Protokoll der Sitzung vom 14.05.2009

Genau das Gleiche werden wir erfahren, wenn wir demnächst die Kabinettsprotokolle über die Entscheidung Gorleben lesen werden.

Herr Dürr, Sie sagen, Sie wollen mit aller Kraft mitarbeiten. Ich vermute, das wird sich so ähnlich gestalten wie in Ihrer Rede eben. Darin war zu den Inhalten kein Wort zu hören - aber auch nicht ein Wort.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie haben 90 % Ihrer Redezeit darauf verwendet, den politischen Gegner anzugreifen, anstatt einmal zu sagen: Jawohl, wir müssen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger - die werden von Ihnen ja immer wieder beschworen -, die in der Asse-Region leben, vernünftig arbeiten. - Wenn Sie mit der Kraft, die Sie auf Ihre Rede verwendet haben, im Untersuchungsausschuss arbeiten, erwarte ich nicht viel. Aber ich erwarte von Ihnen, dass Sie hier einmal darstellen, wie Sie mit dem zukünftigen Untersuchungsausschussvorsitzenden, Herrn Nacke, dort arbeiten wollen. Was wollen Sie denn tatsächlich wissen?

(Glocke des Präsidenten)

Das sollten Sie uns sagen, anstatt hier von Heckenschützen usw. zu sprechen. Geben Sie endlich Ihre mentale Zentralverriegelung auf! Die Bürger, die in der Nähe der Asse leben, erwarten, dass die beste Möglichkeit für eine Schließung herausgearbeitet wird, und keinen Pfusch am Bau.

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Dürr möchte erwidern. Sie haben anderthalb Minuten, Herr Dürr.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, ich habe vorhin deutlich gemacht, dass insbesondere der Brief des Landrates von Wolfenbüttel sachlich und inhaltlich hervorragend formuliert ist. Man könnte ihn sozusagen fast als Einsetzungsbeschluss verwenden. Er unterscheidet sich mit Blick auf den Inhalt völlig von den Einsetzungsbeschlüssen, die bisher von SPD und Grünen vorgelegt worden sind. Die Linken muss ich an dieser Stelle fairerweise ausnehmen; denn Ihr Einsetzungsbeschluss ist vergleichsweise mehr auf die Inhalte ausgerichtet. Das ist der Weg, den wir im Untersuchungsausschuss gehen sollten. Das ist überhaupt keine Frage.

Herr Kollege Wenzel, Sie haben hier gesagt, der Deutsche Bundestag sei belogen worden. Dann müssten Sie aber eigentlich an den Herrn, der direkt neben Ihnen sitzt, und an die SPD-Fraktion die Frage stellen, warum die SPD keinen Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag will, wenn dieses Haus doch belogen wurde. Das muss man doch fairerweise dazusagen.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Weil die FDP den verweigert! - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Stimmt die FDP dem denn zu?)

Herr Kollege Tanke, über die Motive kann man wunderbar spekulieren.

(Detlef Tanke [SPD]: Das muss man nicht! Man muss einfach nur hören!)

Das ist gar keine Frage, selbstverständlich. Aber wenn es sogar in den Zeitungen steht, dann hat das mit Spekulation nichts mehr zu tun, dann ist es einfach öffentlich, und dann wird man das an dieser Stelle wohl noch sagen dürfen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weil Sie hier mit dem Finger auf andere zeigen - Sie sagen, Herr Sander sei zuständig gewesen -,

(Zuruf von der SPD: Ist er es nicht?)

will ich nur feststellen: Sie könnten genauso gut auf Herrn Jüttner zeigen. Ihre am kommenden Samstag auf Platz 2 der Landesliste zu wählende Kandidatin - so sieht es ja wohl aus -, Frau Bulmahn, die erneut für den Deutschen Bundestag kandidiert, hat während ihrer gesamten Amtszeit öffentlich an verschiedenster Stelle, in Berlin und Niedersachsen, immer das Flutungskonzept bevorzugt. Das gehört zur Wahrheit und zur Historie bei der SPD.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU - Björn Försterling [FDP]: Dann muss man am Wochenende einmal ein Zeichen setzen!)

