Protokoll der Sitzung vom 21.01.2004

(Beifall bei der SPD)

Meine Bitte bezüglich der Debatte in den kommenden Wochen ist, dass hier Klarheit geschaffen wird und auf beiden Seiten die Möglichkeit genutzt wird, die eigene Auffassung zu überprüfen.

Letzte Bemerkung. Es ist kein Geheimnis - Sie können sich bei den Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion erkundigen -: Ich und andere haben am Anfang der Debatte dafür plädiert, die Abstimmung in einer solchen Frage freizugeben; denn darüber kann man, finde ich, nicht so einfach - Herr Kollege Jüttner hat das gesagt - entlang der politischen Gesäßgeografie - links, rechts, Mitte, halb links oder halb rechts - entscheiden. Es geht hier um Verfassungsfragen, und die sind in der Regel Gewissensfragen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt erteile ich Herrn Ministerpräsidenten Wulff das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Gabriel dankbar dafür, dass er uns jetzt auf den Kern der Sache zurückgeführt hat, nämlich dass wir heute die Einbringung eines Gesetzentwurfes der CDU- und der FDP-Fraktion haben und natürlich in einem sehr geordneten Verfahren darüber beraten werden. Ich bin der Hoffnung, dass wir dazu eine Anhörung durchführen werden - darüber haben die Fraktionen zu befinden -, anders als in den letzten Jahren, in denen wir häufig erlebt haben, dass selbst Anhörungen verweigert wurden. Wir sollten eine Anhörung durchführen und daraus auch Konsequenzen ziehen. Im Übrigen bin ich gespannt, welche alternativen Formulierungen und

Vorstellungen dabei eingebracht werden, wenn wir uns über so vieles letztlich doch einig sind.

Ich war ein bisschen irritiert über die unendliche Polemik und die Emotionen, die hier und da anklangen. Ich kann mir sie nur so erklären, dass manche mehr, manche weniger spüren, dass, was Integration betrifft, was das Zusammenleben in unserem Land betrifft, einiges nicht so geglückt ist, wie man es sich erhofft hatte, dass man andere Vorstellungen, andere Auffassungen, andere Absichten gehabt hatte. Wenn die Niederländer, die uns auf dem Feld der Integrationsbemühungen in vielen Punkten an sich voraus waren - oder vielleicht immer noch sind -, vor wenigen Tagen eine Debatte darüber eröffnet haben, dass die Integration der Zuwanderer in den Niederlanden gescheitert sei, dann muss das uns, die wir mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben, sehr nachdenklich stimmen und uns zu einem sehr konsequenten Handeln zwingen.

Meine nächste Bemerkung ist, dass man von der Neutralität des Staates, von der Neutralität der Schule ausgehen sollte, dass man diese aber nie mit Beliebigkeit verwechseln sollte. Deswegen hat es 1974 hier eine Debatte über § 2 unseres Schulgesetzes, nämlich den eigentlichen Bildungsauftrag der Schule, gegeben. Das ist ein Paragraf, den ich, obwohl ich kein großer Paragrafenanhänger bin, immer wieder gerne lese, weil in diesem Paragrafen alles zusammengefasst ist und er hier immer wieder breite Mehrheiten gefunden hat. In diesem Paragrafen geht es nicht um Neutralität. Herr Busemann hat es eben zitiert, Frau Harms:

„Die Schule soll... die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler auf der Grundlage des Christentums, des europäischen Humanismus und der Ideen der liberalen, demokratischen und sozialen Freiheitsbewegungen weiterentwickeln.... Die Schülerinnen und Schüler sollen fähig werden,... nach ethischen Grundsätzen zu handeln sowie religiöse und kulturelle Werte zu erkennen und zu achten,... die Idee einer gemeinsamen Zukunft der europäischen Völker zu erfassen und zu unterstützen und mit Menschen anderer Nationen und Kulturkreise zusammenzuleben.“

Dort steht bewusst „zusammenzuleben“ und nicht: nebeneinander her oder gegeneinander. Die Frage

des Miteinanders, des Verbindenden, der gemeinsamen Wertvorstellungen, z. B. der Gleichberechtigung der Frau, hat ein elementares Gewicht für unser Zusammenleben, für unseren Staat. Daher dürfen Intoleranz durch beamtete Lehrkräfte, die politische intolerante Signalsetzung, Störung des Schulfriedens oder die Gefährdung der Gleichberechtigung der Frau aufseiten der beamteten Lehrkräfte unseres Landes keinen Platz finden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das wollen wir gerne klargestellt haben; das wollen wir geregelt haben. Das galt nicht nur 1974, das gilt auch 2004, und die Menschen legen zu Recht einen gewissen Wert darauf, dass das auch für die Zukunft gilt, dass wir uns zu Werten bekennen, dass wir das verteidigen, was wir über Jahrhunderte erkämpft haben - da haben manche einen weiten Weg zurücklegen müssen -, und dass das nicht durch Menschen gefährdet wird, die nicht so tolerant sind, wie wir es uns wünschen. Hoffnungen alleine genügen nicht. Dahinter stehen auch intolerante Absichten, die wir aus unseren Schulen heraushaben wollen. Darum geht es uns.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass der Beitrag von Herrn Gabriel die Chance bietet, dass wir bei der abschließenden Beratung - eventuell mit etwas abgewandelten Formulierungen - möglicherweise viel breitere Mehrheiten haben, als es im Moment den Anschein hat. Das läge jedenfalls in meinem Interesse, und das möchte ich hier zum Ausdruck bringen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Gansäuer für bis zu drei Minuten das Wort.

(Jürgen Gansäuer [CDU]: Ziehe zu- rück!)

