Einzige (abschließende) Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Abfallgesetzes - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 16/25 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt und Klimaschutz - Drs. 16/102
Erste Beratung: Es kann nur einen geben - den Häuserkampf um das Altpapier beenden - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/109
Zu Tagesordnungspunkt 4 ist eine mündliche Berichterstattung vorgesehen. Herr Abgeordneter Seefried von der CDU-Fraktion, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der federführende Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimme des Mitglieds der Fraktion der Linken, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Dem hat sich der mitberatende Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen angeschlossen.
Neben den im Entwurf enthaltenen terminologischen Anpassungen an europa- und bundesrechtliche Vorschriften liegt der wesentliche Inhalt des Gesetzes darin, in § 24 die bisher für die Verbringung von Abfällen zur Beseitigung aus Niedersachsen bestehende Genehmigungspflicht durch eine Anzeigepflicht zu ersetzen. Dies soll nach der Begründung des Entwurfs, der sich die Mehrheit im Ausschuss angeschlossen hat, der Deregulierung dienen. Demgegenüber hat der Vertreter der Fraktion der Linken erklärt, die für die Änderung angeführte Begründung sei für ihn nicht überzeugend. Er hat dementsprechend dagegengestimmt.
Damit komme ich zum Ende meines kurzen Berichts und bitte Sie, entsprechend der Empfehlung des Ausschusses zu beschließen.
Herzlichen Dank, Herr Seefried. - Zur Einbringung des Antrags unter Tagesordnungspunkt 5 erteile ich Herrn Kollegen Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Uns liegen zwei Beratungsgegenstände vor: zum einen der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Abfallgesetzes in der Drucksache 16/25, der im Wesentlichen Anpassungen an das Europarecht vornimmt. Diesem Gesetzentwurf wird meine Fraktion zustimmen.
Zum anderen liegt uns in der Drucksache 16/109 ein Antrag meiner Fraktion zum Thema Altpapierentsorgung in Niedersachsen vor. Sie alle haben in den letzten Wochen der Presse entnommen oder direkt in Ihren Kommunen - wenn Sie in Hannover, Gifhorn, Lüneburg oder Northeim wohnen - erlebt, was sich zurzeit am Markt abspielt. Nach einem OVG-Urteil, das eine neue Rechtslage geschaffen hat, ist eine aberwitzige Entwicklung eingetreten. Private Entsorger sind neuerdings am Markt präsent und haben zum Teil Zehntausende von Tonnen an die Haushalte verteilt, um die Altpapierentsorgung in privater Hand zu gestalten. Hintergrund ist der steigende Preis für Altpapier: Etwa 95 Euro werden heute für eine Tonne Altpapier gezahlt. Vor diesem Hintergrund ist es natürlich für private Entsorger lukrativ, sich aus dem gesamten Bereich der Wert- und Abfallstoffe, die im Haushalt anfallen, ganz gezielt einen einzelnen herauszugreifen - sie betreiben praktisch Rosinenpickerei -, der am
Markt gut absetzbar ist und dort einen guten Preis erzielt. Sie nehmen die Gewinne mit, aber überlassen den gesamten Rest der Abfallentsorgung den Kommunen und damit auch dem Gebührenzahler; denn niemand anders trägt am Ende die Kosten.
Wir sind der Auffassung, dass dies keine sinnvolle Entwicklung ist. Wir haben Ihnen daher einen Antrag vorgelegt, der eine ganz klare Regelung zum Ziel hat. Zuständiger Gesetzgeber ist in diesem Fall der Bundesgesetzgeber. Deswegen möchten wir, dass die Landesregierung einen Vorstoß im Bundesrat unternimmt, um möglichst schnell Planungssicherheit für die Kommunen zu schaffen. Es kann nicht sein, dass sich die Privaten nur die Rosinen herauspicken und keine Verantwortung für das Ganze übernehmen,
wie es unsere entsorgungspflichtigen Körperschaften, in der Regel die Landkreise und kreisfreien Städte, tun.
Unser Vorschlag ist, dass die Verantwortung grundsätzlich bei den Kommunen liegen soll. Die Kommune kann sich aber im Einzelfall sehr genau entscheiden, wie sie vorgeht. Sie kann z. B. einen Eigenbetrieb beauftragen, wenn sie über einen solchen verfügt, oder für das gesamte Versorgungsgebiet oder Teile des Versorgungsgebiets gemeinnützige Vereine oder die Feuerwehr beauftragen und auf diesem Wege sicherstellen, dass eine flächendeckende Entsorgung erfolgt.
