Protokoll der Sitzung vom 10.04.2008

Herr Kollege Bachmann!

Verehrte Frau Kollegin Lorberg, ich wollte Sie eigentlich nur fragen, ob nicht auch Sie an dieser Stelle den Minister Schünemann vermissen.

(Zuruf: Der ist entschuldigt!)

Herr Minister Schünemann ist nach meiner Kenntnis entschuldigt, und ich weiß, dass Herr Minister Busemann heute dafür zuständig ist. Das finde ich gut, und ich halte ihn für ausgesprochen kompetent in diesem Bereich.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Der kann al- les! Das stimmt! - Dr. Bernd Althus- mann [CDU]: Minister Schünemann ist bei der Integrationskonferenz!)

- Vielleicht kann ich das nachschieben: Herr Minister Schünemann ist bei der Integrationskonferenz. Herr Bachmann, ich denke, das ist in unser aller Interesse.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Dafür inte- ressiert sich Herr Bachmann nicht!)

Ich möchte gern fortfahren.

900 ehrenamtlich tätige Integrationslotsen helfen unseren Zuwanderern, bieten Hilfeleistung und geben Hilfestellung bei der Alltagsbewältigung. Sie holen die Migranten dadurch sehr häufig aus der Isolation. Dieses verdient in unserer Gesellschaft hohe Anerkennung.

Meine Damen und Herren, wir dürfen uns allerdings nichts vormachen. Trotz aller Bemühungen und trotz der Tatsache, dass wir diese Integrationsangebote vorhalten, werden wir leider nicht alle Kinder und Jugendlichen erreichen. Wir müssen uns neben der Prävention deshalb auch mit der Repression beschäftigen. Dabei müssen wir eine angemessen differenzierte Betrachtung der Straftaten vornehmen. Wir müssen alle Möglichkeiten prüfen und nutzen, die sich uns bieten, um die Kriminalität zu senken.

Kinder und Jugendliche brauchen Grenzen. Werden Grenzen gebrochen, wird gegen ein Gesetz verstoßen, muss Repression folgen. Eine nach unserer Ansicht sinnvolle Möglichkeit ist die Einrichtung von Schülergerichten. Diese Schülergerichte könnten einen gezielten und nachhaltigen Einfluss auf die Jugendlichen nehmen, die für ihr Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Allerdings sollte allein die Staatsanwaltschaft darüber entscheiden, wer wann zu einem Schülergericht eingeladen wird. Jugendliche, die minderschwere Delikte wie z. B. leichte Sachbeschädigung begangen haben, könnten durch die von Jugendlichen verhängten Maßnahmen eher zu beeindrucken sein, als wenn diese durch Erwachsene ausgesprochen werden. In einigen Schulen werden Konfliktbewältigung und Konfliktschlichtung bereits durch Schülervertreter betrieben. Das hat sich hervorragend bewährt und gibt uns großen Anlass zu der Annahme, dass sich auch die Schülergerichte auf diese Weise bewähren könnten.

Meine Damen und Herren, der Warnschussarrest ist für uns eine sinnvolle Ergänzung, um zu verhindern, dass eine Bewährungsstrafe vom Täter nicht ernst genommen wird.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Fragen Sie mal die Fachleute dazu!)

Sie könnte ohne diese Ergänzung eventuell als Freispruch zweiter Klasse aufgenommen werden. An dieser Stelle müssen wir gegensteuern.

Weiter sehen wir die Notwendigkeit, dass volljährige Straftäter im Regelfall die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts erfahren.

Meine Damen und Herren, ein konsequentes Vorgehen gegen Jugendkriminalität und Jugendgewalt muss in unser aller Interesse liegen. Die Kooperation zwischen Schule, Polizei, Staatsanwaltschaft und Elternhaus ist ein sehr wichtiges Element zur Bekämpfung der Jugendkriminalität. Dazu gehört natürlich auch und in einem sehr hohen Maße die Bekämpfung des Schulschwänzens. Wir nehmen diese Herausforderung sehr ernst und wollen die Fortentwicklung integrativer, präventiver und repressiver Maßnahmen fortführen und verstärken.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen. Auf dem Weg zur Optimierung der Bekämpfung der Jugendkriminalität müssen wir in folgenden Bereichen Schwerpunkte setzen: Das Handlungskonzept Integration muss weiter fortentwickelt werden. Bildungs-, Ausbildungs- und künftige Beschäftigungschancen müssen weiter verbessert werden. Streit- und Konfliktlösungsfähigkeiten gerade an Schulen müssen gestärkt werden. Die Einrichtung von Schülergerichten ist zu prüfen. Die Ergänzung von Bewährungsstrafen um den Warnschussarrest ist einzuführen. Das Erwachsenenstrafrecht ist für volljährige Täter auch zwischen dem 18. und 21. Lebensjahr anzuwenden. Zu guter Letzt ist eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe einzurichten, die die vorhandenen Maßnahmen zur Verhinderung von Jugendgewalt und Jugendkriminalität überprüft, zur Fortführung anregt und gegebenenfalls weitere Maßnahmen und Möglichkeiten erarbeitet.

