Protokoll der Sitzung vom 16.06.2009

Meine Damen und Herren, zu Wort gemeldet hat sich jetzt Herr Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Minister Rösler ist kein Azubi im Amt. Das sehen wir differenzierter als die SPD-Fraktion. Herr Rösler macht den neuen Job nach unserer Wahrnehmung zwar in etwas anderer Form, aber mit den gleichen Inhalten wie sein Vorgänger und Vorbild.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Leider!)

Die Wirtschafts- und Verkehrspolitik in Niedersachsen läuft nach dem Ministerwechsel genauso schlecht weiter,

(Beifall bei den GRÜNEN)

mit all den Versäumnissen und Schönfärbereien, wie wir das unter Herrn Hirche leider schon gewohnt waren. Die Kontinuität ist auch kein Wunder; denn schließlich hatte Herr Rösler mit sechs Jahren das Doppelte einer normalen Lehrzeit, um sich auf diesen längst vereinbarten Stabwechsel vorzubereiten.

Jetzt gründet er, wie sein Vorgänger Hirche, markig Bündnisse, die immer möglichst seicht und oberflächlich bleiben. Der Pakt für Fachkräfte blieb so wolkig, dass den Gewerkschaften schon vor der Auftaktveranstaltung die Lust zum Mitmachen verging.

Bei der Deklaration neuer Initiativen wird weiter viel heiße Luft abgelassen, wie jüngst beim Start der Niedersachsen Aviation. Ein Land will trotz Krise abheben. Angesichts der gerade erst knapp geretteten Airbus-Standorte und der andauernden Produktionsprobleme des Konzerns ist das derzeit nicht mehr als ein Pfeifen im Walde.

(Björn Thümler [CDU]: Zukunftsge- richtet!)

Altlasten werden systematisch unter den Teppich gekehrt. Der neue Chef übt sich in der Haltung „Haltet den Dieb!“, z. B. bei dem vom Ministerium eng begleiteten und kontrollierten Weserrenaissance-Desaster. Jetzt fällt Ihnen plötzlich auf, dass die EWR-Gesellschaft missbräuchlich EU-Mittel verwendet hätte. Herr Rösler, diese Erkenntnis kommt Ihrem Haus zu spät, um der politischen Mithaftung dabei zu entgehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch die selektive Datenmogelei aus Ihrem Hause, um eigene Leistungen zu beschönigen, geht munter weiter. Derzeit hält der Minister keine Rede, ohne sich damit zu brüsten, dass Niedersachsens Arbeitsmarkt und Wirtschaftspolitik im Moment besser dastehen als der Bundestrend.

(David McAllister [CDU]: Das ist doch gut!)

Verschwiegen wird von Ihnen dabei aber, dass dies für Niedersachsens Arbeitsmarkt nur einige günstige kurzfristige Effekte bewirkt. Tatsächlich liegen Wirtschaft und Arbeitsmarkt während der ganzen Regierungszeit von Schwarz-Gelb gegenüber dem Bundestrend zurück.

(Ministerpräsident Christian Wulff: Das ist Unsinn!)

- Nein, das ist kein Unsinn! Gucken Sie doch einmal in die Arbeitsmarktstatistik, Herr Ministerpräsident: Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist bei uns von 2000 bis 2008 um 0,8 % zurückgegangen. Im Bundesdurchschnitt der westdeutschen Länder ist sie um 0,6 % nach oben gegangen. Das ist ein ziemlich großer Unterschied, Herr Ministerpräsident! Ich würde Ihnen empfehlen, die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit zu lesen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die bei uns strukturell bewirkte günstigere Entwicklung der letzten Monate verringert den Rückstand zum Durchschnitt nur ein wenig, ohne ihn aufzuheben oder gar umzukehren. Hinzu kommt, dass in Niedersachsen die prekäre Teilzeitbeschäftigung überdurchschnittlich zunimmt, während sich die Vollzeitstellen bei uns unter dem Bundestrend entwickelt haben. Das ist die Realität in Niedersachsen, Herr Minister Rösler, und nicht das, was Sie den Menschen erzählen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Erwähnen möchte ich aber der Ehrlichkeit halber, dass Sie einige unserer Forderungen aus den letzten Jahren, die verschlafen worden waren, in Ihren ersten Monaten aufgegriffen haben - es sind zwar kleine Punkte, aber durchaus Fortschritte -: Es gibt jetzt endlich einen Beteiligungsfonds der NBank. Es gibt ein neues 100-Millionen-EuroProgramm für den ÖPNV. Auch die versprochene Fortschreibung der Regionalisierungsmittel vom Land möchte ich positiv erwähnen. Das ändert aber an Ihrem verkehrten Kurs in der Verkehrspolitik, der Autobahnneubau vor ÖPNV stellt, kein bisschen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, Sie sehen: Im Ergebnis sind wir uns in der Kritik am neuen Wirtschaftsminister am Ende doch einig. Wir erwarten aber im Gegensatz zu Ihnen keine Besserung nach der Startphase; denn die offensichtlichen Mängel bei Minister Rösler sind systematisch und mit Bedacht gemacht, nicht etwa aufgrund von Unkenntnis oder Unerfahrenheit.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile jetzt Herrn Bode von der FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der Antrag für diese Aktuelle Stunde eingereicht worden ist, haben wir von der Opposition und vor allem von der SPD-Fraktion alles Mögliche erwartet. Nach dem Auftritt von Herrn Will und den anderen Vorrednern muss ich allerdings sagen: Wir haben zwar alles Mögliche erwartet, aber das, was heute hier abgeliefert worden ist, nun wahrlich nicht.

