Protokoll der Sitzung vom 19.02.2009

Meine Damen und Herren, deshalb ist für mich klar: Es gibt keine andere Rechtsform als noch im Jahr 1978. Deshalb ist dieser Vorwurf von Professor Mahrenholz schlicht falsch.

(Beifall bei der CDU)

Schließlich kritisiert Professor Mahrenholz, dass in Niedersachsen Flüchtlinge nicht geduldet würden, wenn sie im Alter nicht selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen können. Auch das ist falsch. Anerkannte Flüchtlinge erhalten von Anfang an ein Aufenthaltsrecht, und zwar unabhängig davon, ob sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen oder nicht. Daran ändert sich auch im Alter nichts, weil sich dieses Recht aus der Genfer Flüchtlingskonvention ableitet. Deshalb kann Professor Mahrenholz nur die geduldeten ausländischen Staatsangehörigen gemeint haben, denen kein Schutz in Deutschland gewährt wurde, weil ihnen nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Migration und

Flüchtlinge und der Verwaltungsgerichte - in einigen Fällen wurde sogar das Bundesverfassungsgericht bemüht - keine Verfolgung oder Gefahr im Herkunftsland droht.

Wenn diese Ausländer aus Gründen, die sie überwiegend selbst geschaffen oder zu vertreten haben, jahrelang nicht abgeschoben werden können, kommt nur die weitere Verlängerung der Duldung oder die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach einer Bleiberechts- oder Altfallregelung in Betracht.

Die Kritik richtet sich damit offensichtlich gegen die gesetzliche Altfallregelung des § 104 a des Aufenthaltsgesetzes, wonach grundsätzlich ausreisepflichtigen Ausländern ein auf Dauer angelegtes Aufenthaltsrecht eingeräumt wird, wenn sie sozial und wirtschaftlich integriert sind, d. h. wenn sie den Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen bestreiten können. Nach dieser Regelung kann nicht begünstigt werden, wer keiner Erwerbstätigkeit oder nur für kurze Zeit einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Das ist auch aus Gründen der Gerechtigkeit und der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit der hiesigen Bevölkerung geboten.

Zur Verdeutlichung folgendes Beispiel: Illegal kommt ein 45-jähriger Ausländer nach Deutschland. Sein Asylantrag wird abgelehnt. Die Ablehnung wird gerichtlich bestätigt. Er kommt seiner Verpflichtung zur Ausreise nicht nach. Da er aber auch nicht bei der Klärung seiner Identität und der Passbeschaffung mitwirkt, kann er nicht abgeschoben werden. Er muss also geduldet werden. Dieser Zustand hält jahrelang an. Einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung geht der Ausländer nicht nach, sondern er arbeitet nur gelegentlich geringfügig und bezieht von Anfang an öffentliche Leistungen. - Meine Damen und Herren, da frage ich mich wirklich: Aus welchem Grund soll diesem jahrelang geduldeten Ausländer mit Erreichen der Altersgrenze eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

obwohl er keine Integrationsleistung erbracht und weder Steuern noch Sozialleistungen entrichtet hat?

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich verstehe ja, dass hier Unruhe herrscht.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Weil Sie immer noch nicht auf die Frage ant- worten! - Sigrid Leuschner [SPD]: Antworten Sie doch auf die Frage!)

Aber in den letzten Wochen und Monaten wurde immer wieder pauschal Kritik an den Maßnahmen geübt.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Zu Recht!)

Wenn jetzt Abgeordnete der SPD und der Grünen ganz konkret Verordnungen und auch Richtlinien kritisieren, diese Kritik aber nicht den Tatsachen entspricht, muss das im Parlament einmal ausführlich dargestellt werden, damit das ausgeräumt wird und man sich endlich wieder auf das konzentriert, was wichtig ist,

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Herr Wulff, das, was er da macht, richtet sich auch gegen Sie!)

nämlich dass aus humanitären und rechtlichen Gründen alles getan wird, damit diejenigen, die hier bleiben können und sich nichts zuschulden haben kommen lassen, ein Aufenthaltsrecht bekommen können. Das ist Kern der Sache. Deshalb müssen wir uns damit beschäftigen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, dies vorausgeschickt, beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt.

