Wir sind uns über alle Fraktionen hinweg darin einig, dass wir eine Fortentwicklung dieser Arbeit unterstützen wollen, um den Menschen in unserem Land zu ermöglichen, weitgehend selbstbestimmt und unter würdevollen Bedingungen den letzten Abschnitt ihres Lebens und schließlich das Sterben zu erleben.
Deshalb ist es wichtig, sich zunächst einmal ein Bild von der Lage im Land zu machen. Daraus soll am Ende ein flächendeckendes Netz von Palliativund Hospizeinrichtungen im Land entstehen, damit möglichst viele Menschen dieses Angebot nutzen können. Vor dem Hintergrund der problematischen Haushaltslage des Landes und der Pflegekasse
sowie der demographischen Entwicklung muss es auch darum gehen, die Erfordernisse mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich gestehe ganz offen, dass mich dieses Thema emotional sehr berührt. Hier geht es nicht einfach um die Änderung irgendeiner Verwaltungsvorschrift, hier geht es um sterbende Menschen. In den Jahren meiner Berufstätigkeit habe ich vieles gesehen und miterlebt, und deshalb ist das Thema für mich besonders wichtig. Auch als christlich-demokratische Sozialpolitiker sind wir hier besonders gefordert, und es wird Zeit, dass wir uns um das Thema menschenwürdiges Sterben in unserem Land kümmern, damit wir den Anschluss an andere Länder finden.
Ich bin daher sehr dankbar, dass es in unserem Land so viele engagierte Menschen gibt, die bereits jetzt in den vielen Hospizinitiativen in unserem Land mitarbeiten.
Ein Dank geht auch an die Kolleginnen und Kollegen in unserem Ausschuss für die konstruktive Zusammenarbeit. Ich bitte Sie alle, den gemeinsamen Antrag zu unterstützen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Den Gedanken, dass der Tod zum Leben gehört, schieben wir von uns weg, solange es geht. Das Thema berührt uns erst, wenn wir selber in die Situation geraten, uns mit der Endlichkeit unseres Lebens beschäftigen zu müssen, sei es, weil ein Angehöriger lebensbedrohlich erkrankt ist, sei es, weil wir selber plötzlich mit einer Hiobsbotschaft über unsere Gesundheit konfrontiert werden. Im Allgemeinen verlassen wir uns auf die gute medizinische Versorgung in unserem Land und vertrauen auf die Heilkunst unserer Ärzte. Die gute medizintechnische Ausstattung unserer Krankenhäuser verführte lange dazu, zu meinen, mit Technik allein könne man allen Patientinnen und Patienten gerecht werden.
Das Unbehagen vieler Menschen, der Hightechmedizin hilflos ausgeliefert zu sein, und die Diskussion um die Sterbehilfe führten zur Entstehung der Hospizbewegung auch bei uns in Niedersachsen. Sterbebegleitung unter Einbeziehung der Angehörigen war die Alternative zu den begrenzten Möglichkeiten für Krankenschwestern und Pfleger, im Klinikalltag auf die individuellen Bedürfnisse schwerstkranker Patienten eingehen zu können. Die Erfahrung, dass es sterbende Patienten gibt, die nicht im Krankenhaus bleiben wollen und dennoch nicht nach Hause können, führte zur Einrichtung der ersten Hospize. Ärzte, Pflegepersonal und die beiden großen Kirchen wollten dem Hightech ein Hightouch gegenüberstellen, also eine ganzheitliche Pflege, zu der auch die körperliche Berührung - Touch -, die psychosoziale Zuwendung und die nonverbale Kommunikation gehören.
Dass die Hospizbewegung sehr erfolgreich arbeitet, zeigt z. B., dass inzwischen schon mehr als die Hälfte der Bevölkerung mit dem Begriff „Hospiz“ etwas anfangen kann, was man von dem Begriff „Palliativmedizin“, also der modernen Form der Schmerztherapie, die die Linderung der Schmerzen anstelle der künstlichen Lebensverlängerung in den Mittelpunkt stellt, noch nicht sagen kann.
So viel zur Entstehungsgeschichte, die auch verdeutlicht, warum sich dieses uns alle persönlich angehende Thema nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen eignet. Der Sozialausschuss hat sich aus diesem Grund auf einen gemeinsamen Antrag verständigt.
