Protokoll der Sitzung vom 07.05.2008

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Adasch hat ja sehr ausführlich berichtet, dass dieses Thema im Rechtsausschuss in breiter Einmütigkeit behandelt worden ist. Es ist kein Hochkonfliktthema. Aber ich denke, dass man die Bedenken, die der Kollege Adler geäußert hat, dennoch als erwähnenswert betrachten sollte und dass man die Frage, die er aufgeworfen hat, ob hier nämlich in unzulässiger Weise das Recht einer Minderheitsfraktion beschnitten wird, beantworten sollte.

Man kann sich der Frage auf mehreren Wegen nähern. Der erste ist der juristische Weg, und der ist relativ einfach. Juristisch passt das Ganze jetzt. Verfassung und Verfassungsschutzgesetz sind kompatibel. Das Quorum sowohl in der Verfassung als auch im Gesetz beträgt jeweils ein Fünftel.

Man kann sich dem Problem mathematisch nähern.

(Oh! bei der LINKEN)

- Na ja, auch Juristen haben Ahnung von Mathematik, man mag es manchmal nicht glauben - einige zumindest. - Der Kontrollausschuss hatte in der zurückliegenden Wahlperiode nur sieben Mitglieder. Ein Mitglied konnte Akteneinsicht oder die Anhörung einer Auskunftsperson beantragen. Hätte er nun wieder sieben - er hat jetzt dreizehn - Mitglieder und wendete man das Quorum von einem Fünftel an - ein Fünftel von sieben sind 1,4 -, dann sähe man, dass die Änderung, mathematisch betrachtet, nicht allzu groß ist.

Man kann sich dem Thema auch rechtsvergleichend nähern und prüfen, was andere Länder machen. Wenn man sieht, was andere Länder machen, wird man feststellen, dass es keine einheitliche Praxis gibt. Es gibt einige Bundesländer, in deren Kontrollgremien Beschlüsse, Auskunft zu verlangen, nur mit Mehrheit gefasst werden können. In anderen kann es in der Tat eine Person machen. Lieber Herr Adler, das hat aber einen

Haken: Manche Minderheitsfraktionen sind in Kontrollgremien mancher Bundesländer einfach nicht vertreten. Dann nützt es auch nichts, wenn eine Person oder ein Mitglied eines Ausschusses einen entsprechenden Antrag stellen kann.

Aus den vorgenannten Gründen sieht man eigentlich schon, dass das, was hier in Niedersachsen jetzt geändert werden soll, nichts allzu Großartiges ist, eher eine Maginalie. Hier wird nicht mit dem Säbel, allenfalls mit dem Degen gefochten.

Aber man kann sich dem Thema natürlich auch politisch nähern, und das will ich versuchen. Dazu muss man sich die Frage stellen: Wozu dient eigentlich dieser § 25 des Verfassungsschutzgesetzes? - Er dient natürlich in allererster Linie dazu, die Bürger dieses Landes vor der Überschreitung von Machtbefugnissen durch den Verfassungsschutz zu schützen. Das ist richtig. Solche Überschreitungen hat es in der Vergangenheit gegeben. Aber diese Bestimmung dient natürlich auch dazu, Herr Adler, den Verfassungsschutz davor zu schützen, dass er durch ungerechtfertigte Kontrollen in seiner Arbeit behindert wird.

Dazu müssen wir eines bitte klarstellen: Der niedersächsische Verfassungsschutz ist keine Truppe von Schlapphutträgern, die alle potenzielle Halbkriminelle sind, sondern dieser Verfassungsschutz, lieber Herr Adler, hat in den letzten 20, 30, 40 Jahren in Niedersachsen maßgeblich dazu beigetragen, dass wir hier stabile demokratische Verhältnisse haben. Dieser Verfassungsschutz hat in den letzten Monaten in, wie ich finde, anerkennenswerter Weise dazu beigetragen, Gewalttaten aus dem rechtsextremistischen Lager zu verhindern. Ich denke, dass der Verfassungsschutz daher auch in diesem Parlament Anerkennung erfahren muss.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Toepffer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Sohn?

