Protokoll der Sitzung vom 18.05.2005

Ich finde es bemerkenswert, gerade in der heutigen Zeit Großbritannien als Beispiel anzuführen, nachdem in Sellafield wieder ein Atomunfall passiert ist. Wahrscheinlich wissen Sie es nicht. Sellafield hieß früher Windscale und hat die Irische See verseucht. Es ist bekannt, dass Sellafield wieder von einem Unfall heimgesucht worden ist und man überhaupt noch nicht weiß, wie man dort die Tonnen von Uran und vor allen Dingen die 200 kg Plutonium herauskriegen soll. Sie aber stellen sich hier hin und halten solche Reden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es ist bemerkenswert, dass Herr Rösler hier - das muss ich so deutlich sagen - von einem Energiemix fabuliert, aber kein Wort darüber verliert, wie dieser in der praktischen Politik im Lande Niedersachsen aussieht. Er hat keinerlei Aussagen zum Thema Energieeffizienz getroffen. Ebenso hat er nichts zu modernen Kraftwerksbauten gesagt, die wir in Deutschland sicherlich brauchen, die aber mit dem Thema Energieeffizienz verbunden sein müssen. In dieser Hinsicht ist bei der FDP Fehlanzeige zu vermelden. Auch das Thema der erneuerbaren Energien wurde bedauerlicherweise vernachlässigt. Das wurde am Beispiel dieser Rede ebenfalls wieder deutlich. Außer den Blockaden beim EEG, den Streichungen bei der Solarförderung und der Verteufelung der Windkraft fällt der Landesregierung zu diesem Thema nichts ein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Damit treten Sie im Übrigen auch der niedersächsischen Wirtschaft in die Kniekehlen. Das will ich hier einmal deutlich sagen.

Die Forschungsförderung im Bereich der Wasserstofftechnologie und der Speichertechnik sind Dinge, wo Niedersachsen eigentlich Spitzenreiter sein müsste, wenn es darum geht, diese Dinge mit erneuerbaren Energien zu verbinden. Es gibt aber keine einzige Aussage bei Ihnen dazu, dass Niedersachsen auf diesen Gebieten Spitzenreiter sein sollte. Auch hier wieder: Fehlanzeige.

Wenn ich mir anschaue - Sie haben das hier noch einmal ausdrücklich angesprochen -, wie die FDP mit diesen Themen umgeht und wie die Situation in Niedersachsen momentan ist, kann ich nur feststellen: Die Atompartei hat einen Atommüllminister hierher geschickt. Das ist offensichtlich alles, was Ihnen zur Umweltpolitik in Niedersachsen einfällt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Unbequeme Beschlüsse Ihrer eigenen Basis zur Endlagerfrage - Herr Rösler, Sie wissen sicherlich, wovon ich rede - werden von Ihnen ignoriert und sogar zurückgehalten. Sie wissen, dass Ihr eigener Landesparteitag die Endlagersuche mit Alternativen an mehreren Standorten in Deutschland gefordert hat. Das wird ignoriert und sogar kassiert, weil es nicht zu Ihrem Atomkurs passt. Das halte ich für falsch und für schlecht. Hören Sie einmal auf Ihre Basis!

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, dieser Atommüllminister predigt Marktwirtschaft ausgerechnet vor dem Deutschen Atomforum, d. h. der Institution, die sich wirklich nur als Lobbyistengemeinschaft für den Ausbau dieser menschenfeindlichen Technologie geriert. Dort wird Marktwirtschaft gepredigt. Ich nenne in diesem Zusammenhang nur zwei Stichworte. Das erste Stichwort sind die steuerfreien Rückstellungen bei den Stromkonzernen. Von Ihnen wird dieses Thema überhaupt nicht angegangen, dass den Stromkonzernen tatsächlich die Möglichkeit gegeben wird, sich aus der Verantwortung für die Entsorgung zurückzuziehen und stattdessen Telekommunikationsfirmen zu kaufen. Das zweite Stichwort ist die Versicherung von Atomanlagen. Sie wissen genauso gut wie wir, dass diese eigentlich nicht möglich wäre. In Deutschland ist die Staatshaftung vorgesehen. Wenn diese endlich wegfallen würde, müssten die AKW in ganz Deutschland sofort abgeschaltet werden, weil kein Mensch dieses Risiko mehr versichern kann.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wer die Hoffnung hatte, der FDP gehe ein Licht auf, ist nach diesem Beitrag enttäuscht. Ich kann Ihnen aber zusichern: Wir werden Ihnen jedes Mal heimleuchten, wenn Sie hier weiterhin untaugliche Versuche dieser Art unternehmen. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Kollegin Zachow. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wenn die FDP formuliert: „Bei der SPD geht das Licht aus - Politik ohne Energie und ohne Konzept“, dann möchte ich dies erweitern und die Grünen mit einschließen.

(Zustimmung bei der CDU)

Denn eines ist ganz deutlich: Nicht nur die SPD hat kein Energiekonzept, sondern auch die Grünen haben kein Energiekonzept.

Wir alle wissen, dass in den nächsten 15 Jahren 40 Gigawatt vom Netz gehen werden.

(Zuruf von der SPD: 40 000!)

- 40 000 Megawatt oder 40 Gigawatt. Ganz vorsichtig! - Darauf hat Rot-Grün keine Antwort.

