Protokoll der Sitzung vom 14.02.2002

Der zweite Punkt ist folgender: Auch wenn Sie es bedauern, ein Kompromiss zwischen SPD und Grünen für dieses Gesetz wird nicht ausreichen. Deswegen kündige ich an dieser Stelle schon an: Wir als Union werden das, was wir für richtig halten, vertreten. Wir werden die Qualität des Gesetzes daran messen, ob die wesentlichen Punkte darin enthalten sind. Sonst müssen Sie es eben alleine machen. Eines steht allerdings fest: Ein Zuwanderungsgesetz gegen die Union ist politisch tödlich und wird es deshalb auch nicht geben. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Kollege Harden.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist interessant, den Ausführungen hier zu lauschen, soweit es die Bundespolitik angeht. Bei Frau Stokar weiß ich, dass sie bundespolitische Ambitionen hat. Bei Herrn Biallas war mir das bislang noch nicht bekannt. Wenn man davon ausgeht, dass Sie hier im Landtag sozusagen die CDU auf Bundesebene und Sie hier im Landtag die Grünen auf Bundesebene vertreten - -

(Biallas [CDU]: Und Sie vertreten jetzt die SPD des Kreistages Har- burg!)

- Ich vertrete die SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag und kann Ihnen sagen, was mit der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag zu machen ist und was nicht.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, was wollen Sie eigentlich?

(Busemann [CDU]: Das wissen sie selbst nicht!)

Sollen wir Ihrem Antrag vom November, in dem Sie fordern, den Entwurf von Schily abzulehnen - der Antrag ist noch in der Beratung; Sie müssten ihn eigentlich zurückziehen -, oder dem Antrag zustimmen, den Sie nun vorgelegt haben? Das würden wir gerne tun, weil der Gesetzentwurf auf Bundesebene ein Kompromiss ist. Das Problem dabei ist, dass der Bundestag das nicht allein beschließen kann. Wenn der Bundestag das alleine beschließen könnte, wären möglicherweise die einen oder anderen Länderrechte tangiert, z. B. was die Finanzen angeht. Das haben Sie auch angesprochen.

Was den vorliegenden Antrag angeht, sind meiner Ansicht nach zwei Dinge wesentlich: Erstens. Wir sind uns grundsätzlich darin einig, dass der Gesetzentwurf eine gute Grundlage für künftige Zuwanderung und Integration darstellt. Zweitens. An Niedersachsen wird das Zuwanderungsgesetz im Bundesrat nicht scheitern. Es wird also nicht funktionieren, die SPD hier im Landtag als Knüppel gegen Schily zu instrumentalisieren.

Um wieder zur Sache zu kommen, möchte ich Ihren Antrag einmal durchgehen und Ihnen sagen, wo SPD und Grüne im Niedersächsischen Landtag gemeinsame Wege gehen und wo sich die Wege trennen müssen, und zwar im Wesentlichen unter taktischen Gesichtspunkten.

(Busemann [CDU]: Was, Taktik?)

Uns ist wichtig, dass ein Zuwanderungsgesetz beschlossen wird, damit die Regelungen zur Integration letztlich auch greifen. Ihnen geht es darum, ein Thema für die nächste Bundestagswahl zu haben, mit dem Sie den Leuten Angst machen können. Das ist das, was Sie mit Ihren Beiträgen und Anträgen erreichen wollen.

SPD und Grüne sind sich darin einig - Frau Süssmuth sieht das genauso -, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Bisher ist es leider eine ungeregelte Einwanderung mit ungenügender Integration. Das beschert uns ein ganzes Bündel von Problemen, die in jeder größeren Gemeinde zum Tragen kommen.

(Busemann [CDU]: Wenn wir das schon sind, wozu brauchen wir dann ein Gesetz?)

Zuwanderung zu öffnen und damit jeden herkommen zu lassen, der herkommen möchte, weil er mühselig und beladen ist, wie Sie es fordern, kann

nicht Sinn des Gesetzes sein. Vielmehr geht es um die Steuerung und damit auch um die Regelung und Begrenzung der Zuwanderung.

