Protokoll der Sitzung vom 20.01.2010

produktion zu erhalten und die Interessen Niedersachsens zu wahren.“

Es sieht zurzeit nicht sonderlich gut aus. Es sieht schon gar nicht so aus, als sei die von uns, vom Niedersächsischen Landtag, gewünschte Reduzierung der Salzlast ohne Schwierigkeiten erreichbar.

Meine Damen und Herren, das Angebot der K+S AG zur Minderung der Laugeneinleitung ist ausgesprochen dürftig. Es ist in der vorliegenden Form eigentlich nicht akzeptabel.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In dem von der Firma angebotenen 360-MillionenEuro-Maßnahmenpaket sind unter dem Titel „IMK“ - dieser Titel ist allerdings neu; man denkt sich ja immer mal wieder etwas aus - letzten Endes alte Maßnahmen verpackt, z. B. die weitere Aufhaldung der festen Rückstände, die weitere Einleitung der Haldenwässer in Werra und Weser, die weitere Einleitung von Salzlaugen, zugestandenermaßen hier in etwas verringertem Umfang, und die weitere Verpressung von Laugen in den Untergrund, auch hier etwas sensibler als bisher, aber nach wie vor soll es weitergehen. Enthalten sind in dem Maßnahmenpaket auch die Option auf die Flutung weiterer Bergwerke und eine Pipeline. Mit welchem Ziel diese Pipeline gebaut wird, wo dann also entsorgt werden soll, ist noch offen. - So viel zur Vorgeschichte, meine Damen und Herren.

Wir alle - da spreche ich sicherlich für den ganzen Landtag - wollen einen guten Zustand von Werra und Weser.

(Zustimmung von Wolfgang Jüttner [SPD] und Ursula Körtner [CDU])

- Frau Körtner wird das gleich auch noch formulieren.

Darum liegt dieser gemeinsame Antrag von CDU, FDP und SPD vor, der seinerseits auf den Antrag der SPD aus dem August 2009 zurückgeht. Außerdem - wir haben es eben vom Präsidenten gehört - liegt uns ein Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen vor. Letzterer ist unserem Antrag sehr ähnlich geworden - der vorherige Antrag war noch etwas anders -, in manchen Passagen sind die Anträge sogar identisch. Aber Bündnis 90/Die Grünen schaffen es nicht, sich von der Option auf eine Nordseepipeline zu verabschieden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, Sie reichen damit K+S den kleinen Finger,

(Christian Meyer [GRÜNE]: Quatsch!)

und ich vermute, K+S wird die ganze Hand nehmen,

(Zustimmung von Dr. Gero Clemens Hocker [FDP])

nicht um sie zu streicheln, sondern um sie zu quetschen. K+S wird sich über das Pipelineangebot vor der Einführung der besten Technik drücken. K+S wird damit nicht vermeiden, sondern weiterhin entsorgen, und genau das wollen wir verhindern. Was nicht entsteht, muss nicht abgeleitet werden - das ist unser Ziel. Von daher jetzt die Bitte auch an Sie: Schließen Sie sich unserem Antrag an! Ändern Sie Ihren Antrag! Machen Sie aus den beiden neuen Punkten in Ihrem Antrag einfach einen neuen Antrag, den wir dann an anderer Stelle im Ausschuss noch einmal in Ruhe bearbeiten können!

Der aktuelle Antrag von CDU, FDP und SPD ist sehr gut. Er sagt alles Wichtige aus. Im Wesentlichen enthält er drei Punkte. Er fordert erstens, dass die Landesregierung sich dafür einsetzt, dass K+S zur Entsorgung der salzhaltigen Laugen die beste verfügbare Technik anwendet und Abwasserpipelines nicht unterstützt, zweitens, dass die Landesregierung alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten zur Erreichung dieses Ziels prüft und, drittens, dass sich die Landesregierung gegen die Fortschreibung der im November 2012 endenden Genehmigung für die Wasserhärte und den Chloridgehalt verwendet.