Aber selbstverständlich.

Herr Dr. Sohn, Sie haben das Wort.

Herr Kollege, verstehe ich Sie richtig, dass das, was Sie eben als Begründung anführten, im Kern

die Notwendigkeit des Schutzes der Exekutive vor zu viel Fragerei der Legislative beinhaltet?

Nein, Herr Sohn, Sie haben mich nicht richtig verstanden. Wenn Sie mir bis zum Schluss zuhören, werden Sie mich aber vielleicht verstehen.

Meine Damen und Herren, man kann sich dem Problem auch auf ganz andere Weise nähern, nämlich aus dem Selbstverständnis dieses Parlaments heraus. Herr Sohn, wenn Sie in Ihrer Fraktion - so habe ich den Kollegen Adler verstanden - unterstellen, dass die jetzige Gesetzesänderung nicht ausreichend ist, um die Rechte Ihrer Fraktion zu wahren, dann unterstellen Sie im Grunde zweierlei. Ad 1 unterstellen Sie, dass es im Bereich des Verfassungsschutzes zu Fehlern und zum Missbrauch der Machtbefugnisse kommt, die der Verfassungsschutz hat.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das kann überall passieren!)

- Ja, genau, vollkommen richtig. Deswegen ist diese Unterstellung natürlich auch erlaubt.

Bei der zweiten Unterstellung müssen wir vorsichtig sein. Sie unterstellen nämlich auch, dass eine große, überwältigende Mehrheit dieses Hauses - mehr als vier Fünftel, zumindest was den erwähnten Ausschuss angeht - bereit ist, einen offensichtlichen Missbrauch im Bereich des Verfassungsschutzes zu tolerieren, das Frage- und Auskunftsrecht nicht auszuüben und insoweit Ihre Kontrollrechte zu beschneiden. Herr Sohn, das glaube ich nicht. Trotz allem, was uns voneinander trennt, bin ich mir in einem sicher - das gilt, glaube ich, für jede einzelne Kollegin und jeden einzelnen Kollegen in diesem Haus -: Sobald wir feststellen werden, dass der Verfassungsschutz in irgendeiner Weise über das hinausgeht, was wir ihm zubilligen, werden jede Kollegin und jeder Kollege in diesem Hause ihre bzw. seine Rechte ausschöpfen, um die nötige Kontrolle auszuüben.

(Beifall bei der CDU)

Insofern glaube ich, dass dieses Gesetz eine ganz vernünftige Balance zwischen einer wehrhaften Demokratie einerseits, die auf einen Verfassungsschutz angewiesen ist, und den parlamentarischen Rechten einer Minderheitsfraktion andererseits darstellt. Wer das nicht glauben will, möge einmal nach Hessen blicken. In Hessen sind zwar fünf Parteien im Landtag vertreten, aber sind in der zuständigen Kontrollkommission nur vier Parteien

vertreten. Das ist in Niedersachsen anders. In Niedersachsen werden auch nach der Änderung dieses Gesetzes alle fünf Fraktionen im Kontrollgremium vertreten sein. Das wird der eine oder andere eventuell merkwürdig finden, weil wir dann in eine Situation kommen, in der vielleicht diejenigen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, den Verfassungsschutz auch kontrollieren dürfen. Ich persönlich bin der Meinung, dies ist ein Ausdruck von großer Souveränität und einem sehr großen demokratischen Selbstbewusstsein. Deswegen wird die CDU-Fraktion diesem Gesetzentwurf selbstverständlich zustimmen. - Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der CDU und Bei- fall bei der FDP)

