Protokoll der Sitzung vom 30.06.2011

Meine Damen und Herren, gerade weil auch Menschen mit Behinderungen künftig - das haben wir ja gerade erst vorgestern beschlossen - einen eigenen Rundfunkbeitrag bezahlen, sofern sie nicht aus anderen Gründen von der Gebühr befreit sind, muss die Barrierefreiheit jetzt wirklich zügig ausgebaut werden: Denn man kann den Menschen mit Behinderungen nicht sagen, dass sie jetzt bezahlen müssen, und gleichzeitig die Umsetzung der Barrierefreiheit verschleppen. Das geht nicht.

Wenn Inklusion und die Umsetzung der UN-Konvention nicht nur Lippenbekenntnisse sein sollen, dann muss an jeder Stelle gearbeitet werden, auch an dieser.

Der Änderungsantrag ist wirklich so vorsichtig und nach der Anhörung im Prinzip auch so einvernehmlich mit den Protagonisten formuliert, dass ich Sie wirklich bitte, sich einen Ruck zu geben und ihm heute noch zuzustimmen. Das wäre ein sehr, sehr gutes Signal aus diesem Hause.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Für die CDU-Fraktion spricht nun der Kollege Schobert.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Helmhold, in einem stimme ich Ihnen zu: Dieser Antrag ist sehr pauschal gehalten und geht bei diesem wichtigen Thema auch nicht in die erforderliche Tiefe.

(Zuruf von Ursula Helmhold [GRÜNE])

Es ist richtig und wichtig, dass Blinde, Menschen mit Sehbehinderungen oder gehörlose Menschen

barrierefrei die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nutzen können. Daher ist der Ansatz des vorliegenden Antrages vom Grundsatz her zu begrüßen.

Dennoch gibt es zwei wesentliche Forderungen, die in dieser Form von der CDU nicht mitgetragen werden können.

Zum einen zielen die Forderungen der SPD darauf ab, dass der Finanzrahmen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch die KEF erhöht wird. Dies würde am Ende des Weges zu Steigerungen der Rundfunkgebühren führen, die wir als CDU entschieden ablehnen.

Zum anderen soll das definierte Ziel eine Quote von 60 % barrierefreier Angebote bis 2020 sein, und zwar ohne jegliche Differenzierung. Das halten wir in dieser Form nicht für richtig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, für uns als CDU ist die Qualität und nicht die Quote wichtig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Menschen mit Behinderungen ist es doch wesentlich besser, wenn anstelle eines willkürlich festlegten Prozentsatzes für alle Programme eine Schwerpunktbildung bei den Programmen mit dem stärksten Zuschaueraufkommen vorgenommen wird. Ich glaube nicht, dass viele der gehörlosen Fernsehzuschauer nachts um 3 Uhr vor dem Fernseher sitzen. Aber der „Tatort“, der am Sonntag um 20.15 Uhr ausgestrahlt wird, muss auch für Menschen mit Behinderungen erlebbar sein. Dafür brauchen wir keine Quote, meine Damen, meine Herren, dafür brauchen wir Qualität!

Unser Norddeutscher Rundfunk bietet bereits eine Menge barrierefreier Angebote, die weiter konsequent ausgebaut werden. Nehmen wir als Beispiel die vorproduzierten Filme mit Untertitelung auf Videotext: Im Jahr 2010 waren durchschnittlich 24 % aller gesendeten Minuten mit Untertiteln versehen. Durch eine neue technische Infrastruktur, die der NDR im Herbst 2010 aus Bordmitteln finanziert hat, war eine Steigerung der Untertitelung von Oktober bis Dezember 2010 auf bereits 30 % möglich. Im Monat März dieses Jahres wurden bereits 37 % der Sendeminuten im Norddeutschen Rundfunk untertitelt. Wir sind der Meinung: ein tolles Ergebnis und der richtige Weg!

In Ihrem Antrag haben Sie formuliert:

„So ist es zu begrüßen, dass sich der Norddeutsche Rundfunk (NDR) zum Ziel gesetzt hat, bis Ende 2011 eine

Untertitelungsquote von 30 % zu erreichen.“

Warum sollten wir diesem Antrag zustimmen, wenn der NDR mittlerweile bereits bei 37 % ist?

(Olaf Lies [SPD]: Das ist jetzt doch wirklich albern!)

Ein weiteres Beispiel für die vorbildliche Arbeit des Norddeutschen Rundfunks: Im NDR-Videotext gibt es die Rubrik „Lesen statt hören“. Dort gibt es Auskunft über untertitelte Sendungen sowie über besondere Angebote und Veranstaltungen. Im vergangenen Jahr nutzten bundesweit über 500 000 Menschen dieses Angebot. Wir finden: Das ist ein tolles Ergebnis.

(Zustimmung bei der FDP)

Im Bereich der Audiodeskription sind die Herausforderungen besonders groß, weil hier Spielfilme in Hörfilme umgewandelt werden. Zentrale Handlungselemente, Gesten, Mimik und der jeweilige Ort des Geschehens werden verbal beschrieben, was sehr zeit- und kostenintensiv ist. Im Jahr 2010 wurden 47 Hörfilme mit 4 300 Sendeminuten erstellt, was eine deutliche Steigerung zu den Vorjahren bedeutet. Insgesamt gibt es bereits über 800 Hörfilme. Jährlich kommen neue hinzu.

