Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

Wir gehen davon aus, dass Sie, meine Damen und Herren von der SPD und den Grünen, unseren Antrag unterstützen. Es geht um unsere Dörfer, es geht um den ländlichen Raum, und es geht um die in der Fläche lebenden Menschen. Dies ist nicht das einzige Problem, mit dem wir es in ländlichen Regionen zu tun haben. Wir sollten uns auch grundsätzlich darüber im Klaren sein, dass sich in den letzten 30 Jahren das Gleichgewicht bei der Wirtschaftskraft, bei der Finanzkraft und bei der

Organisationskraft der Großstädte und Städte immer mehr zulasten der ländlichen Räume verschoben hat. Während schon seit Jahrzehnten Politik, Staat und Verwaltungsapparate mit milliardenschweren Stadtsanierungs- und Städtebauförderungsprogrammen die Verdichtungsgebiete bedient haben, haben wir es mit einem Ausbluten unserer ländlichen Räume zu tun. Denken wir nur an den enormen Verlust an Infrastruktur, an Einrichtungen der Grundversorgung.

Unser Antrag kann dazu beitragen, dass dieser negativen Entwicklung jedenfalls in einem gewissen Umfang entgegengewirkt wird. Deshalb bitte ich Sie alle um die Unterstützung dieses Antrags. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat Frau Kollegin Stief-Kreihe.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gab einmal eine Zeit, da hatte, wenn es im Sinne des Landes war, die Steuerung des Flächenverbrauchs durch vorsorgenden Bodenschutz einen besonderen Stellenwert in Niedersachsen. Das Ganze war im Umweltministerium angesiedelt. Zu der Zeit hieß der Umweltminister aber noch Wolfgang Jüttner.

(Zuruf von der CDU: Oh nein! Dafür wurde er abgewählt!)

Bodenschutzforen wurden durchgeführt, und ein Konzept zum Flächenressourcen-Management wurde entwickelt, mit dem Erfolg, dass der Flächenverbrauch sank. Heute hingegen ist er wieder drastisch gestiegen. Das heißt, Herr Minister Sander scheint damit nichts mehr am Hut zu haben. Zumindest sucht man im Umweltbericht 2006 vergeblich nach Maßnahmen zur Reduzierung des Flächenverbrauchs. Da Herr Sander nichts macht, soll nach Vorstellung der CDU und der FDP jetzt Herr Minister Ehlen einspringen. Man tauscht die Fachbereiche ja auch sonst schon mal.

Meine Damen und Herren, mit Modellprojekten in den Dörfern will man nun gegen den stetig wachsenden Flächenverbrauch und die damit einhergehende zunehmende Bodenversiegelung vorgehen. Das zumindest ist einer der Kernpunkte Ihres An

trages. Es ist allerdings die Frage, ob man dazu ein Modellprojekt bzw. ein Modellprojekt in der uns vorliegenden Form benötigt.

Im Rahmen des Dorferneuerungsprogramms soll in bis zu elf Dörfern - Herr Langspecht hat ja gerade erklärt, dass es elf sind liegt daran, dass wir elf GLLs haben; wir machen das demnächst immer so, wir haben ja auch ein ILEK pro GLL, teilen das also schön fein auf - ein Schwerpunkt auf die Umnutzung ehemals genutzter landwirtschaftlich genutzter Gebäude und Hofanlagen gesetzt werden, um somit positive Auswirkungen auf den Landschafts- und Flächenverbrauch zu erzielen. Dabei - Herr Langspecht, Sie haben es angesprochen sollen unterschiedliche Dorftypen - Haufendörfer, Rundlinge, Straßendörfer und ähnliche Alleinstellungsmerkmale - unter den Gesichtspunkten des Denkmalschutzes und des Erhalts des Kulturerbes vorrangig berücksichtigt werden.

(Vizepräsidentin Ulrike Kuhlo über- nimmt den Vorsitz)

Ich werde den Verdacht nicht los, dass man in Wahrheit versucht, ein neues Förderprogramm aufzulegen, um entweder zusätzliche Fördermittel abgreifen zu können oder bestehende Begehrlichkeiten in bestimmten Regionen zu befriedigen. Das Letztere scheint eher der Fall zu sein, zumindest wenn man die Presseveröffentlichen einiger Landtagskollegen verfolgt hat. Es soll also ein spezielles Förderprogramm gebastelt werden. Das ist meines Erachtens aber überhaupt nicht notwendig; denn die in dem Antrag genannten Ziele kann ich schon heute mit den vorhandenen Instrumentarien erreichen.