Danke schön. - Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Kollege Tonne das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir reden heute hauptsächlich über organisatorische Änderungen bezüglich des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, die - das will ich vorwegnehmen - auf die Zustimmung der SPD-Fraktion treffen. Zum einen soll der Ausschuss vergrößert werden. Bei Beibehaltung der vorherigen Größe und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass jede Fraktion einen Sitz im Ausschuss erhalten soll, hätten die Regierungsfraktionen im Ausschuss ihre Mehrheit verloren. Wir als Opposition hätten damit logischerweise weniger Probleme gehabt. Da Sie eine solche Lösung allerdings nicht wollten, soll der Ausschuss nun von 7 auf 13 Sitze vergrößert werden. Zum anderen soll das Quorum für Anträge auf Anhörung von Auskunftspersonen von einer Person auf ein Fünftel der Mitglieder angehoben werden. Auch hier sind bei uns die Bedenken, es bei dem vorherigen Quorum zu belassen, nicht allzu groß. Wir haben keine allzu große Angst vor Anträgen der hier im Landtag vertretenen Parteien. Andererseits - auch das muss man feststellen - entspricht der Vorschlag der Regelung in vergleichbar großen Ausschüssen.

Dass nunmehr alle Fraktionen im Ausschuss für Verfassungsschutzangelegenheiten vertreten sind, ist ein richtiges Signal. Wir signalisieren damit deutlich: Der Verfassungsschutz ist demokratisch legitimiert und wird demokratisch, weil eben parlamentarisch, kontrolliert. Es erfolgt nicht eine Kontrolle durch die Regierung, sondern eine Kontrolle

durch den Niedersächsischen Landtag. Wir machen damit aber auch deutlich - derzeit erleben wir diesbezüglich ein schlechtes Beispiel auf Bundesebene -: Weder Nachrichtendienste noch der Verfassungsschutz entfalten ein Eigenleben, welches sich möglicherweise neben staatlichen Strukturen entwickelt. Einen Geheimdienst, der aus dem Ruder läuft, der sich der Kontrolle durch die dafür demokratisch legitimierten Politikerinnen und Politiker entzieht, kann sich ein Rechtsstaat nicht leisten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In diesem Zusammenhang sage ich auch in aller Deutlichkeit, dass es sich die SPD-Fraktion nach wie vor wünschen würde, den Verfassungsschutz nicht einfach dem Innenministerium zuzuordnen, wie es jetzt gerade geschieht, sondern dafür ein eigenständiges Landesamt zu organisieren, wie es dies früher gab.

(Beifall bei der SPD)

Nach Ihrem Modell üben der Innenminister und sein Staatssekretär im Wesentlichen die Aufsicht aus. Im Falle eines Landesamtes obliegt die Aufsicht ganz allgemein der ministeriellen Aufsicht, aber eben auch unter Heranziehung weiterer hierzu berufener Bediensteter. Das wäre ein besseres Modell und würde auch zu einer besseren Kontrolle führen. Ich frage mich wirklich, warum wir erst auf den nächsten wie auch immer gearteten Skandal warten wollen, bevor wir über effiziente Aufsicht und Kontrolle reden. Das könnte man auch jetzt haben.

(Beifall bei der SPD)

Wenn es nun einen größeren Ausschuss gibt, will ich für meine Fraktion deutlich sagen, dass wir in dem neuen, größeren Ausschuss genau den gleichen Umfang an Informationen erwarten. Die Erhöhung der Quantität der Mitglieder darf nicht zu einem Rückgang an Informationen und Berichterstattung führen. Hier gleich ein konkretes Beispiel: Wenn der Innenminister wie im letzten Plenum erklärt, es gebe keine neuen Hinweise auf die Verfassungsfeindlichkeit der NPD, werden wir uns das Recht herausnehmen, den Verfassungsschutz im Ausschuss dazu selber zu befragen. Hierzu erwarten wir eine umfassende Erläuterung.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Wir sind überzeugt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes eine gute Arbeit leisten und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist. Gleichzeitig ist es unser Anliegen, in der Öffentlichkeit durch effiziente Kontrolle um Vertrauen in den Verfassungsschutz zu werben. Wir werden der Gesetzesänderung zustimmen, bestehen aber auch auf den gerade eben aufgezeigten Rahmenbedingungen. - Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Briese das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich über den Redebeitrag des Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Herrn Toepffer, ein bisschen gewundert. Das Hohelied der Rechtsstaatlichkeit der Geheimdienste ist momentan in der Bundesrepublik eigentlich nicht angebracht. Wir haben derzeit auf Bundesebene ein großes Problem, zumindest mit dem BND. Es gibt dazu parlamentarische Untersuchungsausschüsse. Es gibt dort eine große Verärgerung über die Kontrolle. Vieles hat sich verselbstständigt. Erst kürzlich - das wissen Sie - hat der BND eine E-Mail einer Spiegel-Redakteurin überwacht, obwohl er dazu nicht autorisiert war. Die Verärgerung in der Politik darüber war groß. Deswegen kann ich es nicht so ganz verstehen, wenn hier das Hohelied der Geheimdienste und der Rechtsstaatlichkeit gesungen wird.