Mir liegt eine weitere Wortmeldung vor, und zwar von Herrn Tanke. Herr Tanke hat noch 3:54 Minuten Redezeit. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Asse II hat sich - das ist, glaube ich, jedem klar geworden - in den letzten Monaten zum größten Umweltskandal Deutschlands entwickelt. Was gestern noch als sichere Endlösung für Atommüll angepriesen wurde, fällt heute schon wie ein Kartenhaus zusammen. Quasi im Wochentakt erschüttert ein Skandal nach dem anderen die Öffentlichkeit.

Ich habe eben schon etwas zu der schlechten Informationspolitik des NMU gesagt. Herr Sander, es ist doch ein Skandal, dass die Öffentlichkeit und das Parlament durch eine Zeitschrift, den Stern, über die toxischen Einlagerungen informiert werden und nicht beispielsweise von Ihnen, der sechs Jahre lang diese Informationsmöglichkeit gehabt hätte. Ihre Aufklärung ist einfach skandalös. Deswegen muss auch aufgeklärt werden, welche Informationen hier vorenthalten worden sind.

Herr Sander, ich sage Ihnen gleich: In einem Untersuchungsausschuss kommt man - das werden Sie wissen - mit platten Sprüchen nicht mehr an. Vielmehr wird es da um konkrete Aussagen gehen. Ich freue mich schon darauf, dass Sie dann konkrete Aussagen treffen müssen.

Ein Wort noch zu Herrn Langspecht. Angesichts der Desinformation, von der ich gesprochen habe - ich habe eben ein paar Beispiele dafür genannt -, ist es schon erstaunlich, dass Sie einen Dank an Herrn Birkner richten. Auch für Sie gilt natürlich, dass man, wenn man keinen Klamauk will, ihn hier nicht selbst veranstalten darf.

Meine Damen und Herren, für uns sind der Wille und die Fähigkeit des NMU zur Aufklärung nicht gegeben. Deswegen ist ein PUA unabdingbar.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir wollen mit dem PUA lückenlos aufklären; denn wir haben schon den Eindruck, dass es einem relativ kleinen Kreis von Atomlobbyisten gelungen ist, mit Unwahrheiten, Täuschungsmanövern und auch Manipulationen einen Eindruck von Sicherheit zu erwecken, der jetzt wie ein Kartenhaus zusammenbricht. Man bekommt schon den Eindruck, dass es sich hier auch um mafiöse Strukturen handeln könnte. Ich glaube, das undurchschaubare Lügenkonstrukt, das uns hier vorliegt, bedarf dringend der Durchdringung. Das werden wir sicherlich mit einem PUA hinkriegen.

Die Erkenntnis des Landrats Jörg Röhmann beschreibt die Situation in einem Satz sehr gut: „Eines ist sicher: Die Asse ist es nicht!“

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Unser Antrag setzt vier inhaltliche Schwerpunkte.

Erstens geht es darum, auch im Interesse der Menschen vor Ort zu klären, welches Inventar eingelagert wurde.

Zweitens geht es darum, wer eigentlich 1965 auf die Idee gekommen ist, einen instabilen Salzstock als Standort auszuwählen.

Es geht drittens darum, welche Sicherheitsgefährdungen für die Menschen vorliegen könnten. Radioaktivität ist nicht wie Masern oder Windpocken. Radioaktivität wirkt schleichend und über Jahre. Wir werden dieser Frage ausdrücklich nachgehen.

Viertens können wir erst dann, wenn wir wissen, was eingelagert wurde, über Fragen der Rückholbarkeit und Ähnliches entscheiden.

