Protokoll der Sitzung vom 19.01.2012

Die Absicht des französischen Staatspräsidenten, im nationalen Alleingang die Finanztransaktionssteuer einzuführen, lässt nach Expertenmeinung darauf schließen, dass die Bundesregierung das bisher gemeinsame Projekt offenbar nicht mit der gleichen Konsequenz verfolgt wie die französische Regierung. Es ist darauf hinzuweisen, dass Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel bei dem Treffen mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy am 9. Januar 2012 signalisiert hat, dass sie die Einführung einer Finanztransaktionssteuer im Euroraum befürworte. Durch das Beharren der FDP auf einer EU-weiten Einführung ist die Bundesregierung mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel allerdings blockiert. Das wiederum wird von Fachkreisen als Vorwand für die generelle Verhinderung der Einführung der Finanztransaktionssteuer in Deutschland benannt. Innerhalb der EU gelten Großbritannien und Schweden bislang als entschiedene Gegner der Pläne für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer.

Nach dem Willen der EU-Kommission soll die Steuer ab 2014 in allen EU-Ländern erhoben werden. Die Verwendung der Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer ist zwischen der EUKommission und den Regierungen von EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich und Deutschland jedoch umstritten. Die EU-Kommission befürwortet eine Aufteilung der Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer zwischen der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten. Die Regierungen Deutschlands, Frankreichs und anderer EU-Staaten stellen sich dagegen vor, dass Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer allein den nationalen Haushalten zur Verfügung stehen sollen. Offen ist dabei, ob im Falle der Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Deutschland eine Verteilung des Aufkommens wie bei der Umsatzsteuer nach Bund, Ländern und Gemeinden gewählt wird oder ob eine andere Verwendung bevorzugt wird.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

(Unruhe)

Herr Kollege Dr. Sohn, bevor Sie fragen - - - Die Unterbrechung hat auch ohne weitere Ausführun

gen von mir bereits Wirkung. Sie können jetzt fortfahren.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Welche Haltung bezieht sie gegenüber der Bundesebene hinsichtlich der Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Deutschland?

2. Würde sie es begrüßen, wenn Deutschland unabhängig von anderen EU-Ländern, dem französischen Beispiel folgend, auch hierzulande eine diesem Modell entsprechende bzw. ähnliche Regelung einführen würde?

3. Wie sollen nach ihrer Auffassung mögliche Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer in Deutschland auf Bund, Länder und Gemeinden aufgeteilt werden?

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Möllring das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer wird bisher auf der Grundlage eines Richtlinienvorschlags der EU-Kommission aus dem September 2011 diskutiert. Die Bundesregierung befürwortet, wie Sie wissen, grundsätzlich die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, jedoch nicht im Alleingang. Die Bundesregierung will so der Gefahr, die vom sogenannten Hochfrequenzhandel ausgeht, begegnen. Risikobehaftete Finanztransaktionen, die den Finanzmarkt weltweit gefährden, sollen begrenzt werden.

Noch sind die Erörterungen auf bundespolitischer Ebene nicht abgeschlossen. Auf Bundesebene wurde am 30. November 2011 eine Anhörung zu dem EU-Richtlinienvorschlag durchgeführt. Die Anhörung zeigte das breite Spektrum an Einschätzungen zur Ausgestaltung und zu den Auswirkungen einer Finanztransaktionssteuer. Ich möchte hier nur einige Aspekte, die derzeit im Vordergrund der Diskussion stehen, nennen.

Entscheidend bei der Einführung einer Finanztransaktionssteuer ist die Ausgestaltung der Steuer. Es ist zu klären, welche Geschäfte genau von der Steuer erfasst werden sollen und welche, wie z. B. Finanzinstrumente der öffentlichen Hand,

gerade nicht. Ebenso wichtig ist die konkrete Ausgestaltung des im EU-Richtlinienvorschlag vorgesehenen Ansässigkeitsprinzips. Die Besteuerung muss in dem Mitgliedsland erfolgen, in dem der Finanzakteur ansässig ist, unabhängig vom Ort der Transaktion. So könnte die Verlagerung der steuerpflichtigen Vorgänge in Länder ohne Finanztransaktionssteuer verhindert oder zumindest erschwert werden.

Zu Frage 1: Die Frage kann erst beantwortet werden, wenn das Gesetzgebungsprojekt hinreichend konkret geworden ist, nämlich dann, wenn nach Klärung u. a. der o. g. offenen Fragen ein Regierungsentwurf für ein deutsches Finanztransaktionssteuergesetz vorliegt.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Na ja!)

- Ja, das ist so. Ich kann doch nur über etwas diskutieren, was schon vorliegt.

Zu Frage 2 - die Antwort zu Frage 3 wird noch besser, Herr Sohn -:

(Heiterkeit bei der CDU)

Um das mit der Finanztransaktionssteuer verfolgte Ziel zu erreichen, nämlich die von risikoreichen Finanzgeschäften ausgehende Gefahr für die Märkte abzuwenden, wäre es von Vorteil, die Finanztransaktionssteuer möglichst breit in Europa einzuführen.

