Protokoll der Sitzung vom 30.04.2010

Ich stelle fest: Es ist 9.19 Uhr.

Wir beginnen mit dem Aufruf der Fragen.

Wir kommen zu Frage 1:

Virtuelle Wälder für tierisch echte Mastställe?

Dazu erteile ich der Kollegin Stief-Kreihe von der SPD-Fraktion das Wort.

Meine Damen und Herren! Die Überschrift der ersten Frage lautet: „Virtuelle Wälder für tierisch echte Mastställe?“

Die Hannoversche Allgemeine Zeitung titelt am Mittwoch, dem 31. März: „Ehlens Maststalltrick ist rechtswidrig“. Dies sei das Ergebnis einer gutachtlichen Überprüfung durch den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Niedersächsischen Landtags. Der Erlass habe zum Ziel, die Genehmigung neuer Maststallanlagen zu erleichtern. Bei derartigen Neubauten müssen nach Bundes-Immissionsschutzgesetz 150 m Abstand zu Wäldern eingehalten werden, um diese vor Emissionen, wie z. B. Ammoniak, zu schützen.

Die TAZ vom 31. März 2010 führt hierzu aus, dass bei geplanten Neubauten, die in Waldgebieten liegen, der Erlass folgenden Ausweg hierfür bietet:

„Der Landwirt beantragt eine Abholzgenehmigung. Mit dieser darf er seinen Stall bauen - auch wenn er den Wald nicht abholzt. Der Wald sei ‚als nicht vorhanden zu bewerten’, heißt es im Erlass, in dem von einer ‚fiktiven Waldumwandlungsgenehmigung’ die Rede ist.“

Fakt ist, dass der zur Abholzung genehmigte Wald stehen bleibt und gleichzeitig als Ausgleichsmaßnahme angerechnet werden kann. Diese sei vom Waldgesetz für die Beseitigung von Wald vorgeschrieben. Die HAZ zieht das Fazit, mit dem Erlass würde nur ein Ziel verfolgt: die rechtswidrige Um

gehung des Immissionsschutzes. Auch mit dem Landeswaldgesetz sei das nicht vereinbar.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Position - politisch und rechtlich - vertritt die Landesregierung zu dem oben genannten Erlass, und wie verhält sie sich nach dem Gutachten des GBD hierzu?

(Unruhe)

Frau Kollegin, kurze Unterbrechung! - Ich bitte, dass die Gespräche in den Fraktionen eingestellt, aber zumindest reduziert werden. - Bitte!

2. Welchen Denkgesetzen folgt die Hausspitze des ML, dass eine Maßnahme durch ihre Unterlassung ausgeglichen werden kann, insbesondere im Hinblick auf die tatsächliche Belastung der Umwelt durch Emissionen und den Flächenverlust?

3. Welche Ziele werden mit dem o. g. Erlass tatsächlich verfolgt, bzw. wer wird hierdurch zulasten des Allgemeinguts Umwelt bevorteilt, und warum ist der Erlass noch nicht zurückgezogen worden?

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Für die Landesregierung antwortet jetzt Herr Minister Sander. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlasse der Ministerien sind keine Rechtsnormen, sondern Anweisungen eines Ministeriums an die nachgeordneten Behörden oder aber auch reine Hinweise.

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN - Unruhe - Glocke des Prä- sidenten)

Zu den Letzteren gehört der Erlass des ML vom 17. Februar 2010, der Hinweise zur Rechtslage bei der Waldumwandlung nach Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über den Wald und die Landschaftsordnung vom März vergangenen Jahres enthält. Diese Hinweise schienen erforderlich zu sein, weil zahlreiche Landkreise Anfragen zum Verständnis der Vorschriften und des Verhältnisses von Baurecht, Immissionsschutzrecht und

Waldrecht gestellt hatten. Dieser Erlass scheint in der allgemeinen Öffentlichkeit Missverständnisse und Irritationen hervorgerufen zu haben.

(Zuruf von den GRÜNEN: Auch beim GBD! - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)

Der im Erlass beschriebene Sachverhalt hätte sicherlich mit anderen Worten allgemeinverständlicher beschrieben werden können.

Der Erlass vom 17. Februar 2010 wurde am 28. April 2010 aufgehoben.

