Protokoll der Sitzung vom 09.10.2008

- Es ist richtig, im konservativen Raum gibt es immer wieder die Forderung, Leerverkäufe usw. zu verbieten. Darüber kann man natürlich lange diskutieren. Leerverkäufe sind - Herr Ehlen ist nicht da - in der Landwirtschaft seit Jahrzehnten, wenn nicht seit Jahrhunderten üblich. Die Buddenbrooks sind daran kaputtgegangen, dass sie den Weizen auf dem Halm gekauft hatten und nicht gegen Hagel versichert waren. Sie sehen, das ist schon bei Thomas Mann ein Problem gewesen. Wenn Sie sich mit der heutigen Landwirtschaft beschäftigen würden, wäre Ihnen bekannt, dass viele Landwirte einen Teil ihrer Ernte bereits im Januar oder bei der Aussaat verkaufen, weil sie eine Sicherheit haben wollen. Jeder Unternehmer - in diesem Fall der Landwirt - muss für sich selber entscheiden, welches Risiko er eingeht. Wenn er zu einem guten Preis verkauft hat und der Preis sinkt, dann hat er Glück gehabt. Wenn der Preis steigt, dann hat er Sicherheit eingekauft, aber seine Rendite nicht so hochgetrieben. Das ist natürlich auch in Finanzmärkten nicht ganz zu verbieten. Auch wenn wir es hier in Deutschland oder Niedersachsen verbieten wollten: Die Geschäfte sind ja zum Teil auf den Kaimaninseln, auf den Bahamas und sonst wo gemacht worden. Man darf nicht glauben, der Einzelne wäre geschützt, wenn wir hier irgendetwas verbieten würden. Wir befinden uns in einer weltumspannenden Wirtschaft. Wir sind Exportweltmeister. Dazu gehört auch, dass unsere Finanzdienstleistungen weltumfassend sein müssen. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Sie können nicht einen Zaun um Deutschland ziehen oder eine Käseglocke über unser Land stülpen und alles nur in Deutschland machen wollen. Diese Zeiten sind ein für alle Mal vorbei.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Aller von der SPD-Fraktion.

Herr Minister Möllring, ich lobe ausdrücklich, wie verständlich Sie die Finanzkrise hier im Hause in den Einzelfragen beantworteten.

(Beifall bei der CDU - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Das wäre Ihnen nie gelungen!)

Ich habe eine ganz schlichte Frage. Nachdem hier mehrfach Beifall im Zusammenhang mit den Ratingagenturen aufgekommen ist, frage ich Sie, ob und unter welchen Bedingungen Sie die Möglichkeit sehen, dass aus dem Niedersächsischen Landtag mit Unterstützung des Finanzministers eine Initiative in Richtung Berlin und weiter nach Brüssel auf den Weg gebracht wird, die Idee einer Ratingagentur europäischen Zuschnitts mit Haftungsbestimmungen zu realisieren.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Das habe ich immer gesagt! - Gegenruf von Wolfgang Jüttner [SPD]: Wer ist der größte Hellseher?)

Herr Minister Möllring, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Aller, ich habe gesagt, dass ich es begrüßen würde, wenn wir in Europa Ratingagenturen hätten, die nicht von amerikanischen Ratingagenturen abhängig sind. Die Frage ist, wie man das vernünftigerweise auf den Weg bringen kann. Wahrscheinlich werden wir einige Wirtschaftsprüfungsgesellschaften dazu ermuntern müssen. Wir können hier ja nicht drei Leute zusammenholen und sagen, das sei die neue Ratingagentur. Dazu gehört ja auch eine gewisse Infrastruktur. Aber wir sollten dies gemeinsam anschieben. Ich glaube nicht, dass wir dafür einen Landtagsbeschluss brauchen. Ich habe Ihnen ja zugesagt, dass wir bemüht sind, so etwas zu unterstützen. Den Weg kann ich Ihnen heute natürlich nicht im Einzelnen darstellen. Die Idee gab es früher auch schon einmal. Die Dringlichkeit wurde aber früher noch nicht so gesehen. Es ist ja immer so: Wenn etwas passiert ist, dann muss es ganz eilig sein. Deshalb werden wir jetzt gemeinsam bemüht sein müssen, so etwas zu installieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund einiger Widersprüche in den Antworten von Minister Möllring. Heute hat er gesagt, Banken hätten auf hohe Risiken spekuliert. Gestern hat er auf eine Frage von mir gesagt, das Risikomanagement in den Banken habe nicht funktioniert. Heute hat er gesagt, Schadenersatzregelungen für Bankmanager seien ausreichend vorhanden. An anderer Stelle sagt er aber, die Kunden sollten mit Banken keine Geschäfte abschließen, die sie nicht übersehen könnten.

