Protokoll der Sitzung vom 02.07.2008

können, würden wir die Hochbau-Aufträge im Lande Niedersachsen noch nicht einmal um 1 % erhöhen. Dieses knappe eine Prozent würden Sie in der Mittagspause mit erledigen. Damit können Sie die Konjunktur nicht beeinflussen. Glauben Sie bitte nicht daran!

Schließlich ist immer auch das Argument zu hören, es könne einmal schlechte Zeiten geben. Schlechte Zeiten hat es dann vielleicht immer gegeben; denn seit 62 Jahren haben wir in Niedersachsen noch keinen Haushalt ohne Nettokreditaufnahme hinbekommen. Sie können mir doch aber nicht sagen, dass die letzten 62 Jahre eine Katastrophe waren.

Über den Vorschlag des Bundes der Steuerzahler möchte ich hier nur einen Satz sagen, weil es zur Vollständigkeit gehört. Es wurde gesagt, man solle auch für den Fall der Kriegsführung Kredite aufnehmen können. Wir sind aber noch nicht so weit, dass wir ernsthaft über Kriegsanleihen nachdenken.

Deshalb muss es ein Verschuldungsverbot wirklich auf der Basis von 0 % geben, also nicht auf der Basis von 0,5 %, wie Herr Steinbrück sagt, wobei die 0,5 % zu 0,35 % auf den Bund und 0,15 % auf die Länder verteilt werden sollen. Berechnungsgrundlage ist dabei das Bruttoinlandsprodukt. Das hat die widersinnige Folge: Brummt die Wirtschaft, ist das Bruttoinlandsprodukt hoch, und damit wären 0,5 % von viel natürlich auch viel. Brummt die Wirtschaft nicht, ist das Bruttoinlandsprodukt niedrig, und dann wären 0,5 % von wenig eben auch wenig. Man müsste dann wieder einen Ausgleich über Kreuz schaffen. Wie man das hinkriegen soll, hat mir noch niemand gesagt. Deshalb wäre ich sehr dankbar, wenn wir bundesweit eine Regelung erreichen könnten. Wenn dies nicht gelingt, müssen wir eben landesweit eine Regelung treffen. Ich habe es hier schon einmal gesagt: Politik kann sich nur am richtigen Leben orientieren. Im richtigen Leben ist es auch nicht so, dass Opa und Oma, wenn sie einmal ausgehen wollen, zum Sparschwein ihrer Enkel greifen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Wenn die jungen Leute einmal um die Häuser ziehen wollen, erinnern sie sich daran, wo Opa und Oma wohnen, kommen bei ihnen vorbei und fragen: Könnt ihr euch an dem heutigen Abend einmal beteiligen, natürlich nicht persönlich, sondern nur finanziell?

Vielen Dank.

(Heiterkeit und starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung erhält Herr Kollege Althusmann für die CDU-Fraktion nun drei Minuten zusätzliche Redezeit.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf die Argumente der Vorredner eingehen und will Ihnen erläutern, warum wir über den vorliegenden Entschließungsantrag heute abstimmen möchten und sollten. Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen Ihren Positionen und unseren Positionen in der grundsätzlichen Frage: Lassen wir ein strenges Neuverschuldungsverbot zu, oder lassen wir - wie es Sozialdemokraten wollen, wie es zum Teil auch Grüne wollen, wie es ebenfalls Linke wollen - in irgendeiner Form immer noch ein Hintertürchen nach dem Motto offen, man könne ja staatsrechtlich, verfassungsrechtlich verankern, dass in diesem oder jenem Fall dann doch Schulden aufgenommen werden dürfen? - Ich glaube, genau das ist der Punkt, warum die Bundesrepublik Deutschland heute einen Schuldenstand von 1,5 Billionen Euro erreicht hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es gibt immer wieder Menschen und auch Sachverständige, die mit guten Argumenten begründen können, warum es vielleicht doch sinnvoll sein könnte, hier oder dort die eine oder andere Möglichkeit für das Schuldenmachen - nicht aus Gründen der Vermögensvermehrung, sondern einfach aus Konsumgründen - zu eröffnen. Ich glaube, das ist der falsche Weg.

