Protokoll der Sitzung vom 16.12.2004

3. Welche pädagogischen, haftungsrechtlichen oder sonstigen Gründe gab es für die Änderung des Erlasses „Grundsätze und Bestimmungen für den Schulsport“, hier: Sorgfalts- und Aufsichtspflicht in besonderen Bereichen, vom 1. August 2004?

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Möhrmann. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Busemann. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vorrangige bildungspolitische Zielsetzung der Landesregierung ist die volle Unterrichtsversorgung aller Schülerinnen und Schüler in den allgemein bildenden Schulen des Landes. Dieses Ziel ist mit einer Unterrichtsversorgung von 100,8% nachweislich voll erreicht.

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

Gleichzeitig wurde die Pflichtstundenzahl von 88 Lehrerwochenstunden in den Grundschulen bzw. 92 Stunden in den Verlässlichen Grundschulen auf 94 Lehrerwochenstunden erhöht. Damit werden die Basiskompetenzen der Schülerinnen und Schüler nachhaltig gestärkt.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das haben wir Ihnen doch gerade widerlegt!)

Wegen dieser Prioritätensetzung sind u. a. die Zusatzstunden für eine zweite Lehrkraft zur Aufsichtsführung beim Schwimmunterricht in Grundschulen entfallen, da dafür in der Regel ein zwingendes Erfordernis nicht gegeben ist. Schulen, die gleichwohl einen Bedarf an Stunden für eine zusätzliche Lehrkraft beim Schwimmunterricht haben, stellen bei der Schulbehörde dafür einen Antrag mit einer differenzierten Begründung. Im Einzelfall wird dann entschieden, ob und in welchem Umfang ein Zusatzbedarf gerechtfertigt ist.

Die aktuellen Rahmenbedingungen für den Schwimmunterricht in Niedersachsen halten dem Vergleich mit anderen Bundesländern stand. Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gehen bei den Lerngruppen im Schwimmunterricht von Klassenstärken aus.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Wir orientie- ren uns an den starken Ländern!)

Eine Beteiligung Dritter und ein Übertragen der Aufsichtspflicht auf Dritte ist in diesen Ländern ebenfalls vorgesehen. Bei allen Ländern liegt die Verantwortung bei der Lehrkraft.

Dies vorangestellt, beantworte ich namens der Landesregierung die einzelnen Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Die Aufsicht führenden Personen sind im Rahmen einer Schulveranstaltung grundsätzlich über die Gemeinde-Unfallversicherungs-Verbände

bzw. Landesunfallkassen versichert. Adressat für Schadenersatzansprüche Dritter gegen das aufsichtsführende Personal i. S. v. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG ist das Land Niedersachsen, das nur im Fall von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit Rückgriff nehmen kann.

Die verantwortliche Lehrkraft hat ihr Handeln an den „Grundsätzen und Bestimmungen für den Schulsport“ auszurichten, die Baderegeln und Hausregeln des jeweiligen Schwimmbades zu beachten und die Aufgabenbereiche der Begleitpersonen entsprechend festzulegen. Die Übertragung von Aufsichtsaufgaben an geeignete pädagogische Mitarbeiter bedeutet keine Beauftragung zu eigenverantwortlichem Unterricht.

Es bleibt festzuhalten, dass beim Schwimmunterricht von den Lehrkräften nicht mehr, aber auch nicht weniger sachkompetentes und verantwortungsvolles Handeln gefordert wird als in allen anderen Verantwortungsbereichen von Unterricht und Schule.

Zu Frage 2: Der Schwimmunterricht muss von einer Lehrkraft erteilt werden, die während ihres Studiums eine Fachausbildung für Sport absolviert hat oder im Rahmen der Lehrerfortbildung und Lehrerweiterbildung die erforderlichen didaktischen und methodischen Grundkenntnisse für die Erteilung des Schwimmunterrichts erworben hat.

Die verantwortlichen Lehrkräfte müssen das Deutsche Rettungsschwimmabzeichen in Bronze - den Nachweis der Rettungsfähigkeit - haben und die weiteren Aufsichtspersonen das Deutsche Schwimmabzeichen Bronze, also den Nachweis der Schwimmfähigkeit.

