Protokoll der Sitzung vom 12.10.2006

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sowohl mein Kollege Jan-Christoph Oetjen als auch ich haben sehr deutlich gemacht, dass wir Transparenz bejahen; dies gilt auch für den Minister. Transparenz ja, aber Neiddiskussion nein. Dies ist auch vom Kollegen Steinecke gesagt worden. Daten erfassen ja, aber sinnlose Daten, die in eine Datenwüste führen, nein. Über diese Punkte können wir auch im Ausschuss reden; über sie besteht wohl weitgehend Konsens. Insofern verstehe ich nicht, warum Sie uns immer etwas anderes vorwerfen. Wenn Frau Stief-Kreihe und Dieter Steinecke gerne wissen wollen, wie viele Agrarsubventionen ich aus Brüssel bekomme, dann muss ich beim nächsten Mal den Antrag mitbringen; ich habe die Zahlen nicht im Kopf. Aber bei meinem kleinen Hof von 25 ha, wovon 16 ha prämienberechtigt sind, wird es nicht so viel sein. Rolf Meyer, du kannst dir ausrechnen, wie hoch die Prämien sind, die ich bekomme.

Noch eine Information für den Kollegen Klein: Es zeigt, über wie wenig fachliche Kompetenz er verfügt, wenn er sagt, die Öffentlichmachung der Daten sei eine Systemänderung. Das ist es eben nicht. Das System, dass große Unternehmen auch ohne Schwellen Prämien bekommen, ist von Ihrer Parteikollegin Frau Künast - das habe ich Ihnen auch beim letzten Mal schon gesagt - eingeführt worden. Daher können Sie uns dies nicht zum Vorwurf machen.

Der Bitte, den Antrag in den Ausschuss zur weiteren Beratung zurückzuüberweisen, kommen wir nach, auch wenn es an der Sachlage nichts ändert. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Für die FDP-Fraktion hat nun der Abgeordnete Oetjen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der Aufgeregtheit zum Schluss sind wir ein Stück weit zueinander gekommen. Kollege Steinecke hat gerade erklärt, dass wir über die Veröffentlichung personenbezogener Daten diskutieren können.

(Rolf Meyer [SPD]: Das haben wir immer gesagt! - Karin Stief-Kreihe [SPD]: Ihr diskutiert doch gar nicht darüber!)

Aber ihr sagt in eurem Antrag auch, lieber Rolf Meyer, dass ihr in einem ersten Schritt die Daten der Landwirtschaft veröffentlichen wollt. Ich sage es noch einmal: Wir müssen so etwas für alle Bereich veröffentlichen und nicht in einem ersten Schritt nur für die Landwirtschaft; das wäre nicht richtig.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich wende mich nun an den Kollegen Klein, weil sein Beitrag eben deutlich gemacht hat, dass es ihm schon um eine Neiddiskussion ging, als er die Betriebe in Ostdeutschland ansprach.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Sie können einen westdeutschen Betrieb nicht mit einem ostdeutschen Betrieb vergleichen. Erstens weisen die Betriebe unterschiedliche Strukturen

auf, und zweitens lassen Sie bei der Erfassung von Arbeitskräften mitarbeitende Familienmitglieder sowie beauftragte Maschinenringe und Lohnunternehmer unberücksichtigt. Von daher vergleichen Sie Äpfel mit Birnen, was zeigt, dass Sie bei diesem Thema mit falschen Karten spielen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Ehlen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehe ganz kurz auf die Äußerung des Kollegen Steinecke ein. Ich war vorhin nahe daran, ihn zu loben. Wenn ich aber gewichte, was er eben gesagt hat, dann muss ich das Lob wieder zurücknehmen. Mit der Argumentation, dass sich derjenige, der sich gegen die Veröffentlichung ausspricht, fragen lassen müsse, ob er zu viel Prämien bekommen hat, gehen Sie wieder in diese Richtung, Herr Kollege Steinecke,

(Zuruf von der SPD: Sie haben nicht zugehört!)

