Protokoll der Sitzung vom 01.07.2011

Nein, dies ist nicht vorgesehen, weil beim kommunalen Finanzausgleich nicht für jede Aufgabe im Detail definiert wird,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

ob dies bei der Erledigung für jede Kommune zu 100 % erstattet wird, sondern es handelt sich um Pauschalbeträge, die umgesetzt worden sind. Es kann durchaus sein, dass insgesamt sogar überkompensiert worden ist. Aber dieses System der pauschalen Übertragung mit Pauschalbeträgen hat sich auf jeden Fall bewährt. Insofern gibt es da keine Änderungen.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Mehrkos- ten, aber die Pauschale bleibt!)

Jetzt liegen mir keine Wünsche zu weiteren Zusatzfragen vor.

Ich rufe jetzt die Frage 3 auf, die von den Abgeordneten Adler und Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE gestellt wird:

Rückwirkende Gleichstellung der verpartnerten niedersächsischen Beamtinnen und Beamten und Richterinnen und Richter

Ich erteile dem Kollegen Adler das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

In einem Schreiben vom 31. Mai 2011 hat sich der Vorstand des Lesben- und Schwulenverbandes in Niedersachsen und Bremen - LSVD Niedersachsen-Bremen - e. V. an Finanzminister Hartmut Möllring gewandt und darum gebeten, dass ein Runderlass vom 30. März 2011 hinsichtlich der rückwirkenden Gleichstellung der verpartnerten niedersächsischen Beamtinnen und Beamten und Richterinnen und Richter geändert wird. Durch den Runderlass hat das Niedersächsische Finanzministerium auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28. Oktober 2010 reagiert und angeordnet, dass die verpartnerten niedersächsischen Beamtinnen und Beamten und Richterinnen und Richter entsprechend gleichzustellen sind. Gemäß dem Urteil ist eine rückwirkende Zahlung

des Familienzuschlages in dem Runderlass allerdings auf die Zeit ab dem 1. Juli 2009 begrenzt und für das Sterbegeld und die Hinterbliebenenversorgung der 7. Juli 2009 als Stichtag festgesetzt worden.

Diese einschränkende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist aber durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 10. Mai 2011 überholt. Danach dürfen die deutschen Gerichte nicht mehr auf die „normative“, sondern nur noch auf die „tatsächliche“ Vergleichbarkeit abstellen. Somit müssen die Rechte und Pflichten von Ehegattinnen und Ehegatten, die bezüglich der betreffenden Leistung relevant sind, mit den Rechten und Pflichten von Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern verglichen werden. Deshalb wird vom LSVD darum gebeten, dass der Erlass dahin gehend geändert wird, dass Familienzuschlag, Sterbegeld und Hinterbliebenenpension wie auch die Auslandsbesoldung ab dem 3. Dezember 2003 nachgezahlt werden, sofern die Anspruchsvoraussetzungen bereits in der Vergangenheit vorlagen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche inhaltliche Position vertritt die Landesregierung zum Schreiben des LSVD vom 30. März 2011?

2. Wann erfolgt die entsprechende Änderung des entsprechenden Runderlasses vom 30. März 2011?

3. Mehrkosten in welcher Höhe sind in diesem Zusammenhang für das Land Niedersachsen zu erwarten?

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Möllring. Ich erteile ihm das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aufgrund mehrerer Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2010 hat das Finanzministerium durch Runderlass vom 30. März 2011 rückwirkende Zahlungsansprüche für verpartnerte Besoldungs- und Versorgungsempfängerinnen und -empfänger geregelt. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigte in seinen Entscheidungen sowohl die Rechtsprechung des Bundesfassungsgerichts als auch die Rechtsprechung des EuGH im Hinblick auf die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000.

