Protokoll der Sitzung vom 22.04.2005

Von uns wird nicht bestritten, dass die Polizei auf der Grundlage des § 12 Abs. 6 des Niedersächsischen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes, wie es seit einiger Zeit ja wieder heißt, tätig geworden ist und dass diese Vorschrift geltendes Recht ist. Die Durchführung dieser Maßnahmen ist inzwischen aber unverhältnismäßig geworden. Die Durchführung dieser Maßnahmen hat spätestens im Jahr 2003 begonnen. Bereits im November 2003 hatte ich eine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung an die Landesregierung gerichtet, die mit Datum aus Januar 2004 beantwortet worden war. In ihrer Antwort sagt die Landesregierung, dass es weder zu Anklagen noch zu Verurteilungen von betroffenen Personen, die im Rahmen dieser Kontrollstellen erfasst worden sind, gekommen ist.

Die Antwort ist, wie gesagt, aus Januar 2004. Die Petition stammt aus September 2004. In der Zwischenzeit sind weitere Kontrollmaßnahmen in größerem Umfang durchgeführt worden. Auch diese Kontrollmaßnahmen haben bis jetzt nicht zu Anklagen, geschweige denn zu Verurteilungen von Leuten geführt, die bei diesen Kontrollstellen identifiziert und erfasst worden sind. Daraus ziehen wir den Schluss, dass diese Maßnahmen - zumindest inzwischen unverhältnismäßig geworden sind, weil sie für unser Verständnis nur dann weiterhin als Grundrechtseingriffe gerechtfertigt werden könnten, wenn durch diese Maßnahmen ein Erfolg

erzielt worden wäre. Das aber ist nicht der Fall. In der Ausländerkommission hat der Vertreter des Innenministerium vor etwa zwei Wochen über diese Maßnahmen berichtet. Er hat gesagt, es gebe eine Erkenntnisgewinnung aus diesen Maßnahmen. Eine Erkenntnisgewinnung ist für mich aber auch, wenn nichts erkannt wird. Auch das ist eine Erkenntnisgewinnung. Aber selbst dann, wenn das aus Sicht des Innenministeriums nicht gemeint sein sollte, so ist aber doch bestätigt worden, dass weder zu dem Zeitpunkt im Jahr 2003, zu dem mit den betreffenden Maßnahmen begonnen worden ist, noch zum jetzigen Zeitpunkt, nachdem Sie etliche Male durchgeführt worden sind, zusätzliche Erkenntnisse vorliegen.

Aufgrund Ihres ständigen Petitums, meine Damen und Herren von der CDU- und der FDP-Fraktion, dass wir im Haushalt scharfe Eingriffe benötigen, möchte ich Sie noch einmal daran erinnern, dass im Bereich des polizeilichen Staatsschutzes zusätzlich 18 Stellen geschaffen worden sind, die im Landeshaushalt jährlich zusätzlich 1,2 Millionen Euro an Wirkung entfalten. Im Bereich des Landesamtes für Verfassungsschutz sind zehn zusätzliche Stellen geschaffen worden, die pro Jahr mit 455 000 Euro zu Buche schlagen. Vielleicht könnten Sie bei den nächsten Planungen für den Haushalt 2006 auch an diesen Positionen noch einmal überlegen, ob sie nicht ein Einsparpotenzial in sich bergen. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Prof. Dr. Lennartz. - Uns liegen zwei Änderungsanträge vor. Ich erteile zunächst Herrn Prof. Dr. Dr. Zielke das Wort zu dem Änderungsantrag, zu dem Frau Dr. Andretta gesprochen hat.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Textilund Bekleidungstechnik waren und sind elementare Kulturtechniken. Die Frage, um die es hier geht, aber ist die, ob es nach wie vor sinnvoll ist, dass sie in wissenschaftlicher Forschung und Lehre an der Universität Hannover betrieben werden. Experten haben uns gesagt, dass der Bedarf an Absolventen dieses Faches von Jahr zu Jahr sinkt und sich bundesweit dem einstelligen Bereich nähert.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Falsch!)

Außerdem gibt es ein sehr gut ausgestattetes Institut mit ähnlicher Ausrichtung an einer anderen deutschen Hochschule.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Falsch!)

