung nach auch Frau Merkel, Herrn Rüttgers und Herrn Schäuble bereits auf seiner Seite hat, eigentlich noch geschehen? Oder hat in diesem Land tatsächlich irgendjemand Angst vor Johannes Rau und seiner Position?

Die Positionen des Bundeskanzlers sind, was den zukünftigen Umgang mit Embryonen angeht, meiner Meinung nach eindeutig aus der Bundestagsdebatte zu erschließen:

Erstens. Embryonen zur Forschung werden nicht hergestellt, aber an überzähligen Embryonen darf geforscht werden.

Zweitens. Die PID wird begrenzt zugelassen.

Drittens. Dank der PID werden wir mehr Embryonen erzeugen, als implantiert werden können. Deshalb werden wir bald mehr überzählige Embryonen haben denn je.

Cui bono, meine Damen und Herren? - Das ist eine für mich zentrale Frage gerade dann, wenn die Ethikdebatte dazu führt, dass die Diskussion unübersichtlich wird. Cui bono? - Dass einigen Dutzend Elternpaaren geholfen werden könnte, ist in dieser ganzen Diskussion und bei der Positionierung des Bundeskanzlers nicht entscheidend. Entscheidend ist für den Kanzler und andere Vertreter

des Standortes Deutschland, dass ein interessanter Markt entwickelt werden soll, auf dem es darum gehen wird, zumindest den reichen Eltern in den Industrieländern zu ermöglichen, ihren Nachwuchs dann doch mehr nach Wunsch zu programmieren.

Meine Partei und ich, wir halten dies für falsch. Damit an dieser Stelle nicht einfach zwangsläufig aus Standortinteresse erlaubt wird, was möglich ist, sollten wir in der Politik meiner Meinung nach anfangen, weniger über schwer zu entscheidende ethische Grundsatzfragen zu diskutieren, sondern mehr über Machtverhältnisse nachzudenken und zu klären, wie denn der Bundeskanzler und die Mehrheit der Deutschland AG gebremst werden können. Wir sollten auch klären, welchen Stellenwert eine ethische Grundsatzdebatte im Landtag gegenüber einer Werbeveranstaltung für niedersächsische Genwelten hat, wie sie die Landesregierung morgen auf dem Opernplatz durchführen wird.

Meiner Meinung nach müssen wir das auch deshalb tun, damit gesellschaftliche Diskurse überhaupt ernst genommen werden. Wir stehen auch in der Gefahr, dass ein ganz anderes Versprechen - nicht nur das Versprechen der Wissenschaftler- hohl bleibt. Wir sind in der Gefahr, dass das Versprechen hohl bleibt, politische Entscheidungen seien durch gesellschaftliche Diskurse zu beeinflussen. Im Moment sieht es für mich so aus, als könnte die große ethische Grundsatzdebatte in der bundesdeutschen Politik lediglich auf eine Akzeptanzmaßnahme hinauslaufen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schönen Dank, Frau Kollegin Harms. - Meine Damen und Herren, jetzt hat Herr Professor Wernstedt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es kommt selten vor, dass sich Parlamente an Grundsätzliches wagen und die Politik bereit ist, ihre Noch-Nicht-Entschiedenheit zu bekennen. Davon gehe ich trotz der kritischen Einlassungen von Frau Kollegin Harms noch aus. Aber den eingefleischten Pragmatikern und Entscheidern ist eine solche Situation in der Regel ein Graus mit der Folge, dass sie häufig nicht merken, warum eigentlich etwas schief gegangen ist.

Bei unserer Debatte um Gentechnik und Würde des Menschen soll das nun anders sein. Als Johannes Rau, der Bundespräsident, vor einigen Wochen mit eindeutigen Thesen und Warnungen in dieses Thema einstieg, glaubte ich, ihm unmittelbar und uneingeschränkt zustimmen zu können. Denn der Ausgangspunkt seiner Überlegungen, dass, wie es im Grundgesetz steht, die Würde des Menschen unantastbar sei, scheint mir, ist unstrittig, soweit ich sehe. Angesichts der Entstehungsgeschichte dieses Satzes und vor dem Hintergrund der Barbarei des Nationalsozialismus ist dies auch ein sehr starkes Argument.

