- Okay, dann erteile ich zunächst Frau Eckel für eine Kurzintervention das Wort. Ich bitte Sie, noch einmal Platz zu nehmen, Herr Schwarz.
Liebe Kollegin Vockert, ich möchte ganz klar feststellen: Das 100-Millionen-Euro-Programm, von dem Sie hier gesprochen haben, umfasst 20 Millionen Euro aus dem Kultushaushalt für das sogenannte Brückenjahr zwischen dem Kindergarten und der Grundschule. Die anderen 80 Millionen Euro sind dafür bestimmt, die Tagespflege für Kinder von null bis drei Jahren zu verbessern. Hier geht es nicht um einen Bildungsansatz, sondern um eine Verbesserung der Betreuung, um die Unterstützung von Tagesmüttermodellen und Tagesmüttereinrichtungen. Uns geht es aber heute darum, ein beitragsfreies Kindergartenjahr als ganz wichtigen Teil des Bildungssystems einzuführen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es ist bedauerlich, Frau Eckel, dass Sie die aktuellen Informationen aus dem Internet nicht gelesen haben. Die 80 Millionen Euro, von denen Sie gesprochen haben, die wir für den Bereich der unter Dreijährigen zur Verfügung
stellen, zeigen sehr deutlich, dass wir tatsächlich etwas für frühkindliche Bildung von Anfang an tun. Dabei geht es nicht einzig und allein um Betreuungskonzepte, sondern auch um die Qualifizierung des Personals.
Muss es nicht auch Sie, Frau Eckel, betroffen machen, dass wir in Deutschland mehr Professorenstellen für die japanische Sprache als für die frühkindliche Bildung zur Verfügung stellen? Müssen wir da nicht herangehen? Diese Landesregierung stellt sich der Herausforderung der frühkindlichen Bildung. Da können Sie tun und lassen, was Sie wollen.
Jetzt hat der Kultusminister das Wort. Herr Busemann, bitte schön! - Entschuldigung, zunächst hat Herr Kollege Schwarz das Wort.
Ich bin Ihnen ausgesprochen dankbar, Frau Präsidentin, dass Sie mich nicht vergessen. Ich bin auch dankbar für die Einlassungen von Frau Vockert zur Klarstellung; dann kann ich mir das ersparen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in den vergangenen drei Jahren immer wieder erlebt, dass wir das, was die ehemalige Landesregierung 13 Jahre lang nicht zu wuppen imstande war, jetzt innerhalb kürzester Zeit erledigen sollen. Das geht einfach nicht. Verehrte Frau Eckel, Sie stellen da Forderungen in den Raum, die so nicht erfüllbar sind.
In der ersten Beratung haben alle deutlich gemacht, dass ein beitragsfreies Kita-Jahr grundsätzlich eine gute Idee ist. Der von der SPD eingebrachte Gesetzentwurf berührt im Wesentlichen drei Punkte: Erstens. Mit dem beitragsfreien KitaJahr soll die frühkindliche und vorschulische Bildung gestärkt werden. Zweitens soll die Betreuung gestärkt werden. Durch die Beitragsfreiheit soll die beste, individuelle Förderung für jedes Kind garantiert werden. Der dritte Punkt ist die Finanzierung
Sehr verehrte Frau Eckel, in der Begründung haben Sie richtigerweise formuliert, dass zu einer Neugestaltung der Situation auch der Ausbau der Kitas zu Familienzentren und beispielsweise eine verbesserte Erzieherausbildung gehören. Genau das will ich aufgreifen. Sie gehen ganz offensichtlich davon aus, dass der bloße Besuch von Kindertagesstätten die frühkindliche Bildung, die Betreuung und die individuelle Förderung nicht verbessert; vielmehr gehört eine Menge mehr dazu. Es handelt sich also nicht um eine Frage der Quantität, sondern um eine Frage der Qualität. Ein beitragsfreies Kita-Jahr kann doch nur dann zur Verbesserung der frühkindlichen Bildung beitragen, wenn vorher oder gleichzeitig z. B. die Zusammenarbeit zwischen Grundschulen und Kindertagesstätten verbessert wird, wenn die Sprachförderung ausgebaut wird und wenn die Ausbildung der Erzieherinnen weiter verbessert wird. Genau so hat es die Landesregierung angepackt und auch weiter geplant. Von den 108 Millionen Euro war gerade die Rede.
Wenn wir über ein beitragsfreies Kita-Jahr reden, dann kann es sich nur um das letzte Jahr vor der Einschulung handeln. Das Ganze würde doch nur dann Sinn ergeben, wenn die Vorbereitung auf die Schule in einem engen Zusammenhang gesehen würde. Was soll ein erstes beitragsfreies Kita-Jahr bringen, wenn die Eltern ihre Kinder dann aus Kostengründen aus den Einrichtungen herausnehmen? - Erfreulich ist, dass die SPD hier gegenüber dem Februar dieses Jahres zu einem Umdenken gekommen ist; denn Sie haben es schon etwas anders formuliert.
