Protokoll der Sitzung vom 16.11.2001

2. Wie wird von der Landesregierung der Bedarf an Stunden für die Betreuung der praktischen Ausbildung berechnet, und wie bewertet sie im Vergleich dazu die Berechnung der Landesarbeitsgemeinschaft der Fachschulen für Sozialpädagogik?

3. Wie soll künftig sichergestellt werden, dass mit dem sehr knappen Stundenkontingent zur Betreuung der Schülerinnen und Schüler in der praktischen Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher die sehr anspruchsvollen Zielsetzungen der Kultusministerkonferenz für die Erzieherinnen- bzw. Erzieherausbildung erreicht werden?

Die Antwort erteilt die Frau Kultusministerin.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung misst der Ausbildung von qualifizierten Erzieherinnen und Erziehern besondere Bedeutung bei. Erst zum 1. August 2000 wurde der

Umfang der Ausbildung um netto 350 Unterrichtsstunden erhöht. Im letzten Jahr befanden sich ca. 8 000 Schülerinnen und Schüler an öffentlichen und privaten Schulen in der Erzieherausbildung.

Erzieherinnen und Erzieher wurden bis zum Jahre 1993 in einer zweijährigen Fachschule mit einem anschließenden einjährigen von der Schule durch Unterricht und Betreuung begleiteten Berufspraktikum ausgebildet. Seit dem Jahre 1993 muss erst eine zweijährige Berufsfachschule - Sozialassistent, Schwerpunkt Sozialpädagogik - und danach eine zweijährige Fachschule - Sozialpädagogik besucht werden. Das ist übrigens im Einvernehmen aller Fraktionen so gemacht worden. Im letzten Jahr haben 1 894 fertig ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher die öffentlichen und privaten niedersächsischen Schulen verlassen. Dafür hat das Land im Jahr pro Schülerin oder Schüler ca. 27 000 DM und damit insgesamt 51 Millionen DM an Personalkosten aufgewendet. Allein die Betreuungsstunden, deren Höhe von der Landesarbeitsgemeinschaft beanstandet wird, finanziert das Land gegenwärtig jährlich mit 5,6 Millionen DM. Dies soll Ihnen die finanziellen Auswirkungen der hier infrage stehenden Vorstellungen der Landesarbeitsgemeinschaft der Fachschulen - Sozialpädagogik - deutlich machen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt:

Zu 1: Die Zahl der Stunden, die den Schulen für die Betreuung der praktischen Ausbildung in der Erzieherausbildung zur Verfügung gestellt wurden, betrug pro Schülerin oder Schüler und Praktikumswoche von 1985 bis 1990 für die praktische Ausbildung während des Fachschulbesuches und für das Berufspraktikum jeweils 0,25 Unterrichtsstunden, von 1990 bis 2000 für die praktische Ausbildung eine Unterrichtsstunde und für das Berufspraktikum 0,5 Unterrichtsstunden, ab dem Jahre 2000 für die praktische Ausbildung 0,5 Unterrichtsstunden.

Mit Wirkung vom 1. August 2000 wurde der Umfang der Betreuungszeiten in der Ausbildung zu den sozialen Berufen, z. B. in der Heilerziehungspflege und Altenpflege, von bisher 0,33 Stunden pro Schülerinnen und Schüler und in der Sozialpädagogik von bisher einer Stunde einheitlich auf 0,5 Wochenstunden pro Schülerin und Schüler festgelegt. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass diese 0,5 Lehrerunterrichtsstunden bei einer Um

rechnung in Zeitstunden mit einem Faktor von 1,85 multipliziert werden müssen, damit pro Woche und Schülerin oder Schüler eine Zeitstunde für Betreuungsaufgaben zur Verfügung steht. Bei einer Gesamtpraxisdauer in der Erzieherausbildung von 43 Wochen sind dies in der Summe 21,5 Unterrichtsstunden und 39,8 Zeitstunden pro Schülerin und Schüler.

Die Darstellung der Landesarbeitsgemeinschaft, dass in der Vergangenheit für die Betreuung bis zu 200 Stunden pro Schülerin und Schüler zur Verfügung standen, sind nicht nachzuvollziehen. Sie sind in dieser Höhe auch unrealistisch und nicht finanzierbar. Diese 200 Stunden würden bedeuten, dass eine Schülerin oder ein Schüler über fünf volle Arbeitswochen ununterbrochen eine Einzelbetreuung durch eine Lehrkraft erhalten würde. Da die gegenwärtigen 21,5 Unterrichtsstunden für die Betreuung bereits 5,6 Millionen DM jährlich kosten, würden sich die Aufwendungen bei 200 Betreuungsstunden auf jährlich 52 Millionen DM erhöhen.

