sondern auch bei allen anderen Diskussionen zur Reform des deutschen Steuerrechts mit der Bundesregierung und den anderen Bundesländern ein. Die Umverteilung des gesellschaftlichen und individuellen Reichtums von oben nach unten gehört nicht zu den steuerpolitischen Zielen der Landesregierung, wohl aber eine transparente und wettbewerbsfähige Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Anbetracht einer jüngsten amerikanischen Veröffentlichung, wonach in der Bundesrepublik Deutschland inzwischen 826 000 Vermögensmillionäre - Grundbesitz nicht eingerechnet - existieren, frage ich die Landesregierung, wie viele dieser Millionäre nach ihrer Einschätzung auf dem Territorium Niedersachsens leben.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das können wir Ihnen nicht sagen, weil wir diese Zahlen nicht ermitteln. Wir erheben zwar Steuern, stellen aber nicht fest, was der Einzelne
besitzt. Außerdem ist die Frage des Vermögens nur sehr schwierig zu beurteilen; denn wenn Sie z. B. eine Immobilie haben - - -
- Die Vermögensmillionäre haben ja nicht alles bar auf dem Konto liegen, sondern sie besitzen eventuell auch Betriebs- und Immobilienvermögen. Es ist immer schwierig, Immobilienvermögen zu bewerten. Man kann zwar einen Gutachter darauf ansetzen. Aber den wahren Verkehrswert einer Immobilie können Sie nur dann ermitteln, wenn Sie sie tatsächlich veräußern. Wenn Sie jemanden haben, der den Kaufpreis bezahlen will, dann ist sie das wert. Wenn Sie jemanden haben, der die Immobilie nicht kaufen will, dann ist sie das nicht wert. Ich habe immer gesagt: Der Gutachterwert ist nur dann der wirkliche Wert, wenn der Gutachter ganz zum Schluss die Aussage unterschreibt: Sollten Sie die Immobilie zu diesem Preis nicht loswerden, dann bin ich dazu bereit, die Differenz zu zahlen. - Dann wäre sie wirklich das wert, was der Gutachter berechnet hat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die LAG der Freien Wohlfahrtspflege und auch die Landesarmutskonferenz seit etwa zwei Jahren versuchen, eine Zusage für eine umfassende Sozialberichterstattung zu erhalten, und seitdem von der Landesregierung hingehalten werden, frage ich die Landesregierung: Wann können die Wohlfahrtsverbände und die Landesarmutskonferenz mit einer Zusage in diesem Punkt rechnen, damit Niedersachsen endlich eine qualifizierte Grundlage für weitere soziale Maßnahmen erhält?
Ich habe in meinen einführenden Worten eines deutlich gemacht: Es gibt sehr viele Statistiken und sehr viele Daten. Die Diskussion über den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hat belegt, wie unglaublich schwierig es ist, aktuelle Zahlen zu haben, um auf aktuelle Tendenzen reagieren zu können. Deshalb haben wir uns für den Weg einer handlungsorientierten Sozialberichterstattung entschieden. Die Frage, wie wir mit dieser handlungsorientierten Sozialberichterstattung umgehen, haben wir mit der LAG der freien Wohlfahrtsverbände und den Familienverbänden abgestimmt. Sie haben signalisiert, dass sie hierbei mitmachen wollen. Wir haben auch die kommunalen Spitzenverbände um Mithilfe gebeten. Sie haben uns bis zum 9. Juli eine Antwort zugesagt.
Wir wollen eine handlungsorientierte Sozialberichterstattung für Niedersachsen; denn ich möchte gerne wissen: Gibt es vergleichbare Bevölkerungsschichten, bei denen aber letzten Endes eine unterschiedliche Bewertung der Kinder und der Lebenslagen vorgenommen wird? - Es muss uns darum gehen zu erkennen: Wie können Bestpractice-Beispiele, die es in vielen Kommunen schon gibt, auch auf das Land ausgedehnt werden, damit wir unser Ziel, Kinder aus der Armut zu holen, noch viel besser verwirklichen können?
Ein Erfolg ist für mich Folgendes: Die Kinderarmut ist nach den statistischen Daten zum zweiten Mal in Folge zurückgegangen. Das, meine Damen und Herren, muss man einmal zur Kenntnis nehmen. Wir haben in diesem Monat die niedrigsten Arbeitslosenzahlen seit 16 Jahren. Das alles sind letzten Endes Erfolge. Nichtsdestotrotz gibt es Kinder, die in Armut leben. Für diese muss man etwas tun.