Die Erfahrungen mit den geltenden Schuldenregeln beweisen, dass alle sogenannten atmenden Systeme, wie sie auch von Ihnen, Herr Kollege Klein, vorgeschlagen wurden, nicht funktionieren. Das Instrument der sogenannten Konjunkturausgleichsrücklage kennen wir im Übrigen schon seit 1967. Dieses Instrument wurde seit 1967 in Deutschland nie genutzt. Es ist nie so gewesen - weder bei Helmut Schmidt noch bei nachfolgenden Kanzlern -, dass durch Konjunkturprogramme die Konjunktur in Deutschland richtig angesprungen wäre, wenn man diese Programme mit Schulden finanziert hat. Wir dürfen keine Schulden machen, sondern wir müssen in die Zukunft investieren. Nur so werden wir unser Land tatsächlich wieder aufbauen können.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden hier in Niedersachsen die Föderalismuskommission II nicht ersetzen können. Das wollen wir auch gar nicht. Deswegen müssen wir heute ein klares Zeichen dafür setzen, dass wir in Niedersachsen weit über das hinausgehen wollen, was andere Bundesländer - auch Bayern - vorschlagen. Wir wollen ein ganz striktes Verschuldungsverbot. Wir gehen in Niedersachsen sogar über zwischenzeitlich diskutierte Vorschläge der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hinaus. Ich möchte hier noch einmal betonen, Herr Wenzel und Herr Klein, dass wir, wenn ich mich richtig erinnere, in dieser Angelegenheit alle Fraktionen angeschrieben haben. Wir haben Sie zum Gespräch gebeten. Wir wollen mit Ihnen darüber verhandeln, in Niedersachsen eine Zweidrittelmehrheit zu erreichen, die es uns ermöglicht, ein Verschuldungsverbot in der Niedersächsischen Verfassung zu verankern. Den Weg dorthin wollen wir mit Ihnen gemeinsam begehen. Deswegen sollte nach unserer Auffassung heute über unseren Entschließungsantrag abgestimmt werden. Das meinte ich vorhin, als ich von einer Einladung gesprochen habe. Wir laden Sie dazu ein, mit uns in den nächsten Wochen ernsthaft Gespräche darüber zu führen, wie wir dieses Ziel, das wir uns heute mit diesem Entschließungsantrag vorgeben wollen, gemeinsam erreichen können. Darum geht es. Deswegen werden wir heute über unseren Antrag abstimmen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu einer Kurzintervention auf die Ausführungen von Herrn Kollegen Althusmann hat Herr Sohn von der Fraktion DIE LINKE für anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was Sie heute tun und was Sie gesagt haben, bedeutet das Eingeständnis eines jahrzehntelangen kollektiven Dauerversagens. SPD und CDU haben dieses Land in den letzten Jahren regiert. Das Ergebnis ist das Aufhäufen eines billionenschweren Schuldenberges. Das ist auf jeden Fall die Faktenlage.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben doch eigentlich alle Möglichkeiten - sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene -, die Schulden wieder abzubauen. Sie haben alle Möglichkeiten der Welt. Sie haben die Große Koalition, Sie haben die Haushaltsmittel,

Sie haben die Mehrheiten in den Parlamenten, aber Sie bauen die Schulden nicht ab. Sie bauen die Schulden deshalb nicht ab, weil Sie sich an diejenigen nicht herantrauen, die die Vermögen in diesem Land haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben in Niedersachsen 82 000 Vermögensmillionäre. Diese schonen Sie. Seit Jahrzehnten senken Sie deren Steuersätze. Sie werfen ihnen das Geld in die Taschen. Weil Sie dies tun, haben Sie die erwähnten Schuldenberge. Sie brauchten nur eines zu tun, nämlich an die Vermögensberge heranzugehen. Stattdessen führen Sie hier Verfassungspirouetten auf.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Althusmann möchte darauf antworten. Ihm stehen anderthalb Minuten zur Verfügung.

Sehr geehrter Herr Dr. Sohn, Sie gelten als scharfer Denker.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich muss hier feststellen: So ganz werden Sie diesem Anspruch nicht gerecht. Sie sind ein Ideologe, der sich von Fakten in keinster Weise beeindrucken lässt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Marx ist mit seiner Annahme der Verelendung der Arbeiter und des Proletariats und ebenso mit seiner Annahme, daraus müsse am Ende die Revolution entstehen, gescheitert. Sie haben sich hier als bekennender Marxist hingestellt. Frau Flauger, ich erinnere Sie an die letzte Sitzung des Ältestenrates. Wir hatten uns darauf verständigt, dass wir von unserer Seite aus vielleicht einmal aufhören, Sie mit solchen Begriffen immer wieder anzugreifen. Wenn sich ein bekennender Marxist aber hier hinstellt und im Jahre 2008 noch nicht erkennen will, dass er auf ganzer Linie seit Hunderten von Jahren gescheitert ist, dann ist das schon eine erstaunliche Tatsache.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Spätes Mittelalter! - Weitere Zurufe von der SPD und von der LINKEN)

- Seit 100 Jahren. Sie sind nicht so alt, lieber Herr Dr. Sohn. - Auch Ihre Äußerungen über Keynes

entbehren jeder Grundlage. Sie wissen genau, dass sich Herr Keynes zum Thema Weltwirtschaftkrise geäußert und damals eine Theorie entwickelt hat, die sich ausdrücklich auf den damaligen Zeitpunkt bezog und nicht ins 21. Jahrhundert übertragen werden kann. So viel zu Ihrer fachlichen Beschlagenheit in dieser Frage.