(Heinz Rolfes [CDU]: Der Grundsatz stimmt immer!)

Ich frage Sie: Sind Sie nicht dennoch der Ansicht, dass die Haftungsregelungen und Schadenersatzregelungen im Finanzbereich angesichts der Dimension und der Breite der derzeitigen Fehlleistungen, die jetzt offenbar werden, deutlich verschärft und die Kontroll- und Transparenzgebote zum Schutz der Kunden deutlich verbessert werden müssen?

(Beifall bei den GRÜNEN - Heinz Rol- fes [CDU]: Die haben einiges nicht verstanden! Das dauert jetzt länger!)

Herr Minister Möllring, bitte!

Sie haben unterschiedliche Punkte angesprochen. Wenn innerhalb der Bank das Risikomanagement versagt, dann hat dies zunächst nichts mit der Anlageberatung zu tun. Mit Risikomanagement ist gemeint, zu welchen Bedingungen sich die Bank refinanziert und welche Risiken sie eingeht. Hierbei geht es nicht um den Sparkassenkunden, dem man für 5 000 bis 10 000 Euro ein Papier verkauft, sondern dabei geht es um größere Dimensionen. Dies muss Tag für Tag im Risikomanagement kontrolliert werden. Da muss dann auch eingegriffen werden. Das eine hat mit dem anderen also nichts zu tun.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Am Ende schon! Wenn der Kunde sein Geld nicht mehr bekommt, dann kann er noch so gut beraten worden sein, die Sparkasse hat dann kein Geld mehr!)

- Ich habe Ihnen ja zu Beginn erklärt, dass es dafür den Einlagensicherungsfonds gibt, allerdings nur für Sparvermögen.

Jetzt zur nächsten Frage nach der Haftung der Bankmanager. Das ist in § 93 des Aktiengesetzes geregelt. In meinen Unterlagen steht auch irgendwo, um welchen Absatz es sich handelt; da können wir gemeinsam nachgucken. Die Banken sind ja in der Regel in Aktiengesellschaften organisiert; ansonsten gilt das Sparkassengesetz analog. In der genannten Vorschrift steht, dass dann, wenn ein Vorstand sein Unternehmen schädigt, weil er nicht die erforderliche Sorgfalt hat walten lassen, er mit seinem privaten Vermögen zum Schadenersatz herangezogen werden kann. Das Instrument ist da, wir müssen es nur nutzen. Wir können es nur da nutzen, wo wir - - -

(Ralf Briese [GRÜNE]: Kommen Sie erst mal an das Vermögen der Leute in Liechtenstein heran!)

- Zunächst einmal geht es um die Frage, ob das Instrument ausreicht, eine Schadenersatzforderung durchzusetzen. Ob der Chaot, der Ihnen das Auto zerkratzt, hinterher in der Lage ist, die neue Lackierung zu bezahlen, hat doch nichts mit Liechtenstein usw. zu tun. Dieses Risiko geht jeder Mensch ein, dem ein Schaden zugefügt wird. Wem ein Schaden von einem Vermögenslosen zugefügt wurde, dann kann man den Anspruch auf Schadensersatz nicht durchsetzen. Daher bin ich der Meinung, dass man es erst einmal versuchen muss, also an das Vermögen herangehen muss. Wenn man weiß, dass der Schadensverursacher Vermögen in Liechtenstein hat, dann kommt man auch an das Vermögen in Liechtenstein heran. Welches Weltbild haben Sie denn?

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Ralf Briese [GRÜNE])

- Haben Sie Vermögen in Liechtenstein? Glauben Sie, dass es dort sicher ist?

(Lachen bei der CDU und bei der FDP)

Davon würde ich Ihnen dringend abraten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dann haben Sie nach der Falschberatung gefragt. Da haftet natürlich die Bank. Hierbei stellt sich nur die Frage, Herr Hagenah, ob sich die Bank eine

Freizeichnung hat unterschreiben lassen. Das muss man im Einzelfall sehen. Ich bin durchaus der Meinung, dass eine Bank, die einem unerfahrenen Kunden ein Produkt aufschwatzt, das hoch risikobehaftet ist, auch entsprechend haftet. Dazu gibt es schon einschlägige Urteile des BGH. Die Frage ist immer nur, ob man das auch nachweisen kann.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann über- nimmt den Vorsitz)

