Protokoll der Sitzung vom 18.02.2010

Verhandelt wird dagegen mit der katholischen Kirche über die Weiterentwicklung bestimmter bereits bestehender Schulen in Kooperative, nicht Integrierte Gesamtschulen. Der Landtag ist über den entsprechenden Vertragsentwurf unter dem 9. Februar 2010 unterrichtet worden. Im Übrigen kann ich Ihnen hier sagen, dass keinerlei Verhandlungen mit Privatschulträgern über die Errichtung von Schulen geführt werden.

Zu 2: Aus pädagogischen und organisatorischen Gründen werden allgemeinbildende Schulen in der Regel an einem Schulstandort geführt. Das gilt sowohl für Schulen in öffentlicher als auch für Schulen in privater Trägerschaft. Von diesem Regelfall des einen Standorts kann insbesondere dann abgewichen werden, wenn dadurch ein vorhandener Gebäudebestand an einem anderen Standort sinnvoll genutzt werden kann, eventuell wesentlich günstigere Schulwege entstehen würden oder eine wesentlich günstigere räumliche Verteilung von Bildungsangeboten erzielt werden kann. Eine öffentliche Integrierte Gesamtschule hat aus den bereits genannten Gründen der Gewährleistung von Verlässlichkeit mindestens fünf Züge zu umfassen. Da die Schulen in freier Trägerschaft in ihrer inneren pädagogischen Gestaltung weitgehend frei sind, stellt sich bei diesen Schulen die Frage nach einer Mindestzügigkeit ohnehin nicht. Verbindliche Vorgaben, etwa zur Klassengröße und damit letztendlich auch zur Zahl der Züge, können den Privatschulträgern wegen der Privatschulfreiheit nicht gemacht werden. Bei einer insgesamt geringeren Schülerzahl und durch Aufteilung auf mehrere Klassen könnte man eh zu anderen Zügigkeiten kommen. Wenn man die Klassen

stärke insgesamt verringert, kann man auch Fünf- oder Sechszügigkeit erreichen.

Zu 3: Aus den in der Vorbemerkung bereits genannten Gründen wird gegenwärtig keine Veranlassung gesehen, die vom Gesetzgeber erlassenen Anforderungen an die Zügigkeit von Gesamtschulen in öffentlicher Trägerschaft zu ändern. Im Hinblick auf die Standortfrage geht das Schulgesetz von dem Grundsatz als Regelfall aus, dass Schulen als einheitliche Organisationseinheiten räumlich gebündelt an einem Schulstandort errichtet und auch fortgeführt werden. Soll im Einzelfall von diesem Grundsatz abgewichen werden, ist dann auch im Einzelfall zu prüfen, ob durch die örtlich getrennte Unterbringung von Schulteilen der innerorganisatorische Ablauf sowie die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben von Schulleitung, Konferenzen und folglich auch die Funktionstauglichkeit der Schule insgesamt nicht beeinträchtigt werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Kollegen Twesten von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt die erste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Vor dem Hintergrund, dass Frau Heister-Neumann soeben die besonderen pädagogischen Konzepte und Gestaltungsspielräume von Schulen in freier Trägerschaft erläutert hat, frage ich die Landesregierung: Welche konkreten negativen pädagogischen Erfahrungen bei bestehenden Gesamtschulen mit weniger als fünf Zügen sind Ihnen denn bekannt, die es immer noch rechtfertigen, an der Hürde von mindestens fünf Zügen bei der Neugründung festzuhalten?

(Beifall bei den GRÜNEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Umgekehrt wird ein Schuh draus! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Zum Beispiel die Verleihung des Deutschen Schulpreises ist so ein negatives Beispiel! Vierzügigkeit! Aus Niedersachsen!)

Frau Ministerin Heister-Neumann, bitte!

Ich habe bereits in den Eingangsbemerkungen dargestellt, warum wir an der Fünfzügigkeit für neu zu errichtende Gesamtschulen festhalten. Das hat etwas mit der Verlässlichkeit und der Stabilität der Schule für eine gewisse Dauer zu tun, vor allen Dingen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Das ist im Interesse der Schülerinnen und Schüler.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist wirk- lich witzig!)

Frau Kollegin Korter stellt die nächste Zusatzfrage.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin Heister-Neumann, ich frage Sie noch einmal vor dem Hintergrund, dass Sie gerade betont haben, es gehe um die Verlässlichkeit der Gesamtschulen, die gegründet werden. In Hessen hat die dortige schwarz-gelbe Landesregierung im Schulgesetz geregelt, dass Integrierte Gesamtschulen gegründet werden können, wenn sie voraussichtlich mindestens dreizügig geführt werden können. Warum ist die Niedersächsische Landesregierung nicht bereit, diesem Beispiel der hessischen Regierung, die kaum im Verdacht steht, rot-grüne Positionen zu vertreten, zu folgen? Die pädagogischen Einsichten in die erforderliche Zügigkeit müssen dort doch die gleichen sein wie in Niedersachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Ministerin, bitte!

Wir haben im Blick, dass wir auch in der Integrierten Gesamtschule eine bestimmte Anzahl von Schülerinnen und Schülern brauchen, um durchgehend bis zu einer gymnasialen Oberstufe ein hinreichend differenziertes Angebot für alle Schülerinnen und Schüler vorhalten zu können, da alle diese Schulen auch eine gymnasiale Oberstufe entwickeln wollen.

