Protokoll der Sitzung vom 14.06.2001

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat jetzt der Kollege Schröder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! "Gen tut alles", war einer der zahlreichen Artikel zu diesem Thema überschrieben. In der Tat, die Heilung von Krebs, Alzheimer und Parkinson, die ständige uneingeschränkte Verfügbarkeit von Transplantationsorganen und -geweben und auch das zertifiziert gesunde Baby dank genetischer Diagnostik, ob nun präimplantiv oder pränatal, sind bisher in der Sache nicht begründete Visionen, die eine solche Heilserwartung produzieren, dass man sich geradezu in moralischer Geiselhaft befindet, wenn man auf Risiken und Nebenwirkungen dieses Entwicklungsweges hinweisen will.

Ich bin nicht bereit, dieses schlichte Entweder Oder zu akzeptieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bin auch nicht bereit, bei der Frage, ob Embryonen eine denkbare Ressource für die Wissenschaft und für die pharmazeutische Produktion sind, mit Standortkriterien oder mit Arbeitsplätzen zu argumentieren,

(Beifall von Abgeordneten der GRÜ- NEN)

mit der Notwendigkeit, in Niedersachsen oder in Nordrhein-Westfalen den Anschluss an HighTech-Regionen in der übrigen Welt zu behalten. Ich bedauere es außerordentlich, dass in einer Situation, in der Redner aller Fraktionen hier gesagt haben, wir brauchen Zeit für eine intensive, gründliche Debatte über diese vielen schwierigen Fragen, Herr Clement schon einmal eine Ladung Stammzellen in Israel ordert und Frau Knorre das auch noch wunderbar findet und - wenn sie denn in der Neuen Presse am 13. Juni richtig zitiert worden ist - verlangt, es dürfe nicht unterschieden werden zwischen denen, die ethisch-moralisch und jenen, die ökonomisch argumentieren. Wenn das, was da geschrieben worden ist, richtig ist, dann muss ich sagen: Das muss unterschieden werden. Eine ökonomische Debatte ist hier wirklich der allerletzte Punkt. Andere Fragen stehen ganz wesentlich im Vordergrund.

(Beifall bei den GRÜNEN und von Abgeordneten der SPD und der CDU)

Ich will aber auch sagen - vielleicht unterscheide ich mich da von einigen anderen Vertretern auch meiner eigenen Fraktion -: Ich gehöre nicht zu denen, die in jeder Petrischale schon gleich den Nährboden für eugenische Selektion sehen. Die PID, die ja zahlenmäßig vergleichsweise wenig bedeutsam ist im Verhältnis zur pränatalen Diagnostik, gefährdet nach meiner Überzeugung nicht das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderungen. Einiges ist schon von meiner Kollegin Pothmer gesagt worden, auch von Frau Bockmann und von dem Kollegen Dr. Winn, über das Entstehen von Behinderungen und die unvermeidbaren Folgen, unabhängig von genetischen Tests, durch den Geburtsverlauf, durch die verbesserten Überlebenschancen bei Frühestgeburten, z. B. schon ab der 23. Woche, oder natürlich auch durch Ereignisse im späteren biographischen Lebensverlauf. Ich kann schon heute Abend behindert und auf die Solidarität all meiner Mitmenschen angewiesen sein. Das ist nicht der entscheidende

Punkt. An dem Punkt sollten wir uns auch nicht zu sehr verzetteln.

Die Hauptauseinandersetzungen finden nach meiner Überzeugung woanders statt. Nach meinem Eindruck ist die Entwicklung zum großen Teil schon gelaufen, kommen wir mit unserer Debatte teilweise zu spät. Während wir ankündigen, eine umfassende Debatte über Ethik, Religion, Moral führen zu wollen, melden andere schon ihre Patente an, zumindest beim Europäischen Patentamt, ist der Kampf um die technische und ökonomische Verwertbarkeit des menschlichen Genoms bereits in vollem Gange.

Ich will als einen Blick in die Zukunft noch auf zwei Beispiele verweisen. Beim Europäischen Patentamt liegt ein Antrag vor auf Produktion embryonaler Stammzellen bis zum sechsten Tag als Diagnostikmittel. Es gibt Anträge der Universität Hawaii zum spezifischen Klonen beispielsweise von Zootieren, Rennpferden und auch Menschen. Es gibt zudem eine Vielzahl von Patentanträgen für einzelne Gensequenzen, obwohl wir heute wissen, dass es eigentlich sehr viel weniger sind, dass sie multifunktionaler sind, als man bisher angenommen hat. Im Grunde ist der gesamte Bereich noch nicht verstanden.