- ich habe schon zugehört, sonst hätte ich mich ja nicht gemeldet

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das geht auch ohne Zuhören!)

doch den Einzelnen ans Licht zu ziehen und eine Neiddiskussion zu eröffnen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Eben hat Herr Kollege Oetjen gesagt, wir seien in der Diskussion näher zusammengekommen. Wir sollten uns darauf verständigen, dass die Daten so aufgestellt werden, dass keine Rückschlüsse auf einen Betrieb gezogen werden können; damit kämen wir der Sache schon näher. Aber wenn Sie so wie eben argumentieren, dann kommt ans Licht, was Sie wirklich wollen, und das machen wir nicht mit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Unruhe)

Meine Damen und Herren, wenn es jetzt etwas ruhiger wird, können wir zur Abstimmung über die beiden Tagesordnungspunkte kommen.

Zunächst zu Tagesordnungspunkt 29: Beantragt wurde die Überweisung an den Ausschuss für ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur federführenden Beratung und an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien zur Mitberatung. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Nun zur Abstimmung zum Tagesordnungspunkt 30: Beantragt wurde von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Rücküberweisung in den Ausschuss. Die beiden großen Fraktionen der SPD und der CDU haben Zustimmung signalisiert. Wer diesem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist zurücküberwiesen worden.

(Vizepräsidentin Ulrike Kuhlo über- nimmt den Vorsitz)

Ich rufe jetzt auf den

Tagesordnungspunkt 31: Erste Beratung: Für eine innovative Förderung des ländlichen Raumes statt „the same procedere as every year“! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/3176

Ich erteile dem Kollegen Klein das Wort zur Einbringung. Bitte schön, Herr Klein!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ziel unseres Antrages ist eine Neuausrichtung der Förderung des ländlichen Raumes in Niedersachsen. Er bezieht sich sowohl auf das laufende Programm als auch auf die Planungen, soweit sie inzwischen bekannt geworden sind. Wir wollen die Prioritäten dieser Förderung, die Instrumente und die Mittelverteilung verändern.

Warum wollen wir das? - Wir haben bei den ersten Informationen, die man in der entsprechenden Handreichung lesen kann, den Eindruck gewonnen, dass im Landwirtschaftsministerium sicherlich nichts Revolutionäres passiert - auch von Evolution kann nicht die Rede sein -, sondern dass hier eher Stillstand herrscht, in einigen Teilen sogar Rückschritt,

(Beifall bei den GRÜNEN)

obwohl wir in diesem Bereich keine finanzielle Not zu leiden haben. Aufgrund der Festlegung des Ziel-1-Gebietes ist insgesamt mehr Geld im Topf als im letzten Förderzeitraum.

Wir haben aber völlig veränderte Rahmenbedingungen für diese Förderung und völlig neue Zielbestimmungen der EU - Stichworte „Lissabon“ und „Göteborg“. Lissabon steht für den Aufbruch in die Wissensgesellschaft, für Beschäftigung. Göteborg steht für Nachhaltigkeit und dafür, dass keine Maßnahmen gefördert werden sollen, die eine Verschlechterung der Umweltsituation bewirken.

Schauen wir kurz auf das alte PROLAND-Programm zurück, das vor allen Dingen ein Bau- und Betonprogramm war: 22 % für den Wegebau, 21 % für die Dorferneuerung, 15 % für die Flurbereinigung, 13 % für das AFP - sprich: den Stallbau. Insgesamt sind also weit über 70 % in Bau und Beton geflossen. Die Evaluierung dieses Programms - ob durch die FAL oder den EU-Rechnungshof - ist alles andere als schmeichelhaft. Insgesamt hat es wenig dauerhafte Arbeitsplätze gefördert. Es hat viele Mitnahmeeffekte gegeben. Der Naturschutz in Intensivgebieten ist überhaupt nicht vorangekommen. Insgesamt war eine mangelnde Ausrichtung der Maßnahmen an den Zielen gegeben.

Eine weitere veränderte Rahmenbedingung ist die abgeschlossene EU-Agrarreform, die vor allen Dingen auf die Stärkung der einzelnen Betriebe im Wettbewerb gesetzt hat. Da geht es immerhin um ein Verhältnis von 9 : 1. Von den EU-Zahlungen entfallen 80 bis 90 % auf Direktzahlungen; die Förderung des ländlichen Raumes muss sich mit den restlichen gut 10 % begnügen. Angesichts dieser Konstellation muss die Förderung des ländlichen Raumes von der reinen Agrarförderung zu einer integrierten Förderung des ländlichen Raumes weiterentwickelt werden.

