Protokoll der Sitzung vom 18.05.2006

Als Nächster hat der Kollege Ulf Thiele, CDUFraktion, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich all denjenigen, die durch die Verunsicherungskampagne der Grünen im Zusammenhang mit der Diskussion um die Ausweisung von Vogelschutzgebieten in Sorge geraten sind, ein wenig zur Ruhe raten.

(Beifall bei der FDP - Dorothea Stei- ner [GRÜNE]: Meinen Sie nicht, Herr Kollege Thiele, dass Sie da ein wenig übertreiben!)

Da ist viel Panikmache betrieben worden, ohne dass da ein echter fachlicher Hintergrund vorhanden ist. Die Flächen, die von der EU-Kommission

als mögliche weitere Vogelschutzgebiete gelistet wurden, sind im Regelfall zunächst nicht als faktische Vogelschutzgebiete anzusehen. Daher ist die Behauptung der Grünen und, wie ich jetzt gelernt habe, auch der SPD - bei den Grünen waren es Frau Korter und Herr Janßen -, die von der EU geforderten Flächen unterlägen einer gesetzlichen Veränderungssperre, im Regelfall zunächst einmal falsch. Das hat nämlich etwas mit der Frage der Aufarbeitung dieser Gebiete zu tun. Das müssen Sie sich noch einmal ein bisschen genauer ansehen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ich halte Ihre Reaktion auf die begründete Stellungnahme der Kommission, nämlich Panik zu erzeugen und vor Ort künstlichen Handlungsdruck aufzubauen, um die betroffenen Kommunen zu Schnellschüssen zu verleiten, gelinde gesagt für ziemlich verantwortungslos.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe den Eindruck, das dient vor allem nur dem einen Zweck, eine möglichst ungeprüfte und fachlich nicht mehr diskutierte vollständige Meldung aller von der Kommission gelisteten Gebiete zu erreichen. Sie erwecken damit den Eindruck, dass es im Wesentlichen darum geht, in der Folge verschiedene lokale Projekte und wichtige Infrastrukturprojekte in Niedersachsen durch die Ausweisung möglicher zusätzlicher Schutzgebiete - egal, ob gerechtfertigt oder nicht - zu verhindern. Sie bekämpfen die A 26, die Küstenautobahn, den Ausbau des Flughafens Braunschweig. Sie wollen die Meyer-Werft in ihrer Entwicklung behindern. Sie wollen den JadeWeserPort nicht.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Üble Nachrede! Üble Nachrede!)

- Das alles ist nachzulesen. Das alles ist nachweisbar. - Außerdem versuchen Sie, die FFHRichtlinie und die Vogelschutzrichtlinie für Ihre politischen Zwecke in diesem Bereich zu instrumentalisieren.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage Ihnen: Nicht Umweltminister HansHeinrich Sander - der macht einen prima Job für unser Land - ist ein Standortrisiko für Niedersachsen, sondern die Landtagsfraktion der Grünen.

(Beifall bei der CDU - Brigitte Som- fleth [SPD]: Nichts dazugelernt, Herr Thiele!)

Sie machen Politik gegen unsere Wirtschaftsinteressen, gegen die Interessen von Arbeitnehmern in diesem Land, und - dies halte ich in diesem Zusammenhang fast noch für problematischer Sie schaden dabei auch sehr, sehr nachhaltig dem Naturschutzgedanken; denn die Menschen begreifen Ihre grüne Naturschutzpolitik schlicht und ergreifend als Bedrohung ihrer privaten und persönlichen Interessen bzw. ihrer Lebensperspektiven.

(Zuruf von Dorothea Steiner [GRÜ- NE])

Sie, Frau Steiner, machen den Menschen Angst - das tun Sie gezielt - vor den Folgen des Naturschutzes. Das aber ist nicht unser Weg, wie Sie inzwischen wissen. Das haben Sie gelernt. Das wissen auch die Menschen in diesem Land inzwischen. Wir betreiben Natur- und Umweltschutz mit den Menschen, nicht gegen sie.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren, richtig ist, dass die EU-Kommission die von der Regierung Gabriel gemeldete Vogelschutzgebietskulisse für unzureichend hält. Das hat sie der Bundesregierung in einer begründeten Stellungnahme mitgeteilt. Es gibt ein geordnetes Verfahren, innerhalb dessen die möglichen Defizite erörtert und beseitigt werden.

