Protokoll der Sitzung vom 17.09.2004

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Minister, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Position der Niedersächsischen Landesregierung zu den von dem Abgeordneten Brandes gestellten Fragen ist recht klar. Grundsätzlich halten wir die Novellierung für unnötig und das so genannte Eckpunktepapier für den Versuch, eine politische Diskussion, die eigentlich in den Bundestag und in die Ausschüsse gehört, in die Öffentlichkeit zu tragen, wo man sich des lauten Beifalls der Natur- und Umweltverbände sicher ist. Aufgabe der Bundesregierung ist es aber, einen konkreten Gesetzentwurf vorzulegen, über den dann im parlamentarischen Verfahren diskutiert und abgestimmt wird.

Die einzelnen Fragen beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1 erst einmal ein klares Nein. Die Bundesregierung hat eine Föderalismuskommission eingesetzt, und zwar mit dem Ziel, die Gesetzgebungskompetenz zu entflechten, im Wesentlichen durch Rückübertragung ganzer Gesetzgebungsbereiche auf die Länder. Vor diesem Hintergrund macht es keinen Sinn, jetzt eine inhaltliche Debatte über das Bundesjagdgesetz zu beginnen, ohne zu wissen, auf welcher Ebene Jagdgesetze und Naturschutzgesetze in Zukunft verbleiben. Neben diesen grundsätzlichen Aspekten bestärken uns auch fachliche Inhalte des Eckpunktepapiers in unserer Ablehnung. Die von Frau Künast angestrebte Reduzierung der Liste der jagdbaren Tierarten halte ich für nicht erforderlich, ja geradezu für schädlich, weil sie lediglich dazu führen würde, Tierarten dem Rechtskreis des Naturschutzes zuzuführen, der keine Hegepflicht beinhaltet und über geringere Schutzmöglichkeiten verfügt, als es im Jagdrecht der Fall ist. Das Jagdrecht muss durch das bewährte Reviersystem auch weiterhin untrennbar mit der Grund- und Bodennutzung der Eigentümer verbunden bleiben und darf nicht durch Wegfall der Bestimmungen über Mindestpachtdauer und Mindestgrößen für Jagdbezirke gefährdet werden.

Ähnlich unausgewogen geht es bei den anderen Eckpunkten weiter, ganz gleich, ob es um das grundsätzliche Verbot der Kirrung, der Medikamentierung und der Feinjagd geht oder die Jagdhundeausbildung betrifft. Insgesamt sehen wir keine Notwendigkeit, das Bundesjagdgesetz zu novellieren.

Mit dieser Auffassung befindet sich die Landesregierung weitgehend in Übereinstimmung mit großen Teilen der im Bundestag mit Agrarfragen befassten SPD-Abgeordneten und auch der SPDLandtagsfraktion, wie aus den Äußerungen Ihrer agrarpolitischen Sprecherin Frau Stief-Kreihe beim Bundesjägertag recht deutlich wurde.

(Beifall bei der CDU)

Zu Frage 2: Die mit mehr als 51 000 Mitgliedern nach § 40 des Niedersächsischen Jagdgesetzes anerkannte Landesjägerschaft Niedersachsen lehnt das Novellierungsvorhaben ab. Eine kleine Gruppe von etwa 100 niedersächsischen Jägerinnen und Jägern hat sich in der Arbeitsgemeinschaft Naturnahe Jagd in Norddeutschland e. V. unter dem Dach des Ökologischen Jagdverbandes organisiert. Dieser begrüßt die Novellierungsabsichten des Bundes.

Zu Frage 3: Die Landesregierung erkennt die Leistungen der Jäger und der Jägerschaft ausdrücklich an. Das aufgrund dieser Leistungen gute Verhältnis zur Landesjägerschaft ist in der Vergangenheit von allen Landesregierungen betont worden. In dieser Tradition sehen auch wir uns. Wir werden gemeinsam mit den Jägern dafür sorgen, dass Jagd in Niedersachsen eine Zukunft hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Oetjen, Sie möchten eine Zusatzfrage stellen. Bitte schön!

Vor dem Hintergrund der Äußerungen aus dem BMVEL zur Herausnahme von Tierarten aus dem Jagdrecht und zur Hinzufügung in das Naturschutzrecht frage ich die Landesregierung: Um welche Tierarten handelt es sich dabei? Welche Auswirkungen hat dies nach Ansicht der Landesregierung auf den Naturschutz und eben auch auf den Schutz dieser Tierarten?

Herr Minister!

Herr Kollege Oetjen, es ist eine ganze Reihe von Tierarten, die aus der Liste der bejagbaren Tiere herausgenommen werden soll, z. B. der Seehund, der Luchs, der Fischotter, das Auerwild, das Birkwild, das Haselwild, der Marder, der Iltis usw.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Sehr gut!)