Wenn Sie unterschreiben, dass Sie von der Bank nicht beraten worden sind - wenn Sie Aktien kaufen, werden Sie regelmäßig unterschreiben müssen, dass keine Beratung durch die Bank stattgefunden hat, sondern es Ihr Wunsch war, diese Aktien zu kaufen -, dann haben Sie sich natürlich der Möglichkeit des Beweises begeben, weil Sie unterschrieben haben, dass Sie die Aktie kaufen wollten und Ihnen die Bank weder zu- noch abgeraten hat. Dann können Sie die Bank nicht haftbar machen. Das sind die Sachen, die zwischen Bank und Ihnen - egal ob es sich um ein öffentlichrechtliches Institut oder eine Privatbank handelt - im Zivilrecht stattfinden. Ich bin allerdings auch der Meinung: Wer es nachweisen kann, muss sein Geld auch erstattet bekommen. Das ist wie beim normalen Kauf: Ob ich ein Wertpapier kaufe oder ein kaputtes Auto - die Rechte müssen die gleichen sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die nächste Frage stellt Herr Adler von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Möllring, wenn es richtig ist, dass die gegenwärtige Finanzkrise durch spekulative Übertreibungen gefördert wurde, ist es dann nicht notwendig, eine Bremse einzuziehen, wie sie z. B. der Nobelpreisträger Tobin vorschlägt, und eine Tobinsteuer oder eine Börsenumsatzsteuer einzuführen, um auf diese Weise dämpfend auf den ganzen Prozess einzuwirken und nebenbei auch Steuereinnahmen zu generieren? Würden Sie sich dafür auch über den Bundesrat einsetzen?

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Ralf Briese [GRÜNE]: Sehr gut!)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Adler, ich habe es schon mehrfach erklärt. Es wird nicht gelingen, eine Käseglocke über oder einen Zaun um Deutschland zu legen, sodass die Finanzwirtschaft nur noch hier stattfindet. In Irland gab es diese Probleme. Die Situation in Island ist jetzt so, weil die isländischen Banken sehr viel im Ausland tätig gewesen sind, bei einer Einwohnerzahl von 320 000. Mit den Kaimaninseln, den Bahamas und ähnlichem haben wir fast „rechtsfreie“, zumindest aber steuerfreie Räume.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Eine Börsenumsatzsteuer gibt es auch in anderen Ländern!)

- Zur Börsenumsatzsteuer: Damit wird ja nur das normale Bankgeschäft gesteuert - das ist es nicht, was diese Blasen bewirkt hat - und nicht die Spekulation als solche. Die werden Sie damit nicht erreichen können. Deshalb werden wir auch keine entsprechende Initiative im Bundesrat starten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die nächste Frage stellt Herr Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Finanzminister vorhin auf die Anfrage der Abgeordneten Flauger geantwortet hat, wir hätten es hier nicht mit einem großen Marktversagen zu tun, frage ich die Landesregierung ganz konkret: Wo sitzen eigentlich die Verantwortlichen für diese Krise, und welche politischen Konsequenzen gedenken Sie aus der größten Finanzmarktkrise seit 1929 zu ziehen? Das habe ich bisher in keiner Antwort von Ihnen gehört!

(Heinz Rolfes [CDU]: Da muss man zuhören!)

Sie erzählen immer nur, das seien internationale Regelungen und da könnten wir hier gar nichts machen. - Das finde ich komplett unbefriedigend!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Wilhelm Heidemann [CDU]: Ich finde das auch unbefriedigend!)

Herr Minister!

Herr Kollege, vieles im Leben ist unbefriedigend, und trotzdem kann man es nicht ändern. Ich habe in meinen Ausführungen viele Möglichkeiten aufgezeigt, wie man reagieren kann. Der Markt hat noch nicht versagt, und deshalb sollten wir auch nicht von Marktversagen sprechen.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Doch! - Ralf Briese [GRÜNE]: Wer hat denn dann versagt?)

- Der Markt würde versagen, wenn wir eine Kreditklemme hätten und keinerlei Kredite mehr bekämen, wenn der berühmte Run auf die Sparkonten einsetzen würde, wir einen schwarzen Freitag oder schwarzen Donnerstag - wie immer das 1929 hieß - bekämen und die ganze Weltwirtschaft in sich zusammenbrechen würde. Sie bricht aber nicht zusammen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das hof- fen Sie!)

Wir haben ein Problem. Das ist überhaupt nicht wegzudiskutieren. Das haben wir jetzt seit anderthalb Stunden hoch und runter diskutiert. Aber von einem Marktversagen kann man Gott sei Dank nicht sprechen, weil noch sehr viele Anbieter auf dem Markt sind. Ich habe es bereits gesagt: 447 Sparkassen, 1 200 Volksbanken und die gesamten Privatbanken.