Protokoll der Sitzung vom 15.05.2003

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich habe, wie sich das gehört, aufmerksam zugehört und dabei festgestellt, dass man manche Besorgnisse der Sozialdemokraten wird verringern können. Die Kampagne des Europäischen Informationszentrums wird zu Recht gelobt. Ich werde bei den Regierungsfraktionen jedenfalls dafür werben, dass das Zentrum trotz der finanziellen Probleme, die wir geerbt haben, seine Arbeit erfolgreich fortsetzen kann. Das bemisst sich nicht nur an der Mittelbewilligung, sondern auch an der Unterstützung dieser Arbeit.

Wir werden auch die Qualifizierungsoffensive verstärken, um gute Beamtinnen und Beamte zu haben, die Erfahrungen bei den europäischen Institutionen in Brüssel sammeln und dann die niedersächsischen Positionen und Interessen in Brüssel und Straßburg vertreten können. Dabei darf ich sagen, dass es durchaus die Situation gibt - das ist eben karikiert worden -, dass man junge Leute nach Brüssel schickt und auf diese, wenn sie etwas älter sind und in Brüssel etwas darstellen, zurückgreift. Dankenswerterweise gibt es viele Niedersachsen in einflussreichen Positionen. Wir werden in Brüssel unser besonderes Augenmerk vor allem auf die dort tätigen Niedersachsen und auf die vielen deutschsprachigen Beamten in den Institutionen legen. Das Haus, das das Land in Brüssel gekauft hat, bietet sicherlich gute Bedingungen, um dort tätig zu werden.

(Beifall bei der CDU und Zustim- mung von Heidrun Merk [SPD])

Meine letzte Bemerkung: Richtig spannend wird die Europadebatte dann, wenn wir uns von der Institutionendebatte entfernen. Es hat zwar für manche seinen besonderen Reiz, fast eine gewisse Erotik, darüber zu reden, ob eine Richtlinie demnächst Rahmenvertrag, eine Verordnung demnächst Gesetz oder die Richtlinie Rahmengesetz heißt; aber die eigentlich spannende Dimension Europas ist das Kulturelle und die Nutzung wirtschaftlicher Potenziale durch die Erweiterung um die Länder Mittel- und Osteuropas. Darüber zu

reden, wie wir Ost-West-Achsen von Amsterdam, Rotterdam oder Den Haag über Hannover nach Berlin und Warschau führen, wie wir Achsen von Amsterdam über Groningen, Oldenburg, Bremen, Hamburg nach Polen führen, wie wir die Möglichkeiten der Drehscheibe Niedersachsen mitten in Europa zum Wohle unseres Landes nutzen - das wäre die Debatte, die ich im Zusammenhang der transeuropäischen Verkehrsnetze anstoßen möchte. Im Wirtschaftsausschuss und im Europaausschuss sollten wir über europäische Perspektiven wirtschaftlicher Art durch das größer gewordene Europa reden. Denn es ist das eigentliche Anliegen dieses Parlaments, dafür zu sorgen, dass die Menschen hier Nutzen aus der neuen Zentralität Niedersachsens infolge der Osterweiterung ziehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung und komme zur Ausschussüberweisung.

Zunächst komme ich zur Überweisung des Antrages zu Punkt 29. Es ist empfohlen worden, den Antrag zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien und zur Mitberatung an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Dann haben Sie so beschlossen.

Wir kommen zur Überweisung des Antrags unter Tagesordnungspunkt 30. Es ist ebenfalls vorgeschlagen worden, den Antrag an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien zur federführenden Beratung und an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zur Mitberatung zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! Stimmenthaltungen? - Dann haben Sie so beschlossen.