- Zieht zurück, gut. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen damit zur Ausschussüberweisung. Federführend soll sich mit diesem Gesetzentwurf der Kultusausschuss befassen, mitberatend sollen der Ausschuss für Haushalt und Finanzen, der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sowie der Ausschuss für Inneres und Sport sein. Wer so beschließen möchte,

den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Dann ist das so beschlossen.

(Unruhe)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, würden Sie den Raum bitte leise verlassen! Gespräche führen Sie bitte draußen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 8: Einzige (abschließende) Beratung: Aufhebung der Container-Sperrklausel für den Cuxhavener Hafen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/203 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 15/601

Die Beschlussempfehlung lautet auf Annahme in veränderter Fassung. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Janßen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Container-Sperrklausel für Cuxhaven ist in den Staatsvertrag zwischen Hamburg und Niedersachsen aufgenommen worden, als Hamburg den Amerikahafen an Niedersachsen Anfang der 90er-Jahre abgegeben hat.

Die Entwicklung des CuxPorts auf der Brache des Amerikahafens war eine sehr vernünftige Entscheidung der damaligen grün-roten Landesregierung. Der einzige Wermutstropfen dabei war das Verbot, regelmäßige überseeische ContainerLiniendienste abfertigen zu dürfen.

Allerdings ist auch geregelt worden, dass zehn Jahren nach In-Kraft-Treten der Vereinbarung über die Sperrklausel neu verhandelt werden kann. Nach zwei Jahren Verhandlung kann sie von Niedersachsen einseitig gekündigt werden.

Meine Damen und Herren, die Container-Sperrklausel ist heute ein wirtschaftlicher Anachronismus und gehört dringend entsorgt. Der Rat der Stadt Cuxhaven und der Kreistag des Landkreises Cuxhaven haben mehrfach auf Antrag der Grünen

vor Ort die Abschaffung dieser Klausel gefordert. Aus gutem Grund! Schiffe bis 15,30 m Tiefgang und 285 m Länge können schon jetzt Cuxhaven anlaufen. Eine kurze Revierfahrt und gute Hinterlandverbindungen sind Voraussetzungen, Cuxhaven als Container-Umschlagstandort für FeederSchiffe in Richtung Ostsee weiterentwickeln zu können.

In unserem Antrag haben wir daher gefordert, erstens entsprechende Verhandlungen mit Hamburg sofort aufzunehmen und zweitens bei einem Scheitern dieser Verhandlungen die Konsequenzen zu ziehen und diesen Vertrag einseitig zu kündigen. - Meine Damen und Herren, wie ich meine, ein konsequentes Vorgehen.

Und was haben die Koalitionsfraktionen daraus gemacht? Sie bitten die Landesregierung nur, Gespräche zur Aufhebung der Container-Sperrklausel zu führen. - Ziemlich dürftig, wenn man alle Trümpfe in der Hand hat, um konsequent die Interessen Niedersachsens und Cuxhaven zu vertreten zu können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber immerhin: Unsere Initiative hatte Erfolg, und Sie haben unsere Forderung nach der Aufhebung der Sperrklausel übernommen. Der erste Schritt, das Verhandeln, ist letztendlich derselbe.

Wir werden daher der auf ihren Änderungsvorschlag zurückgehenden Beschlussempfehlung zustimmen, auch wenn wir nach wie vor unseren Antrag für konsequenter und für vernünftiger halten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir werden allerdings sehr darauf achten, dass die Landesregierung die Verhandlungen mit Hamburg stringent führt, und wir werden uns regelmäßig über den Stand der Verhandlungen berichten lassen. Nach zwei Jahren kommt gegebenenfalls, wenn die Verhandlungen eben nicht erfolgreich gewesen sind, die einseitige Kündigung als Option wieder auf den Tisch. Wir vergeben uns also nichts.

Herr Minister Hirche, vertreten Sie die Interessen Niedersachsens nachdrücklich, sorgen Sie hier für freie Marktwirtschaft, entsorgen Sie diesen anachronistischen Wirtschaftsprotektionismus, schaffen Sie für eine Wettbewerbsfähigkeit Cuxhavens den Rahmen! - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Riese von der FDPFraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leider wird es, wenn wir zu den maritimen Themen kommen, erstens spät - darüber hat neulich im Fachausschuss auch Herr Buß geklagt

(Werner Buß [SPD]: Ja!)

und zweitens leerer im Hause; das ist auch sehr schade, weil die maritimen Themen für ein Küstenland natürlich von essenzieller Bedeutung sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Verehrter Kollege Janßen, Sie haben hier ja wieder so ein Ding geerbt. Ihr Fraktionskollege Herr Klein hat in einer Kleinen Anfrage, die am 19. Juli 2001 eingegangen ist und in der Landtagsdrucksache 14/2626 veröffentlich wurde, einige Fragen zu dem Komplex gestellt. Ich nehme an, dass Sie die kennen. Unter Nr. 2 hat er gefragt:

„Wann wird die Landesregierung Verhandlungen mit Hamburg im Sinne von Artikel 5 (2) des o. g. Staatsvertrages einleiten?“

Darauf erwiderte Ministerin Knorre in aller Kürze:

„Die Landesregierung beabsichtigt derzeit nicht, Verhandlungen mit Hamburg im Sinne von Artikel 5 Abs. 2 des Amerikahafenvertrages einzuleiten.“

Diese Kürze ist bedauerlich. Ich freue mich, dass zumindest die Grünen seit Entstehen dieser Container-Sperrklausel klüger geworden sind. Denn die Wertung, die Sie, verehrter Herr Kollege Janßen, gerade zu dieser Klausel abgegeben haben, ist völlig richtig: Sie gehört abgeschafft.