Herr Will, wie Sie durcheinanderbringen, wer für welche Aufgaben - Bund und Land - zuständig ist, wie Sie gemeinsam mit Herrn Hagenah die Situation im Land Niedersachsen miesreden und schlecht darstellen - das ist etwas, was ich mir nicht hätte vorstellen können. Sie loben die Leistung unserer Unternehmer, unserer Mittelständler und unserer Arbeitnehmer in Niedersachsen nicht einmal, sondern machen sie einfach nur mies.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es ist richtig, Herr Hagenah: Niedersachsen ist gut gerüstet in diese Krise gegangen, besser gerüstet

als viele andere Bundesländer in Deutschland. Deshalb kommen wir mit der Krise auch besser zurecht. Schauen Sie sich doch einmal die Arbeitslosenquoten, die Arbeitslosenzahlen an! Schauen Sie sich die Entwicklung der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an!

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Eben! Das haben wir gemacht!)

Schauen Sie sich die Quote der Jugendarbeitslosigkeit an! Wir sind - auch wenn Sie die Wirtschaftswachstumszahlen nehmen - ein gut gerüstetes Land. Wir kommen besser mit der Krise zurecht als beispielsweise Bayern oder BadenWürttemberg. Das muss man einmal anerkennen. Da muss man hier und heute auch einmal Danke sagen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Natürlich ist das ein Verdienst der Wirtschaftsminister Hirche und Rösler sowie des Ministerpräsidenten Christian Wulff, die als Allererstes immer auf den Mittelstand gesetzt, den Mittelstand gefördert und nach vorne gebracht haben. Deshalb, meine Damen und Herren, stehen wir heute so gut da.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Erfolge sind natürlich in erster Linie die Erfolge unserer Unternehmer, der Mittelständler und der Arbeitnehmer. Sie packen nämlich an. Sie schaffen, sie machen Niedersachsen, und sie bringen uns nach vorne. Deshalb gebührt ihnen Dank. Einen solchen Auftritt wie heute von Herrn Will brauchen wir allerdings nicht!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Man muss sich schon fragen, warum die SPD das eigentlich macht. Warum kommt sie mit solchen Themen zur Aktuellen Stunde, mit solchen Pressekonferenzen wie letzte Woche? Warum versucht sie, das Land mieszureden? - Ich kann es Ihnen sagen: weil Sie kein eigenes Konzept im Bereich der Wirtschaftspolitik haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Jüttner, ich kann Ihnen nur eines sagen: Die Bürger werden derartige Kampagnen nicht akzeptieren. Sie werden sich von diesen Kampagnen nicht täuschen lassen. Die Bürger unseres Landes wollen Ideen und Angebote. Sie wollen wissen: Was bietet uns die SPD im Bereich der Wirtschaftspolitik eigentlich an? Was ist die Idee von Wolfgang Jüttner für die Entwicklung der Wirtschaft

in Niedersachsen? - Von Miesmacherei hingegen wollen sie nichts hören.

Ich kann Ihnen ganz eindeutig sagen: Die Wähler wissen, was die SPD ihnen anbietet, nicht nur bei der Europawahl. Sie treten ja noch immer mit dem Wahlprogramm der SPD bei der Landtagswahl an, mit dem Konzept von Wolfgang Jüttner für die Landtagswahl 2008 und diese Legislaturperiode.

Meine Einschätzung, was man von der SPDWirtschaftspolitik zu halten hat, wird Sie ja nicht interessieren. Deshalb empfehle ich Ihnen das Gespräch mit denen, auf die Sie sonst auch hören, beispielsweise mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann oder aber dem Oberbürgermeister der Stadt Hannover, Herrn Stephan Weil. Beide haben nämlich nach der Wahl Ihr Konzept untersucht, Herr Jüttner. Sie sagen zu Ihrer Wirtschaftspolitik - Zitat -: „Eine Strategie für Wachstum in Niedersachsen war nicht erkennbar.“ Das ist immer noch so. Heute haben Sie dazu beigetragen, dass die Wähler es auch merken werden.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, jetzt hat sich Herr Minister Dr. Rösler zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Will, Ihrer Rede konnte ich entnehmen, dass ich Ihnen gewissermaßen ein bisschen fehle. Wir haben uns in den letzten Wochen und Monaten in der Tat vergleichsweise selten gesehen. Ich habe mich darüber auch schon gewundert. Bei all den Veranstaltungen, die ich beim Handwerk, beim Mittelstand, bei den Unternehmerinnen und Unternehmern in Niedersachsen besucht habe, habe ich immer Kolleginnen und Kollegen aus der Koalitionsfraktion CDU getroffen. Ebenso habe ich dort Kolleginnen und Kollegen von der FDP getroffen. Selbst Grüne haben sich zu diesen Veranstaltungen verirrt. Ich habe aber ganz selten Sozialdemokraten beim Mittelstand in Niedersachsen gesehen.

(Zustimmung bei der CDU)

Was sagt uns das? Die Sozialdemokraten haben ein gestörtes Verhältnis zum unternehmerischen

Mittelstand in Niedersachsen. Sie lassen die Unternehmer in der schwierigen Zeit im Stich.