Protokoll der Sitzung vom 18.02.2010

(Ah! bei der SPD - Ministerin Elisa- beth Heister-Neumann: Das ist etwas ganz anderes! - Zurufe von der SPD)

Frau Kollegin Reichwaldt von der Fraktion DIE LINKE stellt die nächste Zusatzfrage.

(Anhaltende Zurufe von der SPD)

- Frau Kollegin, bitte warten Sie noch kurz, bis sich die Aufregung gelegt hat. Ich darf die Fraktionen darauf hinweisen: Hier besteht noch die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Das muss nicht quer durch den Plenarsaal sein.

(Zuruf von der SPD: Das wissen wir!)

Bitte schön, Frau Kollegin!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie haben eben erläutert, dass die konfessionsgebundenen Schulen, so auch die neue kirchliche Gesamtschule in Hinte, relativ frei sind in Bezug auf die Organisation und Gestaltung des Unterrichts. Vor dem Hintergrund, dass der Unterricht des Fachs Werte und Normen an dieser Schule nicht durchgeführt wird - entsprechende Informationen liegen uns vor -, die Eltern, weil sie eine integrative Erziehung für ihre Kinder wollen, ihre Kinder aber trotzdem dort anmelden werden, frage ich Sie: Wie bewertet die Landesregierung das zum einen im Hinblick auf das Recht der Schüler, Religionsunterricht gegebenenfalls abzuwählen, und zum anderen im Hinblick auf die Verpflichtung, das Fach Werte und Normen an öffentlichen Schulen zu unterrichten, wenn entsprechender Bedarf vorhanden ist?

(Zustimmung bei der LINKEN)

Frau Ministerin!

Erstens liegt kein Antrag vor. Zweitens werden auch keine Verhandlungen geführt. Drittens ist die Religionsfreiheit auch an konfessionell gebundenen Schulen gegeben. Im Übrigen gehe ich davon aus, dass die Eltern, die ihre Kinder an einer evangelischen oder katholischen Schule anmel

den, den religiösen Hintergrund mit berücksichtigen.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Kollege Borngräber von der SPD-Fraktion stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, vor dem Hintergrund der von Ihnen hervorgehobenen verlässlichen Vorhaltung des Angebots im öffentlichen Schulsystem möchte ich sehr gerne fragen: Wird die Landesregierung im Sinne des Gesetzes vom 12. Juli 2007 ihre Zustimmung zur Errichtung einer IGS in Trägerschaft der evangelischen Kirche erteilen, wenn der kommunale Schulträger im Sekundarbereich I keine öffentliche Schule mehr vorhalten kann - Beispiel Hinte?

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das gibt es nicht! - Frauke Heiligen- stadt [SPD]: Das ist eine Frage, die man mit Ja oder Nein beantworten kann!)

Frau Ministerin, bitte!

Noch einmal: Es liegt kein Antrag vor. Es werden keine Verhandlungen geführt. Im Übrigen gibt es bestimmte Regeln, nach denen Schulen in kirchlicher Trägerschaft genehmigt werden. Es gibt bestimmte Vereinbarungen mit der evangelischen Kirche, z. B. gibt es eine besondere Vereinbarung zum Adreaneum in Hildesheim. Der kommunale Schulträger muss aber auch zustimmen.

(Ralf Borngräber [SPD]: Dann werden wir wieder fragen, wenn der Antrag vorliegt!)

Frau Kollegin Korter stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss zunächst feststellen, dass die Ministerin unsere Fragen völlig unzureichend beantwortet hat.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Vor dem Hintergrund, dass die Landesregierung mit ihrer Vorschrift der Fünfzügigkeit bei öffentlichen Integrierten Gesamtschulen inzwischen einige kommunale Schulträger sozusagen in den Bankrott treibt, weil sie keine eigenen Gestaltungsmöglichkeiten mehr für ihre Schulstandorte haben, und die Kommunen, die einen Schulstandort erhalten wollen, aber aufgrund der vorgegebenen Schülerzahlen keine Genehmigung für die Einrichtung einer Gesamtschule erhalten, sozusagen dazu zwingt, ihre Trägerschaft aufzugeben und sie z. B. an die Landeskirche oder demnächst möglicherweise auch private Träger abzugeben, frage ich die Landesregierung: Wie ist das eigentlich noch mit dem Gleichheitsprinzip zu vereinbaren, wenn die öffentlichen Schulträger derartig diskriminiert und behindert werden, eine eigene Gestaltung ihrer Schullandschaft vorzunehmen?

