Protokoll der Sitzung vom 20.03.2012

Herr Kollege, wir warten einmal einen kleinen Augenblick, damit alle das Zitat mitbekommen.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Dass es so laut wird, liegt an dem Organ von Herrn Bachmann!)

Jetzt ist die Gelegenheit da. Bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident. Wenn das dazu führt, dass dieses Zitat die Koalitionsfraktionen vielleicht zum Umdenken bringt, dann ist es noch besser.

(Jens Nacke [CDU]: Das können wir nicht versprechen!)

Die Problematik der nicht ausreichenden Kostenerstattung gegenüber den Kommunen kommentiert Herr Dr. Meyer mit folgendem Hinweis:

„Das Aufnahmegesetz hatte in der bis 2003 geltenden Fassung“

- erinnern Sie sich einmal: bis dahin haben wir regiert; schlechter geworden ist es erst, seitdem Sie an der Regierung sind und dies verantworten -

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU)

- so viel zu Ihrer Kommunalfreundlichkeit; auch da machen Sie nur dicke Backen; in Wirklichkeit findet das nicht statt; Sie haben die Situation ab 2003 deutlich verschlechtert -

(Beifall bei der SPD)

„eine Spitzabrechnung der Kosten bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt sowie Hilfe zur Pflege vorgesehen, wenn diese Leistungen den Be

trag von 15 000 DM pro Person/Jahr überschritten haben.“

Meine Damen und Herren, das Ministerium sagt, das alles sei eingerechnet. Trotzdem gibt es zahlreiche Fälle - dies hat Herr Dr. Meyer dezidiert nachgewiesen -, bei denen die Pauschale trotz der Einrechnung nicht ausreicht. Die Kommunen haben gesagt: Wenn ihr schon nicht den Grundbetrag erhöht, dann macht bitte in diesen Fällen ab dem bestimmten Spitzenwert eine Spitzabrechnung und erstattet uns die effektiv entstehenden Kosten. - Auch dazu waren Sie nicht bereit. Sie werden den Kommunen also weiterhin Finanzierungen zumuten, die eigentlich Landesaufgabe wären. - So viel zu Ihrer Kommunalfreundlichkeit.

Das Letzte, was Sie in der Ausschussberatung durch einen Antrag der Koalitionsfraktionen noch korrigiert haben, ist: Sie haben auf Druck der Kommunen in das Gesetz geschrieben, dass die Regierung die Kostenerstattung jederzeit überprüfen kann. Wir, meine Damen und Herren, werden das ab nächstem Jahr überprüfen. Sie haben die Kann-Vorschrift aufgenommen, damit Sie das nicht müssen. Auch das ist wieder eine unverbindliche Regelung: Es gibt keinen Zwang zur Evaluation, keinen Zwang zur Anpassung. Sie regeln nur, dass die Landesregierung überprüfen kann. Damit ist nicht die Absicht verbunden, den Kommunen im Sinne der Konnexität ihre tatsächlichen Kosten zu erstatten. Auch hier machen Sie sich wieder einen schlanken Fuß.

Aus all diesen Gründen, die die Kollegin Polat im Detail vorgetragen hat - ich verzichte darauf, das zu wiederholen -, stimmen wir den Änderungsanträgen der Grünen und nicht diesem kommunalunfreundlichen Gesetzentwurf der Mehrheit des Hauses zu.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN - Oh! bei der CDU)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Oetjen das Wort.

Ganz herzlichen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollte eigentlich die Frage geklärt werden, wie hoch die Pauschale sein soll, die den Kommunen zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und dem Aufnahmegesetz überwiesen werden soll. Der Gesetzentwurf, der auf den Weg gebracht wurde, war ein

eher technischer, der die Pauschale nach vielen Jahren - das hat der Kollege Bachmann durchaus zu Recht gesagt - endlich nach oben korrigiert, wie es von den kommunalen Spitzenverbänden gefordert wurde - vielleicht nicht in der Höhe, in der sie es gewünscht haben, aber sie wird deutlich nach oben korrigiert.