Lassen Sie mich zum Abschluss sagen, dass für unsere Fraktion die Asse ein bundesweites Symbol ist, an dem deutlich wird, wie verantwortungslos die Atompolitik in der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt worden ist, wie verantwortungslos man mit Atompolitik umgeht. Ein vorgebliches Forschungsendlager ist zur billigen Entsorgungsmöglichkeit für die Atomindustrie geworden.

Wir wollen ganz ausdrücklich personelle Verflechtungen - aus Zeitgründen nenne ich nur das Stichwort Asse/Gorleben - aufklären. Ich sage jetzt schon: Asse war das Modell für Gorleben, und wenn Asse gescheitert ist, muss man auch an Gorleben Zweifel haben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Jetzt hat sich Herr Minister Sander zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses ist ein hohes Recht der parlamentarischen Minderheit. Ich kann Ihnen für die Landesregierung zusagen, dass wir Sie sehr intensiv dabei unterstützen werden,

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das ist aber gnädig!)

dass wir alles auf den Tisch legen, was wir haben, alle Erkenntnisse, die wir in den vergangenen Jahren bekommen haben.

In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, dass es diese Landesregierung war, die, als wir Vorkommnisse festgestellt haben, die nicht

bekannt waren, als Erstes sofort einen Statusbericht erstellt hat. Die Mitarbeiter haben dies innerhalb von drei Monaten erledigt. Dieser Statusbericht ist im Grunde genommen die Grundlage für die weiteren Arbeiten.

Meine Damen und Herren, in dem Statusbericht vom 1. September haben wir mitgeteilt, dass einige Fragen noch nicht hinlänglich gelöst sind, dass wir noch nachforschen müssen. Das haben wir mit der Vorlage des zweiten Statusberichts getan. Das waren die Dinge, die Sie jetzt sehr stark nach oben ziehen, z. B. auch die Tierkadaver aus den Forschungseinrichtungen des Bundes, die dort eingelagert worden sind. Daran sehen Sie schon, dass die Aufklärung notwendig ist.

Wir brauchen ein Schließungskonzept. Herr Gabriel hat zugesagt, es bis zum Ende des Jahres vorzulegen. Der eine oder andere von Ihnen erinnert sich vielleicht daran: Im Jahre 2007 hat das Helmholtz-Zentrum ein Schließungskonzept vorgelegt. Dieses haben die Fachleute im Umweltministerium zurückgewiesen, weil es unvollständig und nicht schlüssig war. Daran sehen Sie auch die Qualität meiner Mitarbeiter, die dies sehr verantwortungsvoll machen.

Daher kann ich insbesondere Frau Kollegin Emmerich-Kopatsch und Herrn Wenzel nur bitten, diese Mitarbeiter nicht immer wieder in Presseerklärungen unter Generalverdacht zu stellen, sie hätten irgendwelche strafrechtlichen Dinge angestellt. Das ist nicht fair, und es ist auch unanständig, mit diesen Mitarbeitern so umzugehen. Dann werden wir keinen Erfolg haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Bei all dem, was wir im Untersuchungsausschuss gemeinsam erarbeiten wollen - - - Natürlich hätte - auch Herr Jüttner hatte das gesagt; das war ja bis vor 14 Tagen seine Erkenntnis - das alles auch weiter im Umweltausschuss bearbeitet werden können, weil es sowieso notwendig ist. Denn die Inventarlisten sind Voraussetzung dafür, dass ein Schließungskonzept überhaupt genehmigt werden kann.

Meine Damen und Herren, Asse II ist eine radioaktive Altlast. Aber bei all den Untersuchungen müssen wir immer wieder bedenken: Es ist eine Altlast, die wir bewältigen müssen. Deshalb muss die dauerhafte Beherrschung dieser Altlast im Vordergrund aller unserer Bemühungen stehen. In diesem Sinne können Sie auf die Unterstützung der Landesregierung vertrauen. Sie hat in der Vergan

genheit bewiesen, dass sie die erste Landesregierung ist, die dieses Problem überhaupt umfassend in Angriff genommen hat.

Herzlichen Dank.