Wir kommen jetzt zu den Zusatzfragen. Dazu vorweg folgende Bemerkung: Das Präsidium wird es nicht akzeptieren, wenn sozusagen als Ouvertüre die bekannte Formulierung „vor dem Hintergrund“ in Serie eingesetzt wird.
Die erste Frage lautet: Vor dem Hintergrund, dass die Neue Zürcher Zeitung in ihrem Leitartikel vom 8. Oktober 2011 ausführt:
„War Kapitalismuskritik bisher das natürliche ideologische Rüstzeug der Linken, so hat sie unterdessen liberale und konservative Kreise erreicht. … Seit Finanzkrise und Euro-Debakel greift auch in staatstragenden Kreisen die Angst um sich, das Gift einer entfesselten Wirtschaft zersetze das moralische Fundament der Gesellschaft. Als Hauptschuldige für diese Entwicklung stehen die hypernervösen, von der Gier der Spekulanten angetriebenen Finanzmärkte am Pranger“,
frage ich die Landesregierung, welche Vorstellungen sie hat, die von der Gier der Spekulanten angetriebenen Finanzmärkte mit politischen Entscheidungen zu bändigen. - Das war meine erste Frage.
Die zweite Frage ist: Wäre es nicht zwangsläufige Konsequenz zur Befreiung der Politik von der Geiselhaft durch die Finanzmärkte, dass zumindest die sogenannten systemrelevanten Banken in Europa vergesellschaftet und demokratischer Kontrolle unterworfen werden,
das Finanzkasino geschlossen wird und gefährliche Finanzprodukte weltweit verboten werden, wie das in Deutschland im Fall der sogenannten Leerverkäufe bereits verwirklicht wurde?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist doch selbstverständlich, dass reiner Kapitalismus und reiner Kommunismus dort, wo sie herrschen, schlecht für die jeweiligen Völker sind.
Gott sei Dank haben wir hier - zunächst in der Bundesrepublik und heute in ganz Deutschland - die soziale Marktwirtschaft, die sich eben anderen Systemen überlegen gezeigt hat.
- Unser Sozialsystem wird von vielen Ländern beneidet. Sicherlich kann alles noch besser sein. Natürlich kann man wie der kleine Häwelmann rufen: „Mehr, mehr!“ Aber das nützt ja nichts.
Fakt ist: Unser Wirtschaftssystem ist vielen anderen Wirtschaftssystemen überlegen. Das hat sich auch in den letzten Jahren gezeigt.
- Entschuldigen Sie bitte! Statistik ist ja wunderschön; aber kurz vor ihrem Zusammenbruch war die DDR die siebstärkste Wirtschaftsmacht der Welt, und plötzlich war sie pleite. Jetzt können die Bürgerinnen und Bürger in einer sozialen Marktwirtschaft leben. Das ist, glaube ich, ein großer Erfolg.
Deshalb ist es sicherlich auch richtig, dass Banken nicht machen können, was sie wollen. - Banken können, um auf den Container zurückzukommen, sowieso nichts machen, sondern natürlich nur die Menschen, die in den Banken arbeiten. Nur damit Herr Sohn nicht gleich wieder eine Frage stellen muss. - Die Menschen, die in den Banken arbeiten, müssen sich natürlich an Regeln halten. Wir müssen versuchen, diese Regeln möglichst weltumspannend auszugestalten. Dass das nicht ganz einfach ist, ist klar.
- Vergesellschaftet sind viele Banken schon. Darin liegt auch die Stärke unseres Bankensystems; das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Von den 2 080 Bankinstituten, die wir in Deutschland haben, sind etwa zwei Drittel vergesellschaftet.
Ein knappes Viertel, etwa 460, sind Sparkassen. Die Sparkassen gehören den Kommunen, also dem Volk. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren; das ist sehr gut so. Das ist das öffentlichrechtliche System - einschließlich der Landesbanken.
Zweitens haben wir die Genossenschaftsbanken, die Volksbanken. Es sind 1 200 an der Zahl - nicht ganz 1 200, sondern zwischen 1 100 und 1 200, weil sie im Moment fusionieren. Eine idealere Form gibt es gar nicht, als dass Menschen sich zusammenfügen und gemeinsam eine Bank machen.
Dann gibt es Privatbanken, die in Deutschland auch sehr wichtig sind, z. B. regionale. Wir haben in Niedersachsen einige sehr gut funktionierende Privatbanken, die einigen wenigen gehören, aber eben auch dafür sorgen, dass Finanzdienstleistungen entsprechend stattfinden.
