Protokoll der Sitzung vom 17.03.2011

Herr Minister Busemann, bitte!

Herr Präsident! Herr Kollege Adler, stellen Sie sich einmal eine Konstellation vor, in der Sie in irgendeiner rechtlichen Weise involviert wären - verwaltungsrechtlich, wie auch immer -, und in einem mehr oder weniger laufenden Verfahren in einem Großkomplex würden Sie spitzbekommen: Da hat der Justizminister des Landes - wenn Sie so wollen: die Spitze einer letztlich unabhängigen Justiz - in das Verfahren eingegriffen und gesagt: Könnt ihr nicht einmal so oder so? - Dann würden Sie hier meinen Rücktritt fordern. In diesem Zusammenhang muss ich eine außerordentliche Behutsamkeit erwarten. Die Judikative ist unabhängig, und der Minister ist ein Teil der Exekutive.

Sie können natürlich sagen: Kann der Minister nicht einmal vermittelnd eingreifen, damit seine Justiz nicht zu stark belastet wird? - Lassen Sie mich daran erinnern, dass ich keine Scheu gehabt habe, gegenüber der NWZ in Oldenburg ein paar

Hinweise zu geben. Aber ich bin der Meinung, dass sich das darauf beschränken muss.

Ich möchte noch sagen: Angesichts der vielen Tausend Streitfälle wäre es gut, wenn es hier zu befriedenden Regelungen käme. Das sage ich hier gerne noch einmal. Aber sozusagen aktiv zu werden, zum Telefonhörer zu greifen, Briefe zu schreiben, Verhandlungen und Mediationen durch den Minister anzubieten - das würde wohl unsere Möglichkeiten überfordern.

(Beifall bei der CDU)

Der Kollege Dr. Biester stellt die nächste Zusatzfrage. - Pardon, jetzt komme noch eine Ergänzung durch Herrn Minister Bode.

Lassen Sie mich der guten Ordnung halber noch Folgendes sagen: Wir treffen uns regelmäßig mit der EWE und Herrn Dr. Brinker. Das Kabinett hat sogar einmal in dem Gebäude der EWE getagt. Herr Dr. Brinker und ich haben uns auch persönlich getroffen. Man berät sich dort gegenseitig: Er gibt Hinweise zur Energieversorgung, und wir geben unsere Hinweise. Aber es sind nur gegenseitige Gespräche und ein Austausch; es ist keine Weisung, kein Drängen oder Ähnliches. EWE und die Geschäftsführung entscheiden alleine.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Eine Wei- sung kann man nicht erwarten! - Ge- genruf von Jens Nacke [CDU]: Das hat etwas mit dem Rechtsstaat zu tun!)

Jetzt Herr Dr. Biester!

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es hier um Rückzahlungsforderungen geht, die zum Teil in das Jahr 2007 bzw. 2008 zurückreichen, stelle ich die Frage: Droht diesen Kunden irgendwann die Einrede der Verjährung durch das Unternehmen? Wenn ja, sind die Kunden nicht allein schon deshalb, um die Einrede der Verjährung zu vermeiden, gezwungen, Klage zu erheben mit der Folge, dass sicherlich weitere Klageverfahren zu erwarten sind?

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Minister Busemann, bitte!

Herr Präsident! Herr Kollege Dr. Biester, in diesem Themenkomplex liegt meine eigentliche Sorge. Bei aller Zurückhaltung: Nach der offenbar geklärten Rechtslage - zum Stichtag 11. März waren es 4 600 Verfahren; wahrscheinlich liegen wir heute schon bei 5 000 Verfahren - sagen die Leute im Moment: Ich will mein Geld wiederhaben. - Aufgrund der Basis der AGB, der Preiserhöhungen ab 2007 und der Abrechnung in 2008 sowie der dreijährigen Verjährungsfrist sind das alles Vorgänge, die Ende 2011 verjähren würden. Ich glaube, ich überschreite nicht meine Kompetenz, wenn ich sage: Die anhängigen Verfahren leiden nicht unter dem Druck einer eintretenden Verjährung. Aber wenn das Jahresende näher kommt - es sind nicht 5 000 Anschlussnehmer, sondern 600 000 Anschlussnehmer -, die Angelegenheit nicht geklärt ist und die anderen Anschlussnehmer sagen: „Ich lasse da kein Geld sitzen - und wenn es nur 200 Euro sind“, dann droht natürlich eine Klagewelle, weil die Leute sagen: „Silvester verjähren meine Ansprüche; ich muss jetzt etwas tun.“

