Protokoll der Sitzung vom 12.10.2011

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile jetzt der Kollegin Geuter das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kurz vor der Sommerpause legte die Landesregierung ihren Haushaltsplanentwurf für den Doppelhaushalt 2012/2013 vor. Die seinerzeit vorgelegten Pläne sorgten für Kritik nicht nur bei der Opposition - das ist sicherlich nicht neu -, sondern auch beim Bund der Steuerzahler, beim Landesrechnungshof und auch beim Gesetzgebungs- und Beratungsdienst. Alle sagten unisono, dieser vorgelegte Vorschlag sei verfassungswidrig und entspreche nicht den Vorgaben der Landesverfassung.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, nach Wochen und Monaten quälender Diskussion hat die Kritik dann doch Wirkung gezeigt und die Landesregierung hat am 6. September 2011 einen geänderten Haushaltsplanentwurf für die Haushaltsjahre 2012 und 2013 vorgelegt - ich zitiere jetzt aus der dazu ergangenen Pressemitteilung -, der nicht nur den einschlägigen Bestimmungen des Grundgesetzes entspricht, sondern auch die Regelungen zur Neuverschuldung der niedersächsischen Landesverfassung berücksichtigt. Quasi als Nebeneffekt dieser Transaktion zur Herstellung der Verfas

sungsmäßigkeit des Doppelhaushaltes ist auch eine Veränderung des bisherigen Haushaltsplanes 2011 auf den Weg gebracht worden. Die Landesregierung geht in ihrer Pressemitteilung vom 6. September 2011 zwar auf die Veränderungen in den Haushalten 2012/2013 ein, verliert aber kein Wort über den daraus resultierenden Nachtragshaushalt. Auch die Begründung für den zweiten Nachtragshaushalt 2011 ist ausgesprochen dünn.

(Beifall bei der SPD)

Dennoch lohnt es sich, sich mit diesem zweiten Nachtragshaushaltsplanentwurf 2011 näher zu beschäftigen; denn es stellt sich für uns natürlich die Frage, welchem Zweck dieser eigentlich dienen soll.

Meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass es zwischen Haushaltsaufstellung und Vollzug gelegentlich Dinge gibt, die dazu führen, dass alles nicht mehr so ganz zusammenpasst. Für diesen Fall hat der Gesetzgeber im Haushaltsrecht bestimmte Möglichkeiten vorgesehen, um weiterhin handlungsfähig zu bleiben. Wenn diese Möglichkeiten nicht ausreichen, ist es erforderlich, einen Nachtragshaushalt vorzulegen.

Wenn wir uns jetzt aber die einzelnen Transaktionen im vorliegenden Entwurf des Nachtragshaushalts genau ansehen, werden wir feststellen, dass sie alle nicht benötigt werden, um die Handlungsfähigkeit dieser Landesregierung sicherzustellen.

(Beifall bei der SPD)

Ich erinnere an die Diskussionen, die wir vor wenigen Wochen und Monaten zum ersten Nachtragshaushalt 2011 geführt haben. Damals ging es um die Kapitalmaßnahme für die NORD/LB. Damals war es richtig und wichtig, diesen Nachtragshaushalt aufzustellen. Damals haben Sie aber die Dinge, die Sie jetzt in Ihrem zweiten Nachtragshaushalt eingebracht haben, entgegen den Vorschlägen des Landesrechnungshofes nicht eingebracht. Der Landesrechnungshof hat Ihnen schon damals gesagt, dass Sie auf die Einrichtung eines Sondervermögens verzichten können, weil Sie die Möglichkeit haben, die Kapitalmaßnahmen für die NORD/LB aufgrund der Steuermehreinnahmen, die bereits damals aufgrund der Steuerschätzung vom Mai bekannt waren, aus dem laufenden Haushalt zu decken. Damals haben Sie das aber nicht eingebracht. Heute jedoch bringen Sie es ein, obwohl es haushaltsmäßig eigentlich gar keinen Sinn mehr macht.

(Beifall bei der SPD)

Die 280 Millionen Euro für den Verkauf von Anteilen der NORD/LB dienten all die Jahre offensichtlich nur noch als Platzhalter; denn die schieben wir jetzt schon mehrere Jahre vor uns her. Sie werden je nach Bedarf immer weiter verschoben oder zurückgestellt. Auch das zeigt, dass planmäßiges Handeln bei dieser Landesregierung Fehlanzeige ist.

(Beifall bei der SPD)

Spannend aber ist, dass Sie aufgrund des Nachtragshaushaltsplans 2011 und auch aufgrund der daraus resultierenden Folgen für die Jahre 2012 und 2013 jede Antwort auf die Frage schuldig bleiben, wie Sie denn ab 2014 mit den dann noch größer werdenden Handlungsbedarfen umgehen wollen. Sie führen zwar immer das Wort „Konsolidierung“ im Mund, aber weder im Entwurf des Nachtragshaushaltsplans 2011 noch im Haushaltsplanentwurf für 2012 und 2013 ist etwas von Konsolidierung zu spüren. Wie gesagt: Die Antworten auf die Fragen der Zukunft bleiben Sie schuldig. Bei Ihnen scheint die Zukunft tatsächlich schon im Jahr 2013 zu Ende zu gehen.