Das Problem war doch - darüber haben wir hier im Landtag schon häufig diskutiert -, dass die Möglichkeit der Umnutzung hinsichtlich der zukünftigen und neuen Nutzungsformen immer sehr schwierig war. Das hatte aber nichts mit bestimmten Modellprojekten zu tun, sondern liegt einzig und allein an unserem Bundesbaugesetz. Darüber haben wir uns hier häufig unterhalten. Das heißt, das Problem ist auch mit einem Förderprogramm nicht in den Griff zu bekommen.

Herr Langspecht, Sie sind auch kommunalpolitisch tätig.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Und wie!)

Es obliegt - darin sind wir uns doch hoffentlich einig - der Regionalen Bauleitplanung, in der Bedarfsermittlung von Baulandausweisungen das vorhandene Gebäude- und Verdichtungspotenzial zu ermitteln und einzubeziehen. Das können doch wohl nicht ernsthaft Gründe für ein Förderprogramm sein. Das ist originäres kommunalpolitisches Handeln, mit dem wir uns in den Räten Tag für Tag beschäftigen, wenn es darum geht, neues Bauland auszuweisen. Ich denke, nicht nur bei uns, sondern im gesamten Land wird das Augenmerk darauf gerichtet, nicht unnötig zusätzliches Bauland auszuweisen, d. h. unnötig Flächenversiegelung zu betreiben, sondern auch zu berücksichtigen, welcher Bedarf besteht, wie hoch der Gebäudebestand ist und in welchem Umfang Fläche bereits verdichtet ist.

(Beifall bei der SPD)

Das heißt: Das ist überhaupt nicht Sinn und Zweck eines Förderprogramms, sondern indirekt greifen Sie damit in ein Tätigkeitsfeld ein, das der kommunalen Selbstverwaltung obliegt.

Das Dorferneuerungsprogramm in der geltenden Fassung, die Integrierten ländlichen Entwicklungskonzepte, zum Teil auch LEADER, bieten schon heute zahlreiche Fördertatbestände, die - wie es so schön in dem Antrag heißt - dem Ziel dienen, dem Funktionsverlust der Dörfer und ihrer Ortszentren entgegenzuwirken und Ortsbild prägende Bausubstanz zu erhalten.

Wozu, fragen wir uns also allen Ernstes, brauchen wir dieses spezielle Förderprogramm? Wir kranken doch eher daran, dass wir eine Vielzahl von Programmen haben, deren Förderkriterien sich kaum noch unterscheiden und deren Antragstellung eher bürokratische Hemmnisse verursachen bzw. dazu führen, dass die Kommunen oder andere dafür Zuständige überhaupt nicht mehr wissen, wo sie überall einen Antrag stellen können. Sie fordern Bürokratieabbau, erzeugen aber, indem Sie hier wieder ein neues Programm auflegen, genau das Gegenteil.

(Beifall bei der SPD)

Wir würden - das sage ich ganz ehrlich - viel lieber den umgekehrten Weg gehen. Wir würden viel lieber das Dorferneuerungsprogramm in das Programm der integrierten ländlichen Entwicklung einbeziehen. Weshalb gibt es eigentlich diese zwei Programme? Warum kann man sie nicht zusammenlegen und von mir aus auch Fördertatbestän

de unter manchen Fördergesichtspunkten, die Sie hier genannt haben, ausweiten. Dann hätte ich ein schlankes und übersichtliches Förderprogramm und würde nicht einen neuen Topf aufmachen.

Das heißt, das, was Sie wollen, kann man mit dem Programm der Integrierten ländlichen Entwicklungskonzepte durchaus verbinden. Man könnte dieses Programm auch entsprechend finanziell ausstatten. Wie ist das denn bei den Dorferneuerungsprogrammen? Hunderte von Dörfern sind auf der Warteliste. Die Kommunen müssen jahrelang vorfinanzieren. Lassen Sie uns doch stattdessen ein Programm machen, das diese Inhalte umfasst, das aber eben auch finanziell vernünftig ausgestattet ist. Dazu haben wir die Gelegenheit.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben es selbst angesprochen. Die Programme zu ELER liegen noch nicht vor. Also haben wir die Möglichkeit, da auch entsprechend vorzugehen.