(Zustimmung von Silva Seeler [SPD])

Zu Frage 1: Die von den Kirchen und Wohlfahrtsverbänden geäußerte Kritik bezog sich auf Vorschläge zur Änderung der Härtefallkommissionsverordnung. Darüber hinaus wurde geltend gemacht, dass die Fallzahlen in der Härtefallkommission zu gering seien und die Umsetzung von Härtefallersuchen zu restriktiv erfolge. Die Tätigkeit der Härtefallkommission war deshalb Gegenstand von Gesprächen, die der Ministerpräsident mit Vertretern der Kirchen geführt hat. Die Landesregierung ist nach der Verständigung der Regierungsparteien auf eine Überprüfung des Härtefallverfahrens im letzten Jahr einigen Wünschen durch die Änderung der Härtefallkommissionsverordnung nachgekommen. So führen jetzt die Sperrwirkung aufgrund früherer Aufenthaltsbedingungen und die qualifizierte Ablehnung von Asylanträgen nicht mehr zum Ausschluss von Härtefallverfahren. Auch sind jetzt nicht mehr alle übrigen Familienmitglieder vom Härtefallverfahren

ausgeschlossen, wenn einzelne Familienangehörige Straftaten begangen haben.

Trotz der durch die Änderung der Verordnung eingetretenen Verfahrenserleichterungen ist es in Einzelfällen zu unterschiedlichen Auffassungen in der Härtefallkommission gekommen. Ein in diesem Zusammenhang an den Ministerpräsidenten herangetragener Einzelfall, der von der Härtefallkommission abgelehnt wurde, ist dem Fachministerium zu einer erneuten Prüfung der Sach- und Rechtslage übermittelt worden. Ohne die persönlichen Daten in diesem Fall zu nennen, kann ich so viel sagen: Es handelt sich um eine Familie, die die zeitlichen Voraussetzungen der Altfallregelung nicht erfüllt, aber wegen der Situation im Herkunftsland bis auf Weiteres nicht abgeschoben werden kann. Da sie sich gut integriert hat, kann mit einer positiven Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt gerechnet werden, wenn für alle Familien aus diesem Herkunftsland eine entsprechende Regelung getroffen wird.

Zu Frage 2: Nach § 5 Abs. 1 der Härtefallkommissionsverordnung entscheidet die Härtefallkommission durch ihr vorsitzendes Mitglied, ob die Voraussetzungen für ihr Tätigwerden vorliegen. In Satz 2 dieser Bestimmung sind die Gründe, aus denen eine Eingabe nicht zur Beratung angenommen werden kann, abschließend aufgeführt. Einzelne Nichtannahmegründe sind auf Vorschlag der Kirchen und Verbände mit der letzten Änderung der Härtefallkommissionsverordnung bereits entfallen. Ein vollständiger Verzicht auf die Feststellung der Nichtannahmegründe durch das vorsitzende Mitglied würde die Kommission mit offensichtlich aussichtslosen Fällen belasten und ist daher weder wünschenswert noch beabsichtigt.

Die in Frage 1 genannte Kritik bezog sich im Übrigen nicht auf diese Regelung, sodass auch aus diesem Grund kein Änderungsbedarf gesehen wird. Bei der Prüfung dieser Nichtannahmegründe hat das vorsitzende Mitglied keinen Entscheidungs- oder Ermessensspielraum, sondern es hat lediglich festzustellen, ob eine der dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt ist. Die Kommissionsmitglieder werden durch das vorsitzende Mitglied in jedem Einzelfall über das Vorliegen eines Nichtannahmegrundes informiert. Somit handelt es sich für alle Beteiligten um ein vollständig transparentes Verfahren. Deshalb wird kein Änderungsbedarf gesehen.

Zu Frage 3: Eine erneute Änderung der Härtefallkommissionsverordnung ist derzeit nicht beabsichtigt, zumal die Verordnung aufgrund der seinerzeit befristeten bundesgesetzlichen Ermächtigung mit Ablauf des 31. Dezember 2009 außer Kraft tritt. Nachdem inzwischen die gesetzliche Befristung des § 23 a des Aufenthaltsgesetzes aufgehoben wurde, wird zu gegebener Zeit zu entscheiden sein, ob und mit welchen Inhalten eine neue Härtefallkommissionsverordnung erlassen werden soll. Sollte sich zwischenzeitlich ein Änderungsbedarf abzeichnen, kann dies bei der Neufassung berücksichtigt werden.

Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist absolut sinnvoll, dass nach den Erfahrungen mit dem Petitionsausschuss und nach den Erfahrungen mit der Härtefallkommission diese Härtefallkommission jetzt in Ruhe arbeiten und dann vernünftige Empfehlungen aussprechen kann, wie sie das in der Vergangenheit in der Regel getan hat, und dass das, gerade wenn es um humanitäre Gründe und um Einzelschicksale geht, tatsächlich mit aller Sorgfalt, aber vor allen Dingen meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemacht wird, weil es um Einzelschicksale geht, die in der Öffentlichkeit eigentlich nicht zu diskutieren sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Ich will darauf hinweisen, dass die Behandlung Dringlicher Anfragen durch § 48 unserer Geschäftsordnung geregelt wird. In Absatz 2 ist der Ablauf festgelegt. In der Sitzung wird der Punkt aufgerufen, darauf erfolgt die mündliche Antwort der Landesregierung, wie in diesem Fall. Es ist in der Geschäftsordnung keine Festlegung zu ersehen, inwieweit die Stellungnahme der Landesregierung zeitlich eingegrenzt ist, bevor es zu konkreten Antworten auf die jeweiligen Fragen kommt. An mich wurde der Wunsch herangetragen, dies gegebenenfalls in einer der nächsten Sitzungen des Ältestenrates zu thematisieren. Diese Anregung will ich aufgreifen.

(Beifall bei der SPD - Silva Seeler [SPD]: Sehr gut!)

Ich erteile jetzt der Abgeordneten Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort zur Geschäftsordnung.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Euch hat nur die Antwort des Ministers nicht gepasst!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage im Namen meiner Fraktion - abweichend von der Tagesordnung - nach § 66 der Geschäftsordnung eine Eröffnung der Debatte über diesen Tagesordnungspunkt. Wir haben jetzt zum wiederholten Male erlebt, dass das Instrument der Dringlichen Anfrage quasi pervertiert wird.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Dies ist ein Recht der Parlamentarier gegenüber der Landesregierung. Hier wird regelmäßig so verfahren, dass wir langatmige, praktisch „flächenbombardierende“ Regierungserklärungen zu dem Thema hören. Wir selbst sind aber durch die Geschäftsordnung so eingeschränkt, dass wir unseren Zusatzfragen, die auf vier je Fraktion beschränkt sind, nicht einmal Vorbemerkungen voranstellen dürfen. Ich finde, das ist tatsächlich nicht mehr zumutbar!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Wenn wir uns hier 20 Minuten lang anhören müssen, was die Landesregierung sozusagen als Regierungserklärung zu dem Thema der Anfrage zu sagen hat, dann müssen wir als Parlamentarier das Recht haben, uns ebenso zu äußern, und zwar nicht nur in Form von Fragen. Deswegen möchte ich das jetzt hier debattieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Zur Geschäftsordnung erteile ich dem Kollegen Bachmann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Keine Frage, das ist so zu werten. Das war im klassischen Sinne eine Regierungserklärung. Auf die von uns gestellten Fragen ist mitnichten eingegangen worden.

Ich möchte im Rahmen einer Debatte ebenfalls das laut sagen können, was ich als Zwischenruf an den Ministerpräsidenten gerichtet habe. Nach seinem Eingreifen galt diese Belehrung durch den Innenminister auch ihm. Es ist schlimm genug, dass das hier in dieser Form abläuft. Aus diesem Grund ist es dringend erforderlich, dass wir jetzt die Chance zur Debatte haben und nicht nur die

eingeschränkte Möglichkeit, vier Nachfragen zu stellen. Ich hätte schon mit meiner ersten Nachfrage den Präsidenten quälen müssen, indem ich an einer Vorbemerkung nicht vorbeigekommen wäre.

Die ich dann nicht zugelassen hätte.

Eben. - Es gehört einfach dazu, dass das Parlament nach diesem Vorgang einer Regierungserklärung - das ist schamlos ausgenutzt worden, und zwar sogar inhaltlich falsch - jetzt debattiert.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Nicht zum ersten Mal!)

Zur Geschäftsordnung erteile ich dem Kollegen Dr. Althusmann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat gemäß Artikel 24 der Niedersächsischen Verfassung die Anfragen von Mitgliedern des Landtages im Landtag und in seinen Ausschüssen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Unver- züglich!)

Zu einer vollständigen Beantwortung gehört nun einmal, dass dann, wenn in einer Anfrage eine sehr komplexe rechtliche Materie - in diesem Fall die Frage der Härtefallkommission - umfassend dargelegt wird, eine entsprechend umfangreiche Antwort der Landesregierung gestattet ist und möglich sein muss, meine Damen und Herren. Ihre Fragen sind vom Innenminister umfangreich beantwortet worden.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ach! - Detlef Tanke [SPD]: Wo denn?)

Allein schon wegen Ihrer Unterstellung in der Überschrift der Anfrage ist es notwendig gewesen - dies hätte man durchaus im Rahmen einer Geschäftsordnungsdebatte thematisieren können -, klarzustellen, dass in der Härtefallkommission in Niedersachsen auf einer klaren Rechtsgrundlage gearbeitet wird. Dies mag Ihnen vielleicht nicht passen, lieber Herr Bachmann. Dies mag auch den Grünen nicht passen.