Immerhin - das können wir hier sicherlich auch mit ein bisschen Stolz sagen - hat der Norddeutsche Rundfunk mit der Hörfilmproduktion „Ganz nah bei Dir“ in diesem Jahr den 9. Deutschen Hörfilmpreis erhalten.

(Dörthe Weddige-Degenhard [SPD]: Was ist mit den anderen Sendern?)

Gänzlich barrierefrei - aber das versteht sich von der Sache her von selbst - sind die acht Hörfunkangebote des NDR, die auch von Blinden oder Menschen mit starken Sehbeeinträchtigungen sehr stark genutzt werden: acht Programme randvoll mit Bildung, Unterhaltung und Information!

(Vizepräsidentin Astrid Vockert über- nimmt den Vorsitz)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Vollständigkeit halber muss man sagen, dass die entscheidenden ersten beiden Anhörungen erst am 1. April dieses Jahres stattgefunden haben, obwohl der Antrag im November des vorigen Jahres eingebracht worden ist. Wir haben im Ausschuss darauf hingewiesen, dass dieses Thema so vielschichtig ist, dass es Sinn macht, sich weiter intensiv mit der Thematik zu beschäftigen.

Es geht eben nicht, dass man - ich sage es einmal ein bisschen flapsig - irgendetwas locker als Antrag in die Welt setzt, sich aber nicht intensiv mit den verschiedenen barrierefreien Zugängen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschäftigt - was ja nicht bloß Fernsehen ist, sondern auch das Radio sowie das Internet beinhaltet.

Hinzu kommt, dass wir hier zwar in der glücklichen Lage sind, dass der Norddeutsche Rundfunk in den Länderanstalten der ARD und, wenn ich einmal das ZDF mit einbeziehe, auch beim ZDF federführend ist. Wir haben aber auch die Problematik, dass andere Länderanstalten einen wesentlich geringeren Anteil haben und dadurch zwangsläufig eine breite Diskussion notwendig ist, um diese - ich sage einmal - Probleme zu lösen und alle Länderanstalten auf das Niveau unseres Norddeutschen Rundfunks heben zu können.

Ich fasse zusammen: Der NDR ist Vorbild für den barrierefreien Zugang im Rundfunkbereich Deutschlands. Wir würden uns sehr freuen, wenn andere Rundfunkanbieter - sowohl bei den Öffentlich-Rechtlichen als auch bei den Privaten - diesem Beispiel folgen würden. Wir stehen dazu: Wir wollen eine Gebührenstabilität. In den 7,6 Milliarden Euro für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind genügend Mittel vorhanden, um die barrierefreien Zugänge weiter ausbauen zu können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Daniela Behrens [SPD]: Armutszeug- nis!)

Danke schön, Herr Kollege Schobert. - Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Kollegin Behrens von der SPD-Fraktion gemeldet. Bitte schön, anderthalb Minuten!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Schobert, Ihre Aussagen sind an Widersprüchlichkeit überhaupt nicht zu überbieten.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Erstens. Zum einen loben Sie den NDR - zu Recht - dafür, dass er mit Bordmitteln barrierefreie Angebote gestaltet. Zum anderen sagen Sie uns, der Antrag führe zu Gebührenerhöhungen,

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das steht da gar nicht!)

was übrigens an keiner Stelle im Antrag steht. Entweder sagen Sie also, barrierefreie Angebote seien wichtig, der NDR und die anderen Rundfunkanstalten müssten sich darum kümmern, die KEF müsse diesen Bedarf anerkennen und die Menschen mit Behinderungen müssten wertgeschätzt und ernst genommen werden, oder Sie sagen, es könne so wie bisher weitergehen.

Zweitens haben Sie uns mangelnde Tiefe vorgeworfen. Herr Schobert, ich finde, wenn man sieben Monate lang mit einem Antrag arbeitet - ich weiß nicht, wie in Ihrer Fraktion gearbeitet wird -, dann beschäftigt man sich damit. Wenn Ihnen das Thema so wichtig ist, warum mussten wir dann den Antrag stellen? Wo sind Ihre Änderungsanträge, Ihre Vorschläge zum barrierefreien Ausbau von Angeboten im Fernsehen? Die gibt es nämlich nicht!

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Dieser Landtag muss überhaupt nicht über die Komplexität technischer Anforderungen diskutieren. Das ist doch Unsinn! Wir brauchen das politische Signal, dass barrierefreie Angebote von den Fernsehsendern gewünscht und wichtig sind,

(Glocke der Präsidentin)

damit alle Menschen teilhaben können. Das ist doch die Aufgabe dieses Parlaments - und nicht die Beschreibung der Komplexität der technischen Entwicklung! Das ist doch Unsinn, Herr Schobert.

(Beifall bei der SPD)

Eine letzte Anmerkung, wenn ich darf, Frau Präsidentin - - -

Nein, Sie dürfen leider nicht. Die eineinhalb Minuten sind schon vorbei.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Die nächsten 90 Sekunden für eine Kurzintervention stehen Frau Kollegin Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Verfügung. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schobert, Sie wollen Qualität statt Quote. Wenn