Protokoll der Sitzung vom 23.02.2005

(Zuruf von Ina Korter [GRÜNE])

Würden Sie sich wenigstens ein einziges Mal der Anstrengung des Denkens unterziehen, bevor Sie sich zu solch vollmundigen Äußerungen hinreißen lassen

(Ina Korter [GRÜNE]: Das ist eine Beleidigung!)

- einmal nur nachdenken, das würde ja schon reichen -,

(Ina Korter [GRÜNE]: Das wäre bei Ihnen auch angebracht!)

kämen Sie zwangsläufig zu der Erkenntnis, dass seinen Überzeugungen treu zu bleiben, bereit zu sein, auch Niederlagen hinzunehmen,

(Claus Peter Poppe [SPD]: Wie der Ministerpräsident!)

um Schlimmeres zu verhüten, eben gerade nicht populistisch ist, sondern Stärke und einen kritischen Geist erfordern. Im Übrigen danke ich Ihnen, Frau Korter, ganz herzlich für all die Komplimente, die Sie dem Ministerpräsidenten gemacht haben.

(Claus Peter Poppe [SPD]: Welche denn?)

Er spielt in der Tat in der Nationalmannschaft - und das ist gut für Niedersachsen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren auf dieser Seite,

(Walter Meinhold [SPD]: Auf welcher Seite?)

ich weiß, dass es Sie ärgert, dass die Bevölkerung, also die Menschen draußen, das genauso sehen. Die wollen nämlich keine opportunistischen Politiker; die wollen Politiker, die Klartext reden, die, wenn sie etwas als schlecht erkannt haben, dann tatsächlich auch versuchen, es zu stoppen,

(Zustimmung bei der CDU)

die bereit sind, auch einmal Niederlagen einzustecken.

(Walter Meinhold [SPD]: Wie Herr Wulff!)

Dass die Bevölkerung das so sieht, können Sie unschwer an den herausragend guten Umfragewerten unseres Ministerpräsidenten erkennen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ärgert Sie natürlich, meine Damen und Herren.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das tut weh!)

Wir schließen uns den Worten Martin Walsers an, den ich zitiere:

„Ich erwarte von dieser neuen Entwicklung Gutes, auch wenn sich die Befürworter einer schlichten Rückkehr zum Bewährten nicht durchsetzen konnten. Ganz auf null zurück - das geht wohl nicht. Dass man jetzt die Reform reformieren will, und zwar wegen der Kritik an ihr energischer als ursprünglich geplant, ist doch ein Zeichen von Lebendigkeit.“

Wir hoffen, dass die Irrungen und Wirrungen um diese so genannte Rechtschreibreform doch noch zu einem guten Ende gebracht werden können, auch wenn das tatsächlich nur die zweitbeste Lösung ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Wort hat jetzt der Kollege Bode von der FDPFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Abgesehen davon, dass die Rechtschreibreform die Rechtschreibung nicht wirklich vereinfacht und damit ihr selbst gestecktes Ziel sogar verfehlt hat, wird sie von der Bevölkerung auch nicht angenommen. Wie sollte sie es auch? Schon die grundsätzliche Einstellung, die zu dieser Reform geführt hat, ist unsinnig. Wieso muss eine ge

wachsene, eine lebendige Sprache künstlich umgestaltet werden?

(Claus Peter Poppe [SPD]: Da ist doch nichts Künstliches dran!)

Etwa, weil einige Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung hatten? Dann müssten ja auch alle auf Krücken gehen, weil einer nicht laufen kann.

Die Ergebnisse haben außerdem gezeigt, dass die Krücken unterschiedlich lang waren. Die Fehlerquote bei Schülern hat sich um 22 % erhöht. Aber auch wenn die Rechtschreibung tatsächlich einfacher geworden wäre, gäbe es immer noch Schüler, die damit Schwierigkeiten hätten.

Als hätten wir jetzt nichts Besseres zu tun, als uns über die Verschlimmbesserung der deutschen Rechtschreibung auszulassen, haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, tatsächlich zwei Anträge eingebracht, deren Anliegen entweder die weitere Verschlimmerung oder aber die Verfestigung der schlechten Situation ist. In der gleichen Zeit haben nicht nur Vertreter der Landesregierung, sondern auch Zeitungen und gesellschaftliche Gruppierungen zu einer Rückkehr zur herkömmlichen alten Rechtschreibung aufgerufen und sie zum Teil auch umgesetzt.

(Claus Peter Poppe [SPD]: Und wie- der zurückgedreht!)