Zu Frage 3: Dabei kommt es nicht auf die Ansicht der Regierung an. Wenn Sie das Grundgesetz hätten und hineingeguckt hätten, hätten Sie sehen können, was in Artikel 106 Abs. 1 Nr. 4 steht. Danach stehen Aufkommen aus einer Finanztransaktionssteuer allein dem Bund zu. Daher sind Zahlen zu Mehreinnahmen der Länder in doppelter Hinsicht Spekulation, an der sich die Landesregierung nicht beteiligen kann. Die Mehreinnahmen wären nämlich null.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dr. Manfred Sohn [LINKE] meldet sich zu Wort)

Herr Dr. Sohn, das war in der letzten Sekunde! Ich wollte diesen Punkt gerade beenden. - Herr Dr. Sohn stellt eine Zusatzfrage. Bitte!

Herr Präsident! Ich kann ja keine Nachfragen stellen, bevor ich nicht die Antworten habe.

Im Anschluss an die letzte Antwort frage ich die Landesregierung: Könnte es angesichts der Tatsache, dass es auch vonseiten der Landesregierung bei notwendigen Grundgesetzänderungen - ich erinnere an das Thema „Kreditverbot“ - klare Positionen gibt, analog zu diesem Verfahren auch Positionen der Landesregierung geben mit dem Hinweis darauf, dass es auf Bundesebene auch andere Partner des Hohen Hauses für eine Änderung der Bestimmung, die Sie eben herangezogen haben, geben müsste? Wäre es unter diesem Gesichtspunkt nicht sinnvoll, Diskussionsprozesse in Richtung einer Aufteilung einer solchen möglichen Transaktionssteuer auch zugunsten der Länder anzustoßen? Oder ist das aus Ihrer Sicht völlig unsinnig? Wenn ja: Worin unterscheidet sich das grundsätzlich von der Diskussion um das Kreditverbot?

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister Möllring!

Miteinander zu reden, ist immer sinnvoll.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Das war ja nun ein Kalauer!)

Die nächste Zusatzfrage stellt die Kollegin Flauger. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Einführung einer Finanztransaktionssteuer durch die Bundesregierung bisher maßgeblich am Widerstand der FDP gescheitert ist, aber heute Morgen im Deutschlandfunk vermeldet wurde, dass Merkel und Sarkozy unabhängig davon gemeinsam die Steuer zum Thema des EU-Gipfels am 30. Januar machen wollen, frage ich die Landesregierung, ob ihrer Ansicht nach nicht die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in der Frage der Einführung der Finanztransaktionssteuer endlich ihre Richtlinienkompetenz ausschöpfen und mit den Stimmen der übergroßen Mehrheit der Bundestagsabgeordneten von CDU, SPD, Grünen und der Linken auch ohne die FDP die Einführung der Finanztransaktionssteuer beschließen sollte.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister Möllring!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe schon häufiger hier im Hause gemerkt, dass das Wort „Richtlinienkompetenz“ völlig falsch verstanden wird. Richtlinienkompetenz heißt, dass man die grobe Richtung der Politik vorgibt, aber nicht, dass man in Einzelfällen Befehlsgewalt hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Karl-Heinz Klare [CDU]: Genauso ist es! - Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Diese Frage hat er auch nicht beant- wortet! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das war inhaltlich eine Aussagever- weigerung!)

Herr Kollege Adler stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung angesichts der eben gehörten Äußerung von Herrn Möllring, dass die Erörterungen auf bundespolitischer Ebene noch nicht abgeschlossen sind, ob gerade das nicht ein Grund wäre, durch eine eigene Intervention auf die Frage der Einführung der Finanztransaktionssteuer Einfluss zu nehmen. Wenn die Erörterungen abgeschlossen sind, hat das ja keinen Sinn mehr. Gerade jetzt wäre es sinnvoll, zu intervenieren, wenn man dazu eine eigene Meinung hat.

Herr Minister Möllring!

Die Meinung der Landesregierung, dass eine Transaktionssteuer weltweit am sinnvollsten wäre, mindestens jedoch europaweit gelten sollte, ist in Berlin bekannt. Das ist den Berlinern aber auch aus eigener Erkenntnis bekannt. Nun muss man sehen, ob und gegebenenfalls in welcher Form man sich in Berlin einigt.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Teilt sie meine Auffassung, dass eine Finanztransaktionssteuer durchaus geeignet wäre, die Finanzwirtschaft insgesamt stärker auf ihre Aufgaben im realwirtschaftlichen Bereich hinzuweisen und hinzulenken? Das ist meine erste Frage.

Die zweite Frage: Teilt sie meine Auffassung, dass die Einführung einer Finanztransaktionssteuer keine Gefahr für den Finanzplatz Hannover hervorruft?

Herr Minister Möllring!

Zu Frage 2 teile ich Ihre Auffassung.

Zu Frage 1: Das weiß man nicht. Vom Staat wurde schon häufig versucht, durch steuerliche Maßnahmen Lenkung zu erzeugen, also durch Steuern zu steuern, und hinterher ist das schiefgegangen. Also es kann klappen und kann nicht klappen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Un- glaublich! Das ist Meinungsverweige- rung!)

Weitere Wünsche für Zusatzfragen liegen mir nicht vor. Damit schließen wir den Punkt a ab.

Ich rufe jetzt den Punkt b auf: