Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

Die Anfrage wird von dem Kollegen Biallas von der CDU-Fraktion eingebracht.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach einem Bericht der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 7. Mai 2009 soll das Waffenrecht deutlich verschärft werden. Die Große Koalition habe sich auf einen umfassenden Änderungskatalog geeinigt. Unter anderem sollen Kampfspiele wie Paintball, Gotcha und Laserdrom verboten werden, bei denen Spieler mit Farbmunition in Luftdruckwaffen oder mit Laserpistolen einander jagen und Tötungen simuliert werden.

Darüber hinaus habe die Koalitionsrunde auch verdachtsunabhängige Kontrollen von Waffenbesitzern beschlossen. Kontrolleuren ist auf Verlangen Zutritt in die Wohnung zu gewähren. Wer dies verweigert, muss mit dem Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnis rechnen.

Dem Zeitungsbericht zufolge sollen die Änderungsvorschläge nun ausformuliert und Ende Mai in den Bundestag eingebracht werden.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung die vereinbarten Vorschläge zur Verschärfung des Waffenrechts?

2. Welche Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit hält die Landesregierung in diesem Zusammenhang für sinnvoll?

3. Welche Reaktionen erwartet die Landesregierung von den Organisationen, Vereinen und Verbänden zu diesen Änderungen auch vor dem Hintergrund, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Waffen freiwillig abgeben?

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Schünemann. Ich erteile ihm das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bilder und die schrecklichen Taten von Erfurt, Emsdetten und zuletzt Winnenden haben uns alle aufgerüttelt.

Wir haben aber auch gerade in Winnenden gesehen, wie die betroffenen Eltern, die Schüler und die vielfältigen Helfer zusammengestanden haben. Die schreckliche Tat wird noch lange nachwirken. Dies ist Mahnung und Auftrag an uns alle, nicht untätig zu bleiben, weiter hinzusehen, Konsequenzen zu ziehen und in unserem gemeinsamen Bemühen nicht nachzulassen, alles zu tun, um solche Taten künftig besser verhindern zu können. Ich habe die beeindruckenden Briefe der Eltern von Winnenden, die ihre Kinder verloren haben, noch sehr gut in Erinnerung. Wir dürfen nicht der Gefahr erliegen, einfach zur Tagesordnung überzugehen oder uns in kleinteiligen Diskussionen zu verlieren, je länger die Tat zurückliegt.

Uns ist dabei sehr wohl bewusst, dass es uns nicht gelingen wird, solche Taten mit absoluter Sicherheit zu verhindern; denn Ursachen und Auslöser sind vielfältig. Elternhaus, Schule, soziale Integration - all diese Themen spielen eine ganz wichtige Rolle.

Ebenso wichtig erscheint aber auch die Frage nach erforderlichen Rechtsänderungen. Bereits wenige Tage nach der Tat hat eine Arbeitsgruppe

der Staatssekretäre und Staatsräte der Länder von den Ministerpräsidenten den Auftrag erhalten, mögliche Konsequenzen, die aus dem Amoklauf in Winnenden zu ziehen sind, zu erarbeiten und bis spätestens Mitte Mai 2009 eine Vorlage dazu vorzulegen. Diese Arbeitsgruppe hat mit Hochdruck gearbeitet. Inzwischen liegt ein erster Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums zur Änderung des Waffenrechts vor. Folgende sechs wesentliche Änderungen des Waffenrechts wurden vorgeschlagen:

Erstens: Anhebung der Altersgrenze für das Schießen mit Großkalibern von jetzt 14 auf künftig 18 Jahre. Jugendlichen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soll künftig das Schießen mit großkalibrigen Waffen nicht mehr möglich sein.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann übernimmt den Vorsitz)

Zweitens: Einführung anlassunabhängiger Kontrollen der sicheren Aufbewahrung. Waffenbesitzer sollen künftig zur Kontrolle der sicheren Aufbewahrung den verantwortlichen Stellen ein Betretungsrecht einräumen. Solche Rechte existieren bereits in einer Vielzahl von Rechtsgebieten, u. a. im Bereich des Schornsteinfegerwesens. Nicht ordnungsgemäß verwahrte Waffen stellen ein erhebliches Missbrauchsrisiko dar, wie nicht zuletzt der Amoklauf von Winnenden gezeigt hat. Derartige Kontrollen werden das Bewusstsein der Waffenbesitzer für die Notwendigkeit einer sicheren Aufbewahrung schärfen und somit auch die Gefahr eines Missbrauchs durch nicht ordnungsgemäß verwahrte Waffen reduzieren. Wenn sich der Waffenbesitzer beharrlich weigert, seine Mitwirkungspflicht zu erfüllen - das ist neu eingeführt -, kann die Waffenbehörde die Waffenbesitzkarte entziehen.

Drittens: stärkere Sanktionierung von Verstößen gegen Aufbewahrungsvorschriften. Geplant ist eine verschärfte Sanktionierung von Verstößen gegen waffenrechtliche Aufbewahrungsvorschriften für die Fälle, in denen die Gefahr des Abhandenkommens oder der Erlangung durch unbefugte Dritte besteht.

Viertens: häufigere Überprüfung des Fortbestehens des Bedürfnisses. Das derzeitige Recht lässt nur eine einmalige Wiederholungsprüfung des Bedürfnisses nach drei Jahren zu. Künftig soll es der Behörde ermöglicht werden, auch später das Fortbestehen des Bedürfnisses zu prüfen, damit bei weggefallenem Bedürfnis der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis geprüft werden kann.

Fünftens: Einführung des nationalen Waffenregisters noch vor Ende 2014. Ein Waffenregister ist laut EU-Richtlinie spätestens bis 31. Dezember 2014 einzuführen. In der eingerichteten BundLänder-Arbeitsgruppe sollen Möglichkeiten und Kosten sondiert und das Errichtungsgesetz für das Register mit dem Ziel vorbereitet werden, es noch vor 2014 einzuführen.

Sechstens: zeitlich begrenzte Amnestieregelung bei Abgabe illegaler Waffen. Wenn ein Erbe oder Finder einer Waffe diese nicht bei der Waffenbehörde anmeldet, macht er sich wegen illegalen Waffenbesitzes strafbar. Um auch diesen Besitzern einen Anreiz zu geben, sich von der illegalen Waffe zu trennen, sieht der Gesetzentwurf, wie schon bei der Novelle des Waffenrechts im Jahre 2002/2003, eine Amnestieregelung vor.

Vorgesehen ist auch ein Verbot von menschenverachtenden Schießspielen. Unter Bezeichnungen wie Paintball, Gotcha oder Laserdrom werden auch in Deutschland Spielformen praktiziert, bei denen mit schusswaffenähnlichen Geräten die Tötung von Menschen simuliert wird. Wenn bei solchen Spielen das Töten des Gegners im Vordergrund steht und in eine realitätsnahe Spielhandlung eingeführt wird, etwa wenn ein realitätsgetreues Häuserkampfszenario aufgebaut und durchgespielt wird, wird eine Einstellung erzeugt und verfestigt, die den Wertanspruch des Menschen in fundamentaler Weise missachtet und das Töten banalisiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Solche Veranstaltungen sind menschenverachtend und werden in unserer Gesellschaft nicht akzeptiert. Sie jetzt zu verbieten, ist meines Erachtens der richtige Schritt. Wenn man dieses tut, dann ist es meiner Ansicht nach genauso notwendig, dass man Computer-Killerspiele verbietet; denn sie haben den gleichen Effekt. Das Ganze ist sogar nachgewiesen worden; denn die US Army setzt Killerspiele, Paintball und anderes ein, um ihre Soldaten auf den Krieg im Irak vorzubereiten und die Hemmschwelle zu senken. Man muss sich einmal vorstellen, was passiert, wenn dieser Effekt bei Jugendlichen eintritt.

Gerade gestern hat man sich auf bundespolitischer Ebene auf alle diese Punkte verständigen können.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe werden insgesamt als zielführend und er

forderlich angesehen. Aktuell wird intensiv über den Referentenentwurf des BMI beraten. Auch hier wird sich Niedersachsen intensiv einbringen. So werden z. B. bereits in der nächsten Woche die gesetzlichen Änderungsvorschläge Gegenstand der Beratungen der Staatssekretäre im Rahmen der Innenministerkonferenz sein.

Die Forderungen nach anlassunabhängigen Kontrollen der Aufbewahrung sowie die Anhebung der Altersgrenze bei dem Zugang zu großkalibrigen Waffen bei Sportschützen sind in Niedersachsen mit der Landesjägerschaft und den Schützenverbänden intensiv diskutiert worden und werden grundsätzlich unterstützt. Die Schützenverbände haben hierzu weitreichende Vorschläge unterbreitet, die in das Gesetzgebungsverfahren mit eingeflossen sind.

Zu 2: Bereits im Vorfeld der gesetzlichen Änderungen hat sich das Niedersächsische Ministerium für Inneres, Sport und Integration an die Waffenbehörden, die Polizeidirektionen und die Sportschützenverbände gewandt und darum gebeten, auf die Einhaltung der im Waffenrecht normierten Anforderungen an eine sichere Aufbewahrung besonderes Augenmaß zu legen. Soweit noch nicht geschehen, sollten die Behörden von den Waffenbesitzern Nachweise über die Aufbewahrung verlangen und Beratung vor Ort anbieten.