Und dennoch ist diese wundervolle Rede eigentümlich unhandbar. Sie erklärt nämlich zur Gewissheit, was doch erst noch zu klären wäre. Denn von der Würde des Menschen sprechen kann man nur, wenn man weiß, was der Mensch ist, wann er beginnt und was wir davon halten.

Die Annahme, der Mensch beginne mit der Befruchtung der Eizelle durch die Samenzelle, schafft argumentativ klare Verhältnisse und führt zum strikten Verbot jeder Handhabung, technischer Manipulationen und z. B. auch der Abtreibung. Die katholische Kirche war hierin stets konsequent. Unser gesellschaftlicher Konsens, was Recht und was Unrecht ist, ist aber über diesen rigiden Standpunkt hinausgegangen.

Wenn diese Auffassung Geltung hätte, gäbe es auch für die im Reagenzglas erzeugte Befruchtung, die sogenannte In-vitro-Fertilisation, keine andere Möglichkeit als die Einpflanzung, und zwar aller erzeugten befruchteten Eizellen. Aber dieses scheinbar klare Argument und diese Argumentation sind nicht widerspruchsfrei, und zwar aus sich selbst heraus nicht. Denn was geschieht mit den befruchteten Eizellen, die nicht zur Entwicklung zu einem Menschen kommen, die dabei entstehen? Die gibt es in Deutschland wahrscheinlich schon zu Tausenden. Sie sind im Augenblick eingefroren und werden, so wie wir es sehen, niemals zu einem Menschen heranwachsen, obwohl sie es unter bestimmten Bedingungen könnten. Was mit ihnen tun? Sie entsorgen, also töten? - Wenn sie Träger einer Würde des Menschen oder Personen sind - wie im philosophischen Raum auch gesagt wird -, wäre das dann glatter Mord.

Diese Art der Argumentation wird durch die Praxis und die Rechtssituation zum Schwangerschaftsabbruch konterkariert. Eine Frau kann nach entsprechender medizinischer oder sogar manchmal sozi

aler Indikation straffrei abtreiben. Es ist nicht widerspruchsfrei und auch unverständlich, die medizinische Diagnose während der Schwangerschaft zu erlauben - mit der Folge der Abtreibung -, diese Diagnose aber als Präimplantationsdiagnose gänzlich auszuschließen.

Noch absurder wird eine andere Überlegung: Wenn die befruchtete Eizelle bereits vollständig als Mensch und Träger der Würde gilt, stempeln wir alle Frauen, die eine Spirale tragen, zu tatsächlichen Mörderinnen; denn die Spirale verhindert nicht die Befruchtung, sondern die Einnistung, ohne die eine befruchtete Eizelle nicht zum geformten Menschen heranreifen kann. In Frankreich und England lässt man daher das menschliche Leben erst mit der Einnistung beginnen, oder man ist auf dem Wege, das gesetzlich zu normieren. In Israel ist aufgrund jüdischer Auffassungen - wie ich gelesen habe; nicht studiert habe - der Embryo überhaupt nicht beseelt und daher frei für die Forschung. Wie dies allerdings mit dem Psalm 139, 15 vereinbar ist, in dem steht „Mein Kern war dir, Gott, nicht verholen, als ich wurde gemacht im Verborgenen“ oder „Meine Urform sahen deine Augen schon“, kann ich mir nicht erklären. Mir ist nicht klar, wie das mit einer solchen Formulierung vereinbar sein soll.

Auch wenn die Bedenken gegen die Annahme, dass die befruchtete Eizelle bereits vollständiges personales Leben sein könnte, gewichtig sind, wäre die vorbehaltlose Praxis einer PID und einer Stammzellenforschung ihrerseits höchst problematisch, denn es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass die PID die Frage nach der Solidarität mit den Behinderten - und zwar mit den lebenden und den werdenden - aufwirft. Es wäre weder mit der Würde der Behinderten noch der ihrer Eltern vereinbar, wenn sie sich eines Tages überhaupt dafür rechtfertigen müssten, dass sie existieren bzw. dass sie zugelassen haben, dass ihr Kind existiert. Die Gefahr einer eugenischen Selektion ist groß, und so, wie wir die Menschen kennen, kaum zu bremsen. Es bleibt wohl argumentativ nur der Versuch, die Möglichkeit einer medizinischen Indikation präzise zu fassen und bestimmte andere auszuschließen. Ob das dann durchsetzbar ist, ist eine andere Frage.

