Protokoll der Sitzung vom 01.07.2011

„Es gibt nichts zu beschönigen. Ich habe unzulässigerweise aus der

Staatskanzlei heraus Wahlkampf für Gerhard Schröder gemacht.“

Der frühere Verfassungsrichter Hans Hugo Klein sagt: „Staatsorgane sind im Wahlkampf zur Neutralität verpflichtet.“ Gerhard Schröder hat mit seinem damaligen Adlatus Frank-Walter Steinmeier offensichtlich verfassungswidrig in der Staatskanzlei parteipolitische Arbeit geleistet.

(Björn Thümler [CDU]: Aha!)

Das ist nicht zu beschönigen. Das ist einfach unanständig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dann gibt es auch noch die Zusammenhänge mit Carsten Maschmeyer, Gerhard Schröder und der damaligen Rentenreform. Man mag sich selbst ein Bild machen. Ich möchte nur die zeitlichen Zusammenhänge darstellen. Zuerst unterstützt Carsten Maschmeyer mit einer anonymen Anzeige den damaligen Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder, Frank-Walter Steinmeier und damit auch die SPD, um an die Macht zu kommen. Anschließend entwirft das SPD-Mitglied Bert Rürup Vorschläge zur Rentenreform. Dieser gründet später mit dem Geschäftspartner Carsten Maschmeyer eine Gesellschaft u. a. zur Beratung in Finanzangelegenheiten. Die SPD und Gerhard Schröder setzen die Rentenreform durch. Schröder tritt später auf AWD-Veranstaltungen auf und lässt sich dafür bejubeln.

Ach ja, dann gibt es noch den damaligen Arbeitsminister, Walter Riester, SPD. Es ist nicht nur so, dass er der Rentenreform und damit der Rente seinen Namen gibt, nämlich der Riester–Rente, sondern noch heute verdient er nicht schlecht auf Veranstaltungen, bei denen er sich als sogenannter unabhängiger Referent feiern lässt.

(Björn Thümler [CDU]: Aha!)

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Grascha.

Wer hier noch den Eindruck hat, es sei alles mit rechten Dingen zugegangen, der muss schon sehr gutgläubig sein. Mein Eindruck ist eher: Die Herren Schröder, Steinmeier, Rürup, Riester und Maschmeyer haben erst auf Kosten der Allgemeinheit ihren persönlichen wirtschaftlichen Erfolg gesät und anschließend privat die Ernte eingefahren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Johanne Modder [SPD]: Kein Wort zu Wulff? - Gegenruf von Christian Gra- scha [FDP]: Dazu hat der Minister doch genug gesagt! Ich muss doch nicht die Antwort wiederholen!)

Als Nächster hat sich Herr Haase für die SPDFraktion zu Wort gemeldet. Herr Haase, ich erteile Ihnen das Wort.

Danke schön, Herr Präsident. - Herr Grascha, das war nichts! Da muss man sich mit einem bestimmten Thema befassen und startet dann einen Auftritt, einen völlig undifferenzierten und unbegründeten Gegenangriff, blendet Zeiten nach 2003 völlig aus,

(Johanne Modder [SPD]: Genau!)

statt gemeinsam darüber nachzudenken, was die Substanz dieser Großen Anfrage ist. Ich bin wirklich sehr enttäuscht; denn Sie reden dem Tenor der Anfrage der Linken das Wort.

(Beifall bei der SPD - Johanne Mod- der [SPD]: Genauso ist es! Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, ich will mich aber nicht weiter aufregen - ich habe auch wenig Redezeit. Es ist nicht gerade einfach, sich angesichts der medialen Berichterstattung im Vorfeld streng sachlich und nüchtern mit der Großen Anfrage der Linken und den Antworten der Landesregierung zu befassen.