Das Embryonenschutzgesetz hat sich bewährt. Kurzfristig müssen wir uns aber mit der Umsetzung der EU-Biopatent-Richtlinie befassen, mit der Nachbesserung in diesem Bereich auf europäischer Ebene. Es nützt nichts, hier in Deutschland über Embryonenschutz zu reden, während in Nachbarländern Dienstleistungen offen angeboten werden. Wir müssen uns über Nachbesserungen der Europaratskonvention zur Bioethik unterhalten. Auch bei den Zusatzprotokollen im Bereich Embryonenschutz müssen wir als Landesparlament tätig werden. Sonst sind die Entscheidungen getroffen und weltweit Patente erteilt, bevor wir unsere Diskussion zu Ende geführt haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und von Abgeordneten der SPD und der CDU)

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist - ich denke, mit einigem Recht - vereinbart worden, dass wir die Redezeiten hier großzügig auslegen. Es sind alle Redezeiten ausgeschöpft. Die Wortmeldung des Herrn Kollegen Domröse ist uns abhanden gekommen. Er hatte sich rechtzeitig ge

meldet. Ich gehe davon aus, Sie sind damit einverstanden, dass der Kollege Domröse jetzt noch das Wort bekommt und dass danach Frau Schwarz und Herr Biestmann noch für jeweils drei Minuten das Wort bekommen. Herr Dr. Domröse hat noch fünf Minuten Redezeit. Sind Sie einverstanden, obwohl die Redezeiten insgesamt schon ausgeschöpft sind? - Ich denke, so fair sollten wir jetzt sein.

Bitte schön, Herr Dr. Domröse!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin natürlich völlig damit einverstanden. Es tut mir Leid, dass ausgerechnet durch den Verlust meiner Wortmeldung ein bisschen Unruhe entstanden ist.

In dieser Debatte ist schon sehr viel gesagt worden, und wir sind sicherlich klug beraten, nicht alles zu wiederholen.

Ich habe mich deshalb zu Wort gemeldet, weil ich aus der intensiven Beobachtung der Debatte heraus meine, dass wir uns bislang um eine entscheidende Frage gedrückt haben. Wir haben gefragt: Was dürfen die Mediziner? Was dürfen die Wissenschaftler? Was dürfen Eltern, die kinderlos geblieben sind? Was dürfen sich Eltern von behinderten Kindern wünschen? Was dürfen sich behinderte Menschen wünschen? Aber die Frage, was wir uns eigentlich selbst wünschen dürfen, diese Frage haben wir noch nicht zur Debatte gestellt. Sie ist aber der Kern des Ganzen. Das ist meine persönliche Sichtweise.

Ich beginne einmal mit einem persönlichen Geständnis. Ich habe eine tiefe Sehnsucht in mir, nämlich die tiefe Sehnsucht, dass ich möglichst lange gesund bleibe, alle Kräfte habe, die man dazu braucht, um ein erfülltes Leben, ein gesundes Leben zu führen. Ich möchte möglichst lange denken können, sehen können, sprechen können, laufen können, hören können - möglichst lange! - und dann vielleicht irgendwann einmal ohne Schmerzen, wie es Reinhard May in einem Lied gesungen hat, gefällt werden wie ein Baum. Das ist meine Ursehnsucht.

Wenn das nicht gelingt, weil ich zwischenzeitlich krank werde, habe ich die Sehnsucht, dass es Mediziner gibt, die mir mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln helfen, diesen Weg wieder zu erreichen.

Wenn mich jemand von Ihnen fragen würde - ich hoffe, Sie sind so höflich, dies nicht zu tun -, wie lange ich denn auf diese Weise leben möchte, werde ich Ihnen wahrscheinlich eine unehrliche Antwort geben. Die Sehnsucht der Menschen, dies so lange wie möglich tun zu können, sitzt so tief, dass sie noch nicht einmal den Mut haben, auszusprechen, wie lange sie sich das denn eigentlich wünschen.