Ich könnte es mir so leicht machen wie Herr Minister Ehlen vor zwei Monaten bei der Beratung des Antrags zur Transparenzrichtlinie und auch sagen: Schmeißen Sie den Antrag in den Papierkorb! Aber da wir Demokraten sind und noch hoffen, dass Sie noch irgendwelche tollen neuen Dinge einbringen, freuen wir uns jetzt schon auf die Beratung im Ausschuss.

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich Herrn Klein das Wort erteile, möchte ich bekannt geben, dass sich die Fraktionen darauf geeinigt haben, vor der Mittagspause nur noch diesen Punkt und den Punkt 14 zu beraten, sodass es um 14.30 Uhr mit den Punkten 15 und 16, die wir zusammen beraten, weitergeht.

Bitte schön, Herr Klein, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es kann doch keinen Zweifel daran geben, dass wir alle der Meinung sind, dass die Umnutzung von nicht mehr benötigten landwirtschaftlichen Gebäuden sinnvoll ist. Ich glaube auch, dass wir nicht ernsthaft prüfen müssen, ob es Umnutzungspotenziale oder positive Umnutzungseffekte gibt. Natürlich gibt es die. Das ist längst erforscht und sogar

wissenschaftlich belegt. Ich komme darauf noch zurück.

Zu Anfang möchte ich kurz auf die Begründung eingehen, weil sie sehr stark auf - ich will es einmal so sagen - ökologisches Vokabular abstellt, von dem wir uns in der Tat wünschen würden, dass es bei Ihren politischen Entscheidungen stärker als bisher Ausschlaggebend wirkt. Das Problem ist aus meiner Sicht nur - so gern ich auch gehört habe, was der Kollege Langspecht eben gesagt hat -, dass es zum Teil wenig glaubwürdig ist, was Sie da verbreiten. Wie kann man, wenn man hier den Flächenverbrauch beklagt, gleichzeitig Vorreiter für eine A 22 sein, bei der allein die Trassenfläche 22 große Höfe fressen wird? Da sind die Ausgleichsmaßnahmen noch gar nicht drin. Wie kann man hier die Versiegelung beklagen, wenn wir nach wie vor in den Räten vor Ort erleben, dass immer wieder neue überdimensionierte Neubaugebiete an die Dörfer geklatscht werden, womit im Übrigen jede demografische Entwicklung ignoriert wird? Ich glaube, da können Sie bei Ihren Parteikollegen ein bisschen Aufklärung leisten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man muss auch sehen, dass der Flächenverbrauch, der bis 2002 kontinuierlich zurückgegangen ist - Sie wissen, was 2002 war -, seit dieser Zeit wieder rapide ansteigt. Irgendetwas haben Sie da also offensichtlich nicht im Griff.

Ich denke, das liegt auch daran, dass Sie unter dem Schirm der Freiheit der kommunalen Selbstverwaltung letztendlich immer wieder der Zersiedelung des ländlichen Raumes das Wort reden, weil Sie sich in der Raumordnung jedem wirksamen Ansatz zur Steuerung widersetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte noch etwas zur Notwendigkeit sagen. Brauchen wir wirklich ein solches Programm? Haben wir zu wenig Kenntnisse? Da muss ich einfach auf die vielfältigen Literaturangebote im Bereich der Architektur verweisen. Ich muss auf viele Projekte verweisen, die schon gelaufen sind. Denken Sie an die Gulfhaus-Projekte in Ostfriesland. Denken Sie an die FAL-Studien, die wir zu diesem Problem haben, oder an die Erhebungen - ich habe es eben angesprochen - der Uni Münster, die bundesweit Umnutzungspotenzial ermittelt hat und entsprechende Handlungsempfehlungen gegeben hat. Schauen Sie doch einfach einmal in die sächsische Umnutzungsfibel. Da gibt es inzwischen

schon die zweite Auflage. Da finden Sie Umnutzungsbeispiele für Wohnen, für Wohnen und Gewerbe, für Gewerbe, für öffentliche Zwecke und einen entsprechenden Leitfaden. Oder, meine Damen und Herren, schauen Sie doch einfach in den Abschlussbericht „Modellvorhaben nachhaltige ländliche Entwicklung durch Umnutzung funktionsloser landwirtschaftlicher Gebäude im Rahmen des integrierten Modellansatzes zur Mobilisierung von Beschäftigungspotenzialen im ländlichen Raum“. Da finden Sie alles das, was Sie hier ermitteln wollen. Daher glaube ich, brauchen wir, zumindest was die Kenntnisse angeht, keine neuen Programme und Informationen.