Die vierte Möglichkeit wäre, eine Ausschreibung vorzunehmen, um dann einen Privaten zu verpflichten, die Entsorgung vorzunehmen - aber dann bitte nach ganz klaren Regeln und unabhängig von der Marktentwicklung. Denn die jetzigen Regelungen können dazu führen, dass die Privaten das nur so lange machen, wie der Preis für das Altpapier stimmt. Wenn der Altpapierpreis aber wieder sinken sollte, könnte es passieren, dass sie sich wieder vom Markt zurückziehen und die Kommunen alleine dastehen und auf den Kosten sitzen bleiben. Das wollen wir nicht, das ist meines Erachtens eine Fehlentwicklung.
Ich möchte an dieser Stelle insbesondere an die CDU appellieren, sich die Situation in den Kommunen ganz genau anzugucken. Der Niedersäch
sische Landkreistag hat einen eigenen Vorschlag vorgelegt, der nicht ganz weit von unserem Vorschlag entfernt ist. Wir haben den Vorschlag aber noch um die Möglichkeit einer Konzessionierung erweitert.
Ich glaube, dass das am Ende für die Gebührenzahler die günstigere Möglichkeit ist und dass das, was Sie, Herr Minister Sander, kürzlich in der Presse geäußert haben, nämlich dass der freie Markt und das freie Spiel der Kräfte zu einer günstigeren Entsorgung führen, schlicht und einfach falsch ist. Denn die Privaten picken sich eben nur die Rosinen heraus und übernehmen nicht die Verantwortung für das Ganze.
Wenn man das Ganze dem freien Spiel der Marktkräfte überlässt, dann werden wir die Situation haben, dass der Gebührenzahler am Ende für all das eintreten muss, was Kosten verursacht, und sich die Privaten all die Wertstoffe herauspicken, die am Markt Gewinn versprechen. Das ist das Gegenteil von einer sinnvollen Abfallentsorgung, das hat mit Daseinsvorsorge nichts zu tun, und das sollten wir so schnell wie möglich beenden.
Meine Damen und Herren, der Herr Minister hat weiterhin vorgebracht, dass die von uns vorgeschlagenen Regelungen gegen europarechtliche Bestimmungen verstießen. Das möchte ich ganz deutlich zurückweisen. Auch der Niedersächsische Landkreistag hat ganz deutlich gesagt, europarechtlich steht diesen Regelungen überhaupt nichts entgegen. Das Europaparlament und der Ministerrat haben der Daseinsvorsorge einen neuen Vorrang eingeräumt, und man muss natürlich das Abfallrecht entsprechend europarechtskonform gestalten. Das ist aber überhaupt kein Problem. Am Ende geht es darum, denjenigen, die hier im Lande für die Abfallentsorgung Verantwortung tragen, auch wirklich Rechtssicherheit und Planungssicherheit zu gewähren und den Gebührenzahlern unter die Arme zu greifen, damit nicht sie am Ende praktisch als die Gelackmeierten dastehen.
Ich bitte Sie um Unterstützung unseres Antrages, und ich bitte Sie insbesondere, unsere fachlichen Argumente sehr genau zu prüfen. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die blaue Tonne ist schon ein Phänomen. Bis vor Kurzem ein Geheimtipp, nur in wenigen Regionen zu Hause, hat sie binnen Wochen einen regelrechten Siegeszug angetreten. Jetzt ist sie das Nonplusultra der Altpapierentsorgung. Sie ist fast ausverkauft. Altpapiersäcke und Papierbündel haben kaum noch eine Chance. Bald wird jeder Haushalt mindestens eine Tonne haben, einige Haushalte haben schon mehrere. Sie füttern sie mit Altpapier und nutzen sie manchmal auch für andere Dinge. In vielen Gemeinden fahren am Tag der Abfuhr Fahrzeuge verschiedener Entsorger durch die Straßen. Wird die Tonne des Konkurrenten entleert, droht Strafanzeige. Papierbündel werden von dem mitgenommen, der zuerst kommt. Aber auch in dieser Frage sind uns erste Klagen sicher. Wir haben einen echten Häuserkampf um das Altpapier. Der Kampf nimmt immer skurrilere Formen an und ist von Niedersachsen aus auch in andere Bundesländer geschwappt.
Nun kann man darüber schmunzeln und sich amüsieren. Aber das Lachen vergeht einem schnell, wenn man sich die Folgen vor Augen hält. Hier werden wir hautnah erleben, was Privatisierung in einem ganz kleinen, aber klassischem Bereich der Daseinsvorsorge bedeutet.