Der Grundsatz, die Würde des Menschen zu schützen und embryonale Stammzellen von der Forschung auszunehmen, ist unstrittig, aber sie gilt eigentlich zunächst einmal nur für totipotente und nicht für so genannte pluripotente Stammzellen, also diejenigen Stammzellen, die nur eventuell

gesundes Gewebe und damit auch neue Organe hervorbringen könnten. Darüber haben wir übrigens, Frau Kollegin Harms, aus Anlass eines Akademieabends der Göttinger Akademie der Wissenschaften hier schon einmal diskutiert. Diese Perspektive eröffnet – wie man sagt - ungeahnte Heilungsmöglichkeiten und ist auch der Kern der künftigen medizinischen Hoffnung. Diese Möglichkeiten aus grundsätzlichen Erwägungen kleinzureden oder zu verwerfen, wäre - glaube ich – fahrlässig. Denn abgesehen von den praktischen Schwierigkeiten – der Hinweis auf andere Länder ist schon bedeutsam, selbst dann, wenn wir zu eigenen Stellungnahmen kommen müssen; hierin stimme ich dem Kollegen Gansäuer durchaus zu stellt sich hier durchaus die ethische Frage, welchen Wert der Versuch des Heilens und Helfens hat. Für christlich gebundene Menschen mag der Hinweis gelten: Jesus Christus ist besonders als Heiler in seiner Zeit bekannt geworden.

Wenn es möglich sein sollte, eines Tages heute noch unheilbare Krankheiten oder genetisch bedingte oder andere mit neuen Methoden zu heilen, wird niemand die Stirn haben, dies in Deutschland aus jeder möglichen grundsätzlichen Erwägung heraus zu verbieten. Behinderungen sollen nicht erneut stigmatisiert werden. Aber behindert zu sein ist für die Betroffenen auch keine Wohltat. Wenn es möglich wird, solch ein bisher unabänderliches Schicksal zu wenden, dann sollten wir das tun dürfen. Wir kämen selbst in eine Glaubwürdigkeitskrise und würden einen Heilungstourismus ins Ausland fördern. Auf solcher Doppelmoral läge auch kein Segen, und sie ist daher auch politisch problematisch. Von den wirtschaftlichen Argumenten will ich überhaupt nicht reden.

Was also tun? – Ich weiß es noch nicht. Jedenfalls kann es beim gegenwärtigen Stand der Erkenntnis noch keine rational abgestützte Gewissheit geben. Aber es scheint mir wichtig, dass der öffentliche Diskurs zwischen Wissenschaft, Recht, Religion und Politik in dieser Frage nicht abreißt und vielleicht auch als Vorbild für kommende Entscheidungen gelten kann. Denn wir sollten auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht in eine Situation bringen, in der sie ohne Bewusstsein für die Gefährdungspotenziale ihres Forschens den Politikern allein die Verantwortung für die Folgenbeseitigung überlassen, denn recht verstandene Ethik - ob theologisch oder philosophisch motiviert- kann und muss immer eine Unterrichtung auch des eigenen Gewissens beinhalten.

Eine solche Unterrichtung zur Kenntnis zu nehmen – auch bei den Wissenschaftlern –, macht meines Erachtens auch die Menschenwürde des Forschenden aus, und wir sollten darauf bestehen. Als Alfred Kubel Otto Hahn fragte, ob dieser 1938 nicht geahnt oder gewusst habe, welche mörderischen Potenziale für die Menschheit in der Atomspaltung steckten, antwortete Otto Hahn, das hätte er nicht zu bedenken gehabt. In dieser Unschuld sollten wir weder uns noch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jemals wieder halten.

(Starker Beifall im ganzen Hause)

Frau Kollegin Pawelski, bitte schön!