Unsere Mittel für die Hochschulen in Niedersachsen sind knapp. Das werden Sie, Frau Dr. Andretta, wohl nicht bestreiten. Wenn wir Neues wollen, müssen wir auch Platz für Neues schaffen. Manche auch sehr schöne und elaborierte Techniken wie die des textilen Gestaltens sind heute eher von historischem Wert. Sie sollten nicht vergessen, aber in ihrer tatsächlichen Bedeutung für den heutigen und den zukünftigen Arbeitsmarkt in Deutschland gesehen werden. Deshalb sehen wir von der FDP und wohl auch von der CDU keinen Anlass, von der Entscheidung des Ausschusses abzuweichen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zu dieser Eingabe liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. - Doch, Frau Dr. Andretta, Sie haben sich noch einmal dazu gemeldet.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Schenk‘ ihm noch einmal ein! Gib‘ ihm den Rest!)

Es geht nicht um alte Kulturtechniken. In der Textilindustrie geht es heute um die Herstellung von Textilien für Herzklappen, für Membrane und Halbleiterplatten. Die werden in der Flugzeugindustrie und auch sonst überall eingesetzt. Darum geht es!

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Hört! Hört!)

Dazu Herr Minister Stratmann, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Dr. Andretta, wohl jeder hier im Saal versteht, dass die Betroffenen über die Entscheidung nicht glücklich sein können. Auch ich habe darüber Gespräche geführt. Es wa

ren keine ganz einfachen Gespräche. Dennoch bitte ich um Verständnis dafür, dass wir jetzt aufgrund der Ergebnisse der bundesweit durchgeführten Umfrage feststellen müssen, dass es einen Bedarf von nur 10 bis 22 Absolventen gibt. In Niedersachsen beläuft sich der Bedarf auf ganze zwei Absolventen. Dass sich eine Hochschule vor dem Hintergrund notwendiger Umstrukturierungsmaßnahmen, die zugegebenermaßen auch durch unsere Haushaltssituation verursacht worden sind, die Frage stellt, ob sie einen solchen Studiengang überhaupt aufrechterhalten kann, ist wohl nachvollziehbar.

(Präsident Jürgen Gansäuer über- nimmt den Vorsitz)

Ich möchte einen weiteren Hinweis zu Ihrer letzten Bemerkung geben. Die Nordrhein-Westfalen, die wegen ihrer Bevölkerungszahl mit neun Absolventen den größten Bedarf haben, decken ihren Bedarf nicht aus einem mit dem hannoverschen Studiengang vergleichbaren Studiengang, sondern die decken ihren Bedarf aus dem Diplomstudiengang Textilingenieurwesen der Universität in Aachen. Das unterstreicht genau das, was Sie gerade beschrieben haben. Da geht es nämlich um mehr, während die Ausrichtung des hannoverschen Studienganges - diesbezüglich gebe ich Herrn Prof. Zielke völlig Recht - doch eher überkommen ist. Das heißt, es wird kein Weg daran vorbeiführen, das Profil eher in Richtung des Studienganges in Aachen zu verändern, um dadurch auch die Bandbreite zu vergrößern. Aber zurzeit müssen wir feststellen, dass die Haushaltslage so ist, wie sie ist, dass wir Studiengänge mit einer solchen Ausrichtung und mit einer so geringen Nachfrage momentan unter finanziellen Gesichtspunkten, so Leid mir das für die Betroffenen tut - sie leisten eine gute Arbeit, überhaupt keine Frage -, beim besten Willen nicht mehr verantworten können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Dr. Gabriele Andretta [SPD])

Vielen Dank, Herr Minister. - Das Wort hat jetzt der Kollege Bachmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine grundsätzliche Anmerkung, weil ich es immer merkwürdig finde, wenn die Landesregierung in Debatten über Petitionen einsteigt.

(Beifall bei der SPD)

Es ist das vornehme Recht des Parlaments, über Petitionen zu beraten. Das Parlament spricht Empfehlungen aus, und dann kann die Landesregierung reagieren. Wenn Sie das als Abgeordnete schon nicht allein können, ist es peinlich, wenn die Minister dann ausputzen müssen.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Kolle- ge Stratmann ist aber auch Abgeord- neter!)

Meine Damen und Herren, ich spreche zu der Petition der IGZ, zu der der Kollege Lennartz gesprochen hat. Ich will nur noch wenige Aspekte ergänzen.

