Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bachmann, Sie haben das Problem angesprochen, dass es nur zu ganz wenig Verurteilungen von Polizeibeamten wegen Körperverletzung im Amt und dergleichen kommt.
Ich will Ihnen einmal etwas aus der Sicht eines Strafverteidigers sagen. Ich hoffe, dass wir in der Ausschussberatung dazu eine Expertenanhörung machen; denn dann können Sie dazu auch andere
Strafverteidiger anhören. Die Erfahrung, die wir als Strafverteidiger machen, ist häufig folgende: Ein Bürger kommt in das Büro und sagt: „Ich bin von der Polizei geschlagen worden.“ Der Strafverteidiger sagt dann: „Bevor du eine Strafanzeige stellst, musst du das Risiko kennen, dass es garantiert zu einer Gegenanzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte kommt.“ Das ist das Problem. Fragen Sie Strafverteidiger - nicht nur mich; so viel habe ich auch nicht gemacht. Die werden Ihnen alle das Gleiche sagen. Viele verzichten auf eine Strafanzeige aus Angst vor der Gegenanzeige, die immer kommt und aufgrund einer Kameraderie zwischen den Polizeibeamten häufig zur Verurteilung desjenigen führt, der eigentlich Opfer ist.
Das kann man im Einzelfall weder beweisen noch widerlegen. Das ist natürlich ein Problem. Das sehe ich auch. Aber man muss bei diesem schwierigen Problem beide Seite hören. Ich hoffe, dass wir das in einer Anhörung machen können.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Adler, ich habe ausdrücklich gesagt, dass wir damit nicht so umgehen wie der Kollege Götz. Wir sehen Diskussionsbedarf und werden im Ausschuss über die Fragen reden. Wir werden darüber reden, ob man das quantifizieren kann und ob es tatsächlich so ist.
Ich habe nicht in Abrede gestellt, dass es im Einzelfall zu Fehlverhalten kommen kann. Aber ich habe auch Indikatoren genannt, die vielleicht verständlich machen, warum Polizeibeamte bei ihrer Dienstausübung trotz aller hohen Motivationen manchmal unter Frust und Berufsunzufriedenheit zu leiden haben. Das rechtfertigt nicht Fehlverhalten im Einzelfall. Aber das können wir nicht mit einer solchen Instanz korrigieren, sondern nur mit einem veränderten gesamtheitlichen Umgang, wie ich ihn eben aufzuzeigen versucht habe.
Das ist also weder so noch so quantifizierbar. Eine böse Unterstellung ist es, zu sagen, das sei der Regelfall. Ich erlebe es so nicht. Man muss auch untersuchen, dass derjenige, der einen Strafver
teidiger aufsucht und ihm sagt, er sei hart angefasst worden, vielleicht nicht erzählt, dass er selber vorher Widerstand geleistet oder Beleidigungen ausgesprochen hat. Es ist ja nicht Aufgabe des Strafverteidigers, diese Seite zu untersuchen.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Bachmann. - Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Kollege Oetjen zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich dem Schlussappell des Kollegen Bachmann anschließen. Ich glaube, wir sollten sachlich darüber diskutieren, auch wenn der Kollege Götz natürlich recht damit hat - das hat der Wortbeitrag des Kollegen Adler genauso wie der der Kollegin Zimmermann noch einmal unterstrichen -, dass auf der linken Seite des Hauses und ganz besonders am linken Rand des Hauses ein gewisses Misstrauen gegenüber den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten deutlich zu spüren ist.
Ich glaube auch, dass wir in dieser Debatte aufpassen müssen, dass die Befürchtung, die der Kollege Götz geäußert hat, nämlich dass sich die Polizistinnen und Polizisten von einem solchen Antrag unter Generalverdacht gestellt fühlen, nicht wahr wird. Deswegen möchte ich an dieser Stelle für meine Fraktion genau das sagen, was der Kollege Bachmann sehr ausführlich ausgeführt hat. Ich mache das etwas kürzer.
- Ihr habt auch mehr Redezeit, so ist es. - Wir glauben, dass die Polizistinnen und Polizisten in Niedersachsen nicht nur gut ausgebildet sind, sondern auch eine ganz hervorragende Arbeit machen. Wir als Politik sollten die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten bei dieser Arbeit in erster Linie unterstützen. Wir hegen kein Misstrauen gegenüber ihrer Arbeit.
Tagesordnung gesetzt wurde, ganz objektiv diskutieren sollte, ob die Punkte, wie Herr Adler sie hier dargestellt hat und wie sie auch von Demonstrationsteilnehmern immer wieder einmal dargestellt werden, tatsächlich so vorkommen können - natürlich immer nur in Einzelfällen. Deswegen sind wir bei der Frage der Einrichtung einer solchen Beschwerdestelle offen und haben als FDP-Fraktion durchaus Sympathie für diesen Vorschlag.
Ich sage hier aber ganz deutlich, dass wir in allererster Linie mit der Gewerkschaft der Polizei, der DPolG und vielleicht auch mit dem BDK diskutieren müssen, ob es sinnvoll ist, eine solche Beschwerdestelle einzurichten, und ob sie selber das Gefühl haben, dass das notwendig ist. Denn Sie hatten ja davon gesprochen, dass diese Beschwerdestelle auch Polizistinnen und Polizisten offenstehen soll.