Schon vor der heutigen Besprechung steht im Übrigen für die Linke schon fest - jedenfalls laut ihrer Pressemitteilung vom 22. Juni -, dass sie sich in all ihren Vermutungen bestätigt sieht. Sie haben meiner Meinung nach einige wenige gute Vorschläge in der Pressemitteilung verkündet, nämlich das Überdenken des Archivrechts oder die Aufarbeitung der unlauteren Praktiken am grauen Kapitalmarkt. Aber ansonsten steht für Sie laut Pressemitteilung schon vor der Diskussion heute fest, dass der AWD grundsätzlich mit Drückerkolonnen unlauter arbeite, dass Maschmeyer erfolgreich auf die Politik Einfluss genommen und seine Geschäftsinteressen durchgesetzt habe. Auch kommt der Vorwurf, die Landesregierungen - ob Schröder oder Wulff - seien käuflich gewesen.

Meine Damen und Herren, dieses politische Urteil steht fest, ohne dass die Antworten es meiner

Auffassung nach hergeben. Da stellt sich schon ganz formal die Frage, was diese Große Anfrage eigentlich soll.

(Björn Thümler [CDU]: Sehr gute Fra- ge!)

Stellt man sie, um Erkenntnisse zu gewinnen, um z. B. anschließend Entschließungsanträge oder Gesetzesinitiativen zu erarbeiten, oder aber, um Konsequenzen aus Fehlverhalten zu ziehen? Oder stellt man sie, um ein schon vorher gefasstes Urteil bestätigt zu bekommen - gleich, wie die tatsächlichen Antworten ausfallen? - Letzteres scheint mir hier leider der Fall zu sein.

Meine Damen und Herren, zur Sache: Es gab beim AWD unbestritten Graumarktgeschäfte, die viele Menschen um ihre Ersparnisse gebracht haben.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Also doch!)

Die Medien haben viele Beispiele dafür aufgezeigt. Dafür haben sie unseren Dank verdient. Ähnliche Fälle gab es aber leider auch bei anderen Banken und Strukturvertrieben. Grund genug für uns alle, dies parlamentarisch zu hinterfragen und womöglich unlautere Geschäftsmethoden gesetzgeberisch zu verhindern. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre hat aber der Bundesgesetzgeber - z. B. im April 2011 mit dem Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und weiteren Maßnahmen der Aufsicht - schon gehandelt. Die Beratungspflichten auf dem Graumarkt wurden deutlich verschärft. Insbesondere die Kontrollregelungen für Graumarktgeschäfte wurden entscheidend verbessert und intensiviert.

Was die aufgelaufenen Fälle beim AWD betrifft, so sind dies Fälle für die Justiz, die entscheiden muss, wo die vorhandenen gesetzlichen Grenzen damals und heute überschritten worden sind oder werden. Für die Zukunft scheint mir wichtig, dass bei der Novellierung des § 34 der Gewerbeordnung gerade auch der bisherige Strukturvertrieb aufsichtsrechtlich den Vermittlern anderer Kreditinstitute gleichgestellt wird. Das heißt für mich nichts anderes, als dass wir im Novellierungsverfahren für eine Unterstellung bei der BaFin sorgen müssen. Alles andere ist in meinen Augen der falsche Weg.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, zu einem zweiten Komplex. Eine weitere Wertung der Linken steht schon fest: Die Politik in Niedersachsen sei käuflich - so

die Pressemitteilung vom 22. Juni. Woraus schließen Sie das, liebe Kollegen der Linken? Die Antworten über Zusammenkünfte von Herrn Maschmeyer mit Ministerpräsidenten oder Ministern geben eine solche Bewertung meiner Meinung nach nicht her. Auch wenn Sie heute zu Recht hinterfragen, ob die Antworten vollständig sind: Bislang ergibt kein einziger Sachverhalt eine direkte Einflussnahme von Herrn Maschmeyer. Auch eine Teilnahme an Delegationsreisen ist in der Antwort nicht verzeichnet - auch wenn man natürlich auch hierbei hinterfragen kann, ob sie vollständig ist.