Noch im Juni kritisierten übrigens die Grünen hier im Landtag die Ausrichtung des SPD-Gesetzentwurfes allein auf die Kostenfreiheit; es sei in ihm zu wenig von Bildungsqualität die Rede. Frau Janssen-Kucz, mit Verlaub: In Ihrem Antrag stellen Sie jetzt ausschließlich Forderungen zur Finanzierung eines beitragsfreien Kita-Jahres auf. Von Bildungsqualität ist hierbei überhaupt nicht mehr die Rede.
In der Diskussion um ein beitragsfreies Kita-Jahr wird auch immer hervorgehoben, dass dadurch die Betreuungssituation verbessert würde. Die Frage nach Verbesserung der Betreuung ist aber weniger
eine Frage der Beitragsfreiheit als vielmehr eine Frage der Ausweitung und Flexibilisierung der Öffnungszeiten. Vor allem jenen Eltern, die nicht zu Hause bleiben möchten, sondern weiter in ihrem Beruf arbeiten oder den Wiedereinstieg in den Beruf schaffen möchten, müssen die Kindergärten dies durch flexible Öffnungszeiten ermöglichen. Was nützt ein beitragsfreies Kita-Jahr, wenn man wegen kurzer Betreuungszeiten nicht einmal einem Halbtagsjob nachgehen kann?
Daraus folgt: Der Ausbau verlässlicher, flexibler und bedarfsgerechter Betreuungsstrukturen muss vor der Einführung eines beitragsfreien Kita-Jahres stehen - Stichwort solide Finanzierung.
Das ist bekanntlich nicht ganz einfach. Bisher hat auch niemand von denen, die das beitragsfreie Kita-Jahr fordern, wirklich belastbare Vorschläge gemacht. Selbst vonseiten der Grünen - ich glaube, Sie waren es, Frau Janssen-Kucz - wurde eingeräumt, dass eine finanziell so große Aufgabe nur in einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Bund, Land und Kommunen bewältigt werden kann. Zitat: Das könne keine Ebene alleine wuppen. - Dem stimme ich zu.
Wir arbeiten seit 2003 kontinuierlich an der Konsolidierung des Haushaltes, und zwar in erster Linie deshalb, weil wir wissen, dass wir Handlungsspielräume brauchen, um die Erfüllung wichtiger Aufgaben auch im Bereich der frühkindlichen Bildung sicherzustellen.
Wir sollten also zunächst weiter die Grundlagen dafür ausbauen, dass ein beitragsfreies Kita-Jahr auch die gewünschte Wirkung erzielt: Verbesserung der Erzieherinnenausbildung, Vernetzung der Kindergärten mit den Grundschulen, Ausbau der Sprachförderung - -
Herr Kollege Schwarz, wir können uns gern einmal darüber unterhalten, wie man die Uhr liest. Ihre Redezeit ist aber um eine halbe Minute überschritten.
Dem Herrn Kultusminister kann ich immer noch nicht das Wort erteilen, da sich Frau Janssen-Kucz zu einer Kurzintervention zu Wort gemeldet hat. Wir haben dank der Möglichkeiten der Kurzintervention eine lebhafte Debatte. Frau Janssen-Kucz, bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schwarz, ich möchte Sie, wenn Sie hier aus Reden von mir zitieren, darauf hinweisen, dass Sie hier aus einem Redebeitrag zitiert haben, der sich auf den im Juni eingebrachten Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen betreffend das Thema „Programm für ein familien- und kinderfreundliches Niedersachsen - Bildungs- und Betreuungsangebote der Kindertagesstätten ausbauen“ bezog. Dieser Antrag hat mit dem Antrag vom Februar 2006, den Sie hier heute zusammen mit den Schwarzen ablehnen, nichts zu tun. - Das ist das eine.
Was das andere angeht, haben Sie recht. Ich habe, gerade was Bildung und Betreuung angeht, davon gesprochen, dass eine gemeinsame Kraftanstrengung notwendig ist. Es wäre dann aber schön, wenn man heute von Herrn Busemann oder von Ihrer Regierung wenigstens hören würde, dass es seitens des Landes Gespräche mit dem Bund und auch mit den Kommunen gibt. Ich warte einfach nur auf Antworten auf Fragen, die Herr Busemann hier im Februar selber gestellt hat.
- Nicht dazwischengrölen, Frau Körtner! - Sie sollten auch damit aufhören, leere Versprechungen zu machen. Vielmehr sollten Sie ehrlich und verlässlich bleiben. Darauf will ich Sie und auch den Kollegen Schwarz hinweisen. Ich glaube, das würde Ihnen gut zu Gesicht stehen.