(Zuruf von Frauke Heiligenstadt [SPD] - Wolfgang Jüttner [SPD]: Es geht um Sek I! Das wissen Sie doch! Sie ge- ben doch gar keine Genehmigung für Sek II!)

Deshalb gehen wir davon aus - dies ist unser pädagogisches Konzept -, dass es sinnvoll ist, ein ausreichend differenziertes Angebot vorzuhalten.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das von der Frau Ministerin eben angesprochene Fundament öffentlicher Schulen ist ja auch in Niedersachsen an vielen Stellen durchbrochen, und zwar dort, wo die freien Träger die Schulen als Ersatzschulen anbieten und praktisch für die Region das einzig zumutbare Schulangebot darstellen. Das gilt auch für die beabsichtigte kirchliche Gesamtschule Pewsum-Hinte, die dort ein Konzept mit zwei Standorten und vier bis fünf Zügen umsetzen will. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Warum lehnt dann die Landesschulbehörde den Antrag des Landkreises Osterholz-Scharmbeck ab, der an drei Standorten mit fünf Zügen arbeiten will, obwohl - das sage ich ganz deutlich - alle Kriterien, die Sie eben in Ihrer Antwort genannt haben, dort vor Ort erfüllt sind?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Ministerin!

Uns liegt kein Antrag der evangelischen Kirche zur Einrichtung einer solchen Schule vor, und es werden auch keine Verhandlungen darüber geführt. Der Antrag des Landkreises Osterholz-Scharmbeck bezieht sich tatsächlich auf drei Standorte. Wie ich in meinen Eingangsbemerkungen bereits gesagt habe, sind wir der Auffassung, dass mit genau dieser inhaltlichen Konzeption die Funktionstauglichkeit der Schule nicht gewährleistet ist, und deshalb lehnen wir das ab.

Frau Kollegin Staudte von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt die nächste Zusatzfrage.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin, wie passt es denn zusammen, dass eine Landesregierung, die das letzte Kita-Jahr bei

tragsfrei gestellt hat, nun akzeptiert, dass künftig immer mehr Eltern Schulgeld werden bezahlen müssen, weil sie ihr Kind nur an eine konfessionelle, schulgeldpflichtige Gesamtschule in erreichbarer Nähe schicken können?

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Wer hat Ihnen denn die Frage aufgeschrieben?)

Frau Ministerin, bitte!

(Zuruf von Ulf Thiele [CDU])

- Herr Kollege Thiele, die Beantwortung erfolgt durch die Landesregierung.

(Ulf Thiele [CDU]: Selbstverständlich!)

Wir müssen ein Schulangebot wohnortnah vorhalten, die privaten Schulträger müssen das nicht. Die privaten Träger sind auch nicht verpflichtet, ein Schulgeld zu erheben, sie sind lediglich berechtigt, ein Schulgeld zu erheben. Ich möchte allerdings auf ein Sonderungsverbot des Grundgesetzes hinweisen, wonach dieses Schulgeld nicht über eine gewisse Größenordnung hinausgehen darf. Aber diese Situation haben wir in Niedersachsen nicht. Die Verlässlichkeit von privaten Schulen - man muss sich natürlich auch einmal anschauen, wie beispielsweise die Situation in Hannover ist - werden die Eltern bei ihrer Wahl sicherlich auch berücksichtigen.

Frau Kollegin Seeler von der SPD-Fraktion stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, inwieweit ist das öffentliche Schulwesen aus Sicht der Landesregierung eigentlich noch konkurrenzfähig gegenüber den Angeboten von privaten und kirchlichen Trägern? Denn diese Träger haben die Möglichkeit, kleinere Klassen, ein gebundenes Ganztagsangebot und die Dreizügigkeit anzubieten.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Hans-Christian Biallas [CDU]: Da lohnt sich eine Nachfrage bei Herrn Wowereit!)

Frau Ministerin!

Wir verfügen in Niedersachsen über rund 3 100 öffentlich-rechtliche Schulen. Wir haben insgesamt rund 150 private allgemeinbildende Schulen. Ich bin davon überzeugt, dass unser Schulangebot sehr wohl konkurrenzfähig ist. Wir sind gut aufgestellt.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Kollege Adler von der Fraktion DIE LINKE stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle die Frage: Wann genehmigt die Landesregierung die Gesamtschule Wardenburg im Landkreis Oldenburg? Die Antragsunterlagen liegen schon lange vor.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Gestern Abend! - Zurufe von der CDU: Das ist schon passiert! Das stand doch in der Zeitung!)

Frau Ministerin!

Ist genehmigt!

Frau Kollegin Heiligenstadt von der SPD-Fraktion stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der Tatsache, dass die Ministerin die Fünfzügigkeit für die Neugründung von Integrierten Gesamtschulen mehrfach als das pädagogische Konzept dieser Landesregierung vorgetragen hat, frage ich Sie: Welche Mindestzügigkeit sieht die neue Verordnung - die Nachfolgerin der Schulentwicklungsplanungsverordnung - für zusammengefasste Haupt- und Realschulen vor?

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Acht!)

Frau Ministerin!

Mindestens zweizügig.