Protokoll der Sitzung vom 17.09.2008

Trotzdem, Frau Helmhold, stellt sich heute auch für mich immer wieder die gleiche Frage: Wie konnten die zuständigen Behörden, die Bundesregierung und ihre Einrichtungen das damals tun? Auch nach dem Einlieferungstopp, ausgelöst durch Ministerpräsident Ernst Albrecht, bleibt die Frage: Wie konnte die Bundesregierung in der Vergangenheit mit dem Problem so umgehen, wie es passiert ist?

In der Tat übernahm Rot-Grün 1990 in Niedersachsen die Landesregierung, und in der Tat begab man sich an die Problemlösung. Frau Griefahn gab damals eine umfassende Gefährdungsanalyse in Auftrag. Es dauerte dann bis zum Jahr 1998, dass ein umfassendes Experten-Gutachten vorgelegt wurde. Und was passierte, als Rot-Grün dann auch die Bundesregierung stellte? Zuerst wurde die von den Beamten des niedersächsischen Umweltministeriums vorgeschlagene öffentliche Debatte einge

stampft - da stellt sich die Frage, Herr Jüttner, warum Sie das damals eigentlich gemacht haben -, und dann passierte Erstaunliches: Die rot-grüne Bundesregierung - Jürgen Trittin, Edelgard Bulmahn - wich von den beiden wesentlichen Ergebnissen dieses mit allen, auch mit dem Betreiber abgestimmten Gutachtens ab. Zunächst wurde nicht, wie dringend angeraten, eine sofortige Feststoffverfüllung im erforderlichen Umfang umgesetzt, sondern nach siebenjähriger Expertenplanung wich man von dem einzig möglichen Weg der Feststoffverfüllung zugunsten einer Flutung der Asse ab. Es ist eine ganz spannende Frage, warum man im Bund diesen Wechsel vorgenommen hat. Für mich gibt es nach ausführlichem Aktenstudium leider nur einen einzigen Grund, und der ist ziemlich erschreckend: Wahrscheinlich haben sowohl Trittin als auch Bulmahn das Konzept der Flutung der Asse umgesetzt, weil eine Flutung schlicht billiger war und sie Haushaltsgelder sparen wollten. Auch durch das längere Offenhalten der Asse hat der Bund schlicht Geld gespart. - Ich bin der Überzeugung: Wenn das der Grund war, hat man die Menschen im Umfeld der Asse ein zweites Mal verraten.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Ist das jetzt ein Plädoyer für einen Untersu- chungsausschuss?)

Es stellt sich schon die Frage, Herr Jüttner: Warum haben Sie es damals nicht verhindert, als noch Zeit dazu war? Warum haben Sie das Gutachten nicht in die Öffentlichkeit gegeben und die Bundesregierung gezwungen, anders zu handeln?

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Wo ist denn Ihr Ausschussantrag?)

Herr Kollege Bode, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. - Wie kann es eigentlich sein, dass gerade die Grünen, die sich öffentlich immer als Ausbund an Verantwortlichkeit bei Atomfragen und für Sicherheit darstellen, dann, wenn sie wirklich einmal Verantwortung tragen,

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wenn Sie das so interessiert, Herr Bode, dann stimmen Sie doch dem Untersu- chungsausschuss zu!)

mit atomaren Stoffen so fahrlässig umgehen wie Jürgen Trittin in seiner Zeit als Bundesumweltminister? Ich weiß auch nicht, was für mich der größere Schock ist, die Einlagerung des Atommülls in den 60er-Jahren oder die tatsächliche Handlungsweisen der Grünen. Ich hätte beides vorher nicht für möglich gehalten.

Herr Jüttner, Ihnen muss ich sagen: Ich finde es hoch anständig, dass Sie in der letzten Zeit und auch heute gesagt haben, auch in Ihrer Amtszeit und auch von Ihnen seien Fehler zu verantworten,

(Christa Reichwaldt [LINKE]: Auch!)

- auch - und dass Sie den Anstand haben, genau wie es auch die Landesregierung heute in ihrem Statusbericht ja getan hat, diese Fehler offen zuzugeben und dazu zu stehen. Diesen Anstand hat Jürgen Trittin bedauerlicherweise nicht gehabt. Vielleicht kommt es auf Bundesebene ja noch einmal dazu.

Die Menschen im Umfeld der Asse interessiert durchaus, wie es dazu kommen konnte, wie die Entwicklungsgeschichte verlief. Deshalb dürfen wir die Diskussion auch nicht beenden und sagen: Das war’s. Vielmehr müssen wir den Anspruch haben, dieses Desaster des Forschungsbergwerks Asse historisch aufzuarbeiten.

(Kurt Herzog [LINKE]: Na, bitte!)

Allerdings wäre ein Untersuchungsausschuss, Herr Herzog, das falsche Instrument zum falschen Zeitpunkt. Wir plädieren dafür, die Geschehnisse und die Geschichte der Asse durch eine unabhängige Kommission aus Wissenschaftlern und Historikern aufarbeiten zu lassen,

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Unter Lei- tung von Herrn Kühn vielleicht!)

selbstverständlich unter Einbindung der Asse-Begleitgruppe, die in der Kommission ein großes Mitsprache- und Entscheidungsrecht haben sollte. In diesem Sinne sollten wir die gesamte Historie der Asse aufbereiten lassen.