(Beifall bei der SPD)

Der Landesrechnungshof verweist zu Recht darauf, dass das ganze Werk, das Sie uns im September vorgelegt haben, ein wenig Kreativität bei der buchhalterischen Gestaltung des Einzelplans 13 aufweist. Meine Damen und Herren, der Nachtragshaushalt 2011, den wir heute beraten, dient ausschließlich dazu, Ihre eigene Legendenbildung aufrechtzuerhalten.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, diese Haushaltspolitik der Winkelzüge und der Tricksereien werden wir nicht mitmachen. Von daher stimmen wir dem vorgelegten Entwurf nicht zu.

(Beifall bei der SPD)

Ich stelle zunächst die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Nun erteile ich dem Kollegen Dr. Sohn das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich persönlich finde, dass es heute nicht ganz einfach ist, hier zu reden. Die Spritzigkeit von Ralf Briese,

die ich persönlich immer unglaublich geschätzt habe, werden wir heute und wahrscheinlich auch in Zukunft nur schwer erreichen; wahrscheinlich überhaupt nicht.

Zum Thema: Die Kernpunkte des Nachtragshaushalts sind schon in der letzten Plenardebatte angesprochen worden. Frau Geuter hat eben das Wort „verschieben“ benutzt. Im Kern ist der vorliegende Nachtragshaushalt trotz der etwas anders lautenden Begründung tatsächlich nur ein Verschiebebahnhof für den geplanten Doppelhaushalt 2012/2013. Das ist der Kern des uns vorgelegten zweiten Nachtragshaushalts. Da alles Wesentliche dazu schon in der letzten Plenarsitzung gesagt worden ist, möchte ich jetzt nur noch zwei Hinweise geben, die damit zusammenhängen und nur im Zusammenhang mit dem Doppelhaushalt betrachtet werden können; denn der vorliegende Nachtragshaushalt ist ein Verschiebebahnhof für den Doppelhaushalt. Diese beiden Hinweise werden im weiteren Verlauf des Plenums noch eine Rolle spielen.

Zum einen geht es um die Auswirkungen der gegenwärtigen Bankenkrise in Europa, die sich aufgrund der gestrigen Nachrichten aus der Slowakei ja noch verstärken werden. Zum anderen geht es um die gesamte Frage der Steuergerechtigkeit in diesem Lande. Sie werden ja die Parallelität der Summen festgestellt haben. Diese ganze Operation NORD/LB dreht sich um das Volumen von 600 Millionen Euro. Die Steuergewerkschaft und ver.di sagen: Diese Landesregierung lässt 600 Millionen Euro im Jahr liegen, weil sie den Steuervollzug in diesem Lande systematisch massakriert und abgebaut hat. Diese Landesregierung und der Finanzminister Möllring persönlich aber erlassen den Reichen, den Wohlhabenden sowie den gut verdienenden Unternehmen in zunehmendem Maße jedoch Millionensummen und lassen diese Summe somit auf der Straße liegen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das wird sich - wir werden das morgen ja noch erfahren - durch das Vorhaben der Landesregierung, diesem unsäglichen Schwarzmarktdeal und Schwarzgelddeal mit der Schweiz zuzustimmen, ja noch verstärken. Im Kern wird gesagt: Ihr Reichen und Schönen könnt eure Gelder in die Schweiz transferieren. Wir garantieren euch, dass es erstens keine Strafverfolgung für Steuerbetrug mehr gibt, dass ihr zweitens den niedrigsten denkbaren Pauschalsatz für diese Transfers bekommt und dass wir drittens nie wieder CDs kaufen, die die

sem Land ja immerhin ein bisschen Geld gebracht haben. Das ist der Kern. Sie, Herr Möllring, sind wirklich derjenige, der all das mit verdealt.

Abschließend möchte ich noch auf einen weiteren Punkt eingehen. In der HAZ war gestern zu lesen - ich zitiere -:

„Deutschlands Milliardären geht es deutlich besser als noch vor einem Jahr. Trotz überschuldeter Staatshaushalte quer durch Europa und milliardenschweren Bankenrettungsschirmen konnten die 100 reichsten deutschen Einzelpersonen und Familien ihr Vermögen in den vergangenen zwölf Monaten um 6,7 % vermehren.“

Daran ist nur das Wort „trotz“ falsch; denn diese Vermögensvermehrung findet bei den Reichen nicht trotz, sondern wegen der Verschuldung statt. Jeder kennt das Einmaleins. Es gibt volkswirtschaftlich keine Schulden, wenn es auf der anderen Seite in gleichem Maße nicht auch Vermögen gibt. Die Staatsschulden aller deutschen Haushalte belaufen sich auf rund 2 Billionen Euro, - - -

Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

- - - die Vermögensbestandteile der reichsten 10 % auf 3 Billionen Euro. Wenn Sie an diese 3 Billionen nicht rangehen, werden Sie keinen Staatshaushalt in Deutschland sanieren. Weil Sie das nicht tun, wird Ihre Politik scheitern, auch mit diesem Nachtragshaushalt.