Diese Sehnsucht, meine Damen und Herren, treibt doch die Wissenschaftler, treibt die Mediziner an, nicht nur weil wir diese Sehnsucht haben, sondern weil auch sie die Sehnsucht haben, an der Erfüllung dieser Träume mitzuwirken. Sich jetzt hinzustellen und zu rufen „Halt, so habe ich das aber nicht gemeint“, wirkt unglaubwürdig, solange wir uns mit der Frage, was wir uns denn wünschen dürfen, nicht selbst beschäftigen.

Ich sage Ihnen meine ehrliche Meinung dazu: Ich glaube, dass wir bei der ganzen Debatte, die wir heute über Gentechnik führen, die wir über Transplantationen geführt haben - darauf werde ich gleich noch eingehen - und die wir über die Zukunft und die Chancen der Medizin geführt haben, immer auch im Hinterkopf gehabt haben: Je mehr die Medizin zu leisten vermag, umso mehr nähere ich mich dem Punkt, darüber nachzudenken, ob ich mir die Anwendung dieser Medizin noch wünschen darf oder ob es nicht irgendwo ein Ende, ein natürlich gestaltetes Ende, auch für mich gibt.

Vor dieser Diskussion um die Grenzen der eigenen Sehnsüchte haben wir eine ebenso tief verwurzelte Angst. Ich glaube, das ist auch ein Grund.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe Herrn Finke, der heute schon mehrfach zitiert worden ist, genauso verstanden, dass wir die Debatte auch an dieser Stelle um uns selbst eröffnen müssen, nicht nur bezogen auf den Ausschnitt, der hier genannt worden ist, auf die Frage, wie viel ein behindertes Leben wert ist. Ich glaube, darüber gibt es hier viel, viel mehr Einigkeit, als dass es sich lohnen würde, darüber zu reden.

Meine Damen und Herren, die Wissenschaft, die wir gerufen haben und die diese Antworten für uns gibt, braucht nach meiner festen Überzeugung klare Regeln, die aber auch nicht zu eng gestaltet sein dürfen. Das, was heute - das will ich nur noch ganz kurz ansprechen - mehrere, von Prof. Wernstedt angefangen, gesagt haben, ist der entscheidende Weg. Wir haben - das ist ein Positives dieser

Debatte - den Streit darüber beendet, ob Wissenschaft eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung hat und wie denn diese Verantwortung gestaltet werden kann. Sie nicken, Herr Biallas. Das freut mich wirklich, weil wir nämlich noch - ich habe das gestern schon in der Hochschuldebatte gesagt 1993 einander diametral fundamentalistisch gegenüber gestanden haben. Ich bin fest davon überzeugt, dass heute keine Debatte geführt wird, die heute zu Ende sein darf, sondern dass das eine permanente Debatte sein muss, die nicht nur in den Parlamenten, sondern dort geführt wird, wo die Probleme am Ende auftreten können, nämlich in den Hochschulen, bei den Medizinern selbst. Wir brauchen keine Elfenbeinwissenschaft, sondern wir brauchen eine offene Wissenschaft, wir brauchen die Ethikräte in den Hochschulen, bei den Forschern selbst, um so nahe wie möglich diesen gesellschaftlichen Einfluss darstellen zu können.

Eine letzte Anmerkung mit zwei oder drei Sätzen. Für einen Nichtmediziner, aber Naturwissenschaftler ist es sehr schwer, das gesamte Umfeld zu verstehen, was denn eigentlich bei der Menschwerdung, bei der Entstehung des Lebens passiert. Aber ich habe mir, wie einige von Ihnen auch, nicht nur heute die Debatte aufmerksam angehört, sondern auch seinerzeit, als wir hier in diesem Hause an gleicher Stelle über Transplantationen gesprochen haben. Ich habe viele Ähnlichkeiten festgestellt und möchte diese Ähnlichkeiten gerne noch einmal in Erinnerung rufen. Wir alle waren uns damals einig, dass unsere Wünsche nach Gesundwerden - ich glaube, Sie, Herr Gansäuer, haben das heute als Erster angesprochen - an einer Stelle eingeschränkt sein müssen: Das darf nicht zulasten Dritter gehen. Das ist völlig klar, und darüber bestand auch Einvernehmen in diesem Hause. Das deckt sich auch mit unseren Sehnsüchten.