Ich rufe nun auf

Tagesordnungspunkt 31: Erste Beratung: Einsparungen des Bundes in der Grundlagenforschung - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/136

Ich eröffne die Beratung und erteile dem Abgeordneten Dr. Noack das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktionen von CDU und FDP legen dem Landtag zur Entschließung die Aufforderung an die Landesregierung vor, darauf hinzuwirken, dass die Bundesregierung auch künftig ihren Verpflichtungen in der überregionalen Forschungsförderung nachkommt und nicht von einstimmigen Beschlüssen der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung abweicht.

„Rede nicht nur über Göttingen“, hat mir eine wohlmeinende Kollegin zu Wochenbeginn gesagt. Das ist bei diesem Thema für einen Abgeordneten aus einer Stadt, die Wissen schafft, schwer. Gerade die Wissenschaftsregion Göttingen wird nicht nur bestimmt durch die Georgia-Augusta-Universität und die Fachhochschulen, sondern auch durch das Zentrum für Luft- und Raumfahrt, DLR, und - ganz gewichtig - durch die Max-Planck-Institute für biophysikalische Chemie, für experimentelle Medizin, für Strömungsforschung, für Geschichte und für Aeronomie in Katlenburg-Lindau. Unsere Region ist gleichsam ein Cluster für Max-PlanckInstitute. In unserem Bundesland Niedersachsen gibt es derzeit noch das MPI für experimentelle Endokrinologie in Hannover.

Die Max-Planck-Institute ihrerseits sind wesentlicher Bestandteil der deutschen Forschungslandschaft mit den Großforschungszentren HelmholtzGemeinschaft, Fraunhofer-Gesellschaft sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die überregionale Forschungsförderung ist Gemeinschaftsaufgabe nach Artikel 91 b des Grundgesetzes.

Nun habe ich gestern sehr aufmerksam den Beiträgen der SPD und der Grünen zugehört, die das Gut Bildung umfassender definiert haben wollen als durch die Teilmenge Schule. Förderung der Wissenschaft, der Forschung sei jedenfalls auch Gebot der Stunde. Das ist richtig, und das ist gut so. Dem diametral entgegen steht das Verhalten der Bundesregierung, von einem einstimmigen Beschluss

der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung urplötzlich abzuweichen. So sollen nach dem Willen von SPD und Grünen auf Bundesebene die Haushalte der großen Forschungsinstitute auf dem Stand des Jahres 2002 eingefroren werden und nicht die zuvor einstimmig festgelegte Steigerung von 3 bzw. 3,5 % gewährt werden. Das jetzt verkündete Haushaltsgesetz 2003 zementiert für die Max-Planck-Gesellschaft den Stand 2002.

Die Max-Planck-Gesellschaft konnte zuletzt 1999 eine bedarfsgerechte Steigerungsrate erzielen. Seitdem bedeuten geringere Steigerungsraten 2000 und 2001 und jetzt das Einfrieren 2002 durch das Ansteigen insbesondere der Personalkosten eine Reduzierung der Forschungsförderung. Das verstärkt die Abwärtstendenz in Deutschland, vermindert unsere Zukunftschancen und trifft vor allem den Wissenschaftsstandort Niedersachsen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das allein ist ja schon Drohkulisse genug. Zu allem Übel kommt hinzu, dass die Bundesregierung anstrebt, Gemeinschaftsaufgaben, wie sie sagt, zu entflechten und die Grundlagen- und Großforschung in die alleinige Zuständigkeit des Bundes zu überführen. „Abschaffen, wofür wir beneidet werden“, so hat der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Professor Dr. Ernst-Ludwig Winnacker, seine Philippika gegen die Übernahme der Forschungsorganisationen durch den Bund in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am Dienstag überschrieben.

(Präsident Jürgen Gansäuer über- nimmt den Vorsitz)

Ich hoffe jedenfalls, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den Grünen, dass Sie nach all der für Sie unerfreulichen Lektüre des Wirtschaftsteils auch bis Seite 40 der FAZ am Dienstag gelangt sind und diese sehr wesentlichen Ausführungen auch gelesen haben. Forschung, Wissenschaft ist keine parteipolitische Domäne. Forschung ist weder schwarz noch rot oder grün oder gelb.