An dem Eingangsstatement meiner Rede können Sie schon erkennen, dass wir entgegen der ursprünglichen Abstimmung im Ausschuss der Gesetzesänderung heute nicht zustimmen werden. Wir haben nochmals beraten und haben uns die Einzelheiten noch einmal ganz genau angeschaut. Wir werden der Änderung nicht zustimmen, weil es gar keinen Grund gibt, die Rechte des Parlaments auf Kontrolle des Verfassungsschutzes zu beschneiden oder zu reduzieren. Es ist zwar einerseits sehr generös, wenn gesagt wird: Natürlich haben alle Fraktionen weiterhin Zutritt zum Verfassungsschutzausschuss. - Andererseits wird man trotzdem das Gefühl nicht los, dass die heute zur Beschlussfassung anstehende Gesetzesänderung so etwas wie eine Lex Linke ist. Die entsprechenden Kontrollrechte der Linkspartei sollen ein Stück

weit beschnitten werden. Jedenfalls hätte der einzelne Parlamentarier dann nicht mehr das Recht, eine von ihm gewünschte Berichterstattung einzufordern. Das finden wir aus zwei Gründen nicht richtig - das will ich Ihnen genau sagen -: Der eine Grund ist der, dass die Grünen da gleich mit verhaftet werden. Das ist natürlich nicht in Ordnung. Auch unser Vertreter kann dann nicht mehr allein entsprechende Berichterstattungen einfordern. Das ist auch ein Stück weit unfair. Der zweite Grund ist, dass jede Fraktion im Landtag eine entsprechende Berichterstattung durch den Verfassungsschutz einfordern können muss und nicht auf andere Parlamentarier oder andere Gruppen angewiesen sein sollte. Das ist für uns ganz wichtig.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Daran zeigt sich nämlich das demokratische und das rechtsstaatliche Verständnis eines entsprechenden Kontrollausschusses. Ich will hinzufügen: Manches, was die Linkspartei betrifft, erinnert ja auch an die Anfänge der Grünen. Auch uns hat man in den Parlamenten nicht ganz getraut. Man hat es uns im Hinblick auf die Kontrollbefugnisse sehr schwer gemacht. Erst dadurch, dass wir diese parlamentarischen Rechte bekommen haben, ist auch das rechtsstaatliche Bewusstsein gewachsen. Das - das ist manchmal jedenfalls mein Eindruck - versteht der Innenminister dieses Landes nicht. Rechtsstaatliches Bewusstsein oder Demokratie, Herr Schünemann, entwickeln Sie dadurch, dass Sie rechtsstaatliche und demokratische Verfahren ermöglichen. Misstrauen aber unterstützt eher Misstrauen. Rechtsstaatliche Verfahren untermauern eigentlich stärker rechtsstaatliche Verfahren.

Kurz und gut: Wir wollen diese starken Kontrollrechte aufrechterhalten. Wir halten die vorgesehene Änderung nicht für richtig und werden deshalb nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Danke schön. - Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt Herr Kollege Adler das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Toepffer, dass wir in diesem

Ausschuss als Fraktion vertreten sind, verdanken wir nicht der Großzügigkeit der hier anwesenden Mehrheitsfraktionen, sondern der Tatsache, sondern dass uns in Artikel 20 Abs. 2 der Niedersächsischen Verfassung ein entsprechender Anspruch garantiert ist. Darüber konnten Sie sich nicht hinwegsetzen.