Dieser Gesetzentwurf zeigt, dass wir kommunalfreundliche Politik machen. Dass das so ist, haben wir auch deutlich gemacht, indem wir die Anregung, die die kommunalen Spitzenverbände in der Anhörung gemacht haben, nämlich eine Dynamisierung einzuführen - das heißt, wenn die Kosten prozentual überdurchschnittlich steigen, soll eine Überprüfung stattfinden -, im Rahmen der Beratungen aufgenommen haben. Das, was wir machen, ist also kommunalfreundlich. Das, verehrter Herr Kollege, können Sie an dieser Stelle nicht einfach negieren.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Wir haben uns natürlich auch wesentlich über die Unterbringungssituation unterhalten. Auf Anregung der Kollegin Polat hat das Ministerium eine entsprechende Abfrage durchgeführt. Das Ergebnis ist eigentlich sehr positiv; das muss man an dieser Stelle deutlich sagen. An dieser Stelle ein Dank an die Kommunen, die diese Unterbringung so möglich machen! Mehr als 80 % dieser Personengruppe sind in Einzelunterkünften - also in Wohnungen - untergebracht. Insofern möchte ich mich dem Lob an die Kommunen anschließen. Sie machen in diesem Bereich durch die Bank weg eine sehr gute Arbeit.

Dass es nicht so einfach ist, die Unterbringung in Wohnungen zu gewährleisten, sehen wir am Beispiel der Stadt Oldenburg, die selbst gefordert hat, die Unterbringung im Kloster Blankenburg zu beenden, und jetzt die Unterbringung in Privatunterkünften sicherstellen soll, aber das nicht so kurzfristig hinbekommt.

Deswegen ist es richtig, verehrte Damen und Herren, dass wir in dem Gesetzentwurf die Einzelunterbringung auch weiterhin nicht vorschreiben, sondern den Kommunen die Flexibilität lassen - das haben sie im Übrigen auch gefordert -, auch weiter in Gemeinschaftsunterkünften unterbringen zu können.

Ich sage sehr klar, dass das nicht die Regel sein soll. Die Regel soll - dort, wo es möglich und für den Einzelfall angemessen ist - die Unterkunft in

einer Privatwohnung sein. Aber wir wollen auch weiterhin die Flexibilität gewährleisten, Gemeinschaftsunterkünfte zu nutzen. Mir persönlich - das sage ich an dieser Stelle deutlich - gefällt es auch nicht, dass zum Teil Obdachlosenunterkünfte für diesen Bereich fehlverwendet werden. Aber auch das sind immer nur Übergangssituationen; das wurde uns im Rahmen der Anhörung sehr deutlich gemacht.

Das Gesetz, das wir heute beschließen werden, ist also kommunalfreundlich, weil wir die Sätze erhöhen und die Flexibilität für die Kommunen erhalten. Deswegen sollten Sie diesem Gesetz zustimmen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich erteile jetzt der Kollegin Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist durchaus nicht neu, dass Niedersachsens Flüchtlingspolitik dem Anspruch auf weitgehende Humanität nicht gerecht wird. In diesem Sinne begrüßen wir die Bemühungen der Landesregierung, hier Änderungen herbeizuführen. Vor allem sind uns aber die Forderungen wichtig, die die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aufgestellt hat. Während der Gesetzentwurf der Landesregierung in wichtigen Punkten weiterhin defizitär und sehr unbefriedigend ist, geht der Änderungsantrag der Fraktion der Grünen in unseren Augen in die richtige Richtung.

Meine Damen und Herren, insbesondere die Frage der Unterbringung - das haben wir eben schon gehört - ist nicht direkt im Sinne der Flüchtlinge geklärt, da die Landesregierung nicht weitgehend dafür Sorge trägt, dass die Flüchtlinge aus den Lagern und Gemeinschaftsunterkünften möglichst zeitnah nach ihrer Ankunft dezentral in Wohnungen untergebracht werden. Im Gesetzestext steht in § 1 Abs. 1 Satz 2 eine vage, nicht bestimmte Formulierung und keine festgeschriebene Regelverteilung, wie wir sie fordern und wie sie sich auch im Änderungsantrag der Fraktion der Grünen findet.