Im Übrigen muss man darauf hinweisen, dass Umnutzung kein Selbstzweck ist. Sie muss sich in Entwicklungspläne einordnen, die höchst different sein können. Manchmal ist Umnutzung wirtschaftlich einfach nicht darstellbar. Manchmal ist es auch einfach sinnvoll, der Natur ein Fleckchen Erde zurückzugeben. Das muss man im Einzelfall sehen.

Entscheidend soll sein, dass dabei Arbeitsplätze entstehen und gesichert werden. Dafür brauchen Sie kein Spezialprogramm. Das können Sie über beschäftigungsfördernde Maßnahmen im Rahmen von EFRE, ESF oder ELER durchaus hinkriegen.

Mein Gesamteindruck ist: Dieser Antrag atmet noch viel zu stark den Aspekt „unser Dorf soll schöner werden“ und lehnt sich sehr stark an das Bau- und Betonprogramm PROLAND an. Ich würde sagen: Lassen Sie uns doch einmal neu nachdenken, vielleicht unter dem Gesichtspunkt „unser Dorf soll ökologischer werden“ oder vielleicht auch „unser Dorf soll klüger werden.“; auch das scheint mir ein sinnvoller Ansatz zu sein.

Im Übrigen wäre es uns ohnehin lieber, wenn wir in Zukunft nicht allgemein Dörfer fördern, sondern gute und sinnvolle Projekte. Ich glaube, dann ist das Geld besser angelegt. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Als Nächstes hat Jan-Christoph Oetjen, FDPFraktion, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben an dieser Stelle schon des Öfteren das Problem erörtert, dass es viele Altgebäude in unseren Regionen gibt, die nicht genutzt werden, obwohl es in diesen Dörfern zusätzliche Wohnentwicklungen gibt. Es gibt Regionen - das diskutieren wir auch in der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel“ -, in denen dieses Problem stetig zunimmt. Im ehemaligen Zonenrandgebiet, in Südostniedersachsen, in mancher Heideregion oder im Landkreis Gifhorn - da, wo die Kollegin Klopp zu Hause ist - haben wir solche Probleme und Situationen. Von daher müssen wir das betrachten und untersuchen, ob wir mit den Mitteln der Dorferneuerung im Rahmen von Modellprojekten in solchen Regionen zusätzlich helfen können. Ich denke, das ist ein guter Ansatz.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Auf der anderen Seite muss man natürlich sehen, dass nicht alle Aspekte der Versiegelung von Flächen stets negativ sind; das müssen wir sehr deutlich sagen. Anders als der Kollege Klein glaube ich, dass wir durchaus Anbindungen an Verkehrsnetze und Weiterentwicklungen in Orten brauchen, um die Dörfer lebensfähig zu halten. Das heißt, dass nicht jede Versiegelung einer Fläche negativ ist. Im Gegenteil, Versiegelung von Fläche heißt auch: Dörfer leben, in Dörfern entwickelt sich etwas. Das ist für unsere Region ebenso wichtig.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dennoch haben wir das Problem - das ist gerade beschrieben worden -, dass es in manchen Regionen ein Ungleichgewicht gibt: Auf der einen Seite haben wir ungenutzte Gebäude und auf der anderen Seite zusätzliche Entwicklung durch das künstliche Anflanschen - so haben Sie, Herr Kollege Klein, glaube ich, gesagt - von neuen Baugebieten. Das wollen wir in diesen Modellprojekten beispielhaft anhand der verschiedenen Dorftypen in den verschiedenen Regionen Niedersachsen aufgreifen. Wir wollen eben nicht ein neues Förderprogramm stricken, sondern das als Modellprojekt im Dorferneuerungsprogramm ansiedeln; denn das bringt das Ganze voran.