Der zeitgenössische Biograf unseres körperlich kleinwüchsigen, intellektuell aber großartigen Göttinger Philosophen Georg Christoph Lichtenberg, nämlich Anacleto Verrecchia, hat geschrieben:

„So wie Lichtenberg an keinerlei literarischer Bewegung Anteil hat, so hängt er auch keine politische Fahne mit festgelegten Farben aus dem Fenster. Wenn er sie hinausgehängt hätte, dann hätte jeder seine Farben oder gar keine Farben daran erkennen können.“

Das bedeutet: Sie von der SPD und Sie von den Grünen können mit uns zusammen diesen Antrag unterstützen, damit für Niedersachsen eintreten und der Bundesregierung bei ihrem Versuch, die entsprechende Förderung in diesem Jahr einzufrieren und insbesondere die Großforschung zu übernehmen, einen Riegel vorschieben. Das wäre in der Tat für Niedersachsen gut.

Kollege Plaue, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Klein hat heute Vormittag, als er die Anträge der Regierungsfraktionen bewertet hat, davon gesprochen, dass offensichtlich Beschäftigungstherapie dabei gewesen sei. Natürlich ist es so, dass eine größere Fraktion auch das eine oder andere an Beschäftigung braucht. Aber nach der Beschäftigungstherapie von heute Vormittag sind wir jetzt offenbar bei der Abteilung Nebelkerzen angelangt. Denn das, was Sie hier vorgelegt haben, ist zwar vom Inhalt her durchaus nachvollziehbar. Aber wenn man das mal auf Ihre eigenen Grundlagen abklopft, dann wundert man sich doch sehr, dass CDU und FDP es wagen, einen solchen Antrag einzubringen und gleichzeitig einen Haushaltsantrag zu stellen - auf den ich gleich eingehen werde -, der das genaue Gegenteil dessen beinhaltet, was Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, hier von anderen fordern.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, dass Forschung ein wichtiger Bereich ist, dass davon geradezu die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft abhängt, ist eine Erkenntnis, die ich Ihnen gerne bis 1998 gewünscht hätte. Seit 1998 - bis dahin hatten Sie zwar einen Zukunftsminister im Bundeskabinett, aber der hatte nichts zu sagen und auch nichts zu bezahlen - hat sich der Anteil des Haushaltes von Edelgard Bulmahn am Gesamthaushalt um 25 % erhöht. Das ist sozialde

mokratische Wissenschafts- und Forschungspolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Es bestreitet niemand, dass etwas darin steckt, was richtig ist. Im Gegenteil! Ich darf daran erinnern, dass der damalige Wissenschaftsminister noch im Januar im Auftrag seiner norddeutschen Kollegen an Frau Bulmahn einen Brief geschrieben hat mit dem Ziel, dass die Forschungsausgaben des Bundes mehr im norddeutschen Raum platziert werden müssen. Hier müssen wir Lobbyistenarbeit leisten, um den Trend, den es unter Kohl und Waigel gegeben hat, alles nach Süden zu geben, umzukehren. Das ist uns in Teilen gelungen, aber noch nicht überall. Dazu erbitte ich Ihre Unterstützung, wenn Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, denn dazu in der Lage sind.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben, Herr Kollege, darum gebeten, dass man die FAZ lesen solle und zwar möglichst bis zur Seite 40. Abgesehen davon, dass ich von dem Leitspruch, dass hinter der FAZ immer ein kluger Kopf steht, schon längst nichts mehr halte,

(Zuruf von der CDU: Das trifft bei Ihnen auch nicht zu!)