(Ah! bei der SPD und bei den GRÜ- NEN - Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist ja ein Ding!)

Dies vorausgeschickt, beantworte ich Ihre Fragen im Namen der Landesregierung zusammenfassend wie folgt:

Der Erlass vom 17. Februar 2010 sollte eine Hilfestellung für die nachgeordneten Behörden sein, um Anträge zur Waldumwandlung zügig und möglichst unbürokratisch bearbeiten zu können.

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN - Unruhe - Glocke des Prä- sidenten)

Kernpunkt der Änderung des Gesetzes über den Wald und die Landschaftsordnung im Jahr 2009 war, die Voraussetzungen zur Waldumwandlung klarer zu fassen und den zuständigen Waldbehörden einen Ermessensspielraum einzuräumen.

Die Änderungen bei der Waldumwandlung verfolgen das Ziel, einen wirksamen Ausgleich zwischen wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten im ländlichen Raum und dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Waldes sicherzustellen.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Meyer, natürlich war das Umweltministerium eingebunden; denn der Antwort auf die Anfrage können Sie entnehmen, dass es auch um das Immissionsschutzrecht ging. Insofern waren wir eingebunden.

Der Kollege Hausmann von der SPD-Fraktion stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Minister, ja, ich komme vom Lande. Sie haben gerade Erlasse und Hinweise in einen Topf geworfen.

Wenn ich irgendwo hinfahren will, dann sehe ich unterwegs Verkehrszeichen und auch Hinweisschilder, z. B. wie ich nach Hannover fahren kann. Das ist für mich ein Hinweis. Ein Erlass ist für mich dagegen etwas Bindendes. Erklären Sie mir doch einmal den Unterschied:

(Ulf Thiele [CDU]: Der Unterschied ist, dass es keine Erlassschilder gibt! - Gegenruf von Wolfgang Jüttner [SPD]: Das stimmt!)

Wenn ich nach Hannover fahre und ein Hinweisschild sehe, dann bedeutet das, dass ich so fahren kann, aber nicht so fahren muss. Ist das beim Erlass genauso? Muss ich die auch nicht befolgen?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Minister Sander!

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU) Hans-Heinrich Sander, Minister für Umwelt und Klimaschutz: Präsident Hermann Dinkla: Sehr geehrter Herr Kollege Hausmann, Ihre Darstellung ist nicht ganz richtig. Sie müssen wissen, dass jedes Schreiben einer oberen Behörde an eine untere Behörde ein Erlass ist. Insofern gibt es erhebliche Unterschiede zwischen einem Erlass und Hinweisen. Der Kollege Meyer von der SPD-Fraktion stellt eine erste Zusatzfrage. Rolf Meyer (SPD):

Ich frage die Landesregierung: Inwieweit war das niedersächsische Umweltministerium in die Erarbeitung dieses Erlasses eingebunden? (Ursula Helmhold [GRÜNE]: Welchen denn? - Wolfgang Jüttner [SPD]: Vor- hin haben Sie das Gegenteil erzählt und jetzt die Wahrheit!)

Herr Minister Sander, bitte!

Präsident Hermann Dinkla:

Herr Kollege Siebels von der SPD-Fraktion stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Kollege Meyer stellt eine weitere Zusatzfrage.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Heute ist die Landesregierung irgendwie nicht gut sortiert! - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Grotelüschen hat am Dienstag gegenüber dem NDR erklärt, der Waldumwandlungserlass werde nicht zurückgenommen, sondern bleibe bestehen. Wer hat Frau Grotelüschen im Vorfeld ihres NDRStatements beraten? Hat es eigentlich System, dass diese Landesregierung eine Ministerin nach der anderen vor der Öffentlichkeit bloßstellt?

Wenn das Umweltministerium in die Formulierung des Erlasses eingebunden war, so frage ich, warum es nicht darauf hingewiesen hat, dass diese Formulierung ein eklatanter Widerspruch zur TA Luft ist, zu Ihrem eigenen Erlass aus Ihrem eigenen Hause, Herr Minister Sander. (Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der LINKEN)

Präsident Hermann Dinkla:

Herr Minister Sander! Herr Minister Sander!