Frau Ministerin, Arbeitgeberpräsident Hundt hat bei der Bewertung Ihres Modells und des gerade erreichten Kompromisses zur Kenntnis gegeben, dass keine positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt entstehen werden, weil jede künftige Lohn- und Gehaltserhöhung natürlich auch Auswirkungen auf die Lohnnebenkosten haben wird. Vor dem Hintergrund Ihrer eben lang angeführten Argumente, dass Sie sich arbeitsmarktpolitische Auswirkungen erhoffen, möchte ich gerne wissen, warum Sie sich dann auf diesen Kompromiss eingelassen haben.
Verständlich ist, dass Arbeitgeberpräsident Hundt für seine Seite eine Maximalforderung aufstellt. Das ist völlig legitim. Er muss das auch fordern. Ich habe bereits gesagt, dass ich das grundsätzlich systematisch für richtiger gehalten hätte. Ich habe aber auch dazu gesagt, dass es aus meiner Sicht politisch durchaus einen Kompromiss geben muss, bei dem man alle mitnimmt. Der Kompromiss war, den halben Schritt auf diesem Weg zu tun und nicht den ganzen. Ich möchte noch einmal klarstellen, dass die Festschreibung der Arbeitgeberbeiträge bei 6,5 % eine deutliche Verbesserung gegenüber dem darstellt, was sonst die Bürgerversicherung oder der Status quo bieten würde.
Ich frage die Landesregierung: Welches Konzept hat sie bzw. haben Sie persönlich als Sozialministerin, wie und wo Sie die ca. 1,2 Milliarden Euro einsparen wollen, die dem niedersächsischen Landeshaushalt jährlich verloren gehen?
Sie meinen das Merz-Faltlhauser-Konzept für die Steuerreform? - Gut. Auf diese klare Frage gibt es gerne eine Antwort. Vorher war die Frage ja nicht so eindeutig.
- Es wurde nur gesagt, dem niedersächsischen Landeshalt gehen 1,2 Milliarden Euro verloren. Man muss dann auch sagen, welche Prämisse man dabei unterlegt.
Das durchgerechnete Merz-Faltlhauser-Konzept geht vor allem von dem Prinzip aus, dass die Ausnahmetatbestände abgeschafft werden. Ich möchte das einmal bildlich darstellen: Wenn man die vielen Schlupflöcher schließt, dann hat man eine breitere Beitragsbemessungsgrundlage, von der man schöpfen kann. Um das gleiche Volumen zu bekommen, muss man geringer schöpfen. Insofern erübrigt sich diese Frage; denn ein solcher Anteil wird dem Landeshaushalt nicht verloren gehen.
Frau Ministerin, der Landtagskollege Uwe Schwarz hat laut Protokoll vom 29. Oktober 2004 behauptet, dass der Hildesheimer Bischof Homeyer die Kopfpauschale stark kritisiert habe. Wie steht die Landesregierung dazu? Wie bewerten Sie diese Aussage?
Wir haben in jener Plenarsitzung über das Thema Gesundheitsprämie diskutiert. In der Tat hat der Landtagsabgeordnete Schwarz behauptet - was mich in diesem Augenblick getroffen hat; das will ich gar nicht verhehlen -, dass der Hildesheimer Bischof Homeyer die, wie er sich ausdrückt, vorgeschlagene Kopfpauschale ebenfalls scharf kritisiere. Ich schätze Bischof Homeyer als eine ganz herausragende Persönlichkeit. Da mir sein Urteil gerade in solchen Fragen wichtig ist und da ich weiß, dass er über den Tag hinaus denkt, habe ich in der bischöflichen Pressestelle nachfragen lassen, was es mit dem Zitat des Abgeordneten Schwarz auf sich habe. Aus der bischöflichen Pressestelle kam die Antwort, der Bischof habe das Sitzungsprotokoll „mit ungläubigem Staunen“ gelesen und gesagt: Weder habe ich dies gesagt, noch dächte ich so. - Meine Damen und Herren, hier besteht erheblicher Erklärungsbedarf seitens der SPD.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich frage Sie, wie die demografische Entwicklung in Ihre Kopfprämie eingearbeitet ist.
(Dr. Harald Noack [CDU]: Wesentlich besser als in dem derzeitigen System! - Bernd Althusmann [CDU]: Das ist die wesentliche Voraussetzung für alles!)
Zwei Punkte erhöhen die Nachhaltigkeit der demografischen Entwicklung bei der Gesundheitsprämie im Gegensatz zum Status quo bzw. zur Bürgerversicherung: Erstens zur demografischen Entwicklung. Entscheidend ist - wir haben das hier schon des Öfteren thematisiert -, dass die Erziehung von Kindern honoriert wird und dass sie auch weiterhin geleistet wird, nicht nur von einem ganz kleinen Teil der Gesellschaft.
Ganz entscheidend ist, dass Familien dann ihren eigenen Lastenausgleich nicht mehr tragen, sondern die hohen Einkommen, die nicht weitere Kinder aus diesem Einkommen zu erziehen haben. Deshalb die Finanzierung der Kinderbeiträge über die Steuern.