Es gibt natürlich rechtliche und technische Möglichkeiten, eine solche Welle abzuwenden. Aber das haben die Prozessparteien vor allem selbst in der Hand; auch da bin ich nicht derjenige, der Rechtsberatung erteilen muss. Aber wenn nun gar nichts passiert und diese Welle immer höher wird, dann werden wir zum Jahresauslauf möglicherweise mit einem Massenverfahren zu rechnen haben, das die Kapazitäten der Justiz sprengt. Ich denke, dann lohnt es sich, darüber nachzudenken, ob man das nicht anders machen kann, weil das vor allem auf der Seite einer Prozesspartei mit dramatischen Kosten verbunden wäre; und das sind ja letztendlich Kundengelder.

Herr Kollege Hagenah stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass Minister Busemann uns gerade deutlich gemacht hat, dass bei der EWE die Abwägung zwischen 5 000 klagenden Kunden und 600 000 insgesamt betroffenen Kunden offensichtlich derzeit dazu führt, dass man das Thema aus

sitzt, ob die EWE nicht letztendlich aufgrund der Öffentlichkeit, die durch diese Dringliche Anfrage und die auch im Verlauf des weiteren Jahres noch hergestellt werden wird, dringend umdenken muss; denn es werden sich weitere Zehntausende, vielleicht Hunderttausende Kunden für eine Klage entscheiden. Daher wäre doch eine frühzeitige Umkehr empfehlenswert.

Herr Minister Bode, bitte!

Herr Präsident! Sehr geehrter Kollege Hagenah, ich bitte Sie, dabei zu berücksichtigen, was auch die EWE in der Abwägung berücksichtigt, nämlich dass das Gericht keine Entscheidung mit Blick auf den Preis gefällt hat. Es hat nicht gesagt, dass der Preis zu hoch war, sondern nur die entsprechende Klausel für unwirksam erklärt. Das heißt, vom Gericht ist keine Entscheidung dazu getroffen worden, ob der Preis zu hoch war oder nicht. Das muss man dabei auch berücksichtigen.

Frau Kollegin Modder stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Tatsache, welche Dimensionen auch in der Öffentlichkeit die Auseinandersetzung der EWE Aktiengesellschaft mit den Kunden mittlerweile angenommen hat, und auch vor dem Hintergrund der Presseverlautbarung des Vorstandsvorsitzenden, Herrn Dr. Brinker, in der er darauf hingewiesen hat, dass es jetzt eine Entscheidung der Anteilseigner sei, die Gesamtsituation neu zu bewerten, frage ich die Landesregierung, ob sie nicht auch der Meinung ist, dass die Mehrheiten in den Gremien - wenn ich richtig informiert bin, hat die CDU dort die Mehrheit - darauf einwirken sollten, zumal vorauszusehen ist, dass bei jeder Gerichtsentscheidung, die im Sinne der Kunden - - -

(Lutz Stratmann [CDU]: Welcher Par- tei gehört denn der Aufsichtratvorsit- zende an?)

- Wer hat denn die Mehrheit dort?

(Lutz Stratmann [CDU]: Welcher Par- tei gehört der Aufsichtratvorsitzende an? - Heinz Rolfes [CDU]: Das ist doch Unsinn, was Sie da erzählen! - Weitere Zurufe von der CDU - Glocke des Präsidenten)

Ich bitte darum, sich auf die Frage zu konzentrieren und keinen Dialog innerhalb der Fraktion zu führen.

Da ja einige Anteilseigner mit Weisungsbeschlüssen gearbeitet haben,

(Lutz Stratmann [CDU]: Unglaublich! - Heinz Rolfes [CDU]: Das ist Modder- Niveau, mehr nicht!)

im Verbandsausschuss aber keine Mehrheit gefunden haben, frage ich die Landesregierung, welche Möglichkeit dann die kommunale Ebene als Anteilseigner noch hat.