Lieber Herr Kollege, hören Sie endlich auf, einen Keil in die Gesellschaft in Deutschland zu treiben!

Das war jetzt ein guter Schlusspunkt, weil die anderthalb Minuten Redezeit vorbei sind.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält Herr Kollege Klein nun zusätzliche Redezeit von anderthalb Minuten. Bitte schön!

(David McAllister [CDU]: Das ist aber kein Marxist!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich es vergesse, ein Wort an Herrn Dr. Sohn. Herr Dr. Sohn, Keynes ist tot. Er ist unter 1,5 Billionen Euro Schulden und Milliarden Euro von Zinsen begraben, die die Chancen der heutigen Generation und die Chancen der nächsten Generation maximal einschränken. Das können wir nicht weiter akzeptieren.

Ich will noch etwas zu der Argumentation sagen, wir brauchten die Verfassungswirklichkeit nur im Bereich des Haushaltsplans, nicht aber im Bereich des Haushaltsvollzuges einzuhalten. Selbst wenn im Rahmen des Vollzuges entsprechende Schulden bei Katastrophen finanziert werden, werden Sie nicht darum herumkommen, diese spätestens in einem zukünftigen Haushalt oder in einem Nachtragshaushalt darzustellen. Das ist also kein Schlupfloch für Sie, zumindest dann nicht, wenn Sie den Bereich der Kassenkredite nicht bis ins Unendliche ausdehnen wollen.

Ich will auch noch etwas zu Ihrer angeblich entscheidend besseren Lösung sagen. Wenn wir den heutigen Zustand nähmen und Ihr absolutes Neuverschuldungsverbot verankerten, so wäre das für Niedersachsen die deutlich leichtere und schneller zu realisierende Lösung im Vergleich z. B. zu dem Steinbrück-Papier. Nach dem Steinbrück-Papier müssten wir in einer Hochkonjunkturphase Milliarden zurücklegen, während Sie in der niedersächsi

schen Situation im Moment ausschließlich die Neuverschuldung von 550 Millionen Euro ausgleichen müssten. Daran sehen Sie, wie relativ solche Aussagen sind und dass sie nicht haltbar sind. Also lassen Sie uns darüber reden, und bestehen Sie nicht auf Ihren Antrag! Das, was Sie da erarbeitet haben, ist keine Zielformulierung, sondern eine Positionierung. Diese können wir heute nicht eingehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. - Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Geuter zusätzliche Redezeit beantragt. Sie haben drei Minuten. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind uns aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit sicherlich darüber einig, dass Schuldenregeln nur dann ihre Wirkungen entfalten können, wenn sie keine Hintertüren offenlassen. Gerade deshalb sind wir der Meinung, dass wir im Vorfeld die offenen Fragen zu klären haben, damit diese Hintertüren nicht weiterhin geöffnet werden. Dann geht es darum, auch darüber zu sprechen, wie wir in Zukunft mit Einnahmeresten aus der Nettokreditaufnahme umgehen, die bisher immer in das jeweils nächste Jahr verschoben werden.

(Beifall bei der SPD)

Wie gehen wir in Zukunft mit Steuermehreinnahmen um, die unserer Meinung nach auf jeden Fall zum Zurückführen der Schulden genutzt werden müssen? Wie gehen wir mit Großinvestitionen wie dem JadeWeserPort um? - Solange wir diese Frage nicht beantwortet haben, kann man hier glaubwürdig keine Schuldenregel aufstellen, die hinterher tatsächlich eingehalten werden soll. Wir möchten eine Schuldenregelung, die man einhalten kann. Aber dem Anspruch werden Sie mit Ihrem Antrag heute nicht gerecht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Kollege Adler. Auch Sie erhalten nach § 71 Abs. 3 anderthalb Minuten. Bitte schön!

(David McAllister [CDU]: Sind Sie auch Marxist? Was sind Sie denn?)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich lasse mich nicht in eine Schublade hineinzwängen, wie Sie es wahrscheinlich gerne hätten, um dann einfache Antworten zu haben.

(David McAllister [CDU]: Sind Sie nun Marxist oder nicht?)