Was die CDU angeht, die immer vehement eine Begrenzung fordert, so verweise ich auf die größte Zuwanderungsgruppe, die Spätaussiedler. Wenn wir diesbezüglich die Begrenzung nicht in den Griff bekommen, dann können wir uns die Diskussion um das Zuwanderungsgesetz sparen; denn bei dieser Gruppe sind die Probleme der mangelnden Integration am größten.

Geregelte Zuwanderung hingegen kann uns nützen, wenn die Zuwanderer die kulturellen und wirtschaftlichen Fähigkeiten dafür mitbringen, sich bei uns ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Das heißt im Klartext: Sie müssen Deutsch können und auf dem Arbeitsmarkt gebraucht werden. Es ist vernünftig - Frau Stokar, da stimme ich Ihnen zu -, dabei den regionalen Arbeitskräftebedarf zu berücksichtigen.

Nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung als Schutzgrund und Grundlage für eine Aufenthaltserlaubnis zu berücksichtigen, ist sachgerecht und wird den menschlichen Schicksalen gerecht. Auch bislang wurden Menschen, auf die das zutraf, nicht abgeschoben. Aber die im Gesetzentwurf getroffene Regelung ist besser.

Über das Alter für den Nachzug ist öffentlich diskutiert worden. Der Kompromiss sieht ein Nachzugsalter von 14 Jahren vor. Das sollte wirklich die unterste Grenze bleiben. Wenn in einem Vermittlungsverfahren als Obergrenze für das Nachzugsalter zwölf Jahre herauskommen sollte - Herr Teufel wollte ja noch weiter gehen, wobei Herr Döring ihn dann gestoppt hat -, so wäre das schlecht. Aber es wäre kein ausreichender Grund, den gesamten Gesetzentwurf abzulehnen. Grundsätzlich aber sollte der grundgesetzlich garantierte Schutz der Familie nicht nur für deutsche Familien, sondern für Familien in aller Welt gelten.

Andererseits müssen die Voraussetzungen für eine Integration in der Bundesrepublik gegeben sein. Sie sollten nach Möglichkeit nicht alle erst hier und dann auf unsere Kosten geschaffen werden. Es sollte unterbunden werden, dass Kinder türkischer Herkunft von ihren Eltern in die Türkei geschickt werden, damit sie dort bei ihren Großeltern aufwachsen, die Schule besuchen und dann zurückkommen, ohne Deutsch gelernt zu haben. Dann

haben sie nämlich denkbar schlechte Chancen, hier ihren Weg zu gehen.

Das Asylbewerberleistungsgesetz vermag ich nicht als sehr restriktiv anzusehen. Ich habe den Eindruck, dass wir uns den Aufenthalt von Asylbewerbern hier einiges kosten lassen. Darüber, dass es zu wenig ist, wird eigentlich auch keine Klage geführt. Die Behauptung, die von der EUKommission empfohlenen sozialen Mindestnormen für Flüchtlinge würden in Deutschland

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

schon jetzt nicht erreicht, kann ich nicht teilen. Es mag an Zuwendung und Integrationsmaßnahmen mangeln. Aber das hat durchaus mit der ungeheuren Anzahl von Asylbewerbern zu tun, die bis vor wenigen Jahren zu uns gekommen sind.

Bei der europäischen Harmonisierung wird sich herausstellen, dass unser Leistungsniveau recht hoch ist. Sonst wäre Deutschland als Ziel für Asylbewerber nicht so begehrt. Die südeuropäischen Länder werden Schwierigkeiten bekommen, unseren Leistungsstand zu erreichen.

Nun zur Härtefallregelung: Auf den ersten Blick lässt sich mit einer Härtefallregelung jegliche Härte vermeiden. Auf den zweiten Blick eröffnet man damit ein zweites Tor nach dem Asylverfahren. Ob das vernünftig ist, weiß ich so nicht. Es gibt auch bisher schon über Abschiebungshindernisse, Notwendigkeiten des Arbeitsmarktes und Altfallregelungen Möglichkeiten, Schutzbedürftigen zu helfen. Die Diskussion darüber ist, meine ich, notwendig. Da müssen uns auch die Wege aufgezeigt werden, wenn es denn gehen soll, wie man es bitte machen sollte.