(Zustimmung bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Es gab doch gar kei- nen Antrag! - Gegenruf von Johanne Modder [SPD]: Ihr habt die Mehrheit! Klärt das doch mal! - Glocke des Prä- sidenten)

Herr Minister Bode!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Modder, die Landesregierung möchte zunächst einmal feststellen, dass Anteilseigner und Vertreter in den Gremien nicht eine Partei, wie die CDU oder die SPD, ist, sondern die jeweilige Kommune die Anteile hält.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Heinz Rolfes [CDU]: Das ist aber die Vorstellung! - Johanne Mod- der [SPD]: Das ist jetzt albern, Herr Bode!)

Deshalb kann weder die CDU noch die SPD eine Weisung erteilen. In der Tat sind die Anteilseigner, beispielsweise die Kommunen, frei, in den Gremien und auch in der Vertretung im Aufsichtsrat eine Bewertung vorzunehmen.

(Jens Nacke [CDU]: Wir sind hier nicht im Kommunismus, wo die Partei den Weg vorgibt! - Johanne Modder [SPD]: Gut, dass das jetzt im Protokoll steht!)

Die Landesregierung - auch nicht das Innenministerium - wird keine Weisung erteilen. Das ist von den Anteilseignern - und das sind nicht die Parteien, sondern die Kommunen - zu entscheiden.

(Olaf Lies [SPD]: Wo war die Ant- wort?)

Herr Kollege Adler stellt eine weitere Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der EWE-Vorstandsvorsitzende Herr Brinker vor Kurzem über die Presse verlauten ließ, er werde jetzt nachdenklich, frage ich die Landesregierung, ob es nicht sinnvoll wäre - statt in einem halbjährlichen Rhythmus mit ihm zu reden -, ihn sich jetzt einmal vor die Brust zu nehmen und ihm zu sagen, dass es so nicht weitergeht.

(Heinz Rolfes [CDU]: Was ist das denn für ein Verständnis?)

- Man könnte auch sagen: ihn doch freundschaftlich darauf hinzuweisen, dass es für die Justiz zu einer geradezu unzumutbaren Belastung kommt, wenn die gegenwärtige Klagewelle weiter anschwellen wird.

(Jens Nacke [CDU]: Herr Adler, das ist doch peinlich! Das können Sie doch besser! - Gegenruf von Kreszen- tia Flauger [LINKE]: Sie können auch ruhiger, Herr Nacke!)

Herr Minister Bode!

Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Herr Adler, zunächst einmal möchte ich ein Missverständnis ausräumen, das scheinbar vorliegt: Ich habe gesagt, dass sich das Landeskartellamt regelmäßig mit dem Bundeskartellamt trifft und dass ich meine, dass das in einem halbjährlichen Rhythmus passiert. Ich habe nicht gesagt, dass sich die Landesregierung halbjährlich mit Herrn Dr. Brinker trifft. Das kann ich so nicht bestätigen. Wir notieren auch nicht im Kalender, wann die einzelnen Minis

ter einmal mit Herr Dr. Brinker gesprochen haben. Das wird regional ja auch sehr unterschiedlich sein, wann man sich einmal trifft.

Ich kann Ihnen nur sagen, dass sich die Landesregierung in einem regelmäßigen Austausch mit EWE und Dr. Brinker befindet. Wir haben sogar einmal eine Kabinettssitzung in einem Gebäude von EWE durchgeführt und uns dabei Techniken im Bereich Smart Metering und Energieeinsparung angeschaut und erklären lassen. Dazu gab es unterschiedliche Gespräche. Ich habe mich auch persönlich mit Herrn Dr. Brinker getroffen.

Über seine Nachdenklichkeit oder angebliche Nachdenklichkeit liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor.

Weitere Wünsche nach Zusatzfragen liegen zu Tagesordnungspunkt 31 b nicht vor. Damit ist die Behandlung dieses Tagesordnungspunkts abgeschlossen.

Ich rufe - wie abgesprochen - Tagesordnungspunkt 31 a auf:

Brunnenvergiftung bei der Förderung von schmutzigem Gas in Niedersachsen - Hat das Landesbergamt oder die Dienst- und Fachaufsicht von Wirtschafts- und Umweltministerium versagt? - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/3452

(Unruhe)