Ich möchte noch einmal kurz erklären, was das für Folgen hat. Wenn eine bestimmte Wildart bejagt werden darf, dann gibt es nicht nur das Recht, dieses Wild zu jagen, sondern es besteht auch die Pflicht, es zu hegen. Diese Hegepflicht ist im Jagdgesetz verankert. Dieser Hegepflicht müssen die Jäger auch dann nachkommen, wenn sie nicht die Möglichkeit haben - ich sage es jetzt einmal ganz platt -, diese Tiere zu bejagen.

Wenn wir uns einmal anschauen, welche Mittel in der Vergangenheit aus der Jagdabgabe - das ist ein Teil des Geldes, das Jäger beim Lösen der Jagdscheine bezahlen müssen - in diese Tierarten investiert worden sind, dann wird uns, glaube ich, bewusst, was wir kaputt machen, wenn wir die Zahl der bejagbaren Tierarten reduzieren. In den letzten drei Jahren sind aus der Jagdabgabe 450 000 Euro investiert worden, um die Lebensräume oder die Wiederansiedlung dieser Tierarten zu fördern. Hierbei ging es um den Seehund, den Luchs, den Fischotter und einige andere Tierarten.

Ich möchte nur einmal an das Beispiel der Seehunde erinnern, deren Bestände sich aufgrund der Hundestaupe schon zweimal erheblich reduziert haben. Wir müssen einmal bedenken, welche Beträge aufgebracht werden müssen, um die Seehundpopulation wieder aufzubauen und voranzubringen. Diese Aufgabe wird geleistet aus den Mitteln der Jagdabgabe. Die Befliegung zum Zählen, die Zählung und die Aufzuchtstationen werden aus diesen Mitteln finanziert. Wenn wir diese Mittel nicht haben, müssen wir das aus anderen Töpfen bezahlen. Wir können diese Mittel letztendlich auch nur für Maßnahmen benutzen, die mit der Jagd zu tun haben. Ich glaube, wir sind sehr gut beraten, die Liste der bejagbaren Tierarten so zu lassen, wie sie ist.

Neben die Einrichtung der Lebensräume und die Wiederansiedlung treten aber auch noch die Forschungsaufgaben. Wir wissen, dass sehr, sehr viele bedrohte Tierarten zunächst einmal beforscht

werden müssen, damit festgestellt werden kann, welche Prädatoren, welche Feinde diese Tierarten haben, was besonders zu bedenken ist, wenn die vorhandenen Bestände erhalten oder weiter aufgebaut werden sollen. Letztendlich nützt es uns gar nichts, wenn wir Tierarten unter riesigem Mittelaufwand aussetzen, deren Feinde sie dann aber schon bei der nächsten Gelegenheit verspeisen. Ich will es ruhig einmal so platt sagen. Deshalb müssen wir uns dieser Thematik auch mit wissenschaftlichen Mitteln widmen.

Meine Damen und Herren, um es einmal in Mark und Pfennig zu beziffern: In den letzten Jahren haben wir in die Forschung 260 000 Euro investiert. Das heißt, diese Mittel werden von Jägern aufgebracht, um in ihrem Bestand bedrohten Tierarten ein weiteres Leben in unserer Natur in Niedersachsen zu ermöglichen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Herr Kollege Brandes noch einmal. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Neben der Herausnahme bestimmter Tierarten aus dem Jagdrecht mit all den sich daraus ergebenden Nachteilen, die der Minister eben beschrieben hat, steht das weitere Ziel, auch die Jagd auf Beutegreifer, auf so genannte Prädatoren einzuschränken nach dem Motto: Die Natur regelt das alles schon von selbst. Mich würde interessieren, wie die Landesregierung - insbesondere die Fachleute aus dem Umweltministerium - die Rolle der Prädatoren aus heutiger Sicht sieht und welche Einflüsse diese Prädatoren ihrer Meinung nach auf seltene Arten, auf Wiesenvögel und entsprechende Schutzprogramme haben.

Herr Minister!

Herr Kollege Brandes, ich hatte eben schon angedeutet, dass wir gerade die Frage der Prädatoren erforschen müssen, wenn wir die geschützten

Tierarten letztendlich sichern wollen. Meiner Meinung nach ist gerade der sehr bedrohte Goldregenpfeifer ein gutes Beispiel dafür, inwieweit wir die Forschung vorantreiben müssen.

Um die Lebensräume dieser Tierarten zu verbessern, haben wir das Feuchtgrünlandschutzprogramm aufgelegt. Im Zusammenhang mit den Wiesenvögeln stellt sich auch die Frage, in welchem Ausmaß deren Nistplätze durch die landwirtschaftliche Nutzung bedroht werden. In der Vergangenheit haben wir feststellen können, dass gerade die natürlichen Feinde, die Prädatoren, einen riesigen Einfluss haben. Im Zuge der wissenschaftlich begleiteten Beobachtung der Gelege müssen wir oft feststellen, dass diese Gelege durch Rabenkrähen, Füchse und andere Nesträuber bereits zerstört werden, bevor junge Brut überhaupt ausschlüpfen kann.