(Brigitte Somfleth [SPD]: Wie lange dauert das noch?)

Ich werde dem Herrn Umweltminister in diesem Punkt nicht vorgreifen. Sie können aber sicher sein - das liegt auch im Interesse der Regierungsfraktionen -, dass Niedersachsen die Prüfung und Aufarbeitung von Defiziten sehr gewissenhaft durchführen wird. Zum Teil ist diese Aufarbeitung in den letzten Wochen und Monaten schon erfolgt bzw. abgeschlossen worden, Stichwort „Voslapper Groden“. Für die CDU-Regierungsfraktion ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Betroffenen vor Ort - insbesondere die Kommunen - in diesen Prozess eingebunden werden. Das, Herr Janßen, gilt natürlich auch für den Landkreis Aurich. Darauf können Sie sich verlassen.

Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich abschließend aus einer Pressemitteilung der Niedersächsischen Landesregierung. In ihr heißt es - Frau Somfleth, hören Sie gut zu -:

„Das Kabinett hat in seiner Sitzung am (heutigen) Dienstag der Liste des Umweltministeriums zur Aktualisierung der EU-Vogelschutzgebiete in Niedersachsen zugestimmt. Sie umfasst 59 Gebiete mit insgesamt ca. 530 000 ha, die sich weit überwiegend mit den bereits gemeldeten Vorschlägen für Flora, Fauna und Habitat (FFH) überschneiden. Die Europäische Kommission wird über diese Liste informiert; Gebietskarten im Maßstab 1:50 000 werden in Kürze veröffentlicht.

Die Aktualisierung war notwendig geworden, um die bereits seit 1983 bestehenden EU-Vogelschutzgebiete dem heutigen Kenntnisstand anzupassen und den erforderlichen Beitrag zum europaweiten SchutzgebietsNetz ‚Natura 2000‘ zu leisten.“

Diese Pressemitteilung ist vom 12. Juni 2001. Sie stammt von der damaligen Landesregierung unter Ministerpräsident Gabriel, dem heutigen Bundesumweltminister. Sie ist verantwortet vom damaligen Niedersächsischen Umweltminister Wolfgang Jüttner.

(Zurufe von der CDU: Hört, hört!)

Sie trägt die Überschrift „Kabinett beschließt Aktualisierung der EU-Vogelschutzgebiete, Aktiver Beitrag Niedersachsens zu ‚Natura 2000‘“.

(Björn Thümler [CDU]: Sehr interes- sant!)

Verehrte Damen und Herren von den Sozialdemokraten, sagen Sie es Herrn Jüttner bitte - denn an diesem Thema hat er offensichtlich sein Interesse verloren -: Dies war nicht die erste politische Fehleinschätzung Ihres Fraktionsvorsitzenden. Wir haben in den letzten Monaten gelernt, dass es weitere gravierende Fehleinschätzungen gegeben hat. Erst gestern hat uns Ihr Landesvorsitzender ja mitgeteilt, dass es in Zukunft noch eine weitere geben soll. Aber seien Sie versichert: Die CDU, Frau Somfleth, ist gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner und der Regierung jederzeit bereit,

Schaden, den Sie dem Land im Hinblick auf Natura 2000, Hochwasser und anderes mehr zufügen könnten, von unserem schönen Land Niedersachsen und den hier lebenden Menschen abzuwenden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Brigitte Somfleth [SPD]: Dann handeln Sie, oder lassen Sie handeln!)

Der Kollege Janßen hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Eineinhalb Minuten, Herr Janßen!