Zum ersten Punkt, der besten verfügbaren Technik, liegt uns eine Antwort von Herrn Dimas vor, die er im Namen der EU-Kommmission auf die Anfrage eines Kollegen aus dem Europaparlament geschrieben hat. Darin heißt es: „Die Kommission ist dabei, diese Beschwerde“ über die Kalilaugenentsorgung „einer technischen und juristischen Überprüfung zu unterziehen.“ Meine Damen und Herren, da kann noch etwas kommen. Herr Dimas verweist auf die IPPC-Richtlinie, die für Anlagen zur Herstellung entsprechender Düngemittel eine Genehmigung erforderlich macht, nach der die besten verfügbaren Techniken anzuwenden sind. Das ist ganz wichtig. Es heißt „die besten“, nicht irgendwelche gängigen, sondern die besten, und das erwarten wir von K+S. Nach dem Urteil des EuGH zur Emsvertiefung kann man wohl davon

ausgehen, dass die EU bei Umweltfragen auch in Zukunft sehr sensibel vorgehen wird.

Zum zweiten Punkt unseres Antrages: Die politischen Möglichkeiten, die die Landesregierung ergreifen soll, versuchen wir mit diesem Antrag in die Wege zu leiten. Die rechtliche Prüfung soll nach unserem Antrag die Landesregierung übernehmen und uns dann im Ausschuss entsprechend unterrichten. Ein Ansatz kann beispielsweise über die Wasserrahmenrichtlinie erfolgen. Das Einleiten von Salzlaugen in die Werra bzw. die Weser verstößt gegen die Wasserrahmenrichtlinie, die ab 2015 den guten Zustand erfordert. Niedersachsen hat absolut kein Interesse daran, dass durch hessische Ausnahmegenehmigungen K+S weiterhin Salzlaugen einleiten kann. Das schadet dem Ökosystem der Flüsse, das schadet dem Tourismus und damit einem wichtigen Zweig der niedersächsischen Wirtschaft.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Zum dritten Punkt: Wenn die Genehmigung für die Fortschreibung der Grenzwerte nicht verlängert wird, muss sich der Weltkonzern K+S tatsächlich um die beste Technik kümmern. Nach Aussagen von Fachleuten ist die Kalidüngerproduktion möglich, ohne Salzhalden anlegen zu müssen und Salzlaugen abzustoßen. Man muss sich nur einmal klarmachen: Die Salzhalden werden je nach Rechenmodell noch 700 bis 2 500 Jahre lang Salzlaugen abstoßen, die dann von Werra und Weser aufgenommen werden müssen. Das kann nun wirklich keiner wollen, und das ist auch niemandem zuzumuten.

Meine Damen und Herren, immer wieder dreht es sich um das Unternehmen K+S. Was kann man eigentlich von diesem Unternehmen verlangen? Wir reden hier von einem börsennotierten international tätigen Konzern. Von dem müsste man eigentlich erwarten können, dass modernste Technik angewandt wird, dadurch Arbeitsplätze langfristig erhalten und Umweltbelastungen minimiert werden. Modernste Technik heißt: Oberste Priorität hat das Vermeiden von Abfällen und, wenn das nicht möglich ist, dann zumindest die Verminderung in größtmöglichem Umfang. Nicht hinzunehmen ist aber das Entsorgen zulasten anderer, das Entsorgen zulasten von Werra und Weser, das Entsorgen zulasten Niedersachsens und - und das ist der Gipfel - das Entsorgen zulasten des Steuerzahlers.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Dr. Gero Clemens Hocker [FDP])

Es ist schon ein Stück aus dem Tollhaus, wenn K+S mit dem Gedanken an eine Nordseepipeline spielt, die Finanzierung aber anderen überlassen will, nämlich dem Steuerzahler in Niedersachsen. Das geht doch auf keinen Fall.

Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, und wir schauen eigentlich auch mit Sorge auf das Unternehmen. Was plant eigentlich ein Konzern, der sich modernster Technik verweigert, für die Zukunft? Wie lange wird er als internationaler Konzern mit Standorten weltweit hier noch produzieren? Es gibt durchaus einige besorgniserregende Aussagen aus dem Unternehmen. Insofern müssen wir bei all unseren Verhandlungen auch die Angst der Arbeitnehmer vor dem Verlust des Arbeitsplatzes sehr ernst nehmen.

