Protokoll der Sitzung vom 07.05.2008

Bitte nehmen Sie das einmal zur Kenntnis! Am Ende werden Sie feststellen: Die Mehrheit der Eltern in diesem Land ist für das gegliederte Schulwesen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf Folgendes hinweisen: Alle Fraktionen haben noch Redezeit. Man muss die Argumente also nicht zwingend über Zwischenrufe einbringen. Alle haben die Chance, sich zu Wort zu melden und die Argumente vom Redepult aus vorzutragen.

Das Wort hat der Kollege Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Försterling, ich weiß nicht, wie viele Kinder im schulpflichtigen Alter Sie haben. Ich empfehle Ihnen jedenfalls einen Blick auf die Realitäten.

Ich persönlich komme aus einer Stadt mit 130 000 Einwohnern, die noch zwei Hauptschulen hat. Im letzten Jahr haben sich sage und schreibe 14 Eltern dafür entschieden, ihre Kinder auf eine dieser beiden Schulen zu schicken. Sie können sich ausrechnen, dass das nicht ausreicht, um die Existenz dieser Schulen zu sichern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Gegenteil: Sie sind schlicht und einfach von den Eltern abgewählt worden.

Herr Wulff, Sie haben bei der Landtagswahl ein Wahlergebnis eingefahren, das beispiellos war. Sie haben bei dieser Wahl mehr als 25 % an Stimmen verloren. Wir alle gemeinsam haben gespürt, wie niedrig die Wahlbeteiligung war und wie schwierig es ist, das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler zu gewinnen.

In diesem Tagungsabschnitt stehen zwei Volksinitiativen auf der Tagesordnung. Sie sind gescheitert, weil das Quorum so hoch angelegt ist,

(David McAllister [CDU]: Weil Sie es nicht geschafft haben!)

dass es kaum zu überspringen ist. Wir haben in den letzten Jahren erlebt - und ganz besonders erleben wir das in den letzten Wochen -, dass nach der Wahl nicht mehr alles gilt, was vor der Wahl

von dieser Landesregierung und den Regierungsfraktionen erklärt wurde.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Da- vid McAllister [CDU]: Quatsch! - Björn Thümler [CDU]: Beweise!)

Wir erleben beim Turboabitur den Protest der Eltern. Wir erleben, wie Sie über die Rechte der Lehrerinnen und Lehrer hinweggehen; und wir erleben den Niedergang der Hauptschule in ganz vielen Städten und Regionen in Niedersachsen.

Meine Damen und Herren, 2 900 Kinder wollten im letzten Schuljahr auf eine Gesamtschule oder eine KGS gehen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Es werden ja immer mehr!)

Dahinter stehen fast 6 000 Eltern. Sie haben ihnen das verweigert. Diese Eltern wollten eigentlich nur eines: Sie wollen nämlich das Beste für ihre Kinder - das Beste an Zukunftschancen. Das sind dieser Staat und dieses Land ihnen schuldig.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

In dieser Situation sagen Sie, Frau Heister-Neumann: Der politische Wille ist wichtiger als der Elternwille. - Meine Damen und Herren, da fühle ich mich doch etwas an absolutistische Zustände erinnert. Ich denke da an das Staatsverständnis einer vergangenen Epoche.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: L’état, c’est moi!)

Da hat mal jemand gesagt: „Der Staat bin ich.“ Das ist heute mit gutem Recht nicht mehr unser Verständnis von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Ein bisschen weit hergeholt!)

Meine Damen und Herren, Sie haben über Jahre hinweg ignoriert, dass sich die Eltern bessere Schulen wünschen,

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Wir sind doch in der Beratung des Gesetzes!)

dass sie sich wünschen, dass es in diesem Land weniger Schulabbrecher gibt, Herr Klare. 8 % sind ein Skandal.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Hans- Werner Schwarz [FDP]: Wo waren wir denn früher? Wo kommen wir denn her?)

Die Kinder müssen mehr Spaß am Lernen haben, um am Ende auch erfolgreich zu sein. Heute sagt Ihnen jeder Hirnforscher, dass das ganz wichtig ist. Und ganz viele Eltern sagen: Wir wollen, dass unsere Kinder länger gemeinsam lernen. - Wer dann sagt: „Der Staat bin ich“,

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das haben Sie doch gesagt!)

der wird Sturm ernten. Und wie Sie in den letzten Tagen gesehen haben, haben Sie schon Sturm geerntet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wahlergebnis ist ein Warnschuss für die Regierung Wulff. Die beiden Fraktionsvorsitzenden der Regierungskoalition, die das verantworten, haben beide keine Kinder im schulpflichtigen Alter. Ich glaube, die mangelnde persönliche Erfahrung in diesem Bereich ist auch ein Grund dafür, dass wir an dieser Stelle nicht vorankommen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der CDU: Jetzt hört es aber auf!)

Herr Försterling, wir brauchen endlich eine Kehrtwende, wir brauchen eine Neuausrichtung der Bildungspolitik. Sonst gilt das, was Ludwig Börne, ein Vorreiter der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, schon im 19. Jahrhundert sagte: „Regierungen sind Segel, das Volk ist Wind, der Staat ist Schiff, die Zeit ist See.“

(Ulf Thiele [CDU]: Peinlich so was!)

Wenn dieses Bild gilt, dann sind Sie und Ihre Regierung, Herr Wulff, das Riff.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Weitere Wortmeldungen zu Tagesordnungspunkt 1 b liegen mir nicht vor.

Ich eröffne die Beratung zu Tagesordnungspunkt 1 c:

Welthunger und steigende Lebensmittelpreise bekämpfen: Forschungsfreiheit statt Feldbe

setzung! - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 16/144

Ich erteile dem Abgeordneten Grascha von der FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die größte globale Aufgabe der Zukunft ist mit großer Sicherheit, die Verfügbarkeit von Lebensmitteln und von Energie sicherzustellen. In vielen Ländern ist deshalb der soziale Frieden bedroht. Auch in Deutschland, meine Damen und Herren, sind besonders Menschen mit mittleren und kleinen Einkommen von den drastisch gestiegenen Lebensmittel- und Energiepreisen betroffen. Dieser globalen Verantwortung und damit den Ursachen müssen wir uns stellen, auch um den Wohlstand in unserem Land zu sichern.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Bei steigenden Bevölkerungszahlen, bei stärkerer Nutzung von Pflanzen zur Energiegewinnung und bei zurückgehender landwirtschaftlicher Nutzfläche ist es ein Gebot der Menschlichkeit, landwirtschaftliche Produkte besser zu nutzen. Nach Berechnungen internationaler Banken muss die Nahrungsmittelproduktion bis 2025 um ca. 50 bis 70 % gesteigert werden - allein um der wachsenden Weltbevölkerung gerecht zu werden. Das ist eine Megaaufgabe. Diese Megaaufgabe lässt sich nur mit mehr Forschung lösen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Auch die grüne Gentechnik kann ein Instrument zur Lösung dieser globalen Aufgabe sein. Wer Forschung bei uns und damit den globalen Wettbewerb verhindert, versündigt sich an Millionen Menschen, die jeden Tag um Nahrung und das Überleben kämpfen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Kinder sind von diesem Schicksal besonders hart getroffen. Die FDP-Fraktion kämpft deshalb für forschungsfreundliche und verlässliche Rahmenbedingungen. Nur wenn geforscht wird, können Chancen und Risiken identifiziert werden. Nur wenn auch bei uns geforscht wird, können Innovationen entstehen und damit der Wohlstand gesichert werden.