Uns allen liegt die Sicherung der im Land bereits vorhandenen Strukturen am Herzen, der ambulanten Dienste, die eine Pflege- und Sterbebegleitung zu Hause ermöglichen, der stationären Hospize und auch der Palliativstationen in Krankenhäusern, auf denen keine operativen Eingriffe mehr vorgenommen werden, sondern, wenn vom Patienten erwünscht, schmerzlindernde Medizin verabreicht wird.
Die gemeinsame Entschließung zielt darauf ab festzustellen, wo es im Land Niedersachsen in dieser Hinsicht noch weiße Flecken gibt. Folge daraus muss natürlich die flächendeckende Erweiterung des Angebots auf das ganze Land sein, natürlich auch unter Einbeziehung des Ehrenamtes.
In der Bildungs- und Kulturpolitik ist jetzt häufig von Leuchttürmen die Rede. Ich meine, auch Hospizeinrichtungen sind Leuchttürme in unserem Land, die mit ihrem Anspruch an ganzheitliche Pflege auf die Pflege in Krankenhäusern und Altenheimen ausstrahlen. Inzwischen gibt es in Niedersachsen über 90 ambulante Hospizdienste mit vielen hoch qualifizierten und engagierten ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen; es sind vor allem Frauen, deswegen kann ich hier auch die weibliche Sprachform wählen. Es gibt zehn stationäre Hospize mit 75 Betten. Die Hospiz Landesarbeitsgemeinschaft hält Kontakt zu 15 stationären und ambulanten Palliativeinrichtungen. Diese Zahlen allein, meine Damen und Herren, machen deutlich, dass wir entsprechend unserer demografischen Entwicklung zurzeit noch kein flächendeckendes Angebot haben.
Aber machen wir uns nichts vor, meine Damen und Herren, emotionale Bekundungen sind das eine, die Finanzen der Kostenträger das andere. Wie schwierig sich solche Verhandlungen gestalten können, haben wir erst bei dem Thema Pflege schwerstkranker Kinder im Zusammenhang mit dem Kinderhospiz gesehen, das uns mehrfach im Landtag beschäftigt hat. Der SPD war es deshalb wichtig, den Krankenhausplanungsausschuss, den Landespflegeausschuss und die Kassenärztliche Vereinigung bei der Weiterentwicklung der Versorgung zu beteiligen und die integrierte Versorgung mit einzubeziehen.
Erstens. Wir bauen unter dem Druck des DRG-Abrechnungssystems massiv Krankenhausbetten ab. Welche Möglichkeiten gibt es, in Zukunft Kapazitäten umzuwidmen?
Zweitens. Die Schmerzpatienten müssen über das Abrechnungssystem der Kassen abgerechnet werden, passen aber nicht in die Systematik hinein. Wie soll damit umgegangen werden?
Drittens. Wie sieht es mit der Verankerung von ganzheitlicher Pflege und Palliativ-Care in der medizinisch-pflegerischen Ausbildung aus?
Viertens. Wie kann man die unbedingt notwendige Schulung der ehrenamtlichen Betreuer finanziell absichern?
Fünftens. Unbefriedigend ist immer noch der praktische Umgang mit dem Betäubungsmittelgesetz. Wie kann man hier Verbesserungen schaffen?
Meine Damen und Herren, es geht um den Erhalt und die Schaffung arbeitsfähiger Strukturen in räumlicher, personeller und finanzieller Hinsicht bei ambulanten und stationären Einrichtungen. Es geht auch um die Integration des Hospizgedankens in Kliniken, Altenheimen und ambulanten Pflegediensten. Qualitätsstandards, das Gewinnen von weiteren Ehramtlichen, Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit sind weitere Stichworte für ein gemeinsames Konzept.