Inwieweit aus dem aktuellen Urteil des EuGH vom 10. Mai 2011 - Rechtssache C-147/08 - Römer - in Niedersachsen für die Frage des Zeitpunktes der rückwirkenden Zahlungsansprüche auf Familienzuschlag, Sterbegeld und Hinterbliebenenversorgung Konsequenzen zu ziehen sein werden, bedarf einer sorgfältigen Prüfung, die derzeit noch nicht abgeschlossen ist. Darüber hinaus liegt der Entscheidung des EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen des Arbeitsgerichts Hamburg zu einer steuerlichen Behandlung von Zusatzversorgungsansprüchen nach dem Hamburgischen Zusatzversorgungsgesetz zugrunde. Unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des EuGH wird deshalb zunächst dieses arbeitsgerichtliche Verfahren abzuwarten sein.

Nach derzeitiger Beurteilung trifft die in der obengenannten Frage aufgestellte Behauptung, dass die deutschen Gerichte vor dem Hintergrund der aktuellen EuGH-Entscheidung vom 10. Mai 2011 in der Sache Römer nicht mehr auf die normative, sondern auch auf die tatsächliche Vergleichbarkeit abstellen dürfen und insofern die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2010 überholt sei, nicht zu. Eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne der EG-Richtlinie liegt nämlich vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 der Richtlinie genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person.

Seit dem Urteil Maruko muss die Situation nicht identisch, sondern nur vergleichbar sein. Die Prüfung dieser Vergleichbarkeit darf nicht generell und abstrakt sein, sondern muss spezifisch und konkret für die betreffende Leistung erfolgen.

In der aktuellen Entscheidung Römer hat der EuGH weiter ausgeführt, dass sich der Lebenspartner im nationalen Recht hinsichtlich der konkreten Bezüge in einer rechtlichen und tatsächlichen Situation befinden muss, die mit einer verheirateten Person vergleichbar ist. Dabei ist der Vergleich der Situation auf eine Analyse zu stützten, die sich auf die Rechte und Pflichten verheirateter Personen und eingetragener Lebenspartner, wie sie sich aus den anwendbaren innerstaatlichen Bestimmungen ergeben, konzentriert, die unter Berücksichtigung des Zwecks und der Voraussetzungen für die Gewährung der im Ausgangsverfahren fraglichen Leistungen relevant sind.

Die Beurteilung der Vergleichbarkeit fällt nach der Rechtsprechung des EuGH in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte, was auch richtig ist. Ge

nau diese konkrete spezifische und für die betreffende Leistung vorzunehmende Analyse anhand des deutschen insofern einschlägigen Rechts hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 28. Oktober 2010 für die Bereiche der Hinterbliebenenversorgung, des Verheiratetenzuschlags und der Auslandsbesoldung vorgenommen.

Im Rahmen dieser Analyse kommt das Bundesverwaltungsgericht zu dem Schluss, dass die rechtliche Vergleichbarkeit beim Verheiratetenzuschlag erst durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2009 hergestellt worden ist. Diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wurde mit dem Runderlass zeitnah umgesetzt. Die aktuelle Entscheidung des EuGH gibt daher keinen Anlass, den Runderlass zu ändern.

Dies vorangestellt, darf ich die Fragen wie folgt beantworten:

Zu Frage 1: Eine Meinungsbildung der Landesregierung zu den Forderungen des LSVD nach einer weitergehenden Rückwirkung von Zahlungsansprüchen von verpartnerten Bezügeempfängerinnen und -empfängern hat angesichts der dargelegten Sach- und Rechtslage noch nicht stattgefunden.

Zu den Fragen 2 und 3: Diese Fragen können aus den vorgenannten Gründen nicht beantwortet werden.

(Beifall bei der CDU)

Der Kollege Dr. Sohn stellt eine erste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich möchte Sie fragen, ob Sie auch in Richtung des LSVD grob abschätzen können, bis wann zumindest der erste Teil der von Ihnen angekündigten inhaltlichen Prüfung der Konsequenzen aus dem EuGH-Urteil durch die Landesregierung - diese Prüfung hängt wahrscheinlich auch vom Abschluss des arbeitsgerichtlichen Verfahrens ab - aktenkundig abgeschlossen werden kann.

Herr Minister Möllring, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann das nicht abschätzen. Deshalb habe ich meine Mitarbeiterin gefragt. Sie schätzt, binnen eines Monats.