Ich möchte Ihnen einmal darlegen, wie wir uns die handlungsorientierte Sozialberichterstattung vorstellen: Wir gehen von einer Ausgangshypothese aus. Das heißt, wir haben zunächst einmal überlegt, welche Kinder in ihren Entwicklungschancen besonders beeinträchtigt sind. Das sind für mich Kinder, die unter Umständen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, die gesundheitliche Beeinträchtigungen haben und die vielleicht sogar in einem bildungsfernen Umfeld wohnen. Wir wollen diese Statistiken erfassen. Wir möchten möglichst auch noch erfassen, wie viele Kinder davon in Familien mit Migrationshintergrund und in Ein-ElternFamilien leben. Wenn uns diese Statistiken vorlie
gen, dann wollen wir sie vergleichen. Eines ist völlig klar: Überall in den Kommunen, bei den freien Wohlfahrtsverbänden und bei den Kirchen gibt es gute Programme, die sich mit der Frage auseinandersetzen, wie wir Familien unterstützen können.
Wir wollen die Daten, die wir erhoben haben, gemeinsam mit den freien Wohlfahrtsverbänden, den Kirchen und den Kommunen vergleichen, um erkennen zu können: Gibt es in Kommunen mit vergleichbaren Bevölkerungsstrukturen Erfolge? - Das kann dann darin münden, dass wir Erkenntnisse darüber haben, wie wir mit diesem Thema ganz gezielt umgehen. Ich möchte Armut nach wie vor nicht verwalten, sondern ich möchte ganz gezielt handeln.
Meine Damen und Herren, die Frage, wer arm ist, ist letzten Endes eine Frage nach statistischen Werten. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Nehmen wir 40 %, 50 % oder 60 % des Einkommens? Was legen wir zugrunde? - Daraus ergeben sich Zahlen.
Bei dieser Frage geht es aber um noch viel mehr. Für mich spielen die Lebens- und Verwirklichungschancen eines jeden einzelnen Menschen eine große Rolle. Wenn wir wollen, dass alle gleichberechtigt die gleichen Chancen haben, dann müssen wir uns ganz genau angucken: In welchen Bereichen gibt es wo bessere Chancen? Wo kann man noch etwas verbessern? - Das wird das Ziel unserer handlungsorientierten Sozialberichterstattung sein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Was sagt sie zu der neuen Definition des Begriffs „relative Armut“, bei der mal eben schwuppdiwupp durch das Absenken einer Zahl ein Armutsbericht und damit auch Statistiken verändert werden und man am Ende sagen kann, dass Kinderarmut und Armut insgesamt zurückgegangen sind?
Im Prinzip haben Sie genau das bestätigt, was ich eingangs gesagt habe. Die Frage der relativen Armut ist eine Frage der Statistik, nämlich wann wer wie relativ arm gilt und ob man 40 %, 50 % oder 60 % zugrunde legt. Bei der Kinderarmut liegen wir im europäischen Vergleich deutlich unter dem europäischen Wert. Dies muss man an dieser Stelle einmal sagen. Nichtsdestotrotz ist der Wert in Niedersachsen noch immer zu hoch. Aus diesem Grund muss man etwas tun.
Mir geht es nicht um den Begriff der relativen Armut, sondern mir geht es um den Begriff der Verwirklichung der Lebenschancen, nämlich dass wir alle die gleichen Lebenschancen haben. Dies habe ich schon eingangs gesagt. Deshalb wollen wir die handlungsorientierte Sozialberichterstattung. Ich möchte von den Daten, Zahlen und Fakten wegkommen und will stattdessen gucken, was man im Einzelfall tun kann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund Ihrer Ausführungen, Frau Ministerin, dass Sie einen Ausbildungspakt geschlossen haben, frage ich die Landesregierung: Welche Sanktionsmöglichkeiten sieht dieser Ausbildungspakt vor, wenn sich die andere vertragschließende Partei nicht an die Versprechungen hält, die darin gemacht worden sind?
Ich schließe gleich die zweite Frage an. Vor dem Hintergrund der Äußerungen von Herrn Möllring, die wir eben gehört haben, nämlich dass es sehr schwierig sei, die Daten für Reichtum zu erfassen, frage ich die Landesregierung: Sind Sie mit mir der Auffassung, dass in den Zeiten, als es noch die Vermögensteuer gab, eine sehr viel bessere Datengrundlage vorhanden war, um den Reichtum zu erfassen?