Ich glaube aber, dass das nicht mehr reicht. Wir haben damals gesagt: Natürlich muss derjenige, der Organspender ist, selbstbestimmt erklärt haben, dass er es auch will, anderen Menschen damit zu helfen. Wir haben keinen Zweifel mehr daran gehabt, dass es legitim ist, dass wir uns mit den Organen anderer heilen oder gesund machen lassen dürfen. Wir haben Zweifel darüber gehegt, ob denn das Zeitfenster, das hier existiert, in dem wir jemandem, der einmal ein Mensch war, aber keiner mehr wird, lebende Zellen entnehmen, richtig bestimmt ist, ob wir den Todeszeitpunkt in diesem Fall richtig bestimmt haben. Darüber haben wir

lange gestritten, und darüber werden wir möglicherweise auch noch weiter streiten.

Mich erinnert diese Debatte an die Frage, ob wir denn an überzähligen embryonalen Stammzellen forschen dürfen. Auch hier geht es um lebende Zellen, die aber nicht mehr Mensch werden. Prof. Wernstedt hatte das an dieser Stelle bereits deutlich gemacht. Ich finde, hier ist sehr viel Ähnlichkeit. In dem Sinne, den der Ministerpräsident angesprochen hat, dass wir die Debatte, die wir schon einmal erfolgreich geführt haben, nicht einfach über Bord werfen und die Erkenntnisse daraus nicht vergessen, sollte diese Parallelität gelten. Ich bin dafür, dass man in der Tat an lebenden Zellen, die nicht mehr Mensch werden können, also an embryonalen Stammzellen, forschen darf. Weil das heute viele gesagt haben, bin ich der Auffassung, dass wir nach reiflicher Überlegung mit entsprechend neuen Vorschriften das Embryonenschutzgesetz an dieser Stelle öffnen sollten.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Kollege Biestmann hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist unverkennbar, dass Möglichkeiten des Eingriffs in das menschliche Erbgut einen bioethischen und medizinischen Paradigmenwechsel bedeuten, der weit reichende Auswirkungen auf unsere zukünftige Gesellschaft, auf unser zukünftiges Zusammenleben haben wird. Trotz aller forschungspolitischen Notwendigkeiten stellt sich für mich in diesem Zusammenhang die Frage, auf welchem Wertebezug, auf welcher ethischen Grundlage diese Gesellschaft basiert. Ist es die Solidarität, die Subsidiarität, die Verantwortung vor der Schöpfung im Sinne des christlichen Menschenbildes, oder sind es mehr Fragen nach verstärkter Wirtschaftlichkeit, von Sozial- und Gesundheitspolitik, internationaler Wettbewerbssituation von Wissenschaft, Forschung und Medizin, oder ist es ein wie auch immer geartetes Grundrecht jedes Einzelnen auf Gesundheit und Unversehrtheit?

Aus meiner Sicht ist das menschliche Leben, die Würde des Menschen das höchste Gut, das es zu verteidigen gilt.

(Zustimmung von Wulff (Osnabrück) [CDU])

Das muss für jedes menschliche Leben in jeder Lebensphase, in jeder Ausstattung und Konstitution gelten. Ich halte es aus ethischen Gründen für nicht vertretbar, menschliches Leben in Form von Embryonen oder embryonalen Stammzellen zu verbrauchen, um damit anderes Leben zu erhalten. Eine Güterabwägung zulasten menschlichen Lebens ist meines Erachtens ethisch unvertretbar.

Verstärkte Bioforschung zur Heilung von Krankheiten und zur Verhinderung möglicher Erbkrankheiten ist unbestreitbar notwendig und unverzichtbar, etwa in Form einer Verwendung adulter Stammzellen von Erwachsenen.

Meine Damen und Herren, die bisherigen Debatten im Bundestag, aber auch die Debatte heute im Landtag lassen hoffen, dass wir bei den Fragen der Gen- und Biotechnik sowie beim Embryonenschutz parteiübergreifenden Konsens in Form einer Gewissensentscheidung jedes Einzelnen erzielen können und wir uns Zeit für weitere Informationen, Beratungen und spätere Entscheidungen lassen.

