Protokoll der Sitzung vom 11.07.2007

Deswegen muss die Diskussion weitergehen, wie wir diese Missstände beseitigen können. Dies ist ein so ernstes Thema, dass es - dessen bin ich mir sicher - uns auch über die Regelungen hinaus, die jetzt im Hinblick auf eine Ausweitung der Allgemeinverbindlichkeit in Berlin getroffen worden sind, beschäftigen wird.

Vielen Dank. - Herr Kollege Möhrmann, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht um die Durchsetzung von Recht und Ordnung auf dem Arbeitmarkt. Meine Fraktion hat schon vor zwei Jahren dazu einen Entschließungsantrag eingebracht, der immer noch im Wirtschaftsausschuss schmort.

Herr Minister, immer wieder wird in den Medien über spektakuläre Fälle berichtet, und Sie weisen dann stets darauf hin, dass Sie dafür keine Zuständigkeit und damit auch keine Verantwortlichkeit hätten. Diese Landesregierung hat in vielen Fällen Bundesratsinitiativen eingeleitet und den Bund in den Dingen, die sie für wichtig gehalten hat, angehalten, etwas zu tun oder zu verändern. Welche konkreten Initiativen haben Sie denn in diesem Bereich in den letzten zwei Jahren unternommen?

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Herr Minister Hirche!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Feld politischer Initiativen ist natürlich von Vielfalt gekennzeichnet. Die wichtigste Ebene sind in diesem Zusammenhang die Gespräche mit der Bundesregierung. Der Bundesfinanzminister und der Bundesarbeitsminister haben für diesen Bereich eine Taskforce eingerichtet und erklärt - dies war die damalige Aussage -, sie kämen mit ihren Mitteln zurecht. Wenn die Diskussion weitergeht, werden wir das Thema in den Gesprächen mit den Bundesbehörden erneut aufgreifen, weil man eine Bundesratsinitiative erst ergreifen kann, wenn man zuvor abgeklärt hat, ob sie Aussicht auf Erfolg hat. Dies war bisher nicht so.

(Zuruf von Dieter Möhrmann [SPD])

- Herr Möhrmann, das war bisher nicht so. Würden wir eine Initiative einbringen, die von vornherein erfolglos ist, dann würden Sie uns hier Schauspielerei vorwerfen. Dies möchte ich verhindern.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Buß!

Herr Minister, wir können froh sein, dass Sie sich nicht ganz aus der Verantwortung stehlen und nur auf Zuständigkeiten des Bundes verweisen. Sie sind ja zumindest für die Arbeitsbedingungen und die Unterbringung zuständig. Ich frage Sie: Inwie

weit haben Sie die Kontrollen durch die Gewerbeaufsichtsämter in den letzten Jahren verstärkt?

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir ist neu, dass ich als für das Arbeitsrecht Verantwortlicher auch für das Thema der privaten Unterbringung zuständig sein soll. Das ist ein interessanter Hinweis für die Verhandlungen über Kompetenzen nach der nächsten Landtagswahl. Aber damit kann ich aktuell nichts anfangen. Die Gewerbeaufsicht ist dafür nicht zuständig, wie mir eben noch einmal ausdrücklich bestätigt worden ist. Vielleicht habe ich aber auch, Herr Kollege Buß, Ihre Frage nicht ganz richtig aufgefasst.

(Werner Buß [SPD]: Ich habe auch nach den Arbeitbedingungen gefragt!)

- Für den Arbeitsschutz sind die Gewerbeaufsichtsämter zuständig. Bei den Überprüfungen, die dort erfolgten, haben wir feststellen können, dass Arbeitszeiten bis zu 12 Stunden - nicht 13 bis 16 Stunden, wie Sie, Herr Will, geäußert haben - in Einzelfällen vorkamen. Dies stellt aber noch keinen Anlass dar, dies als Kern des Themas Lohndumping und illegale Beschäftigung anzusehen. Das ist ein so kleiner Teilbereich, dass wir damit das eigentliche Thema nicht angehen können.

Frau Heiligenstadt, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass sie scheinbar nur irgendwelchen Verdachtsmomenten nachgeht und nicht selbstständig tätig wird - jedenfalls drängt sich mir der Eindruck auf, dass dort nur Dienst nach Vorschrift gemacht wird -: Was tun Sie eigentlich konkret, um die Betriebe zu unterstützen, in denen es noch reguläre Arbeitsbedingungen gibt und die damit zu kämpfen haben, dass andere Betriebe Wettbewerbsvorteile aus illegaler Beschäftigung und schlechten Arbeitsbedingungen ziehen? Gibt es eventuell sogar noch Fördermittel der Landesregie

rung - aus welchen Töpfen auch immer - für die Betriebe, gegen die Strafverfahren laufen?