Eines will ich zum Abschluss noch ganz deutlich sagen: Über den Aufgabenbereich, die Funktionsweise und die Kompetenzen müssen wir uns noch streiten. Denn Sie haben in Ihrem Antrag geschrieben, dass diese Beschwerdestelle eigene Ermittlungskompetenzen erhalten soll. Ich sage hier sehr deutlich: Nach unserem deutschen Recht ist das Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Das ist gut so und muss auch so bleiben.
Danke schön. - Auch auf Ihren Beitrag gibt es eine Kurzintervention von der Fraktion DIE LINKE. Herr Herzog, Sie haben das Wort für 90 Sekunden. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Oetjen, ich will Ihre Offenheit, wie Sie es bezeichnet haben, gerne noch ein wenig befeuern. Nichts ist aussagekräftiger als das, was man selbst erlebt. Selbstverständlich geht es in keiner Weise darum, dass wir die Polizei unter Generalverdacht stellen.
Es ist ganz logisch: Der Rechtsstaat ist umso stärker, je mehr er sich um die Dinge kümmert, bei denen es manchmal eng wird. Das ist in meinem Bereich natürlich die sogenannte fünfte Jahreszeit im Wendland, die von einigen gerne ausgeblendet wird. Ich erinnere beispielsweise an die Hausdurchsuchung in Grippel, zu der Kollegin Staudte und ich hier im Landtag mehrfach nachfragen
mussten. All dies könnte über eine Beschwerdestelle laufen. Denken Sie an den ÖPNV! Der ÖPNV richtet freiwillig Beschwerdestellen ein. Da ist es offensichtlich kein Problem. Durch diese Nachfragen haben wir herausbekommen, dass die Polizei bei der Hausdurchsuchung nicht korrekt gehandelt hat und sich sogar bei der Hausnummer in einem Irrtum befand. Es gab andere Übergriffe und die rechtswidrigen Masseningewahrsamnahmen ohne sofortige richterliche Vorführung. Dass die Identifikationsmöglichkeiten oft nicht gegeben sind, haben wir häufig genug aus der Praxis beschrieben. Die vielen nicht akzeptablen Verhaltensweisen von Polizeikräften nach dem Motto „Weil ich es sage“ habe ich auch oft genug ausgeführt.
Daher kann ich nur sagen: Eine Beschwerdestelle ist eine gute Chance, unterhalb des Klagewegs solche Dinge voranzubringen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Als wir Grüne im Juni dieses Jahres einen Entschließungsantrag zur Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes eingebracht haben, hat die Kollegin Zimmermann uns unterstellt, die Tatsache, dass wir das in einem Antrag und nicht in einem Gesetzentwurf formulieren, würde bedeuten, dass wir uns wohl an Schwarz-Grün heranrobben. Frau Zimmermann, entsprechend müsste ich ja jetzt annehmen, dass Sie sich an Herrn Schünemann und an eine dunkelrot-schwarze Koalition heranrobben wollen. Das ist eine interessante Vorstellung für die politische Zukunft!
Aber im Ernst: Auch wir Grüne erkennen ausdrücklich an, dass die Polizei gerade im alltäglichen Streifendienst, nachts und in den frühen Morgenstunden eine harte Aufgabe hat. Der Kollege Bachmann hat das gerade beschrieben. Auch Großeinsatzlagen sind für die Polizeikräfte natürlich nichts gern Gesehenes und nichts gern Ausgeübtes und keine einfache Situation. Aber gleichzeitig müssen wir anerkennen, dass die Polizei die einzige Institution in Niedersachsen ist, der wir das staatliche Gewaltmonopol und den legalen Einsatz von Waffen hier in Niedersachsen anvertrauen. Die Polizei darf sogar besondere Schusswaffen und in Einzelfällen sogar Sprengmittel einsetzen, meine Damen und Herren. Das braucht sie für ihre Aufgabenerfüllung.
Aber wir Grünen meinen: Wem so viel Vertrauen entgegengebracht wird, dass wir ihm Waffen und Gewaltmonopol anvertrauen, der muss es auch hinnehmen, dass ihm gegenüber ein besonderes Maß an Kontrolle ausgeübt wird.
Herr Kollege Götz, Sie haben die Forderung der Linken sehr brüsk zurückgewiesen. Ich möchte Sie zunächst darauf hinweisen, dass Sie, wenn Sie die Linke so scharf für diese Forderung kritisieren, automatisch den EU-Menschenrechtsausschuss, den Europarat und nicht zuletzt die in diesem Jahr so viel gerühmte Organisation amnesty international scharf angreifen; denn alle diese Institutionen fordern schon seit Jahren einen solchen Polizeibeauftragten auch für Deutschland.
Ich meine, wir täten gut daran, zuzuhören und deren Argumente ernst zu nehmen, meine Damen und Herren.
Herr Kollege Bachmann, Sie haben uns gerade einen Nachtdienst bei der Polizei empfohlen. Das ist sicherlich eine gute und interessante Empfehlung. Ich habe auch eine für Sie. Es gibt nämlich auch andere Nachtdienste. Es gibt Nachtdienste im Wendland. Es gibt Nachtdienste an Gleisen bei Demonstrationen, bei Sitzblockaden, bei Ingewahrsamnahmen durch die Polizei.
Ich empfehle allen Kolleginnen und Kollegen, einmal zu erleben, was dort nachts fernab der Öffentlichkeit, fernab öffentlicher Kontrolle passiert: Tritte in die Knie, Schläge mit Polizeiknüppeln. Ich persönlich empfehle meinen Kolleginnen und Kollegen von der Grünen-Jugend und von den Grünen gar keine Anzeigen mehr, weil ich weiß - der Kollege Adler hat das gerade ausgeführt -, wie das oft ausgeht.