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Es besteht aktueller Handlungsbedarf in doppelter Hinsicht. Die Arbeitnehmer brauchen eine verlässliche Aussage zur Arbeitsplatzsicherheit, und die Umwelt braucht die Anwendung modernster Technik zur Vermeidung weiterer Schäden. Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie alles unternimmt, um ein Optimum an Gewässerschutz zu erzielen, ohne einen einzigen Arbeitsplatz zu gefährden. Meine Damen und Herren, stimmen Sie alle diesem Antrag zu, damit er als unüberhörbares Signal in Hessen, in Thüringen und bei K+S wahrgenommen wird!

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile dem Kollegen Herzog von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Nach mir die Sintflut“ oder „soll doch der Unterlieger sehen, wo er bleibt“ - was die Landesregierungen von Thüringen und Hessen unter bewusster Ausgrenzung von Niedersachsen bei der Einleitung von Salzfrachten in Werra und Weser angerührt hatten, ist im Zeitalter umfassenden Umweltrechts, auch gerade von EU-Ebene her, kaum vorstellbar, aber es ist passiert. Da soll der Düngerproduzent K+S geschützt werden, indem man ihm veraltete

Technik und einen Umweltstandard zubilligt, der sich irgendwann als arbeitsplatzvernichtender Bumerang erweisen kann. Mit jahrzehntelangen Übergangsfristen, mit Scheinlösungen und möglicherweise extrem hohen Kosten für die öffentliche Hand - sprich: den Steuerzahler - sollen K+S vollkommen anachronistische Sonderrechte eingeräumt werden.

Gegen alles dies spricht EU-Recht sowohl in Form der Wasserrahmenrichtlinie als auch in Form des Wettbewerbsrechts; denn in anderen Ländern wird gefordert und umgesetzt, dass nicht irgendeine Technik, sondern die beste verfügbare einzusetzen ist, also keine Salzeinleitungen in Flüsse, keine Salzlaugenverpressungen in den Untergrund und kein Aufhalden riesiger Salzmengen mehr. Schon jetzt landen bis zu 80 % der verpressten Salzlaugen als sogenannte diffuse Einträge doch wieder in Flüssen. Allerdings nehmen sie dann den Umweg über Trinkwasserreservoire - ein Skandal, den die betroffene Gemeinde Gerstungen durch Gutachten nachgewiesen hat.

„Die Werra und das Grundwasser einer ganzen Region werden weiterhin den Profitinteressen eines Konzerns zulasten der Allgemeinheit geopfert.“

Dieses Zitat stammt nicht von mir oder von linken Systemveränderern, nein, es stammt vom Gerstunger Bürgermeister Werner Hartung.

(Zustimmung von Victor Perli [LINKE])

Der Trick von K+S hingegen ist leicht durchschaubar. Das Unternehmen erhöht durch Aussitzen und hohe Kreativität beim Etikettieren alter Weinschläuche den Druck auf Behörden und Politik, um so die notwendigen Investitionen lange hinauszuzögern und schließlich vom Staat Gelder in dreistelliger Millionenhöhe zu bekommen. Gleichzeitig brüstet sich die Firma über Milliardeninvestitionen, um weltweit Konkurrenten aufzukaufen. Dass dann mit veralteter Technik und staatlicher Genehmigung auch noch hohe Schwermetallfrachten in Gewässer geleitet und große Mengen von Rohstoffen weggespült anstatt genutzt werden, spottet jeder Beschreibung.

Aber ist es eine Lösung, wie die Grünen meinen, das Problem vor der regionalen hessischen Haustür dadurch zu beseitigen, dass man es durch eine Pipeline einfach ins niedersächsische Wattenmeer spült, mit allen ökologischen Unwegsamkeiten, wie z. B. den hohen Kalium- und Magnesiumfrachten, für Flora und Fauna? - Das Unternehmen K+S hat

klar gesagt, dass es eine womöglich 500 Millionen Euro kostende Pipeline nicht bezahlen kann und will. Insofern geht diese Forderung der Grünen schlicht ins Leere. Ich erkenne an, dass die Grünen ihre Forderungen jetzt stark reduziert haben. Aber es bleibt: Die Pipeline würde die gleiche Wirkung haben, als wenn man beim Kampf gegen Fettleibigkeit den Gürtel einfach weiterschnallt.