In Niedersachsen ist bislang kein Staatsanwalt - und das ist Fakt - mit Fällen von Vorteilsnahme, Korruption oder Bestechung in Sachen Maschmeyer befasst. Das mag Ihnen passen oder auch nicht. Auch in meinen Augen gibt es natürlich Dinge, die ein politisch-moralisches Geschmäckle haben, wie z. B. wenn ein Ministerpräsident bei Herrn M. in seiner Finca übernachtet. Das ist aber nicht justiziabel und nicht angreifbar. Das zeigt nicht, dass Niedersachsen eine Bananenrepublik ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, hier gibt es ja sacherfahrene Kollegen. Der Kollege Hocker als ehemaliger Referent von Herrn Maschmeyer weiß ja gut Bescheid. Ich habe eine sehr deutliche Meinung zum Lobbyismus, aber er gehört auch zum politischen Geschäft. Das Entscheidende ist, dass wir ihn transparent, offen und jederzeit nachprüfbar gestalten. Uns liegt zu diesem Thema eine Drucksache der Fraktion der Grünen vor, mit der wir arbeiten können, um die Dinge für die Zukunft vernünftig zu entwickeln. Dass vor dem Hintergrund von Zusammenkünften, Sommerfesten und Ähnlichem sofort der Schluss gezogen wird, dass wir uns in einer korrupten Bananenrepublik befinden, kann ich nicht nachvollziehen. Nichts ist justiziabel; es gibt keine neuen Fakten, die den bekannten Sachverhalt anreichern.

Meine Damen und Herren, zum NDR muss ich nichts sagen. Insgesamt - das will ich zusammenfassend feststellen - ist diese Große Anfrage in unseren Augen eigentlich nichts anderes als eine groß angelegte Skandalisierungsaktion,

(Glocke des Präsidenten)

ein Aufguss der Medienberichterstattung von vor einigen Monaten, an die man sich nun politisch, publizistisch und populistisch anzuhängen versucht. Dieser Versuch ist nach meiner Auffassung

nicht gelungen. Es bleibt bei dem untauglichen Versuch,

(Zuruf von Victor Perli [LINKE])

wenngleich Sie mit Ihrer Pressemitteilung, Herr Perli, etwas anderes zu suggerieren versuchen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Victor Perli [LINKE])

Jetzt hat Frau Flauger für die Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Haase, den Skandal mussten wir nicht durch Skandalisierung schaffen, der Skandal war schon da. Wir haben hier gehört, die Landesregierung würde Druck auf Redaktionen nicht begrüßen. In der Antwort auf unsere Anfrage haben Sie sich noch jeder Stellungnahme enthalten. Auch hier haben wir gerade wieder etwas von der Staatsferne des Rundfunks gehört. Wir haben von Ihnen gar nicht erwartet und Sie auch gar nicht darum gebeten, sich in die Programmgestaltung einzumischen. Wir haben Sie gefragt, wie Sie es bewerten, dass massiver Druck ausgeübt wurde.

Wenn Sie hier schon auf die Staatsferne verweisen, dann muss ich Ihnen sagen: Sonst sind Sie doch auch nicht so zart besaitet, wenn es darum geht, dass im niedersächsischen Tatort einige Niedersachsen etwas deppenhaft wegkommen und ein falsches Bild von ihnen gezeichnet wird. Darum kümmern Sie sich schon einmal. Aber wenn es um Pressefreiheit und Medienfreiheit geht, dann mischen Sie sich nicht ein. So funktioniert das nicht!

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Bode, Sie haben gesagt, wir hätten die falsche Frage gestellt bzw. nur gefragt, welche Gesprächstermine es gegeben habe. Sie haben dann gesagt, der Nord-Süd-Dialog war ja kein Gesprächstermin. - Wissen Sie, was Herr Maschmeyer bei diesem Termin in die Mikros gesagt hat? - Er hat gesagt, es seien ja eine Menge hochkarätige Leute bei dieser Veranstaltung, und natürlich wolle er mit einigen von ihnen reden. - Wir können doch wohl davon ausgehen, dass er Wulff auch zu diesen hochkarätigen Leuten zählt.

(Zustimmung bei der LINKEN - Unru- he)

Weiter hat er gesagt, dass er nicht sagen werde, mit wem er reden wolle, weil das natürlich immer auch vertrauliche Gespräche seien. - Ich finde es einigermaßen drollig, was Sie hier als Ausrede vortragen.

(Ulf Thiele [CDU]: Was Sie jetzt ma- chen, ist drollig!)

Ich finde es erschreckend, dass wir quer durch das Haus hören, das alles sei ein ganz normales Ausmaß und eine ganz normale Intensität an Kontakten. Wenn das alles ganz normal ist, dann ist es umso schlimmer.