Darüber hinaus haben sich das Ministerium für Inneres, Sport und Integration und das Justizministerium gemeinsam dafür eingesetzt, nach Abstimmung zwischen Waffenbehörde, Polizei und Staatsanwaltschaft vor Ort in den Medien für die Abgabe von Waffen zu werben. Hierbei sollte möglichst ein sogenannter Abholservice angeboten werden, um zu verhindern, dass Waffen gegebenenfalls von nicht Sachkundigen in der Öffentlichkeit geführt werden. Die Abgabe der Waffen zum Zwecke der Vernichtung sollte möglichst gebührenfrei erfolgen, da die Waffenbehörden die bei ihnen abgegebenen Waffen kostenlos der Polizei zuführen könnten. Ohne dass konkrete Zahlen vorliegen, kann schon jetzt gesagt werden, dass diese Maßnahmen in Niedersachsen sehr erfolgreich angelaufen sind. Wie man den örtlichen Medien entnehmen kann, werden die Angebote für eine freiwillige Abgabe von Waffen gut angenommen.

Zu 3: Wie bereits in den Vorbemerkungen gesagt, handelt es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem. Im Rahmen der Überlegungen zu erforderlichen waffenrechtlichen Konsequenzen hat das

Innenministerium frühzeitig Kontakt zu niedersächsischen Verbänden der Sportschützen und Jäger aufgenommen. Es ist erfreulich, dass in Niedersachsen ein breiter Konsens zu den bereits erwähnten Waffenrechtsänderungen erreicht werden konnte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, bevor ich die Möglichkeit für Zusatzfragen gebe, stelle ich die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Die erste Zusatzfrage wird von Herrn Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt. Bitte!

Herr Präsident! Der Innenminister hat die Forderungen angesprochen, die die Opferinitiativen, die sich nach dem tragischen Fall von Winnenden gebildet haben, erhoben haben. Wie bewertet die Landesregierung die Forderung der Opferinitiativen nach einem Komplettverbot von Handfeuerwaffen in Privathaushalten? Wie viele Waffen inklusive Munition soll nach Ansicht der Landesregierung ein Berechtigter zukünftig noch zu Hause aufbewahren dürfen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister!

Die Forderungen der Eltern der Opfer sind zu einem großen Teil in diesen Gesetzentwurf mit eingeflossen. Zwei Punkte sind allerdings nicht berücksichtigt worden; diese Punkte haben Sie gerade angesprochen.

Zum einen wurde gefordert, dass Waffen überhaupt nicht mehr in Privathaushalten gelagert werden dürfen. Stattdessen sollten sie in Schützenheimen gelagert werden. Für die Jäger müsste man sich noch etwas anderes überlegen.

Im Blick auf die Jäger ist diese Forderung in der Praxis nicht umsetzbar, weil Jäger sehr schnell an die Waffe herankommen müssen.

Darüber hinaus habe ich als Innenminister kein Interesse daran, dass in Schützenheimen, die zum Teil ja auch außerhalb von Wohngebieten liegen

und insofern nicht gesichert werden können, eine große Anzahl von Waffen, möglicherweise 500 oder 600 Stück, gelagert wird.

(Zustimmung von Heiner Bartling [SPD])

Das würde die Rate der Einbrüche in Schützenheime deutlich erhöhen, und dann würden diese Waffen illegal genutzt. Die größte Gefahr geht von den illegalen Waffen aus.

Deshalb ist diese Forderung nicht umsetzbar. Sie würde sogar zu einer noch größeren Gefährdung führen.

Der Ansatz ist ein anderer. Wir müssen alles daransetzen, dass das gültige Waffenrecht, nach dem die Waffe zu Hause in einem verschlossenen Waffenschrank getrennt von der Munition aufzubewahren ist, tatsächlich umgesetzt wird. Deshalb sind die anlassunabhängigen Kontrollen der richtige Schritt. Der Waffenbesitzer wird seine Verpflichtung aber nur dann wirklich ernst nehmen, wenn auch ohne Anmeldung kontrolliert wird. Sollte bei einer solchen Kontrolle festgestellt werden, dass die Waffe etwa im Kleiderschrank untergebracht ist, könnte er die Waffenbesitzkarte verlieren und müsste die Waffe abgeben. Sicherlich dürfte eine solche unsachgemäße Unterbringung eher eine Seltenheit sein, aber wenn, dann muss das sofort Konsequenzen haben. Das ist meiner Ansicht nach auch der richtige Weg.

Zum anderen haben die Eltern der Opfer von Winnenden gefordert, großkalibrige Waffen komplett zu verbieten.

Ein solches Verbot ist bei den Jägern nicht umsetzbar; denn ohne großkalibrige Waffen können sie gar nicht auf die Jagd gehen.