Meine Damen und Herren, ich bin froh über diesen gemeinsamen Antrag von CDU, SPD und FDP, aber ich bin nicht froh darüber, dass die Linken wiederum - entgegen unserem Angebot, diesen Antrag mitzugestalten und mitzutragen - ausgegrenzt worden sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die CDU lehnte einen gemeinsamen Antrag mit den Linken mit dem Hinweis auf den Unvereinbarkeitbeschluss der CDU gegenüber den Linken ab und begründeten das mit linker Programmatik. Nennen Sie mir bitte einen konkreten Punkt aus der Programmatik der Linken, einen einzigen Redebeitrag von meinen Kolleginnen und Kollegen und mir hier im Landtag mit grundgesetzwidrigen Inhalten! Wie lange wollen Sie noch mit der Mauer in Ihren Köpfen diesen politisch-ideologischen Popanz pflegen?

(Beifall bei der LINKEN)

Wie lange wollen die anderen Fraktionen - in diesem Fall die Mitantragsteller von der SPD; Herr Schneck, Sie haben die Ausgrenzung bei Ihrem Punkt gerade gegeißelt; Frau Rakow - diesem undemokratischen Stil Vorschub leisten und diese fadenscheinige Politallergie der CDU mittragen?

(Beifall bei der LINKEN)

Es stürzt nicht das Grundgesetz, sondern es nützt der Sache, wenn die Linken mit unter diesem Antrag stünde.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile dem Kollegen Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Über viele Jahrzehnte hinweg hat die Firma Kali + Salz auf die Anpassung ihrer Produktionsstätten an den Stand der Technik verzichtet. Das Unternehmen hat sich hinter den Unternehmen in der ehemaligen DDR versteckt, die damals noch deut

lich größere Mengen in die Süßwasserflüsse Weser und Werra eingeleitet haben. Im Zuge der Wiedervereinigung hat das Unternehmen K+S dann aus öffentlichen Mitteln größere Summen zur Sanierung seiner Werke erhalten. Offenbar aber hat das Management von K+S diese Chance nicht zur Umstellung auf modernste Produktionsmethoden genutzt. Offenbar war man im Management vielmehr der Auffassung, dass man die Flüsse weiterhin unbegrenzt als Abwasserkanal und die Nordsee als Abfallbecken benutzen könnte. Heute muss man feststellen, dass das Management in dieser Frage von grundsätzlicher Bedeutung für die Zukunft der Kaliindustrie versagt hat. Damit hat das Management die Arbeitsplätze in Hessen, in Thüringen und in Niedersachsen massiv gefährdet.

Meine Damen und Herren, im Moment ist zu befürchten, dass das K+S-Management lediglich auf Zeit spielt, um die Altlasten anschließend der öffentlichen Hand zu überlassen. Aber auch nach dem Ende der Kaliproduktion würden noch über Jahrhunderte große Laugenmengen von den Halden in die Flüsse getragen, wenn diese nicht wieder unter Tage verbracht werden. Gleiches gilt für diffuse Laugeneinträge aus dem Plattendolomit. Letztlich rechtfertigt nur diese Situation es, dass eine Fernentsorgung geprüft und gegebenenfalls realisiert wird, wenn gleichzeitig - ich sage: gleichzeitig - der Gesamtschadstoffeintrag in die Nordsee deutlich gesenkt wird.

Die bisherige Praxis von K+S trägt auch kriminelle Züge. Die diffusen Einträge aus dem Plattendolomit in benachbarte Grund- und Trinkwasserhorizonte müssen dem Management schon viel früher bekannt gewesen sein als der Öffentlichkeit. Daher sind auch strafrechtliche Aspekte, Haftungsfragen und Möglichkeiten der Durchgriffshaftung auf den Konzern und das Führungspersonal intensiv zu prüfen.