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Bitte schön, Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst zu dem Grundverständnis: Das Recht und die Kontrolle sind dazu da, Missbrauch in der Gesellschaft aufzudecken und abzustellen und Strafen zu verhängen. Wenn Sie jetzt so weit gehen wollen, dass wir diejenigen, die richtig handeln, auch noch besonders unterstützen, dann kann ich nur sagen: Dies wird unser Staat aus meiner Sicht nicht leisten können und dürfen. Dieser Ansatz würde eine freie Gesellschaft völlig zerstören.

(Beifall bei der FDP)

Insofern geht es in der Tat darum, wie wir die Instrumente, die uns in diesem Zusammenhang hinsichtlich vermuteter schwarzer Schafe zur Verfügung stehen, gegebenenfalls verbessern und schärfen können. In der Diskussion zwischen den Verantwortlichen, die letzten Endes die Dinge gemeinsam tragen müssen, ist der Stein der Weisen noch nicht gefunden worden; daraus mache ich überhaupt kein Hehl. Deswegen bietet es sich für Sie an, solche Fragen aufzugreifen. Aber ohne Verletzung rechtsstaatlicher Grenzen werden wir hier bestimmte Dinge nicht aufdecken können. Wenn andere in der Diskussion, die wir über Volkswagen geführt haben, die Position eingenommen hätten, die Sie in diesem Zusammenhang vertreten, dann wären Verdachtsszenarien entstanden, die Einzelnen bitter unrecht getan hätten.

(Zustimmung von Hans-Werner Schwarz [FDP])

Wir schauen uns im Übrigen - das gilt nicht nur für meinen Bereich, sondern generell - genau an, wie Firmen dastehen, ob sie mit Klagen überzogen werden oder überzogen worden sind. Auch das ist ein Kriterium im Zusammenhang mit der Frage, ob man Beihilfen oder Unterstützung gewährt oder nicht.

Meine Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Fragesteller das Wort erteile, möchte ich darauf hinweisen - das ist Sache des Parlaments -, dass wir jetzt für die Abwicklung der Tagesordnung bis 21.25 Uhr brauchen. Wir haben noch zwei Tagesordnungspunkte von gestern zu erledigen. Hinzukommt der zeitliche Verzug, der bis jetzt eingetreten ist. Im Ergebnis bedeutet das: bis 21.25 Uhr. Das will nichts sagen. Ich teile Ihnen das lediglich mit.

(Bernd Althusmann [CDU]: Ich habe heute noch nichts anderes vor!)

- Von mir aus können wir hier bis Mitternacht sitzen. An Plenarsitzungstagen habe ich nichts anderes vor.

Bitte schön, Herr Kollege Wolfkühler!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Offensichtlich spielt die Frage der Zuständigkeiten hier eine größere Rolle. Unstrittig ist, dass die Gewerbeaufsicht in der Zuständigkeit des Landes liegt. Meine Frage - das ist eine Erweiterung der Frage des Kollegen Buß - geht dahin, wie sich die Landesregierung über die Kontrollen durch die Gewerbeaufsicht und deren Ergebnisse informieren lässt.

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gewerbeaufsicht führt einerseits routinemäßig und andererseits schwerpunktmäßig Kontrollen durch. Darüber werden Berichte gefertigt. Diese werden der Regierung vorgelegt und führen dann im Einzelfall zu Konsequenzen.

Vielen Dank. - Frau Kollegin Stief-Kreihe, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unstrittig ist sicherlich, dass Niedersachsen als Agrarland Nummer eins mit einem sehr hohen Tierbestand und einer hohen Anzahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Bereich der Schlachtbetriebe ein ganz besonderes Interesse daran haben muss, wie in der Schlachtbranche verfahren wird. Es gibt aber seit Jahren ständig Beschwerden seitens der Gewerkschaften, und es gibt immer wieder Presseveröffentlichungen und spektakuläre Fälle. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an das Buch „Die Fleischmafia“. Da die Frage von Herrn Möhrmann nicht gerade sehr umfänglich beantwortet wurde, habe ich angesichts des Umstandes, dass allgemein anerkannt wird, dass es in den Schlachtbetrieben nicht immer ordentlich zugeht, folgende Frage: Was unternimmt Niedersachsen bzw. was unternehmen Sie, Herr Minister Hirche, um über den Bundesrat Druck zu machen, dass es zu besseren Kontroll-, Überwachungs- und Sanktionsmöglichkeiten kommt? - Sie verweisen zwar immer auf die Bundesebene. Von Niedersachsen müssten aber entsprechende Vorschläge in Richtung Bundesebene unterbreitet werden. Wie lauten Ihre Vorschläge zur Verbesserung der Situation?