Zu 2: Die Landesregierung geht davon aus, dass die gegenwärtig pro Woche und pro Schülerin oder Schüler für die Beratung und Bewertung vorgesehene eine Zeitstunde ausreichend ist. Die von der Landesarbeitsgemeinschaft für erforderlich gehaltenen Betreuungsstunden sind in der überwiegenden Zahl der Einzelposten weit überhöht. Die Durchführung von Praktika ist eine wiederkehrende Regelmaßnahme. So ist z. B. eine wiederkehrende Vorbereitungszeit von 42 Stunden für sechs Schülerinnen und Schüler kaum nachvollziehbar. Die Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf das Praktikum hat im Unterricht zu erfolgen. Auch eine „reine Fahrtzeit“ von vier Stunden für zwei Besuche dürfte im Regelfall überzogen sein.

Unabhängig davon beabsichtige ich, die Notwendigkeit und Intensität einer Betreuung im Praktikum und den für die Lehrkräfte entstehenden Zeitaufwand im Detail überprüfen zu lassen. Aufgrund der knappen Ressourcen muss die kostenintensive Einzelbetreuung der Schülerinnen und Schüler in einem angemessenen Verhältnis zum Unterrichtsaufwand im Klassenverband stehen.

Zu 3: Die Qualität der in Niedersachsen in der Vergangenheit und gegenwärtig durchgeführten Erzieherinnen- und Erzieherausbildung wird von keiner Seite in Zweifel gezogen. Für die Schülerinnen und Schüler liegt das Schwergewicht der Ausbildung im ordnungsgemäßen Unterricht der

Schule und in den in den Einrichtungen erworbenen Praxiserfahrungen. Die Bedeutung der Besuche der Schülerinnen und Schüler in den Einrichtungen durch die Lehrkräfte wird von der Landesarbeitsgemeinschaft überbewertet.

(Zustimmung bei der SPD)

Frau Steiner!

Frau Ministern, ich habe nur eine Nachfrage zu Frage 2. Sie hatten gesagt, Sie hielten für die Betreuung in der praktischen Ausbildung eine Stunde für ausreichend. Ich möchte gerne eine Begründung dafür hören, warum Sie nur eine Stunde für ausreichend erachten.

Frau Jürgens-Pieper!

Frau Steiner, ich habe Ihnen eben vorgerechnet, welche Zeitverhältnisse dabei entstehen. Ich möchte die Beantwortung jetzt nicht wiederholen. Es war doch deutlich, dass sowohl hinsichtlich der Fahrtzeiten als auch der eigentlichen Betreuungszeiten die Zeitstunden, die da pro Woche zustande kommen, ausreichen müssen.

Frau Litfin!

Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, dass angesichts der großen Anzahl junger Menschen, die sich zu Erzieherinnen und Erziehern ausbilden lassen, in Schulnähe bzw. Wohnortnähe dieser jungen Menschen nur wenige Praktikumsplätze zur Verfügung stehen, viele von ihnen oft 40 oder 45, manchmal 50 km entfernt einen Praktikumsplatz bekommen und dass dafür natürlich Fahrtzeiten gebraucht werden?

Ist Ihnen das bekannt?

Mir ist das bekannt. Insbesondere ist mir bekannt, dass dieser Fall manchmal auftritt, aber meistens nicht, sodass sich eine Durchschnittszeit ergibt, die wir eingerechnet haben.

Frau Kollegin Vockert!

Herr Präsident! Frau Ministerin, vor dem Hintergrund der Antwort auf die Frage von Frau Litfin frage ich Sie, ob Sie bereit sind, bei extremen Belastungen, also wenn für die Lehrkräfte tatsächliche erhebliche Fahrtkosten notwendig sind, um die Betreuung während der Praktika zu gewährleisten, Ausnahmen zuzulassen und damit auch eine Stundenausweitung vorzunehmen.

Frau Ministerin!

Lassen Sie mich den Inhalt Ihrer Frage bitte zusammenfassen. Ich habe verstanden, dass Sie über die Fahrtkosten der Schülerinnen und Schüler reden, oder reden Sie von den Fahrtkosten der Lehrkräfte?