Wir müssen die entsprechende Forschung weiter vorantreiben. Das wird vom Wildbiologischen Institut der Tierärztlichen Hochschule meiner Meinung nach in wunderbarer Weise gemacht. Wenn wir dann erkannt haben, welche Prädatoren die Haupträuber sind, müssen wir den Schutz so auf die Reihe kriegen und regulieren - wir investieren Millionen in Feuchtwiesenprogramme -, dass unsere Bemühungen am Ende erfolgreich sein werden. Was nützt es, Millionen zu investieren, wenn am Ende nichts dabei herauskommt. Wir sind da dran.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich bedanke mich auch bei der Landesjägerschaft dafür - sie hat wenig Nutzen davon, wenn es denn ums Jagen geht -, dass sie dieses Thema nach vorn gestellt hat. Ich weiß, dass das Wildbiologische Institut auch die Möglichkeit hat, wissenschaftliche Erkenntnisse zu erarbeiten, die nicht nur für uns Niedersachsen, sondern auch für die Nachbarländer von großem Wert sein können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister, vielen Dank. - Herr Kollege Meyer, bitte schön!

Herr Minister, ich bedanke mich zunächst dafür, dass Sie die überaus konstruktive Position der SPD-Landtagsfraktion an dieser Stelle so positiv gewürdigt haben. Ich möchte eine Frage anschlie

ßen; Sie haben auch die herausragenden und guten Leistungen der niedersächsischen Jäger deutlich betont. Meine Frage ergibt sich aus der etwas abwertenden Bemerkung in der Stellungnahme des Ministeriums zum Einrichtungsgesetz der Anstalt öffentlichen Rechts, bezogen auf die Qualifikation der Jäger, mit der sich daraus ergebenden Forderung, § 37 des niedersächsischen Jagdgesetzes abzuschaffen. Wollen Sie da dem Kollegen Oesterhelweg und seiner Position folgen?

Herr Minister, bitte schön!

Herr Kollege Meyer, ich bin dankbar für die Frage. Zu Ihrer ersten Bemerkung: Wenn ein Kollege aus dem Hause auf dem Landesjägertag positive Dinge sagt und wir merken, dass wir eigentlich alle in die gleiche Richtung ziehen, ist es doch selbstverständlich, dass ich das hier auch einmal positiv erwähne. Ich glaube, das gehört auch zum Umgang in diesem Haus. Das will ich vorweg sagen.

(Beifall bei der CDU)

Nun zu Ihrer Frage, wie wir denn nun beim § 37 weiterkommen. Die Landesregierung hat einen Vorschlag unterbreitet. Alle Fraktionen haben sich eingebracht, die einen mehr, die anderen weniger zustimmend. Ich glaube, es ist das gute Recht des Parlaments und der Ausschüsse, hier jetzt zu Regelungen zu kommen. Es wäre nicht das erste Mal, dass auch Verbesserungen vorgenommen werden. Ob die Vorschläge letztendlich in § 37 zum Tragen kommen, müssen wir abwarten. Wir sind gute Demokraten, und ich glaube, wir sind auch auf der Fachebene sehr gut besetzt. Das zeigt jedenfalls die Intelligenz der Fragen, die hier gestellt wurden. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Meyer, in den 30 Jahren, in denen ich hier sitze, habe ich gelernt, dass Jäger keine Parteien kennen.

Gibt es noch weitere Fragen zur Frage 2? - Nein, das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zu

Frage 3: Auswirkungen der EU-Pläne zur umweltfreundlichen Verkehrspolitik auf die kommunale Selbstverwaltung

Frau Zachow!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Europäische Kommission hat im Frühjahr dieses Jahres Pläne zur Städteentwicklung erarbeitet. Werden diese Brüsseler Entwürfe national umgesetzt, hätte dies weitreichende Auswirkungen auch auf die niedersächsischen Großstädte: Alle Städte mit über 100 000 Einwohnern sollen demnach einen Plan für einen nachhaltigen städtischen Nahverkehr mit kurz-, mittel- und langfristigen Zielen entwickeln, verwirklichen und regelmäßig überarbeiten. Nach Auffassung der Europäischen Kommission könnte diesbezüglich eine Vorschrift auf EU-Ebene vorgesehen werden.

Sollte sich die Kommission mit ihren Vorstellungen durchsetzen, wäre dies ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Einmal mehr würde dem Grundsatz der Subsidiarität nicht hinreichend Rechnung getragen, weil die kommunale Selbstverwaltung dann hinter den europäischen Zentralismus zurücktritt.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Ist es nach ihren Erkenntnissen aus Sicht des Umweltschutzes zwingend erforderlich, dass die EU Vorschriften zur Entwicklung des kommunalen Nahverkehrs erlässt?

2. Wie beurteilt sie diese Planungen der EU gerade vor dem Hintergrund des Gebots der Subsidiarität?

3. Hat der Bund bereits Schritte unternommen, die den Eingriff in die Selbstverwaltungshoheit der Kommunen verhindern könnten?