Herr Kollege Adler stellt eine weitere Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe eine Frage an die Landesregierung, weil ich die Ausführungen des Finanzministers in einem Punkt nicht so richtig verstanden habe. Auf der einen Seite haben Sie zu Beginn Ihrer Ausführungen gesagt, dass Sie noch prüfen würden, inwieweit das Urteil des EuGH vom 10. Mai 2011 eventuell Anlass zu weiteren Nachzahlungen gibt. In einem späteren Teil Ihrer Antwort haben Sie diese Möglichkeit aber im Grunde ausgeschlossen. Deshalb frage ich Sie: Was gilt denn nun? Das, was Sie am Anfang gesagt haben, oder das, was Sie am Ende gesagt haben?

(Reinhold Coenen [CDU]: Beides!)

Herr Minister Möllring, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte ausdrücklich gesagt, dass es sich hier um eine vorläufige Bewertung handelt. Sie haben diese Frage ja heute gestellt. Ich hatte auch gesagt, dass es keine abschließende Bewertung ist und wir uns noch in der Prüfung befinden. Auf die Frage des Kollegen Sohn hin habe ich geantwortet, dass meine Mitarbeiterin schätzt, dass eine abschließende Beurteilung binnen eines Monats fertiggestellt werden kann. Es war also eine vorläufige Bewertung. Ich hätte das auch weglassen können. Sie haben aber einen Anspruch darauf, dass wir hier unser jetziges Wissen vortragen. Es gibt jedoch noch keine abschließende Bewertung, auf der wir beharren, sondern es wird auch zusammen mit den Besoldungsreferaten anderer Länder noch einmal intensiv geprüft. Im Anschluss daran werden wir eine endgültige Entscheidung treffen und Ihnen diese auch mitteilen.

Frau Kollegin Twesten stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Herr Möllring, Sie haben gesagt, dass es derzeit noch keinen Anlass gebe, den Erlass zu ändern. Gesetzt den Fall, die Prüfung führt zu einer negativen Einschätzung Ihrerseits: An welche Stelle wollen Sie sich denn dann noch wenden, um in dieser Frage eine endgültige Klärung zu erreichen, nachdem der LSVD die Gegebenheiten in seinem Schreiben doch sehr eindeutig dargelegt hat und es um eine Einschätzung und Klärung vor dem Hintergrund des Antidiskriminierungsgrundsatzes geht?

Herr Minister Möllring!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder unsere Prüfung ergibt, dass eine längere Rückwirkung als von mir vorgetragen vorhanden ist. Dann wird der Runderlass entsprechend geändert. Das ist völlig klar. Oder dann, wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass das EuGH-Urteil in der Sache Römer uns nicht dazu zwingt, eine längere Rückwirkung als vom Bundesverwaltungsgericht festgestellt vorzunehmen, würde den Betroffenen, die nicht unter diesen Runderlass fallen, bei einem abschlägigen Bescheid auf einen entsprechenden Antrag das normale Gerichtsverfahren offenstehen. Ich hatte ja vorgetragen, dass das Arbeitsgericht Hamburg einen Vorlagebeschluss gefasst hat. Das kann bis zur letzten Instanz gehen. Es kann aber auch schon in der ersten Instanz dem Bundesverfassungsgericht oder dem EuGH vorgelegt werden.

Ich kann Ihnen naturgemäß nur abstrakt darlegen, welche Möglichkeiten es gibt, weil ich nicht weiß, zu welcher abschließenden Entscheidung wir letztendlich kommen werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Der Kollege Dr. Sohn stellt seine zweite Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da die Ankündigung, in einem Monat etwas Festes zu haben, ein faires Angebot ist, werden sich einige Fragen erübrigen. Das hat bis dahin Zeit.

Trotzdem habe ich die Frage, warum es ein halbes Jahr vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes am 28. Oktober bis zum Runderlass am 30. März von Ihrer Seite gedauert hat.

Herr Minister Möllring!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Keine Ahnung.