Wir erleben es direkt vor unserer Haustür, und wir werden es spätestens bei der Neufestsetzung der Abfallgebühren in unserem Geldbeutel merken. Wenn sich die Privaten die gewinnbringenden Rosinen herauspicken, bleiben für die ÖffentlichRechtlichen und damit für die Gebührenzahler und damit für uns alle nur die kostenintensiven Bereiche über.
Hier werden sehenden Auges Gewinne privatisiert und Kosten sozialisiert. Das darf nicht sein, meine Damen und Herren. Da müssen wir gegenwirken.
Diesen Zustand hat man vor wenigen Monaten wohl noch gar nicht richtig vorausgesehen. Die blaue Tonne zeigt uns aber sehr anschaulich, was passiert und was passieren kann, wenn die öffentliche Hand in den Bereichen der Daseinsvorsorge keine einheitlichen, verlässlichen Strukturen mehr bereithalten kann. Denn wer sagt uns eigentlich, dass das Interesse der Privaten an der Papierentsorgung immer so bleibt? Was passiert, wenn die Papierpreise wieder fallen? Was passiert in kleinen und abgelegenen Dörfern? Und was passiert, wenn, aus welchem Grund auch immer, das wirtschaftliche Interesse erlischt? Vor allem frage ich: Was passiert, wenn solche Ansätze sich auch auf andere Bereiche der Abfallentsorgung übertragen lassen?
Es gibt ja die Idee von Herrn Minister Sander, immer von Ihnen gefordert, die Hausmülltonne dem freien Spiel der Kräfte am Markt zu überlassen. Die blaue Tonne zeigt uns ganz deutlich, welche verheerenden Folgen so etwas haben würde.
Die blaue Tonne zeigt uns auch - das ist vielleicht das Positive an der ganzen Sache -, dass wir an einem guten System der Abfallentsorgung, gesteuert durch die öffentliche Hand, nicht rütteln dürfen. Dieses System hat sich bewährt, und wir müssen es schützen.
Die Auswüchse, die wir zurzeit beim Papier erleben, müssen korrigiert werden. Die Rechtsprechung der letzten Wochen hat es deutlich gemacht: Allein unter Bezug auf das öffentliche Interesse können Kommunen in ihren Bereichen kein einheitliches System mehr durchsetzen. Gerade gestern hat die Region Hannover einen Teil ihrer Untersagungsverfügung mit Blick auf die Rechtsprechung wieder zurücknehmen müssen. Hier ist Niedersachsen in der Pflicht. Hier sind die Länder, der Bund und auch Europa gefordert, geeignete Rechtsgrundlagen zu schaffen. Da hilft es nicht, Schwarzer Peter zu spielen, munter von einem zum anderen. Hier muss einfach gehandelt werden, Herr Minister. Ich weiß, dass Bund und Länder lange zögerlich waren in der Hoffnung auf eine Änderung in der Rechtsprechung. Noch vor wenigen Tagen hat die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft für Abfall auf den ordnungsrechtlichen Rahmen gesetzt. Aber die Entscheidungen der Gerich
Herr Sander, wenn Sie es wirklich ernst meinen mit niedrigen Gebühren, dann sind Sie jetzt in der Pflicht. Legen Sie Flinte und Säge beiseite, nehmen Sie Zettel und Stift oder meinetwegen auch Laptop. Setzen Sie sich dafür ein, dass Abfallgebühren nicht steigen, dass die ÖffentlichRechtlichen ihre Aufgaben auch weiterhin dauerhaft zum Wohle der Menschen in unserem Lande sicherstellen können. Kreise und Städte haben gezeigt, dass sie eine gute Arbeit leisten, dass sie sehr oft die Günstigsten sind. Das haben die Untersuchungen des Bundes der Steuerzahler zu den Abfallgebühren deutlich gemacht. Die Strukturen sind gut, sie sind wirtschaftlich und dürfen durch solche Auswüchse nicht gefährdet werden. Die Entsorger brauchen klare und verlässliche Regelungen, und dafür müssen wir jetzt sorgen.
(Starker Beifall bei der SPD - Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - David McAllister [CDU]: Das war aber nicht so doll für die erste Rede! Kein Wunder, dass Althusmann diesen Wahlkreis gewonnen hat!)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Der wilde, wilde Westen fängt gleich hinter Hamburg an.“ Dieser Ohrwurm der Countryband „Truck Stop“ stammt aus dem Jahr 1980 und beschäftigte sich damals nicht mit Altpapier oder dem Aufstellen von Papiertonnen, sondern mit Musik. Damals ging es nicht um Lüneburg, sondern um Maschen.