Zur Abschiebehaft: Ich kenne nicht alle Stellen, wo es in Deutschland Abschiebehaft gibt. Aber ich habe mir sagen lassen, dass die Bedingungen in Langenhagen - gut, man ist natürlich in Haft; das lässt sich auch nicht verhindern - keine weiteren Wünsche offen lassen. Ich meine, mehr geht nicht.

Die Kosten der Integration sind in der Tat ein Problem. Ich vermute mal, dass sie für uns im Landtag und die Menschen hier das dringendste Problem sind. Vernünftigerweise sollte der Bund die Kosten tragen, wie schon bei den Sprachkursen der Aussiedler. Gerade die Reduzierung der Zuwandererzahlen würde es uns ermöglichen, mehr Integration für die zu leisten, die schon hier sind. Trotzdem wird es ganz ohne finanzielle Beteili

gung von Land und Kommunen nicht gehen. So war es bisher auch schon. Aber es darf eben nicht schlechter werden. Wir wissen, dass dieses Problem bei der Landesregierung für die Kommunen in guten Händen ist.

(Zuruf von der CDU: Das haben wir immer gemerkt!)

Die Aufforderung der Grünen „Zustimmung zum Gesetz nur dann, wenn folgende Forderungen erfüllt sind: erstens..., zweitens..., drittens..., viertens..., sonst Ablehnung des Gesetzes“ wird die niedersächsische SPD nicht mitmachen. Die Landesregierung arbeitet konstruktiv am Bundesratsverfahren mit - das ist uns vorgeführt worden -, notfalls auch hart und konsequent. Doch das Gesetz darf nicht scheitern. Wir können nicht ein paar Jahre eine Diskussion darüber machen und anschließend feststellen, es kommt im Bundestagswahlkampf unter die Räder.

Nun zur CDU: Ihren Zumutungen, die Sie hier in mehreren Anträgen im Plenum zum Ausdruck gebracht haben, wobei Ihnen am liebsten ist, das ganze Gesetz fände nicht statt, werden wir nicht folgen. Die Folgen missglückter Integration, z. B. durch Scheitern des Gesetzes, wären größer als alle Befürchtungen, die Sie hier geäußert haben, selbst wenn sie zuträfen. Das Gesetz eignet sich eigentlich nicht zum Wahlkampf, weil es auf dem Rücken der Zuwanderer und der hier schon lebenden schlecht Integrierten ausgetragen wird. Im Übrigen leiden unter einem mangelnden Gesetz auch die, die z. B. in der Schule mit jungen Menschen zu tun haben, denen es an den elementarsten Kenntnissen der deutschen Sprache und unserer Kultur fehlt.

Mit anderen Worten: Wir brauchen das Zuwanderungs- und Integrationsgesetz, weil die Folgen missglückter Einwanderung und Integration für unsere Gesellschaft bedrohlich sind. Noch längere Diskussionen ohne eine Verabschiedung des Gesetzes als Ergebnis daraus sind nur noch schädlich. Deswegen wird der Antrag der Grünen die Haltung der Landesregierung zum Zuwanderungsgesetz nicht verändern.

(Beifall bei der SPD)

Frau Stokar von Neuforn ist jetzt noch einmal an der Reihe.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Harden, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann wären wir schon einen kleinen Schritt weiter als die Bundesebene. Sie als Sprecher der SPDLandtagsfraktion haben Ihrem Innenminister empfohlen, dass die Niedersächsische Landesregierung das Auswahlverfahren mitträgt. Das haben Sie am Anfang gesagt. Etwas anderes haben die Grünen nie gefordert. Das Auswahlverfahren bedeutet qualifizierte fachliche Berufsausbildung, deutsche Sprachkenntnisse, Arbeitsplatz. Das ist ja einer der zentralen Punkte, die mittlerweile von der Bundestagsfraktion als Entgegenkommen gegenüber der CDU abgelehnt werden.

Ich würde mich freuen - deswegen stelle ich ja den Antrag, weil die nächste Debatte im Bundesrat stattfindet -, wenn Ihr Innenminister die hier von Ihnen vorgetragene Haltung der SPD auch im Bundesrat so vertritt.

Da mir an einer sachlichen Debatte gelegen ist, möchte ich zur CDU sagen: Wir haben zurzeit die Situation, dass jährlich 300 000 Arbeitserlaubnisse an Nichtdeutsche, an Ausländer vergeben werden, und zwar im Besonderen in den südlichen Bundesländern, in Bayern und Baden-Württemberg, weil dort der Mittelstand und das Handwerk kurz vor dem Kollaps stehen, da sie nicht die notwendigen Arbeitskräfte auf dem deutschen Arbeitsmarkt finden. Wir wollen diesen Zustand legalisieren, regeln und steuern. Das war der Erkenntnisstand zu Beginn der Debatte um ein Zuwanderungsgesetz.

Zu dem Flüchtlingsbereich möchte ich nur so viel sagen: Sie tun manchmal so, als würden Sie die Politik Ihrer eigenen Landesregierung nicht kennen. Es war der Niedersächsische Innenminister, der in der letzten Bundesratssitzung - ich finde das witzig; das ist schon fast zynisch - einen Antrag zur europäischen Flüchtlingspolitik einbringt und sagt: Wir tun das, damit die Stokar nicht mehr behauptet, Niedersachsen und Bayern würden gemeinsam gegen Europa vorgehen. Macht mal einen Antrag, auf dem nur noch „Niedersachsen“ steht, darin steht aber das Gleiche wie im bayrischen Antrag.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich halte das nicht mehr für eine seriöse Politik. In diesem Antrag geht es darum zu sagen: Weil die deutschen Mindestnormen im Sozialbereich nicht mehr europaverträglich

sind, fordert Ihr Niedersächsischer Innenminister: „Wir wollen hier nicht die europäischen Mindeststandards gelten lassen, sondern wir wollen eine Politik der Renationalisierung“ - das bleibt von der Harmonisierung im europäischen Bereich übrig! -, „weil wir nicht bereit sind, auch nur einen Pfennig Bargeld an Flüchtlinge auszuzahlen, weil wir nicht bereit sind, Flüchtlingen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu öffnen.“

Über diese Punkte müssen wir reden, nicht weil es für die Grünen wichtig ist - wir sind weder Flüchtlinge noch Arbeitsmigranten -, sondern weil diese Probleme in unserer Gesellschaft sachlich gelöst werden müssen. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Minister Bartling.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Stokar, so große Angst davor, dass Sie behaupten, Bayern und Niedersachsen arbeiteten zusammen, habe ich nicht, dass ich deswegen einen anderen Antrag stelle. Der Antrag ist nicht gleich lautend mit dem der Bayern, sondern es gibt wesentliche Unterschiede darin, nämlich dort, wo es um nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung geht, und in den Fragen des Kindernachzuges. Da sind Unterschiede in unseren europäischen Perspektiven, die wir in der Asylpolitik aufgemacht haben.

Meine Damen und Herren, ich möchte nur noch ganz wenige Elemente hinzufügen; denn die Sachargumente sind eigentlich genannt worden.

Die Landesregierung hat ihre Position zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung am 20. Dezember 2001 in die Beratung über die Stellungnahme in den Bundesrat eingebracht. Sie ist sich mit der Bundesregierung einig, dass eine gesetzliche Neuregelung dringend geboten ist und ein möglichst breiter Konsens im Bundestag wünschenswert ist.

Die Landesregierung hält es weiterhin für erforderlich, dass eine gesetzliche Zuwanderungsregelung auf die aktuelle Arbeitsmarktsituation Rücksicht nimmt, und sieht derzeit einen Bedarf an Zuwanderung von Arbeitskräften nur bei einer begrenzten Anzahl von qualifizierten Bewerbern