Meine Damen und Herren, wir sind auf die Erkenntnisse gespannt, die uns das Sozialministerium im November bei der Präsentation eines Gutachtens zur Palliativversorgung in Niedersachsen vorstellen wird. Wir unterstützen Sie gern bei der Umsetzung, aber Sie können auch sicher sein: Wir werden sorgfältig darauf achten, dass dieser Antrag kein Lippenbekenntnis bleibt. - Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man Menschen zu dem Thema Sterben befragt, dann stellt man fest, dass über 80 % der Menschen in Deutschland am liebsten zu Hause im Kreise ihrer Angehörigen sterben möchten. Mich wundert es, dass es nicht noch mehr sind, weil ich denke, dass das der Wunsch aller in Deutschland ist. Dafür brauchen wir eine ambulante Versorgung. Wir haben sie zum Teil - das ist hier schon ausgeführt worden -, aber wir wissen noch nicht in allen Fällen, was wir haben. Wir müssen aber das Angebot weiter ausbauen. Auf diesem Gebiet sind wir teilweise noch - man könnte fast sagen: - Entwicklungsland im Vergleich zu anderen Ländern, die damit schon viel eher angefangen hatten.
Wenn man die Menschen fragt, geben alle an, sie wollten in Würde sterben können. Dazu braucht man auch die Palliativmedizin. Dazu brauchen wir nicht nur die Hightechmedizin, wie sie schon angesprochen worden ist, sondern auch die Möglichkeit, Schmerztherapien im ausführlichen und notwendigen Maße anwenden zu können. Wir müssen Menschen haben, die in diesem Bereich - Palliativmedizin und Hospizarbeit - in der Lage sind,
Gerade im Bereich der Palliativmedizin - Frau Weddige-Degenhard nannte es schon - ist noch einiges bei der Ausbildung nachzuholen. Die Palliativmedizin ist noch viel zu wenig in den Ausbildungsinhalten verankert. So gibt es z. B. auch bei Ärzten noch Unsicherheiten, wie Schmerzmittel anzuwenden sind, was angewendet werden darf, wo man sich eventuell strafbar macht, was richtig und sinnvoll ist. Darum ist dieser Bereich sehr wichtig.
Etwas, was ich in diesem Zusammenhang ansprechen möchte, sind Patientenverfügungen, die jeden Menschen in die Lage versetzen, selbst zu regeln, was am Ende seines Lebens passieren soll. Ich glaube, wenn alle von dieser Möglichkeit wüssten, würden noch viel mehr Menschen solche Patientenverfügungen abschließen. Bis jetzt sind es nur 8 % in Deutschland. Darum betrachte ich es auch als Sache der Politik, dafür zu werben.
Jetzt noch zwei Beispiele aus Niedersachsen dafür, was es schon gibt. Das ist zum einen das Celler Netz, das ich mir angeschaut habe. Dort gibt es seit 1991 eine Zusammenarbeit aller Berufsorganisationen, die mit Schwerstkranken und Sterbenden zu tun haben und die auch in der Kommunalpolitik verankert ist. Alle ziehen an einem Strang, sehen den Menschen im Mittelpunkt ihres Tuns und versuchen, allen Todkranken ein Sterben in Würde zu ermöglichen und auch die Angehörigen dabei aufzufangen. Auch dieses Auffangen von Angehörigen ist sehr wichtig. Zum Beispiel in Celle und in Hannover, mit Sicherheit auch in anderen Städten Niedersachsens werden Kinder und Jugendliche aus Familien, in denen ein Mitglied an Krebs erkrankt ist - häufig ein Elternteil -, zusammengeholt, man lässt sie sich darüber austauschen und betreut die Kinder und Jugendlichen auch psychologisch. Das ist enorm wichtig.
Ein zweites Beispiel kommt aus einer anderen Ecke Niedersachsens, aus Osterholz-Scharmbeck. Dort wird zurzeit ein ambulanter Hospizdienst aufgebaut, wofür man bei der Diakonie extra eine Stiftung mit dem Namen „Miteinander - Füreinander“ ins Leben gerufen hat. Dort werden zum einen ehrenamtliche Betreuer ausgebildet, zum anderen organisiert die Diakonie den Einsatz von und die Supervision für die Betreuerinnen und Betreuer zum Wohle der Menschen im Landkreis.