Meine Damen und Herren, zudem hält die Landesregierung auch weiterhin an dem dreimonatigen Erstaufnahmeverfahren fest, obwohl dasselbe Verfahren in viel kürzerer Zeit zu Ende gebracht

werden könnte, unserer Einschätzung nach nämlich in ca. drei bis sechs Wochen. Die unmittelbare Verteilung der Flüchtlinge auf die Kommunen fehlt uns allerdings auch im Gesetzentwurf der Grünen. In diesem Bereich hätte er unserer Meinung nach auch noch ein Stück weit konkreter werden können.

(Beifall bei der LINKEN)

Das zögerliche Verhalten der Landesregierung in der Unterbringungsfrage ist umso verwunderlicher, als es trotz allem immer noch erhebliche Kosteneinsparungen bringen würde, wenn rascher verteilt würde. Nicht zuletzt hat auch der Landesrechnungshof festgestellt, dass an dieser Stelle mehrere Hunderttausend Euro eingespart werden können.

In dem Bericht der Landesregierung haben wir gehört, dass die Kommunen die Unterbringung schon deutlich anders handhaben und viele auf dezentrale Unterbringung setzen. Ich habe mir aber einmal die Mühe gemacht, zu schauen, wo diese Wohnungen sind und wie sie aussehen. Da bekommt man schon einen ganz anderen Eindruck.

Ein weiterer erheblicher Kritikpunkt betrifft die finanzielle Ausstattung der Kommunen. Es ist dringend notwendig, die Kostenabgeltungspauschale anzuheben, und zwar so, dass sie die tatsächlichen Kosten abdeckt. Die derzeitige Pauschale deckt die tatsächlichen Kosten schon längst nicht mehr. Die ohnehin schon sehr belasteten Kommunen können diese Kosten überhaupt nicht mehr aufbringen.

Die von Ihnen präferierte jährliche Pauschale deckt die tatsächlichen Kosten eben nicht. Das sagen auch die Verbände. Hier - das muss man einfach sagen - tritt die Landesregierung mit einer ordentlichen Portion Zynismus auf. Denn anstatt den realen Bedarf zu prüfen, unterstellen Sie den Kommunen einfach pauschal, das Asylbewerberleistungsgesetz rechtlich zu missbrauchen, und verklären das Gesetz kurzerhand zu einem Ordnungsinstrument, welches eine schnellere Abschiebung fördern sollte. Im Sinne der Landesregierung scheint es zu liegen, die Betroffenen über Leistungskürzungen unter Druck zu setzen sowie die Kommunen über finanzielle Anreize zu einer schnelleren Abschiebung zu drängen.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Landesregierung wird von meiner Fraktion keine Zustimmung erhalten. Es wäre dringend an der

Zeit, die ideologischen Scheuklappen abzulegen und eine Flüchtlingspolitik im Sinne der Betroffenen voranzutreiben.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile Herrn Minister Schünemann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon sehr interessant, was alles in diesen Gesetzentwurf hineininterpretiert wird.

Mit restriktiver Asylpolitik usw. hat dieser Gesetzentwurf überhaupt nichts zu tun. Es geht darum, dass die notwendigen Kosten, die den Kommunen bei der Asylunterbringung entstehen, abgegolten werden. Insofern ist es gut, dass wir in Niedersachsen seit 2004 ein Berechnungssystem gefunden haben, das transparent darstellt, welche Kosten anfallen und wie sie abgegolten werden. Das ist meiner Ansicht nach bei der Anhörung der kommunalen Spitzenverbände völlig unstrittig bestätigt worden.

Dass sich die Kommunen eine Ist-Abrechnung wünschen - dass also alle anfallenden Kosten übernommen werden -, ist natürlich nachzuvollziehen, aber kann bei einem solchen Gesetz nicht umgesetzt werden. Denn es geht nicht um das, was wünschenswert ist, sondern um das, was notwendig ist. Das ist, glaube ich, richtig.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich finde es ganz interessant, wenn hier gerade die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit einem Gesetzentwurf vorprescht und die Fraktion der SPD dies unterstützt. Seit fast einem Jahr regieren Sie auch in Baden-Württemberg. Zumindest die 100-Tage-Bilanz hat es nicht vorgesehen, dass das Asylbewerberleistungsgesetz in Baden-Württemberg in irgendeiner Weise verändert wird.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Die müssen dort jahrzehntelange Fehlpoli- tik abarbeiten!)