kann ich Ihnen, Herr Kollege, nur empfehlen, dann, wenn Sie schon solche langen Artikel lesen, einfach einmal im Haushalt des Wissenschaftsministers, zu dem Sie soeben gesprochen haben, bis zur Seite 16 zu lesen. Da steht z. B. drin, dass diese Landesregierung, wie ich gehört habe, Herr Kollege Althusmann, mit Ihrer und Herrn Röslers Unterstützung im Bereich der Forschungsförderung kürzen will: bei der Fraunhofer-Gesellschaft minus 260 000 Euro, beim Deutschen Zentrum für Luftund Raumfahrt minus 284 000 Euro.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie haben in der vergangenen Legislaturperiode 500 Millionen verbrannt!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wollen Kürzungen beschließen, aber bei anderen wollen Sie den Finger in eine angeblich vorhandene Wunde legen. So etwas funktioniert nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Aber das Spielchen treiben Sie auch noch auf die Spitze. Da schreibt der Kollege Albrecht allen

hannoverschen Abgeordneten einen Brief, in dem er zum Ausdruck bringt, dass bei der FraunhoferGesellschaft nicht gekürzt werden dürfe, sondern dass eine gemeinsame Linie aufgebaut werden müsse. Kollege Albrecht, auf der gleichen Seite - Seite 16 - steht, dass die Landesregierung mit Ihrer Stimme den Zuschuss für die Max-PlanckGesellschaft um 2,5 Millionen Euro kürzen will. Das ist die Politik derer, die hier nach Berlin zeigen und selbst die größten Schnitte ansetzen. So geht es nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich könnte das fortsetzen mit den Zuschussbedarfen für die großen Universitäten; überall gehen Sie mit dem Rotstift heran.

Meine Damen und Herren, ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir werden Ihrem Antrag zustimmen, wenn Sie im Nachtragshaushaltsplan Ihre Kürzungen im Wissenschaftsbereich zurücknehmen. Dann haben Sie unsere Unterstützung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat jetzt Frau Dr. Heinen-Kljajić. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sicherlich sehr ehrenhaft, sich für die finanzielle Absicherung der Grundlagenforschung stark zu machen; denn nur wenn die Möglichkeit vorhanden ist, ohne Verwertungsinteressen in unterschiedlichen Richtungen frei forschen zu können, können langfristig neue Forschungsfelder erschlossen werden. Staatliche Forschungsförderung ist daher unverzichtbar - das ist Konsens -, denn ohne die Freiheit, Fehler zu machen oder Irrwege einschlagen zu können, ist wissenschaftlicher Fortschritt nicht denkbar. Das Anbieten scheinbar nicht wirtschaftlicher Forschungszweige ist eine wichtige Aufgabe staatlicher Akteure, wobei ich damit natürlich nicht sagen will, dass Grundlagenforschung generell nicht wirtschaftlich verwertbar ist. Allein in den letzten zehn Jahren sind aus der Max-Planck-Gesellschaft 50 Firmen ausgegründet worden.

Was ich nun nicht nachvollziehen kann - und da geht es mir ähnlich wie den Kollegen von der SPD -, ist die Intention dieses Antrages von CDU und FDP; denn der fordert erstens im Grunde genommen nur das, was seitens der Bundesregierung bereits zugesagt worden ist. Schließlich verweisen Sie in Ihrem Antrag selbst auf die Erklärung des Bundeskanzlers vom 14. März. Hier wird zugesagt, dass die Mittel für die großen Forschungseinrichtungen ab 2004 wieder um jährlich 3 % steigen. Außerdem ist für 2003 zugesagt, dass der Etat der DFG erhöht werden wird. Auf diese Gelder haben nicht nur die Hochschulen, sondern hat auch die Max-Planck-Gesellschaft Zugriff.

Ansonsten ist es schon interessant, dass gerade Sie von CDU und FDP sich um die strukturelle Absenkung des Mittelzuwachses sorgen, wo doch zuzeiten der Regierung Kohl der betreffende Etat von 1993 bis 1998 um 358 Millionen Euro gekürzt wurde.

(Bernd Althusmann [CDU]: Genauso viel haben Sie in Niedersachsen ge- kürzt!)