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ausgangspunkt ist in der Tat zunächst einmal, wer wofür zuständig ist. Die Themen Arbeitsschutz und Hygiene, die gerade angesprochen wurden, führen nicht zum Kern der Dinge. Wir haben festgestellt, dass in diesen beiden Bereichen Verstöße relativ selten vorkommen. Ich habe zwar keinen Detailüberblick, aber das führt auch nicht zum Kern des Themas. Vielmehr geht es um illegale Beschäftigung und Lohndumping. Im Rahmen der Vereinbarungen, die die Bundesrepublik Deutschland in der EU getroffen hat, positionieren sich der Bundesfinanzminister und der Bundesarbeitsminister in einer Taskforce. Das Problem auf Bundesebene besteht ein wenig darin, dass die einzelnen Bundesländer in unterschiedlicher Weise betroffen sind. Deshalb kommt man auf Bundesebene bzw.

in der Diskussion mit Bundesbehörden nicht automatisch zu Mehrheiten. Ich nehme auch diese Debatte gerne zum Anlass, um diese Thematik noch einmal mit dem Bund zu erörtern und nach Lösungswegen zu suchen. Wir können nur in den Gesprächen auf die Problematik hinweisen. Außerdem befinden wir uns in regelmäßigen Kontakten mit der Zollverwaltung. Ich habe Ihnen aus einem Brief der Zollverwaltung von gestern vortragen können, wonach die Zusammenarbeit mit Niedersachsen in diesem Zusammenhang vorbildlich ist. Das befriedigt mich allerdings nicht, weil die Problematik damit, wie in vielen anderen Gesellschaftsbereichen auch, noch nicht vollständig erfasst ist. Obwohl Sie meinen, über Patentrezepte zu verfügen, haben auch der Bundesarbeitsminister und der Bundesfinanzminister noch nicht das richtige Packende.

Vielen Dank. - Die Frau Kollegin Hartmann stellt ihre zweite Zusatzfrage.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben vorhin auf meine Frage nach Mindestlöhnen ausweichend geantwortet, wenn ich das einmal feststellen darf. Deshalb möchte ich jetzt folgende Frage anschließen. Wir haben in der Debatte festgestellt, dass sich die Situation im Fleisch verarbeitenden Gewerbe nicht verbessert hat, sondern sozusagen auf hohem Niveau stabil geblieben ist und von daher der begründete Verdacht besteht, dass in bestimmten Bereichen sittenwidrige und rechtswidrige Zustände vorherrschen. Herr Minister, ich frage Sie vor diesem Hintergrund: Welche Strategien müssten Ihres Erachtens entwickelt werden, damit diese sitten- und rechtswidrigen Zustände in Zukunft unterbunden werden können? Wenn Sie diese Konzepte bereits seit zwei Jahren haben, warum haben Sie sie dann nicht schon längst mit dem Bund besprochen?

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit der Debatte über Arbeitsmarkt, Arbeitsbedingungen und sittenwidrige Zustände ist in Berlin bereits darauf hingewiesen worden, dass schon Instrumente zur Verfügung stehen. Sittenwidrige Löhne sind verboten. Wenn wir Anzeigen bekommen, wird dem nachgegangen. Hierfür sind Instrumente in der Rechtsordnung vorhanden, und deshalb brauche ich dafür kein neues Konzept zu entwickeln. Offenbar ist es aber schwierig, Beweise und Belege beizubringen. Sie müssen im Zusammenhang mit konkreten Ermittlungen gefunden werden. Das macht die eigentliche Schwierigkeit in diesem Zusammenhang aus. Das kann zwar niemanden beruhigen oder zufriedenstellen. Wir haben aber die entsprechenden Instrumente. Wenn, wie in der Presse angesprochen wird, Löhne zwischen 1 Euro und 4,50 Euro gezahlt werden, sind dies nach meiner Einschätzung eindeutig sittenwidrige Löhne. Wenn dafür Belege vorliegen, muss dagegen eingeschritten werden.

Vielen Dank. - Frau Kollegin König, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der Situation, die sich verschärft hat, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Osterweiterung der EU Verträge auch mit Firmen in Rumänien und anderen Ländern, in denen ein niedriges Lohnniveau herrscht, möglich sind. Gibt es innerhalb der EU Maßnahmen oder Initiativen, die einen Beitrag dazu leisten, die angesprochenen Missstände wirksam zu beheben?

Vielen Dank. - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Einschränkung des derzeitigen Umfangs der Dienstleistungsfreiheit scheidet aus. Das wird in Europa niemand mitmachen. Etwas anderes anzunehmen, wäre unrealistisch.

Wir können darauf hinwirken, dass der Kontakt zwischen den Verfolgungsbehörden verbessert

wird. Hier liegt nach meiner Einschätzung noch einiges im Argen. Das ändert aber nichts an dem Lohngefälle zwischen den verschiedenen Staaten. Die Löhne liegen im innerstaatlichen Recht in der Kompetenz des einzelnen Staates, unabhängig davon, ob die Löhne staatlich, gewerkschaftlich oder tarifpartnerschaftlich festgelegt werden. Das wird so bleiben, weil dies für die Beitrittsländer die einzige Möglichkeit ist - so haben diese Länder immer argumentiert -, wirtschaftlich aufzuholen. Deswegen würden sie sich gegen jeden derartigen Vorstoß wehren. Auf der europäischen Ebene sehe ich also überhaupt keine Entlastungsargumente. Einzig eine Verbesserung der Zusammenarbeit der Verfolgungsbehörden könnte uns weiterhelfen.