Ich möchte hier eines klarstellen. Es ist keine Panikmache grüner Abgeordneter oder sonst etwas

(Zurufe von der CDU)

- hören Sie doch einmal zu! -, sondern es ist schlicht und ergreifend ein bestimmter Sachverhalt zur Kenntnis zu nehmen. Das können auch Sie lernen. So kompliziert ist dieser Sachverhalt nämlich gar nicht.

Also: Die EU-Kommission fordert die Nachmeldung aufgrund der Listung dieser Gebiete in der so genannten IBA-Liste, der Important-Bird-Areas. Diese ist europaweit und dient der EU als Grundlage, weil Niedersachsen ein die EU zufrieden stellendes eigenes Fachkonzept nicht vorgelegt hat. Deshalb greift man auf die IBA-Liste zurück.

Das Bundesverwaltungsgericht hat diese IBA-Liste mehrfach als Grundlage zur Feststellung faktischer Vogelschutzgebiete anerkannt. Wenn die EUKommission diese auch noch ausdrücklich anmahnt, können Sie davon ausgehen, dass jedes Gericht in Niedersachsen und darüber hinaus ein solches Gebiet als faktisches Vogelschutzgebiet in einem Rechtsstreit festsetzt und zumindest eine Stellungnahme der EU-Kommission dazu einfordern wird. Um nichts anderes geht es!

(Beifall bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: So weit sind wir doch noch gar nicht!)

Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen, und Sie müssen mit Ihrer Polemik gegenüber den Grünen aufhören. Das ist Quatsch. Sie verhalten sich schlicht und ergreifend unsachlich.

(Beifall bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Im Gegenteil!)

Zur Erwiderung hat das Wort Herr Thiele für eineinhalb Minuten.

Herr Janßen, Ihre Rechtsauffassung zum laufenden Verfahren ist schlicht und ergreifend falsch, und zwar deshalb, weil die von Ihnen zitierte Liste keine amtliche Feststellung der Datenlage beinhaltet. Das wiederum bedeutet, dass diese Feststellung im laufenden Verfahren, das wir mit der Kommission abzuhandeln haben, noch getroffen werden muss.

(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

Weil das so ist, muss innerhalb des Verfahrens davon ausgegangen werden, dass es sich nicht um faktische Vogelschutzgebiete handelt, es sei denn, sie sind getrennt vom laufenden Verfahren schon einmal festgestellt worden - sicherlich definitiv sogar, nicht innerhalb der begründeten Stellungnahme der Kommission und des damit abzuwickelnden Verfahrens. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Als Nächster hat der Kollege Dürr für die FDPFraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe insbesondere nach den Wortbeiträgen der SPD und der Grünen das Gefühl, dass wir die Diskussion über das Thema EU-Vogelschutzgebiete vom Kopf wieder auf die Füße stellen müssen. Ich bin ja froh, Frau Kollegin Somfleth, dass Sie zumindest anerkannt haben - ich habe ursprünglich befürchtet, dass Sie das leugnen würden -, dass die SPD von 1990 bis 2003 dieses Land regiert hat. Insofern nähern Sie sich den Realitäten an dieser Stelle durchaus an.

Die Nachmeldeforderungen der EU-Kommission, die völlig unbestritten sind, sind in Wahrheit - das muss man endlich begreifen, meine Damen und Herren - gerade ein Ausweis dafür, dass es in

Niedersachsen viel intakte Natur gibt, nicht aber wenig, wie Sie uns immer glauben machen wollen.

Die Menschen in Niedersachsen - allen voran sicherlich auch die Landwirte - haben durch ihr Verhalten dazu beigetragen, dass sich in unserer Kulturlandschaft viele Vogelarten heimisch fühlen. Das kann man gar nicht oft genug betonen. Es war ja nicht die Politik, sondern es waren die Menschen vor Ort, die von sich aus die Grundlagen für diese Entwicklung gelegt haben.

In Richtung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Sie müssten einmal ganz grundsätzlich überlegen, ob Sie Ihre Einstellung gegenüber der Landwirtschaft und auch gegenüber den intensiv wirtschaftenden Betrieben in unserem Land nicht doch grundsätzlich überdenken sollten.

(Beifall bei der FDP)