Zu Frage 3 verweise ich auf die Vorbemerkungen.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Minister. - Zusatzfragen sehe ich nicht. Damit können wir die Fragestunde für diesen Tagesordnungsabschnitt beenden. Die Antworten der Landesregierung zu den Anfragen, die jetzt nicht mehr aufgerufen werden konnten, werden nach § 47 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben.

Ich rufe nun auf

Tagesordnungspunkt 2: 19. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben - Drs. 15/1510 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/1560 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1561

Über die Ausschussempfehlungen zu den Eingaben in der Drucksache 1510, zu denen keinen Änderungsanträge vorliegen, haben wir bereits in der 49. Sitzung am 14. Dezember 2004 entschieden. Das heißt, wir beraten jetzt nur noch über die Eingaben aus der Drucksache 1510, zu denen die genannten Änderungsanträge vorliegen.

Ich eröffne die Beratung. Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Kollegin Merk zu zahlreichen Eingaben zu Wort gemeldet, in denen es um ausländerrechtliche Entscheidungen geht. Frau Kollegin Merk, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben dieses Mal, wie Sie unschwer feststellen können, eine ganze Reihe von Petitionen strittig gestellt. Bevor ich zu der Petition komme, die ich im Wesentlichen ansprechen möchte, will ich aber etwas zu dem Rahmen sagen, in dem sie steht.

Viele der Ausländerinnen und Ausländer, die in Deutschland leben, leben hier seit vielen Jahren, haben sich vorzüglich in unsere Gesellschaft integriert und sind - das betone ich besonders - dem Staat nicht zur Last gefallen. Diese Menschen haben diesen Staat, die Bundesrepublik Deutschland, umfassend akzeptiert und sind - das will ich deutlich sagen - ein Gewinn für dieses Land.

Die Kinder dieser Menschen, die in diesem Lande geboren sind, haben alle Anstrengungen unternommen, die man von einem ausländischen Kind erwartet. Sie haben die deutsche Sprache erlernt, sie haben sich vorzüglich integriert, sie haben in der Schule hervorragende Noten erreicht, der Klassenverband hat sie positiv aufgenommen und umgekehrt nehmen sie im Klassenverband häufig ehrenamtliche Tätigkeiten wahr. Es sind Kinder, für die der Staat - die Bundesrepublik Deutschland und in diesem Fall Niedersachsen - Mittel aufgewendet hat, indem er ihnen eine Schulbildung und eine Ausbildung ermöglicht hat.

Zusammengefasst geht es um Menschen - junge wie erwachsene -, die eigentlich alle Voraussetzungen erfüllt haben, um hier leben zu können, die so sind, wie wir uns Bürger in diesem Staat wünschen, denen es aber dennoch nicht gelingt, die letzte kleine Hürde zu überspringen.

Ich habe diese Ausführungen vorangestellt, um Ihnen jetzt einen Fall darzustellen, der Sie nachdenklich stimmen müsste und der die Frage aufwirft, ob wir so mit diesen Menschen umgehen können.

Es geht um eine vietnamesische Familie, die 1992 nach Deutschland kam. Hier wurden zwei Töchter geboren. Das Asylverfahren dieser Familie scheiterte. Jedoch konnten sie über Jahre hinweg nicht nach Hause zurückkehren, weil Vietnam sich geweigert hat, sie wieder aufzunehmen; das Problem ist uns allen bekannt. Ihr Aufenthalt hier wurde Jahr für Jahr geduldet.

Seit 1995 können diese Menschen nun wohl wieder nach Vietnam zurückkehren, weil sich Vietnam bereit erklärt hat, sie wieder aufzunehmen. Aber da die Familie nie straffällig geworden ist und auch sonst ausgesprochen integriert war, stand sie zunächst nicht auf der Liste der Rückzuführenden, sondern die Rückführung wurde immer und immer wieder aufgeschoben. Bis heute hat man die Familie geduldet.

Beide Elternteile dieser Familie arbeiten. Deshalb könnte man meinen, dass hier die Altfallregelung greift. Aber nein, dazu kann die Familie ein Kriterium nicht erfüllen. Sie hätte nämlich schon zum Stichtag 19. November 1999 fest in Arbeit und Brot stehen müssen. Diesen Stichtag hat die Familie um nur wenige Monate verpasst, und das ist ihr jetzt zum Verhängnis geworden; denn die Mehrheit auf der rechten Seite dieses Hauses möchte diese Familie nun nach Vietnam abschieben.