Meine Damen und Herren, es sind auch für die handelnden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten bei diesen sozusagen verdachtsunabhängigen Überprüfungen vor Moscheen - so sagen sie mir in sehr vielen Fällen, wenn ich mit ihnen darüber spreche - die peinlichsten Einsätze, die sie mitmachen müssen. Es gibt keine Erkenntnisse, es werden aber dadurch Vorurteile auf beiden Seiten geschürt. Die Moscheebesucherinnen und Moscheebesucher haben den Eindruck, sie werden abgelehnt, ihnen wird mit Misstrauen begegnet. Die deutsche Mehrheitsbevölkerung, die das verfolgt, hat den Eindruck, dass irgendetwas nicht in Ordnung sein kann, wenn die Polizei dort regelmäßig kontrolliert.

Gleichzeitig, Herr Innenminister, bittet der Landtagspräsident, Herr Gansäuer, uns in der Ausländerkommission und im Ältestenrat, den Dialog zwischen den Religionen zu führen. Es ist keine gute Grundlage, wenn diese Begleitmusik dazu stattfindet.

(Beifall bei der SPD)

Sie zerschlagen das Porzellan, und wir sollen den Dialog im Sinne von positiver Integration und Integrationsbereitschaft auf beiden Seiten führen.

Herr Kollege Biallas, Sie spreche ich jetzt aufgrund Ihres früheren Berufs als Pastor einmal ganz besonders an.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Den habe ich immer noch!)

Stellen Sie sich einmal folgendes Szenario vor: Evangelische Christen verlassen die Marktkirche oder katholische Christen eine Messe in Osnabrück. Davor steht eine Polizeiabsperrung. Sie werden hinsichtlich der Personenidentität überprüft. Sie werden möglicherweise auch per Computer überprüft. Wenn man dann zufällig den Ausweis oder den Pass nicht dabei hat, wird man zur Identitätsfeststellung in eine Dienststelle verbracht.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Ist das pas- siert?)

- Nein, Herr Kollege Klare, das ist bei Christen noch nicht passiert, und das wird bei Christen nicht passieren. Aber für die anderen ist das Realität.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Was erzäh- len Sie denn hier? - Hans-Christian Biallas [CDU]: Gibt es denn einen christlichen Terrorismus?)

Was das hinsichtlich einer Verletzung ihres Glaubens und ihrer Überzeugungen bedeutet - denn beide, die Christen und die Moslems, glauben an Gott -, das können Sie sich vielleicht nicht vorstellen. Deshalb wollte ich Ihnen dieses Szenario einmal auf der anderen Seite vorführen. Genau das empfinden dort die Betroffenen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deshalb, meine Damen und Herren, tun Sie alles positiv für die Integration. Folgen wir dem Hinweis des Landtagspräsidenten, führen wir den Dialog mit den Religionen, und zerschmettern wir kein Porzellan.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Biallas, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erstens will ich richtig stellen: Ich bin zwar Abgeordneter, ich bleibe aber Pastor, solange ich lebe, es sei denn, ich klaue silberne Löffel.

Zweitens. Das, was Sie hier vortragen, erstaunt uns doch sehr. Denn dass es verdachtsunabhängige Kontrollen gibt, hat mit den Bedrohungen durch den Terrorismus, der von Islamisten ausgeht, zu tun. Das ist der Grund.

Drittens. Verdachtsunabhängige Kontrollen haben überhaupt nichts damit zu tun, dass die Religionsfreiheit eingeschränkt wird.

Viertens. Der Vergleich mit Christen ist völlig an den Haaren herbeigezogen, solange es keine Bedrohung durch Christen im Hinblick auf Terrorismus gibt.

(Zuruf von der SPD: Was ist denn das für eine Begründung? - Unruhe bei der SPD)

Fünftens. Das sage ich jetzt an die Adresse von Dr. Lennartz. Da Sie sich über die personelle Verstärkung des Verfassungsschutzes echauffieren, will ich daran erinnern, dass es die Grünen waren, die den Vorschlag gemacht haben, den Verfassungsschutz gänzlich abzuschaffen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: So war das!)

Meine Damen und Herren, angesichts der Bedrohung durch den Terrorismus brauchen wir einen starken Verfassungsschutz.