Zweitens zur Nachhaltigkeit. Die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung stammen heute von den lohnabhängig Beschäftigten bzw. den Rentenbeziehern. Die Rentner und Erwerbstätigen zahlen deutlich unterschiedliche Beiträge. Dadurch, dass in Zukunft ein einheitlicher Krankenversicherungsbeitrag - nicht Umverteilungsbeitrag, sondern Krankenversicherungsbeitrag gezahlt werden soll, wird automatisch eine ganz starke horizontale Nachhaltigkeit eingezogen - also zwei Komponenten -, die deutlich die Folgen der demografischen Entwicklung abschwächt.
Frau Ministerin, ich weiß nicht, wie wichtig Ihnen die Meinung des Hartmannbundes ist. Ich frage die Landesregierung: Was antwortet sie dem Hart
mannbund, der der Meinung ist, dass mit der Kopfprämie die Finanzierung des medizinischen Fortschritts - den Sie ja sicherlich auch den Kranken nicht verweigern wollen - nicht zu bewältigen ist?
Der Hartmannbund fordert zu Recht die Finanzierung des medizinischen Fortschritts ein. Das betrifft genau das, was wir vorhin diskutiert haben, nämlich zu sagen: Was bezahlen wir heute? Was ist der Status quo? - Das sind 169 Euro pro erwachsenem Versicherten - das ist das Gleiche wie 14,2 %, die wir heute in der gesetzlichen Krankenversicherung zahlen -, also das, was wir heute als Einnahmen für die Ausgaben benötigen. Wenn wir darüber diskutieren wollen, wie wir in Zukunft den medizinischen Fortschritt finanzieren wollen, dann sind das Fragen der Mittelverteilung im System, der Strukturveränderung, der Effizienz der eingesetzten Mittel, der Frage, dass man - das halte ich für wichtig - Innovationen finanziell zulässt. Das muss in diesem System aber auch bedeuten - das sage ich ganz klar in alle Richtungen -, dass man andere Verfahren sein lässt. Man kann nicht immer nur Add-on-Politik betreiben - immer noch einen Speckgürtel mehr -, sondern wenn man Innovationen einführt, müssen andere Verfahren abgeschafft werden. Das hat aber mit der Einnahmeseite der gesetzlichen Krankenversicherung nichts zu tun. Das ist eine Frage der Struktur und der Ausgabenseite.
Vor dem Hintergrund, dass die von Ihnen vertretene Kopfpauschale weder die Kosten für das Krankengeld noch für den Zahnersatz beinhaltet, frage ich die Landesregierung, wie sie diese Kosten finanzieren will.
Zahnersatz und Krankengeld werden entsprechend dem beschlossenen GMG ab nächstem Jahr nicht mehr von der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst. Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen - das ist ein Tatbestand. Also können Sie etwas, was nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ist, nicht in eine Berechnung für einen Systemwechsel einbeziehen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Wie beurteilen Sie die Beitragsgerechtigkeit zwischen Bürgerversicherung und Gesundheitsprämie?
(Erhard Wolfkühler [SPD]: Fragen Sie doch mal Herrn Seehofer! - Gegenruf von Ilse Hansen [CDU]: Hier wird die Landesregierung gefragt!)
Beitragsgerechtigkeit ist ein Thema, das sich beide Reformmodelle auf die Fahnen geschrieben haben. Das ist auch richtig. Was bedeutet Beitragsgerechtigkeit? - Das heißt schlicht und einfach, dass alle Formen des Einkommens einen identischen Beitrag leisten sollen.
Die 109 Euro Gesundheitsprämie, die ein Versicherter an die Krankenversicherung zahlt, sind völlig unabhängig davon, aus welchem Einkommen sie geschöpft werden. Der Staat mischt sich nicht ein, und der Staat sagt nicht „Dieses Einkommen ist uns wichtig, dieses Einkommen ist uns nicht so wichtig, dieses Einkommen bestrafen wir, und dieses Einkommen stellen wir besser“.
Anders ist es bei der Bürgerversicherung. Dabei gibt es ein Töpfchendenken. Ich glaube, man nennt es das Zweisäulenmodell. Da wird unterschieden zwischen Einkommen aus lohnabhängiger Arbeit und Einkommen aus Kapitalerträgen.
Bezieher von Einkommen aus lohnabhängiger Arbeit stehen am schlechtesten da, weil diese Einkommen voll belastet werden. Bezieher von Einkommen aus Kapitalerträgen stehen teilweise gut und teilweise schlecht da. Es gibt einen Freibetrag und alles darüber wird belastet, aber nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Wer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, wer also Hausbesitzer ist, hat es besonders gut, denn der zahlt auf diese Einnahmen keinen einzigen Cent. Das verstehe ich nicht unter Beitragsgerechtigkeit.
(Beifall bei der CDU - Dieter Möhr- mann [SPD]: Der zahlt aber auch kei- ne Steuern, Frau Ministerin!)
Frau Ministerin, Landtagsabgeordnete bewegen sich mit ihrem Einkommen ja nicht gerade am unteren Ende der Einkommensskala. Ich frage Sie: Warum muss ich, der ich heute in der GKV einen hälftigen Krankenkassenbeitrag von etwa 255 Euro zahle, nach Ihrem Modell um ca. 30 Euro entlastet werden, und warum soll ich zusätzlich noch von der Senkung des Spitzensteuersatzes profitieren? Ist das gerecht?