Wir haben hier gerade Herrn Dehde gehört, der von Energieeffizienz und Ähnlichem schwadroniert hat. Davon ist aber nichts umgesetzt. Das sind alles Beschwörungen, aber es gibt kein Konzept. Angesichts der langen Planungszeiten, die wir bei Kraftwerken haben, frage ich mich wirklich: Wie soll denn unsere Energieversorgung im Jahre 2020 aussehen? - Darauf geben Sie keine Antwort.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bezeichnend ist auch, dass die dena-Studie, die ja ursprünglich den Zeitraum bis 2020 untersuchen sollte, 2015 abbricht. Danach ist nichts mehr vorhersagbar. Das sind Versäumnisse, die Rot-Grün zu verantworten hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Energiemix ist deshalb die einzige Möglichkeit, unsere Stromversorgung dauerhaft zu sichern. Herr Dr. Rösler hat das ausgeführt.

Ich möchte noch eines zur Preisstabilität sagen: Wir haben in Deutschland mittlerweile wieder die höchsten Strompreise in der gesamten Europäischen Union. Meine Damen, meine Herren, das ist ausgesprochen beängstigend; denn zwischen Arbeitsplätzen und Energiepreisen gibt es einen Zusammenhang, den Sie mit dem Hinweis auf die Windenergie nicht wegreden können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Auch bei der Frage der Endlagersuche erleben wir die organisierte Verantwortungslosigkeit, ein Abschieben auf die nächste Generation.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Trittin hat die Endlagersuche praktisch eingestellt. Es gab einen AKEnd, der den ersten Teil seiner Arbeit abgeschlossen hat. Herr Trittin ist daraufhin aber nicht tätig geworden. Er hat keine Antwort auf die Frage gegeben, wie er auf die Ergebnisse des AKEnd überhaupt reagieren will. Es wurden also keinerlei Konsequenzen aus der Arbeit dieses Gremiums gezogen. Auch das Moratorium in Gorleben ist ein riesiger Fehler. Es ist doch

ein Wahnsinn, ein solches Projekt nicht zu Ende zu erforschen, sondern zu sagen „Wir warten erst einmal ab“. Den Mut, zu sagen, dass Gorleben als Lagerstätte nichts tauge, haben Sie auf der anderen Seite allerdings auch nicht. Ich sage: Das ist gut so.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Verabschiedung von dem einen Endlager bedeutet eine lange Verzögerung. In Deutschland gab es immer den Konsens über zwei Endlager. Dieser Konsens ist von Ihnen aufgegeben worden. Das ist verantwortungslos, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Wenzel, von Ihnen musste ich in der Zeitung lesen, Minister Sander sei ein Sicherheitsrisiko. Nein, das ist er nicht. Das eigentliche Sicherheitsrisiko liegt in Berlin und dort ganz besonders bei Herrn Trittin. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Wort hat Herr Kollege Wenzel. Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Rösler, die Atompartei FDP und der Minister mit dem „Kerngesund“-T-Shirt verhöhnen noch heute die Opfer von Tschernobyl

(Beifall bei den GRÜNEN - Wider- spruch und Zurufe von der CDU und von der FDP: Unglaublich!)

und stellen sich damit in eine Reihe mit Despoten wie Lukaschenko in Weißrussland, der noch heute in Weißrussland erzählt, dass sei doch alles gar nicht so schlimm gewesen.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, die FDP spielt sich hier neuerdings wieder als Bürgerrechtspartei auf. Gleichzeitig will sie den Bürgerinnen und Bürgern in der Umgebung von Salzgitter, die gegen Schacht Konrad klagen, ihr vornehmstes Recht in einem Rechtsstaat wegnehmen. Meine Damen und Herren, das ist beschämend.

(Beifall bei den GRÜNEN - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Wie kommen Sie dar- auf?)

Sie gehen der Atomindustrie auf den Leim. Dabei wollen Sie nur darüber hinwegtäuschen, dass die Atomindustrie gemeinsam mit Ihnen bei diesem Thema in der Defensive ist. Ein Drittel der Reststrommengen der Atomkraftwerke, die noch laufen, sind verbraucht. Die Zeit ist absehbar, wann auch das letzte Atomkraftwerk in Deutschland abgeschaltet wird. Dabei wissen Sie ganz genau, Frau Zachow, dass Uran genauso endlich ist wie Öl. Deshalb müssen wir über beide Energieträger und Alternativen zu beiden Energieträgern nachdenken.

Herr Kollege Wenzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Eppers?

Atomkraft - das ist noch ein Thema; dieses Thema hat viele Facetten - ist ein Sicherheitsrisiko ersten Ranges. Sie propagieren hier den Wiedereinstieg für die Industrieländer. Diese Diskussion können Sie aber nicht auf die Industrieländer beschränken. Das, was jetzt in Iran und in Nordkorea passiert, und die weltweiten Versuche, Schwellenländer oder Entwicklungsländer davon abzuhalten, die zivile Nutzung der Atomenergie zu missbrauchen und wieder für militärische Zwecke Bomben zu bauen, beschäftigt im Moment die ganze Welt, den Sicherheitsrat und viele Länder dieser Erde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Sie hier großflächig wieder einsteigen, was meinen Sie, was Sie für Diskussionen bekommen werden? - Wir werden viele Nordkoreas, wir werden viele Irans bekommen - aber das können wir uns nicht leisten.