(Frau Litfin [GRÜNE]: Zeiten!)

- Sie reden von den Fahrtkosten der Lehrkräfte. Die werden als Reisekosten abgerechnet.

Sie hat nach den Zeiten gefragt, nicht nach den Kosten.

(Frau Vockert [CDU]: Die Zeitantei- le!)

Ich habe die Zeitanteile soeben dargestellt. Ich finde, dass es völlig in Ordnung ist, wenn man sie budgetiert, weil sich das im Durchschnitt ausgleichen wird.

Wir kommen zur

Frage 3: „Bürokratie reibt sich an Insel-Ferien“

Diese Frage stellt die Abgeordnete Frau Ortgies. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 20. Januar 2001 stand in großen Zeilen „Bürokratie reibt sich an Insel-Ferien“ in der NordwestZeitung.

Nicht nachvollziehbar erscheint die Begründung des MK, die bisherigen Ferienzeiten wegen Regelverstoßes auf der Insel Wangerooge zu beanstanden. Bislang ist diese Regelung nicht moniert worden, es bestand ein absoluter Vertrauensschutz.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Das bürokratische Handeln des MK führt zu besonderen und teilweise harten familiären Problemen. Niedersachsen, das sich als Tourismuslandschaft unbedingt weiterentwickeln muss und will, baut sich durch das MK eine eigene Schranke auf, für die kein Verständnis erwartet werden kann. Die Familien auf den Inseln leben ausnahmslos vom Tourismus. Gleichzeitig hat jede Familie ein Recht auf einen Familienurlaub. Soll das alles wegen der Bürokratie des MK zerstört werden?

Ich frage die Landesregierung:

1. Warum soll die bisher unbeanstandete Ferienregelung plötzlich keinen Sinn mehr haben?

2. Warum gestattete die Landesregierung ab 1994 zusätzliche Frühjahrsferien, die jetzt nicht mehr als durchführbar gelten?

3. Ist sie sich darüber im Klaren, dass durch ein solches Verhalten eine familien- und tourismusfeindliche Politik betrieben wird und flexible Lösungen in Ausnahmesituationen verhindert werden?

Die Frau Kultusministerin antwortet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ostfriesischen Inseln sind in der Tat ein beliebtes Erholungs- und Feriengebiet in Deutschland. Der Tourismus stellt deshalb auf den Inseln eine we

sentliche Einnahmequelle auch für Familienbetriebe dar. Vor diesem Hintergrund hat das Land den Schulen auf den Ostfriesischen Inseln im Vergleich zu den übrigen Schulen des Landes seit langem abweichende Ferienregelungen eingeräumt, um Familienurlaube auch außerhalb der Tourismussaison zu ermöglichen.

In der letzten Zeit hat die Festlegung der Ferientermine durch die einzelnen Schulen jedoch zu Ergebnissen geführt, die von Schule zu Schule erheblich abweichen, auch auf derselben Insel. In einigen Fällen haben Schulen auf derselben Insel sogar unterschiedliche Regelungen beschlossen, und den schulischen Belangen wurde nicht mehr in dem erforderlichen Umfang Rechnung getragen.

Das Kultusministerium hat deshalb in einem Gespräch mit Schulleiterinnen und Schulleitern mehrerer betroffener Inselschulen auf die Notwendigkeit einer gewissen Vereinheitlichung bei den Ferienregelungen hingewiesen, insbesondere auf einer Insel, ohne dass dabei die wirtschaftlichen Belange der Einrichtungen und Betriebe auf den Inseln außer Acht gelassen werden. In dem Gespräch hat das Kultusministerium auch die Frage gestellt, ob die so genannten Frühjahrsferien erforderlich sind, da diese, wie Sie wissen, für die Schulen des Landes grundsätzlich nicht vorgesehen sind.

Nach Abwägung aller Gesichtspunkte sind durch das Kultusministerium mit Erlass für die Schuljahre 2002/2003 und 2004/2005 nunmehr folgende abweichende Ferienregelungen nur für diese Schulen auf den Ostfriesischen Inseln genehmigt worden:

Erstens. Die Sommerferien können auf eine Dauer von vier Wochen reduziert werden. Die Ferien können nach Schulentscheidung entweder an einem Donnerstag oder an einem Montag beginnen. Die Ferien enden frühestens am 31. Juli. Die Einschulung in das erste Schuljahr der Grundschule erfolgt am ersten, spätestens aber am zweiten Schultag des neuen Schuljahres.