Lassen wir also der Entwicklung der Sprache einfach ihren Lauf. Die deutsche Sprache ist eine lebendige Sprache; denn sie hat Eigendynamik und entwickelt sich durch den ständigen Gebrauch weiter. Lassen wir doch die Gesellschaft selber diese Entwicklung voranbringen. Halten wir doch einfach die Politik aus dieser Frage heraus. Hoffen wir auf den jetzt eingeschlagenen Weg, nämlich darauf, dass der neue Rat, in dem jetzt Praktiker mitarbeiten, rechtzeitig fertig wird. Fordern wir diesen Rat auch dazu auf, rechtzeitig fertig zu werden, damit die Reform der Schlechtschreibreform tatsächlich noch greifen kann.

Wir hier im Landtag und alle in der Politik in Niedersachsen sollten uns lieber darauf konzentrieren, allen Kindern die Grundfertigkeiten Lesen und Schreiben so zu vermitteln, dass sie im Alltagsleben damit zurechtkommen. Denn egal, wie viel an der Rechtschreibung herumgedoktert wird: Lernen müssen die Kinder sie doch. Also lassen wir die Albernheiten, und konzentrieren wir uns auf das Wesentliche. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Mir liegt jetzt eine Wortmeldung von Herrn Minister Busemann vor. Herr Busemann, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die wesentlichen Argumente zum Thema Rechtschreibreform sind eigentlich ausgetauscht. Es ist auch nicht die Stunde, um die leidenschaftlichen Debatten der letzten Monate oder Jahre wieder aufleben zu lassen. Ich möchte aber noch einmal meine persönliche Einstellung zu diesem Thema darlegen.

Bei jeder Rede - ob pro oder kontra Rechtschreibreform - hört man doch, dass Sprache seit Jahrhunderten etwas Fließendes und Bewegliches ist, das man nicht künstlich beeinflussen soll, etwas, das sich nach dem allgemeinen Verständnis von selbst entwickelt. Herr Kollege, mithilfe einer Duden-Redaktion hat das doch bisher auch ganz gut funktioniert. Zu diesen Dingen kann man eine grundsätzliche Haltung haben.

Und dann kamen damals 16 Kultusminister - ein niedersächsischer war ganz vorne mit dabei - und haben gesagt: Wir bringen denen jetzt einmal richtig bei, wie die Rechtschreibung zu funktionieren hat. - Vom demokratischen Grundverständnis und von der Sinnhaftigkeit all dessen her, was da passiert ist, kann ich mich mit dieser neuen Rechtschreibung einfach nicht anfreunden. Ich stelle für die Schulen fest, dass die Erlernbarkeit der Rechtschreibung und die Korrekturfähigkeit eben nicht - Herr Bode, Sie haben es gesagt - besser geworden sind.

Die Quittung für dieses Wirken von oben ist ja allen bekannt: Wir sind als Volk sozusagen gespalten, was die praktische Umsetzung, aber auch die Einstellung zur neuen Rechtschreibung anbelangt, die Medienwelt ist auch gespalten; man streitet hin und her. Die Unsicherheit ist gewachsen. Das kann eigentlich kein gutes Ergebnis sein.

Der Ministerpräsident dieses Landes hat im Sommer des letzten Jahres noch einmal den Versuch unternommen, die Vernünftigen im Lande zusammenzubringen, um vielleicht auch mit den Kultusministern und den Ministerpräsidenten auszuloten, ob man vielleicht mit ein paar akzeptablen Neue

rungen im Wesentlichen zur alten Rechtschreibung zurückfinden kann.

Sie kennen das Ergebnis. Wer erwartet hat, dass alle beidrehen, der hat sich getäuscht. Dieses Ergebnis wurde nicht erzielt. Aber - das ist dann doch ein Erfolg - im Oktober haben die Ministerpräsidenten aller Länder einen nicht unpfiffigen Beschluss gefasst, den ich zitieren möchte. Im Protokoll heißt es:

„1. Die Regierungschefs der Länder unterstützen die Berufung des Rates für Deutsche Rechtschreibung: Sie erwarten, dass der Rat plural (Gegner und Befürworter) zusammengesetzt wird. Sie erwarten, dass ggf. Änderungen in den Bereichen: Getrenntund Zusammenschreibung, Fremdwörter, Interpunktion und Trennung so rechtzeitig vorgeschlagen werden, dass sie zum 01.08.2005 in Kraft treten könnten.

2. Die neue Rechtschreibung tritt am 1. August 2005 in Kraft.“

Nun müssen wir mal die Entwicklungen seit diesem Zeitpunkt beleuchten. Vor dem Hintergrund dieses Beschlusses und weil die Kultusminister das auch so beschlossen hatten, ist dann auch - -

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Meinhold?

Ja, gerne.

Herr Meinhold, bitte!

Herr Minister, Sie haben eben auf die Kommission hingewiesen, die Vorschläge machen soll. Wenn diese Vorschläge möglicherweise nicht rechtzeitig eingehen, dann gilt doch das, was Sie im Grundsatz beschlossen haben: Die Reform tritt am 1. August 2005 in Kraft. Oder irre ich mich da?