Als letzten Punkt der geänderten Rahmenbedingungen möchte ich den Wunsch der EU nennen, in

Zukunft nicht mehr widersprüchlich zu fördern, d. h. nicht auf der einen Seite den Tabakanbau zu subventionieren und auf der anderen Seite die Bekämpfung des Tabakrauchens zu subventionieren. Die Förderung soll mit anderen EU-Politiken abgestimmt sein. Ich nenne als Beispiel den Aktionsplan für ökologische Landwirtschaft, den Aktionsplan zu den erneuerbaren Energien, die Bekämpfung des Klimawandels - ein wichtiges EUZiel -, die EU-Forststrategie, den Forstaktionsplan und den Umweltaktionsplan der EU. All das soll Berücksichtigung finden.

Schauen wir uns jetzt einmal die einzelnen Förderachsen an. Bei Achse 1 geht es um die Wettbewerbsfähigkeit. In den Prioritäten der EU-Leitlinien finden wir z. B. überhaupt nichts von Stallbauten, aber viel über Innovationen, über Wissenstransfer, über leichteren Zugang zu Forschung und Entwicklung, über Informations- und Kommunikationstechniken, über Qualitätsprogramme, über dynamisches Unternehmertum.

Was macht Landwirtschaftsminister Ehlen bisher daraus? - Er definiert Wettbewerbsfähigkeit weitgehend einseitig als Kostenführerschaft im globalen Wettbewerb. Herr Ehlen, damit grenzen Sie zwei Drittel der Betriebe in Deutschland auf Dauer aus. Sie zeigen ihnen die Rote Karte. Sie verfolgen weiter die Strategie „Wachsen und Weichen“. Mit dieser Art der Förderung locken Sie in ein reines Massenwachstum, und das zulasten des Gros der Betriebe.

Wir wollen umsteuern. Wir wollen die Kreativität aller Betriebe stärken, und zwar auf der Basis der durchgeführten Agrarreform. Wir wollen einzelbetriebliche Qualifizierung und Beratung voranbringen. AFP-Investitionsmittel wollen wir nur noch gewähren, wenn Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutz gefördert werden. Wir wollen im Verarbeitungs- und Vermarktungsbereich nur noch für Innovationen Geld geben. Wir wollen die Zuschüsse zur Flurbereinigung ganz streichen, weil wir glauben, dass das Ganze nichts als ein etwas aufgebauschtes Wegebauprogramm ist.

(Zurufe von der CDU: Das liegt im In- teresse der Allgemeinheit! Das stimmt nun wirklich überhaupt nicht!)

Eine Optimierung der landwirtschaftlichen Flächen ist in den seltensten Fällen überhaupt noch möglich.

(Zuruf von der CDU: Im Gegenteil!)

Wenn es Flächenkonflikte gibt - das will ich gar nicht zerreden -,

(Zuruf von der CDU: Keine Ahnung, aber davon eine Menge!)

dann muss deren Lösung den Projekten zugerechnet werden, die diese Flächenkonflikte verursachen, und nicht von der Allgemeinheit getragen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Und wenn sie von vornher- ein der Allgemeinheit dienen?)

Wenn wir diese Grundsätze umsetzen, werden wir in dieser Achse 1 mit 25 % der Gesamtmittel auskommen und nicht, wie vom Landwirtschaftsministerium vorgesehen, 45 % benötigen.

Dann können wir in der Achse 2, die uns am Herzen liegt, mehr tun. Schauen wir uns zunächst wieder die Prioritäten der EU-Leitlinien an. Drei Stichworte fallen auf: biologische Vielfalt, die Erhaltung von land- und forstwirtschaftlichen Systemen mit hohem Naturschutzwert und der Wasserund Klimaschutz. Die hohe Wertigkeit, die die EU dieser Achse zubilligt, wird an dem Mindestsatz von 25 % deutlich, den sie vorschreibt, während die beiden anderen Achsen nur mit einem Mindestsatz von 10 % ausgerüstet sind.