Meine Damen und Herren, dieser Familie ist eine Geringfügigkeit zum Verhängnis geworden. Ich meine, angesichts einer so hohen Arbeitslosigkeit, wie wir sie in diesen Jahren zu verzeichnen haben, ist es eine Hochleistung, wenn der Vater und die Mutter seit mehr als vier Jahren voll berufstätig sind und ihren Unterhalt selbständig verdienen können. Beide leben seit vier Jahren ohne jede Hilfe des Staates. Das ist sehr erfreulich.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Aber weil einige wenige Monate zum Stichtag fehlen, ist es egal, ob die Menschen seit 1992 hier leben, ob sie hier arbeiten, ob ihre Kinder vorzüglich integriert sind und ob sie die deutsche Sprache sprechen. Sie sollen abgeschoben werden.

Meine Damen und Herren, nachdem wir beim letzten Mal sehr ausführlich über die Härtefälle diskutiert hatten, frage ich mich gerade als Mitglied des Petitionsausschusses: Was ist denn ein Härtefall, wenn nicht dieser?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nun gibt es zwar eine neue Regelung, aber es ist noch keinerlei Verfahren verabredet, wie wir mit diesen Härtefällen umzugehen haben. Die Einrichtung einer Härtefallkommission hat die Mehrheit ja abgelehnt.

Wir haben vorhin vom Innenminister einen sehr umfassenden Vortrag im Zusammenhang mit dem Fall der Abschiebung einer vietnamesischen Familie gehört. Dieser Fall unterscheidet sich allerdings erheblich von dem Fall, den ich vorgetragen habe.

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, der Familie, von der ich gesprochen habe, doch noch die Chance zu geben, hier zu bleiben. Hilfsweise stelle ich den Antrag, die Entscheidung wenigstens zurückzustellen und noch einmal zu prüfen, ob wir dieser Familie nicht eine Möglichkeit geben können, hier zu bleiben.

Zum Schluss möchte ich Folgendes sagen: Wir werden uns zukünftig fragen müssen, ob wir bei einem Fall, in dem der Stichtag zwar um wenige Monate verpasst wurde, in dem aber sonst alle Voraussetzungen erfüllt sind, in dem ein langjähriger positiver Aufenthalt vorliegt, in dem eine volle Integration stattgefunden hat und in dem junge Menschen ein Stück unserer Gesellschaft geworden sind - genau diese Menschen wollen wir in unserem Staat doch haben - tatsächlich sagen können, dass diese Menschen zurückgehen müssen. Diese Frage müssen wir uns neu und nachträglich stellen.

Ich jedenfalls halte es nicht mehr gut aus - ich bin seit 1986 hier im Landtag -, dass wir bei einer Familie, bei der fast alle Voraussetzungen erfüllt sind und bei der wir eine so positive Situation haben, dennoch den Hammer fallen lassen und sagen, sie muss zurück nach Vietnam. Ich bitte Sie, sich diese Frage auch so zu stellen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zu den gleichen Eingaben spricht Herr Kollege Böhlke von der CDU-Fraktion. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor vier Wochen hat der Landtag im Zusammenhang mit dem Zuwanderungsgesetz grundsätzliche Entscheidungen getroffen. Wir haben uns vor dem Hintergrund, dass das Gesetz ab 1. Januar 2005 Gültigkeit hat, auf bestimmte Regelungen verständigt, so beispielsweise auch darauf, dass der Petitionsausschuss künftig die Härtefallbestimmungen definieren wird.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Von Verständigung kann keine Rede sein!)

„Härtefall“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Aber im Zuwanderungsgesetz ist sehr genau definiert, was eben kein Härtefall ist.

Bundesinnenminister Schily hat öffentlich erklärt, er geht davon aus, dass in der Bundesrepublik Deutschland etwa 100 Fälle im Jahr als Härtefälle zugelassen werden können. Wenn Sie das umrechnen, dann bedeutet das statistisch, dass in Niedersachsen zehn Fälle pro Jahr als Härtefälle entsprechend beschieden werden.

(Elke Müller [SPD]: Wollen Sie das auswürfeln? Oder wie wollen Sie das entscheiden?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ein Härtefall ist, ist natürlich eine spannende Frage. Der Fall, den die Kollegin Merk gerade vorgetragen hat, ist es aber mit Sicherheit nicht.