Meine Damen und Herren, gelungene Integration verbessert nicht nur die Lebenssituation unserer zugewanderten Menschen, nein, sie hat auch einen präventiven Charakter. Lassen Sie uns gemeinsam an den aufgezeigten Möglichkeiten arbeiten und die Jugendkriminalität wirksam verhindern bzw., wenn sie nicht zu verhindern ist, wirksam bekämpfen. Das ist eine große Aufgabe, deren Bewältigung unsere Gesellschaft aber erwarten kann.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Kollegin Modder das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Entschließungsantrag von CDU und FDP greift die bereits im Wahlkampf geführte Debatte über Jugendkriminalität erneut auf, allerdings mit ein bisschen Integration und ein bisschen Prävention getarnt. Damit setzt er einen völlig falschen Schwerpunkt.

Meine Damen und Herren, Integration und Prävention und damit die Verhinderung von Straftaten müssen das primäre Anliegen verantwortlicher Politik sein.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Editha Lorberg [CDU]: Was ist das denn für eine Logik?)

Wie wichtig Ihnen die Fragen der Integration sind, haben wir gestern in der Geschäftsordnungsdebatte erleben dürfen. Damit da keine Missverständnisse entstehen: Für die SPD ist klar: Jugendkriminalität muss genauso hart bekämpft werden wie deren Ursachen. Wer aber über Jugendkriminalität redet, darf nicht über ihre Ursachen schweigen. Viele jugendliche Straftäter kommen aus problematischen sozialen Verhältnissen. Soziale Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit sind keine Entschuldigung für Kriminalität, aber sie sind dennoch oft ihre Ursachen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wenn man sich die Überschrift Ihres Entschließungsantrages anschaut, dann kann man nur feststellen, dass der von den Antragstellern gewählte Dreiklang „Integration - Prävention - Repression“ einen ganz unangenehmen Beigeschmack hat. Kriminologische Untersuchungen zeigen: Jugendkriminalität ist, anders als Sie uns das suggerieren wollen, kein Ausländerproblem.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Editha Lorberg [CDU]: Das haben wir über- haupt nicht gesagt!)

Ich sage Ihnen an dieser Stelle für die SPDFraktion ganz deutlich: Wer das Problem der Jugendkriminalität auf diese Weise zu ethnisieren

versucht, der verkennt die Realitäten und zündelt mit höchst problematischen Vorurteilen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Dagegen wehren wir uns auch und gerade im Namen aller Migrantinnen und Migranten in Niedersachsen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, jetzt könnte man den Autoren des Antrags möglicherweise zugute halten, sie hätten sich bei der Überschrift keine Gedanken gemacht. Das könnte man noch entschuldigen. Aber auch im Antragstext finden sich derartige Verkürzungen. Der Satz „Ein bezogen auf den Bevölkerungsanteil überproportionaler Anteil der Tatverdächtigen ist nichtdeutscher Herkunft.“

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das ist so!)

ist nur auf den ersten Blick zutreffend. Ich will damit Folgendes ganz deutlich sagen, da es insbesondere auf dieser rechten Seite - Herr Biallas, Sie haben das gerade wieder bestätigt - noch nicht angekommen zu sein scheint:

(Hans-Christian Biallas [CDU] und Editha Lorberg [CDU]: Was denn?)

Entscheidend für die Anfälligkeit für Kriminalität ist nicht die Herkunft, sondern sind die familiäre, die soziale Lage sowie die Bildungsperspektiven der Jugendlichen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Vor diesem Hintergrund wäre es sicherlich besser gewesen, Sie hätten Ihren Antrag mit „Bildung, Bildung, Bildung“ überschrieben.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Aber ein solches Umdenken dürfen wir von den sturköpfigen Verfechtern des gegliederten Schulsystems wohl nicht erwarten.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Weil Sie sich aber weigern, die wahren Ursachen von Kriminalität zur Kenntnis zu nehmen, laufen viele Ihrer vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen geradezu zwangsläufig ins Leere. Mit anderen Worten: Selbst wenn all das, was Sie hier aufge

schrieben haben, mit sofortiger Wirkung umgesetzt würde, was ja, wie Sie wissen, nicht geht, weil vieles in Bundeszuständigkeit liegt, dann würde sich dadurch an der Jugendkriminalität so gut wie nichts ändern, weil Sie an den Symptomen herumdoktern, ohne die Ursachen in den Blick zu nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte ein paar Ihrer Vorschläge ansprechen. Zunächst zum Punkt „Stärkung der Hauptschulen“. Sehen Sie sich die Anmeldezahlen für diese Schulform an, dann werden Sie erkennen, dass diese Schulform stark gefährdet ist und dass Ihre Maßnahmen nicht gegriffen haben.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Weil Sie sie ständig schlecht reden!)

Wer Kinder schon nach der vierten Klasse sortiert und in Schulformen schickt, die als solche keine Perspektive mehr haben, der ignoriert die zentralen bildungspolitischen Herausforderungen der Gegenwart. Das halte ich für schlicht fahrlässig.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)