Daher kann mein engagiertes Eintreten für einen wertorientierten Ansatz zukünftiger Gen- und Bioforschung zunächst als meine persönliche Argumentation verstanden werden. Die Argumentationslinien verlaufen – wie sich heute gezeigt hat – quer durch die Fraktionen. Im Übrigen bin ich von der Berliner Rede des Bundespräsidenten Johannes Rau zu dieser Problematik sehr angetan. Dies habe ich ihm in einem Schreiben mitgeteilt.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige grundsätzliche, aber wichtige Anmerkungen machen. Mit einer Anwendung der Präimplantationsdiagnostik würden wir meines Erachtens einen ethischen Dammbruch begehen, der auch nicht durch die legalisierte Pränataldiagnostik zu rechtfertigen ist. Ich halte es hingegen für notwendig, die gegenwärtige Praxis der Pränataldiagnostik ernsthaft zu hinterfragen. Hier geht es längst nicht mehr im Sinne einer medizinischen Indikation um die Gesundheit und Psyche der Mutter, sondern immer öfter um die körperliche und geistige Unversehrtheit des Embryos, also um eine verdeckte Form eugenischer Indikation. Bei der PND und erst recht bei der PID steht zu erwarten, dass die Grenzen medizinischer Intervention fließend interpretierbar und möglicherweise später beliebig sind. Zunächst ist es der prognostizierte offene Rücken,

später die Unterkieferstellung und vielleicht später das Geschlecht oder die Augenfarbe des werdenden Kindes. Der Weg von der Selektion von erbkranken und risikobehafteten Embryonen bis zum genetisch selektierten Wunschkind ist nicht weit, abgesehen von den denkbaren Fehldiagnosen – sozusagen als tödlicher Irrtum zulasten werdenden menschlichen Lebens.

Diese Form von Selektion menschlichen Erbgutes ist meines Erachtens die Vorstufe zur Diskriminierung von Behinderten. Es darf keine Entwicklung geben, an deren Ende Behinderte ihr Lebensrecht und ihr Dasein gegenüber der Gesellschaft zu rechtfertigen haben. Nach dem christlichen Menschenbild steht es dem Menschen nicht zu, über den Wert und die Unwertigkeit menschlichen Lebens zu richten, weil der Mensch in seiner Einzigartigkeit wesentlicher Teil der Schöpfung und Ebenbild Gottes ist. Das gilt in besonderer Weise für wehrunfähige, behinderte und alte Menschen. Daher muss als ethische Richtschnur unseres politischen Handelns gelten: Es kann keine gen- und biotechnischen Zwänge geben, die menschliches Leben vernichten und die Würde menschlichen Lebens verletzen. Die Würde menschlichen Lebens kann und darf nicht wirtschaftlichen Erwägungen zum Opfer fallen. Menschliches Leben darf nicht gegen menschliches Leben aufgewogen werden. Dies muss für embryonales Leben in jeder Entwicklungsphase gelten.

Daher lehne ich persönlich die Erzeugung embryonaler menschlicher Stammzellen, von Embryonen zu Forschungszwecken und zu gewerblichen Zwecken ebenso ab wie die verbrauchende Embryonenforschung. Alle gendiagnostischen Maßnahmen in der Fortpflanzungsmedizin, die eugenische Ziele verfolgen, sind auch weiterhin durch das Embryonenschutzgesetz zu verhindern.

Im Grundgesetz, meine Damen und Herren, heißt es: Die Würde des Menschen ist unantastbar - ich möchte hinzufügen: und auch nicht teilbar. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Ich rufe die letzten Wortmeldung auf. Frau Kollegin Schwarz, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Diskussion, mit der Forderung der Forschung zum Thema Nutzung von embryonalen Stammzellen und der Präimplantationsdiagnostik werden viele Hoffnungen und Erwartungen geschürt. Eigentlich ist es eine erneute Debatte um den Stellenwert, die Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens in unserer Gesellschaft; ich glaube, das hat die heutige Debatte hier im Landtag sehr wohl mit aufgezeigt. Die Hoffnung und Erwartung von genetisch belasteten Eltern auf ein kerngesundes Kind werden durch die PID forciert. Aber: Wie sehen die Erfolgschancen derzeit eigentlich aus? – Bei der Datenerhebung der Europäischen Gesellschaft für menschliche Fortpflanzung und Embryologie in den Jahren 1993 bis 2000 stellte sich heraus, dass die Erfolgschancen eines Paares bei der In-vitroFertilisation auf die Geburt eines gesunden Kindes bei nur 14 % liegen – nicht, wie Frau Pothmer sagte, bei 1,4 %. Aber es sind nur 14 %. Und bei diesen 886 Paaren, die beteiligt waren, kam es letztendlich zu nur 123 Geburten – dazu gehörten allerdings auch Mehrlingsgeburten -; es wurden rund 162 Kinder geboren. Für diese Anzahl der Geburten wurden 6 465 Embryonen hergestellt.