Wir wollen auch im Umweltausschuss mit Ihnen den Weg der Aufklärung weiter gehen - inzwischen liegen entsprechende Anträge aller Fraktionen vor - und laden die Kollegen von der SPD erneut ein, mit uns gemeinsam zu einer Positionierung zu kommen. Ich denke, die Menschen im Umfeld der Asse

haben es verdient, dass nicht politisches Gezänk die Zukunft gestaltet, sondern ein einmütiges Votum des Landtages.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir liegen jetzt drei Wortmeldungen für Kurzinterventionen vor, die ich nacheinander aufrufe. Danach hat Herr Kollege Bode, auf dessen Rede sich die Kurzinterventionen beziehen müssen, noch die Möglichkeit, zu antworten.

Zunächst erhält Frau Kollegin Dr. Heinen-Kljajić von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen anderthalb Minuten Redezeit. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Bode, es ist schon spannend. Die Asse zeigt: Es kann so schlimm kommen, wie es will, es funktioniert immer noch der alte Reflex, der uns in das Desaster geführt hat, das wir gerade in der Asse erleben. Um das dogmatische Festhalten an einer Technologie zu rechtfertigen, die letztendlich nicht beherrschbar ist - das lernen wir aus der Asse -, gilt das Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Sie haben Angst vor dem PUA, weil Sie wissen, dass Ihnen damit Ihre gesamte Argumentationsstrategie in der Atompolitik wie ein Kartenhaus zusammenfallen würde.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

In diesem Falle befinden Sie sich damit, lieber Herr Bode, traurigerweise auch noch in guter Gesellschaft mit der SPD. Das, was die Kollegen von der SPD hier heute gemacht haben, ist die Fortsetzung dessen, was sie eben noch als Ursache für das Desaster der Asse benannt haben. Ich darf Herrn Jüttner wiedergeben, jedenfalls sinngemäß: Man hat nicht nachgebohrt, weil keine Meriten zu erwarten waren. - Genauso verfahren Sie auch jetzt, wenn Sie heute dem PUA nicht zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen wissen, wo es offensichtliche Mängel in der Atomaufsicht gab, und wir wollen wissen, wer

dafür verantwortlich ist, dass hier wider besseres Wissen und entgegen dem Stand von Technik und Forschung grob fahrlässig mit Umwelt und Menschen umgegangen wurde und Risiken in Kauf genommen wurden, und - - -

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Jetzt ist Ihre Redezeit abgelaufen, Frau Dr. HeinenKljajić. - Anderthalb Minuten für Herrn Kollegen Herzog von der Fraktion DIE LINKE!

Herr Bode, Ihr Plädoyer gegen den Grünen-Antrag und das Nichteingehen auf den Antrag der Linken bedeutet offensichtlich, dass die zu untersuchenden Fragen, die wir aufgeworfen haben, von Ihnen unterstützt werden. Das setze ich einmal voraus.

(Beifall bei der LINKEN - Lachen von Jörg Bode [FDP])

Ich bin gespannt, wen Sie für die Historie bemühen werden. Ich vermute, es wird Herr Knopp vom ZDF sein.

Ich möchte Ihnen aber noch etwas zum Strahlenschutz sagen. Die Strahlenschutznovelle 2001 hat dafür gesorgt, dass der Betrieb der Atomwirtschaft erleichtert wurde, z. B. der Umgang mit tritiumbelasteten Abwässern. Man hat beim Tritium den Wert um den Faktor 2 000 angehoben, damit die Abwässer der AKWs wieder in den Wirtschaftskreislauf eingebracht werden können, genauso wie andere radioaktive Stoffe. Man nennt das dann „freigemessen“, „im Sinne der Strahlenschutzverordnung kontaminationsfrei“ - aber kontaminationsfrei sind sie definitiv nicht. Sie können dann - Frau Emmerich-Kopatsch, das ist bei diesem Gesetz leider Fakt - ohne Genehmigung gehandelt werden. Zum Beispiel können Laugen wie in Celle verbracht werden. Sie sind freigemessen, aber mitnichten kontaminationsfrei und unbelastet.

Dies wurde damals - 2001 - von Wissenschaftlern kritisiert; aber auch denen hat man wieder nicht zugehört. Rot-Grün im Bund hat das im Zusammenhang mit dem Atomkonsens beschlossen, CDU und FDP haben es gestützt. Das sind die Fakten.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Danke schön. - Eine weitere Kurzintervention trägt Herr Kollege Meyer von der Fraktion der SPD vor. Bitte schön!

Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil der Kollege Bode mich angesprochen hat.

Herr Bode, ich hatte eben wieder das Gefühl, dass Sie das Problem nicht wirklich begriffen haben. Ich hatte es schon in der letzten Plenarsitzung zu diesem Thema gesagt: Das, was in der Asse passiert, ist nicht nur ein Informations-GAU - das auch -, sondern auch ein Endlagerungs-GAU. Nach dem, was ans Licht gekommen ist, was das LBEG anbetrifft, was die Aufsicht durch das niedersächsische Umweltministerium anbetrifft, ist hier doch alles in die Grütze gefahren, was man nur fahren konnte. Da kann man doch überhaupt nicht davon sprechen, es sei gut aufgeklärt worden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wenn wir den Menschen vor Ort in Höfer sagen, wir müssen das erst einmal kontrollieren, dann kommen Sie mit einem Spruch vom Trinkwasser. Tritium ist kein Produkt, das im Trinkwasser irgendetwas zu suchen hat. Das wissen Sie doch ganz genau.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Warum sollten die Menschen Ihnen das glauben? Da kann es doch nur darum gehen, das vor Ort zu kontrollieren.

Aber die Frage eines Untersuchungsausschusses ist ein ganz anderes Thema.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Wir werden selbstverständlich an dem Thema dranbleiben. Ich würde z. B. erwarten, dass der Minister einmal etwas dazu sagt. Der scheint sich heute wieder zu verstecken. Warum macht er das eigentlich?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)