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gleiches ist gleich zu behandeln, und Ungleiches ist ungleich zu behandeln. Freie Schulen haben eine besondere Funktion und Form; es gibt unterschiedliche Konzepte wie Waldorfschulen, kirchliche Schulen oder Schulen anderer freier Träger. Wir legen Wert darauf, dass diese Schulen nicht mit Schulen des öffentlichen Schulwesens gleichbehandelt werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Sie sind einem Missverständnis aufgesessen, Frau Kollegin. Alle Ihre Fragen sind durch die Regierung beantwortet worden. Aber Sie leiden darunter, dass Sie anderer Meinung sind als die Regierung. Damit müssen wir leben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Alle Fragen sind umfassend beantwortet worden.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Nein! Wir wollen eine Antwort! - Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Frau Kollegin, Sie haben gerade festgestellt, die Fragen seien nicht beantwortet worden. Die Regie

rung kann auf diese Feststellung antworten. Ich antworte für die Regierung, dass die Fragen umfassend beantwortet worden sind.

Es ist die Frage beantwortet worden, warum wir für die Fünfzügigkeit bei Gesamtschulen sind. Wir haben geantwortet, dass wir über einen Antrag auf Einrichtung einer Gesamtschule dann entscheiden, wenn er vorliegt und wir mit den Betroffenen - auch unter Anhörung der Schulträger - darüber gesprochen haben. Erst dann lässt sich beurteilen, in welcher Entfernung welche Schule liegt, ob sie noch gut erreichbar ist und ob die Landesregierung ihren Anspruch, eine öffentlich-rechtliche Schule wohnortnah, differenziert und begabungsgerecht vorzuhalten, erfüllt sieht oder nicht.

Es ist Aufgabe der Landespolitik, die Schulorganisation in Niedersachsen festzulegen. Sie wurde in Form des Schulgesetzes von der Mehrheit dieses Parlaments beschlossen.

(Zustimmung bei der CDU)

An diese Beschlüsse des Parlaments hat sich jeder Schulträger in Niedersachsen zu halten; und er hat sich in diesem Rahmen zu bewegen.

Wir haben begründet, warum wir gegen eine Gesamtschule sind, die mit mehreren Standorten zu arbeiten versucht. Wir meinen, Differenzierung und Niveau sind innerhalb einer solchen Gesamtschule nicht aufrechtzuerhalten. Wir führen Anfang März auch wieder Gespräche im Landkreis Osterholz über die verschiedenen involvierten Standorte, die wenige Kilometer auseinander liegen. Dann muss diese Frage gemeinsam besprochen werden, und wir werden darlegen, warum wir genehmigen oder nicht genehmigen.

Sie sollten Ihre innere Unzufriedenheit, die besteht, weil Sie es gerne anders machen würden, nicht in Beleidigungen der Landesregierung umwidmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist eine interessante Beantwortung der Frage! - Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Sie müssen akzeptieren, dass diese Landesregierung Wert darauf legt, dass das öffentlichrechtliche Schulwesen in Niedersachsen mehr als konkurrenzfähig ist.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das ist unglaub- lich!)

Wir haben im Jahr 2003 die Regierung in diesem Land übernommen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ist das eine Antwort? - Stefan Wenzel [GRÜ- NE]: Das ist keine Antwort! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Ich antworte auf die hier gestellten Fragen. Eben wurde genau diese Frage gestellt: Ist das öffentlich-rechtliche Schulwesen gegenüber den freien Schulen wettbewerbsfähig?

Als wir im Jahr 2003 angefangen haben, gab es in Niedersachsen 155 Ganztagsschulen. Heute sind es 880. Zum nächsten Schuljahresbeginn im Sommer werden es 1 100 Schulen mit Ganztagsangeboten sein. Das unterstreicht die Leistungsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Bildungswesens.

(Beifall bei der CDU)

Ich frage mich gelegentlich, warum Sie bis 2003 zwar überwiegend die absolute Mehrheit in diesem Land gehabt haben, aber auf diesem Feld in Bezug auf die Vielfalt des Bildungswesens nichts vorangebracht haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Warum werden eigentlich erst in unserer Regierungszeit jede Hauptschule mit einem Schulsozialarbeiter und nahezu jede Hauptschule mit einem Ganztagsangebot ausgestattet? Warum unterrichtet eigentlich erst jetzt an jeder Hauptschule das Kollegium fünf Stunden Deutsch und fünf Stunden Mathematik und vermittelt eine viel stärkere Berufsorientierung? Warum werden eigentlich erst jetzt die Hauptschule besser und die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss verringert? Warum ist das nicht schon zu Ihrer Zeit geschehen?

(Unruhe bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das sind doch die Fragen, die sich uns hier stellen, wenn Sie ständig insistieren, wir würden so wenig Gesamtschulen genehmigen, nachdem Sie fast keine einzige genehmigt hatten.