Nur eines werden wir nicht schaffen - weil es den Weltkommunismus ja noch nicht gibt -: dass wir alle Banken dieser Welt vergesellschaften. Dazu ist Deutschland einfach zu klein. Deshalb wollen wir auch bei dem System bleiben, das wir heute haben.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Wie bän- digen Sie denn jetzt die Spekulanten? Sie haben mir nicht geantwortet, Herr Möllring!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Nacke! Herr Minister, ausgehend von Ihrer Antwort auf die erste Frage, in der Sie dargestellt hatten, dass das, was im Bundestag beschlossen worden ist, keine Auswirkungen auf den niedersächsischen Landeshaushalt hat, und eingedenk der Tatsache, dass ja alles miteinander zusammenhängt, hätte ich dann doch noch die Frage, weil gegenwärtig ja diskutiert wird, die Eigenkapitalquote im Zuge der Bankenstabilisierung nicht nur auf 7 % oder 8 %, sondern auf 9 % zu hieven, welche Auswirkungen das aus Sicht der Landesregierung auf die NORD/LB und die von Ihnen eben zu Recht gepriesenen Sparkassen und kleinen Genossenschaftsbanken hätte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Sohn, die Zwangskapitalisierung, die Sie angesprochen haben, ist unbedingt abzulehnen, weil sie einer selbsterfüllenden Prophezeiung gleichkommt. Es wird prophezeit: Wenn das nicht kommt, geht alles den Bach runter - und das wäre ganz schlecht.
Sie haben die Frage gestellt, was mit der NORD/LB ist, wenn die 9 % kommen. Wie gesagt, das ist jetzt hypothetisch - nicht dass morgen jemand schreibt, die müssten 9 % haben. In der Financial Times, also der englischen Ausgabe, gab es die Meinung: 10 %. In der Bundesrepublik gibt es auch die Meinung: 8 %. Aber nehmen wir einmal 9 %.
Im Moment diskutieren wir mit dem Land Bremen, dass es seine stille Einlage, die es in Höhe von etwa 480 Millionen Euro in der Bremer Landesbank hat, umwandelt, so wie auch wir unsere stille Einlage, die wir in Höhe von 1,1 Milliarden Euro in der NORD/LB haben, umwandeln. Das wäre dann hartes Eigenkapital. Da die Bremer Landesbank dann immer noch zu über 50 % zum NORD/LB
Konzern gehören würde, würde das konsolidiert. Mit dieser Maßnahme hätten wir dann etwa 8,3 % hartes Kernkapital.
Hinzu kommt, dass die Bremer einverstanden sein müssen, die Put-Option, die die NORD/LB gegenüber der Bremer Landesbank hat - nämlich die Anteile der Bremer Landesbank den Bremern anzudienen; so gesehen haben sie ein Vorkaufsrecht; das hat alles mit dem Staatsvertrag zu tun, den wir vor vier Jahren beschlossen haben -, herauszunehmen; denn diese Put-Option würde bedingen, dass das, was die Bremer Landesbank an Anteilen zeichnet, wiederum aus dem Konzern herausgerechnet würde. Denn das würde ja nichts bringen: Wenn ich erst eine Kapitalerhöhung durchführe und das dann, weil es eine Put-Option gibt, wieder herausgerechnet wird, brauche ich die ganze Aktion nicht zu machen. - Dann wären wir also bei etwa 8,4 %.
Jetzt muss man noch sehen, was wir noch in die Rücklagen überführen können. Es ist ja so - das haben wir gestern diskutiert -, dass ausländische Papiere virtuell an Wert verlieren, Bundespapiere aber virtuell gewinnen. Bundesanleihen, Schatzanweisungen des Landes Niedersachsen oder andere Staatspapiere steigen im Moment im Wert. Wenn sie beispielsweise mit einem Coupon von 5 % oder 6 % ausgestattet sind, sind sie natürlich mehr als 100 % wert, weil im Moment für solche Papiere Zinsen zwischen 1,7 % und 2,5 % oder 3 % gezahlt werden. Das sind stille Reserven. - Man muss sehen, wie man sie dann wieder hochrechnet.
Daher können wir davon ausgehen, dass wir eine Quote von 9 % - angenommen, aber nicht zugegeben - ohne große Probleme erfüllen können.