Sie merken also, dass es viele gute Ansätze gibt. Einiges, aber bei weitem nicht alles ist bekannt. Wir wollen mit diesem Antrag dazu beitragen, dass die Palliativmedizin und die Hospizbewegung auf ein breiteres Fundament gestellt werden und vielen Menschen in Niedersachsen zugänglich sein werden. Darum bitten wir Sie um Ihre Unterstützung. Dass wir uns einig sind, haben Sie ja schon gehört.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Frau Kollegen Janssen-Kucz zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zeit ist reif für den Aufbau eines flächendeckenden Versorgungsnetzes für eine palliativmedizinische Versorgung in Niedersachsen. Wie auch die Vorrednerinnen gesagt haben: Das Sterben gehört zum Leben. Damit hat die Palliativmedizin einen unverzichtbaren Platz im Gesundheitssystem. Trotzdem müssen wir gemeinsam noch viele Steine aus dem Weg räumen bzw. Widerstände bei der Umsetzung überwinden. Die Finanzierungsfragen sind offen, Organisationen müssen auf die besonderen Bedingungen der Palliativmedizin eingehen, Beteiligte müssen sich dem Sterben als einem unausweichlichen, belastenden Lebensphänomen öffnen, interprofessionelle Teamarbeit muss eingeübt werden. Meine Damen und Herren, das bedeutet das Bohren dicker Bretter. Wir sind damit erst am Anfang.
Mit diesem gemeinsamen Entschließungsantrag wollen wir in Niedersachsen weg von vielen Einzelprojekten hin zu einer flächendeckenden Versorgung. Noch immer ist es die Sache einiger weniger engagierter Ärzte und Ärztinnen sowie Pfleger und Pflegerinnen in Zusammenarbeit mit Mitarbeiterinnen aus den Bereichen Hospiz und Seelsorge - die sollten wir an dieser Stelle nicht vergessen -, die regional begrenzt versuchen, eine palliativmedizinische Versorgung sicherzustellen. Wir brauchen ein Konzept für die Weiterentwicklung der palliativmedizinischen Versorgung in Niedersachsen. Das Konzept muss von allen Akteuren und Kostenträgern gemeinsam getragen werden. Durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz er
Meine Damen und Herren, die in Deutschland noch sehr junge Disziplin der Palliativmedizin versucht, die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten in dieser Situation weitestgehend zu erhalten. Palliativmedizin soll und muss die vierte Säule der Medizin werden. Sie muss in integrative Versorgungsstrukturen eingebettet werden. Wir müssen davon wegkommen, dass solche Projekte nahezu ausschließlich aus Spenden und Stiftungsgeldern finanziert werden. Wir müssen eine Finanzierungsgrundlage schaffen. Für eine nachhaltige, flächendeckende und qualitativ hochwertige Palliativversorgung brauchen wir ein Konzept, und das muss in der Praxis verankert werden.
Meine Damen und Herren, wir brauchen die Hospizbewegung auch weiterhin als feste Säule. Sie hat in Deutschland Pionierarbeit geleistet.
Vor ca. 20 Jahren begann sie mit ihrer Arbeit. Vor zehn Jahren wurden die ersten Hospizvereine und stationäre Hospize als Organisationsform gegründet. In der Hospizbewegung finden sich Freiwillige aus allen Altersgruppen und gesellschaftlichen Schichten, Menschen aus sozialpflegerischen und seelsorgerischen Bereichen. Sie verdienen nicht nur unsere Anerkennung, sondern auch unsere Unterstützung. Sie gehören dazu, wenn wir das hospizliche Angebot und die palliativmedizinische Versorgung in Niedersachsen fördern und ausbauen wollen.
Meine Damen und Herren, wir legen hier und jetzt einen Grundstein in Sachen Palliativmedizin. Ich hoffe nur, dass es nicht noch einmal zehn oder zwanzig Jahre dauert, bis wir eine nachhaltige, flächendeckende Struktur aufgebaut haben. - Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Viele Menschen erfüllt der Gedanke an das Sterben und an die Endlichkeit menschlichen Lebens mit Unbehagen. Darüber spricht man nicht gern. Diese Haltung hat wesentlich dazu beigetragen, dass wir den Tod so weit wie möglich aus unserer Gesellschaft verdrängt haben. Es ist bedrückend, dass mittlerweile kaum noch Menschen in ihrer gewohnten Umgebung, im Kreise ihrer Familie, sterben, obwohl sich die meisten gerade das wünschen. Die meisten Menschen sterben im Krankenhaus oder im Pflegeheim. Es muss uns auch nachdenklich stimmen, dass fast die Hälfte der Bevölkerung die Situation sterbender Menschen als anonym und unwürdig empfindet.