(Astrid Vockert [CDU]: Herr Dr. Adler möchte gerne eine Umverteilung ha- ben! Dann soll er es doch einfach sa- gen! - Gegenruf von Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Das tun wir doch dau- ernd!)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Adler, als Jurist wissen Sie doch ganz genau, dass das Bundesverfassungsgericht erst jetzt wieder bei der Erbschaftssteuer darauf hingewiesen hat, dass man bei Immobilien den Verkehrswert ermitteln muss. Früher hatten wir den Einheitswert, bei dem es relativ einfach war, Einigkeit mit den jeweiligen Steuerpflichtigen zu finden, weil der Einheitswert regelmäßig sehr deutlich unter dem Verkehrswert lag und deshalb darüber kein Streit entstand. Ich habe aber vorhin schon ausgeführt, dass Sie den Verkehrswert einer Immobilie, eines Grundstücks oder von Ländereien nur dann ermitteln können, wenn Sie den Besitz tatsächlich veräußern.
Meine konkrete Antwort auf die Frage: Damals war es nicht leichter, Vermögen zu ermitteln, weil das Vermögen aufgrund des Verkehrswertes nicht tatsächlich ermittelt worden ist, sondern einfach die Pauschale des Einheitswerts genommen wurde.
(Hans-Henning Adler [LINKE]: Aber das gilt doch nicht für das Vermögen insgesamt! Es gibt doch noch andere Vermögen, z. B. Aktien!)
- Doch, das ist doch selbstverständlich. Sie wissen doch, dass Aktien an einem Tage ganz oben und am anderen Tage ganz unten sein können. Immer wenn Sie hören, heute seien an der Börse so und so viele Milliarden oder Billionen an Vermögen vernichtet worden, ist das natürlich Blödsinn; denn der Verlust wird nur aktiviert, wenn Sie in Panik verkaufen, wenn die Aktie fällt. Wenn Sie aber Zeit haben und meinen, die Aktie erholt sich nach einem halben, nach einem oder nach zwei Jahren wieder, haben Sie zwar im Buchwert einen Verlust gemacht, aber den Verlust haben Sie in Wirklichkeit nicht aktiviert. Deshalb ist diese Gewinn- und Verlustrechnung, die Vermögensrechnung ausgesprochen schwierig.
Bei unserer neuen Bilanzierung, bei der wir auf den Stichtag genau bilanzieren müssen und inzwischen sogar über den Anschaffungswert hinaus hochschreiben müssen, verfälscht sich die Tatsache, ob jemand vermögend ist oder nicht. Das
können Sie auf den Börsentag genau sagen. Aber wenn jemand 30, 40 oder 50 % der Aktien eines Unternehmens hält und die Aktie - sagen wir einmal - bei 100 steht, muss er genug Leute finden, die ihm diesen Preis für die Hälfte des Unternehmens bezahlen. Deshalb kann man auch den Börsenwert nicht als Wert des gesamten Unternehmens ansehen. Das ist Ihnen doch bekannt.
Die zweite Frage muss noch beantwortet werden; das ist völlig korrekt. Frau Ministerin RossLuttmann hat das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben den Ausbildungspakt abgeschlossen, um Menschen, die eine Ausbildung suchen, Chancen zu geben. Unser Vertrag ist darauf ausgerichtet, Chancen und Anreize zu geben. Er ist nicht auf Strafen und Sanktionen ausgerichtet. Dass die Vereinbarungen im Ausbildungspakt bei weitem übererfüllt sind, zeigt, dass dieser Weg, etwas gemeinsam mit denjenigen zu tun, die letzten Endes unsere jungen Leute in Arbeit bringen können, erfolgreich ist. Es sind mehr Verträge abgeschlossen worden, als im Arbeitspakt vereinbart. Das ist ein Erfolg.
Noch einmal zu den Zahlen: Um Armut zu bekämpfen, ist es das Beste, wenn Eltern Arbeit und ein gesichertes Arbeitseinkommen haben. Die Zahl der Arbeitslosen in Niedersachsen ist von 364 000 im Juni 2003 auf 292 691 im Juni 2008 gesunken. Das ist die niedrigste Arbeitslosenquote im Juni seit 16 Jahren. Sie ist im Mai das erste Mal unter 300 000 gesunken. Das erste Mal seit Mai 1993 haben wir eine so niedrige Arbeitslosenquote.
Das hat auch Auswirkungen auf alle anderen Menschen. Wir haben weniger Arbeitslose. Wir haben weniger ALG-II-Empfänger. Wir haben weniger Hartz-IV-Kinder. Schon das allein ist ein Erfolg.