Ich sehe nicht, dass darauf jemand reagieren möchte. Beim dritten Anlauf kann ich nun Herrn Minister Busemann das Wort erteilen.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Janssen-Kucz, es ist schon etwas merkwürdig, dass bei einem so wichtigen Thema indirekt fast der Vorwurf erhoben wird, man hätte dieses Thema bei der Kommunalwahl sozusagen nicht als Wahlkampfthema benutzt oder missbraucht. - Dieses Thema ist dafür viel zu ernst. Es geht bei diesem Thema um dauerhaften Regelungsbedarf. Es geht nicht darum, dieses Thema im Blick auf irgendwelche Wahltermine zu behandeln und dann mit Geschenken aufzuwarten. Darum kann es nicht gehen.
Ich glaube, wir sollten dieses schwierige Thema durchaus noch einmal richtig einordnen. Ich sehe in diesem Hause und in der Politik des Landes einen gewaltigen Konsens darüber, dass wir im Bereich der frühkindlichen Bildung in Deutschland und in Niedersachsen alle miteinander besser werden müssen. Das ist die Erkenntnis aus PISA. Ich habe gestern die Ergebnisse in Mathematik im 3. Jahrgang der Grundschule und die Ergebnisse der Hauptschulabschlussprüfungen verkündet. Wir konnten wiederum genau merken, dass dann, wenn es an sprachlichen Kenntnissen mangelt, wenn man also die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrscht, entsprechende Defizite in den schulischen Leistungen die Folge sind. Dies zieht dann insgesamt die Ergebnisse herunter. Im allseitigen Interesse, auch im Bildungsinteresse gibt es einen großen Bedarf an mehr frühkindlicher Bildung.
Dass in diesem Kontext auch die Frage eine Rolle spielt, ob wir auch aus familienpolitischen Gründen, aus Gründen der finanziellen Entlastung eine Beitragsfreiheit brauchen, ist, glaube ich, ebenfalls völlig klar. Man muss dann aber auf die Reihenfolge schauen und prüfen, ob man so etwas entsprechend realisieren kann. Sehr große Unterschiede bei den Maßnahmenkatalogen gibt es ja nicht. Sie favorisieren eher die Beitragsfreiheit im ersten Jahr oder im dritten Jahr. In dieser Hinsicht sollte man sich irgendwann auch einmal festlegen. Wir sagen aufgrund der Funktion des Übergangs zur Einschulung im dritten Jahr: Wenn man einen Einstieg
finden will, dann kann es nur um den dritten Jahrgang gehen, weil dann die notwendigsten Dinge zu tun sind. Dass das andere auch wünschenswert ist, ist völlig klar.
Dass die Regierung dieses Thema nicht abgehakt hat, haben Sie doch im Sommer bemerkt. Auch die Parteitagsbeschlüsse der Christdemokraten und, glaube ich, auch der Freien Demokraten gehen doch in diese Richtung, stehen aber - das müssen Sie in diesem Zusammenhang, wenn Sie mich zitieren, dazusagen - unter einem Finanzierungsvorbehalt. Wenn es dauerhaft finanzierbar ist, dann muss man der Sache entsprechend näher treten. Es geht - je nachdem, wie man es rechnet um etwa 90 Millionen Euro. Diese Mittel kann man aus einem Landeshaushalt à la longue nicht einfach herausschütteln und sagen: Dann machen wir das. Der Haushalt weist auch in diesem Jahr noch eine Neuverschuldung von 1,4 Milliarden Euro auf. Möge doch niemand in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, nach all den Sparanstrengungen der letzten Jahre wäre jetzt wieder satt Geld da, es müssten nur die richtigen Leute kommen und es an der richtigen Stelle ausgeben, um sich beliebt zu machen. Davon haben auch unsere Kinder nichts.
Ich würde es nicht mitverantworten wollen, aktuell zu sagen „Das machen wir jetzt!“, die Maßnahme zwei Jahre später aber, weil es mit der Mehrwertsteuer nicht so flutscht, wie Sie es heute Morgen diskutiert haben, wieder einzukassieren oder neue Schulden zu machen und den Kindern in 20 Jahren zu sagen „Wir haben es damals mit euch gut gemeint, aber abbezahlen könnt ihr das selber“. Auch das muss man miteinander klären.
Wenn es dauerhaft finanziert werden kann - das darf ich hier für die Regierung sagen -, tritt man der Sache entsprechend näher.
Der Bundespräsident hat uns allen ins Stammbuch geschrieben, worum es gehen muss. Ich sage, dass er auch in diesem Punkt recht hatte. Das Ganze muss aber - das sagen wir alle - seriös finanziert sein.