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Klein das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Die Regierung rechnet noch mal nach“ - so titelte die HAZ Ende August, nachdem nicht nur massive, sondern auch sehr fundierte Kritik den ersten Aufschlag eines Haushaltsplanentwurfs 2012 der Landesregierung als verfassungswidrig verworfen hatte. Der Versuch, den Artikel 71 der Niedersächsischen Verfassung aufgrund der Schuldenbremse im Grundgesetz für aufgehoben zu erklären, konn

te nur schiefgehen. Für eine Ausnahme, um die Neuverschuldung über die eigenfinanzierten Investitionen hinaus zu erhöhen, gibt es bis heute keinen Grund. Das Ergebnis des Nachrechnens der Landesregierung waren eine Ergänzungsvorlage für den Haushaltsplanentwurf 2012 und eben der zweite Nachtragshaushalt für 2011, der uns heute zur Entscheidung vorliegt.

Formal selbstständig ist dieser Nachtrag natürlich. Erklärbar - ich scheue mich, den Begriff „sinnvoll“ zu verwenden - wird er aber nur im Gesamtzusammenhang der Aktion, mit der die Landesregierung formal die geplante Höhe der Nettoneuverschuldung für den Haushalt 2012 auf die Einhaltung des Artikels 71 zurückgeschraubt hat. Sinnvoll wären Schritte gewesen, um das strukturelle Defizit anzugehen, um die jährliche Verschuldung dauerhaft zu senken. Jetzt erleben wir die schon bekannte Großzügigkeit gegenüber dem im Haushaltsrecht geltenden Jährlichkeitsprinzip: NORD/LB-Deal ein Jahr später, FAG-Zahlungen ein Jahr früher usw. Außerdem wird die Reduzierung der Neuverschuldung durch neue Schulden ersetzt, die auf nicht ausgeschöpften Kreditermächtigungen aus Vorjahren beruhen.

Sie merken schon, meine Damen und Herren: Das ist exakt die Diskussion, die wir bereits bei der Einbringung des Haushalts 2012 im letzten Plenum geführt haben. Aber das ist natürlich auch klar; denn hier besteht ein Zusammenhang, das ist ein Vorgang. Deshalb will ich auch gar nicht weiter ins Detail gehen, sondern vor allen Dingen auf die September-Debatte verweisen. Bei diesem Gesamtzusammenhang ist es auch nur logisch, dass wir diesen Nachtrag heute ablehnen.

Erwähnenswert ist sicherlich noch die Rückabwicklung des ersten Nachtragshaushalts 2011 mit der Kreditermächtigung und dem Sondervermögen für die Kapitalhilfe für die NORD/LB. Das hätte sich die Landesregierung auch sparen können, wenn sie gleich auf die Opposition gehört hätte. Jetzt fehlt allerdings noch die Rückabwicklung der Kapitalisierung selbst. Die 600 Millionen Euro gehören dem niedersächsischen Steuerzahler. Deshalb gehören sie so schnell wie möglich wieder zurück in den Landeshaushalt. Dafür werden wir uns einsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Grascha das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte zum zweiten Nachtragshaushalt 2011 drei Anmerkungen machen, die aus meiner Sicht besonders wichtig sind.

Erstens. Wir stellen mit dem Nachtrag die Kapitalstärkungsmaßnahme zugunsten der NORD/LB in einer Größenordnung von 500 Millionen Euro noch einmal klar. Wir haben damals im Landtag in einem Entschließungsantrag in einem fraktionsübergreifenden Verfahren festgelegt, dass wir diese Kapitalmaßnahme aus den Steuermehreinnahmen finanzieren wollen. Dies ist nun geschehen. Glücklicherweise haben wir so viele Steuermehreinnahmen, um hierfür nicht zusätzliche Kredite in Anspruch nehmen zu müssen. Wir nehmen für uns in Anspruch, dass wir damals keine hellseherischen Fähigkeiten hatten, sondern dies heute im Haushalt klarstellen können.

Der zweite Punkt sind die 100 Millionen Euro der Sparkassen. Wir begrüßen es als FDP ausdrücklich, dass sich auch die Sparkassen bereit erklärt haben, sich in dieser Größenordnung an der Kapitalmaßnahme der NORD/LB zu beteiligen.

Drittens. 231 Millionen Euro weniger Zinsausgaben sind ebenfalls ein positives Zeichen, ein Zeichen guten Kreditmanagements. Sie sind aber natürlich auch der Gesamtsituation am Kapitalmarkt geschuldet; denn auf der einen Seite haben z. B. Griechenland, Italien und Portugal Refinanzierungsprobleme am Kapitalmarkt, und auf der anderen Seite profitiert Deutschland als ein Land mit besserer Bonität davon und hat entsprechend weniger Zinsausgaben zu leisten.