Protokoll der Sitzung vom 08.06.2010

Meine Damen und Herren, in der Anhörung sind zahlreiche Anregungen an den Landtag herangetragen worden, mit denen wir uns im Zuge einer weiteren Novellierung des Gesetzes sorgfältig werden beschäftigen können. Wir können sie jetzt nicht im Hü- und Hottverfahren beschließen, sondern müssen in der Tiefe beraten. Es gilt hier, wie immer bei guter Gesetzgebung, der Grundsatz: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit!

Nach meiner persönlichen Auffassung werden wir uns mit dem Landesfachbeirat Psychiatrie, der wertvolle Dienste leistet und Informationen und Stellungnahmen an das Land gibt, umfassend beschäftigen müssen. Ich sehe gute Argumente dafür, ihn künftig im Psychiatriegesetz abzubilden. Das aber muss, wie gesagt, genau abgewogen werden.

Wenn wir hingegen Ihren Vorschlägen folgen würden und den Kommunen hopplahopp zusätzliche Aufgaben in der Ausgestaltung der -

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Sozial- psychiatrischen Diensten!)

- danke schön! - sozialpsychiatrischen Dienste - da war mir tatsächlich gerade der Faden gerissen - geben würden, dann würden entsprechende Kosten entstehen, die nicht gedeckt sind. So etwas funktioniert also nur in einem geordneten Haushaltsverfahren.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es gibt den Wunsch auf eine Kurzintervention. Frau Staudte, bitte!

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Riese! Nur ein Satz zur Frage der Konnexität. Es ist so, dass bereits heute sehr viele Landkreise solche Krisendienste anbieten. Die Region Hannover macht das zum Beispiel. Wir gehen davon aus, dass das keine konnexitätsrelevante Ausweitung des Aufgabenbereichs - das ist eigentlich etwas, was ohnehin schon von den Kommunen gefordert wird -, sondern lediglich eine Konkretisierung ist.

Herr Riese möchte erwidern. Bitte!

Das Schöne ist ja, dass die Kommunen in der Erfüllung ihrer Aufgaben eigenverantwortlich sind, verehrte Frau Staudte, und alles das tun können, was sie sich leisten können. Dass sie sich nicht alles leisten können, haben wir heute schon in einem anderen Zusammenhang erörtert. Ich lese in Ihrem Antrag aber den schönen Satz:

„Die psychosozialen Hilfen sollen so angeboten werden, dass sie der Ver

meidung von stationären Unterbringungen dienen. Hierzu gehört auch die Vorhaltung von Bereitschaftsdiensten zur Krisenintervention an Wochenenden und zu Nachtzeiten.“

Das löst umfassende Kosten aus. Diese Kosten haben Sie nicht gedeckt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, als nächster Redner spricht für die SPD-Fraktion Herr Schwarz. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Riese und Herr Böhlke, bei aller Sprachakrobatik: Tatsache ist doch eindeutig, wenn die Gesetze nicht verfassungswidrig gewesen wären, müssten wir uns heute nicht damit beschäftigen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Insofern musste hier erheblich nachgearbeitet werden.

Im Übrigen: Die Klage von SPD und Grünen, die der Staatsgerichtshof am 5. Dezember 2008 positiv beschieden hat, war nicht das erste Mal, dass dieser Landesregierung nachgewiesen wurde, dass sie es mit der Landesverfassung nicht so ernst nimmt, meine Damen und Herren.

(Norbert Böhlke [CDU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Schon bei der Beratung der Gesetzentwürfe hat der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages wiederholt seine Bedenken vorgetragen. Die Rede war damals unmissverständlich von einer deutlichen Erhöhung der verfassungsrechtlichen Risiken und dem Kernproblem, dass private Betreiber nicht schwerwiegende Grundrechtseingriffe vornehmen dürfen.

Meine Damen und Herren, immerhin ging und geht es um den Freiheitsentzug, der jeden unbescholtenen Bürger bzw. jede unbescholtene Bürgerin treffen könnte. Selbst die Juristen der Staatskanzlei hatten Ihnen in dem Referentenentwurf im Januar 2006 - ich erinnere - als Formulierung vorgeschlagen:

„Die Anwendung unmittelbaren Zwangs bleibt Angehörigen des öffentlichen Dienstes vorbehalten, die in

der Regel in einem öffentlichrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.“

Über alle diese Vorschläge hat sich diese Landesregierung selbstherrlich hinweggesetzt, meine Damen und Herren.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Und die Fraktionen!)

Damit hat sich die Landesregierung das Urteil des Staatsgerichtshofs nicht nur wider besseres Wissen schneidig erarbeitet, sondern ich finde, Sie haben dieses Urteil auch hinreichend verdient, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Die Privatisierung der Landeskrankenhäuser gehört nach meiner festen Überzeugung nach wie vor zu den ganz unrühmlichen und im Übrigen folgenschweren Hinterlassenschaften der WulffRegierung. Bis Ende 2010 hatte der Staatsgerichtshof Ihnen Zeit für die Gesetzeskorrektur gegeben. Nach Aussagen der damaligen Staatssekretärin sollten die Vorgaben des Gerichtes ganz simpel zu regeln sein. Anscheinend war das aber doch nicht der Fall. Denn erneut hielt der GBD in der Vorlage 18 bei der jetzigen Gesetzesberatung einige Vorschläge für verfassungsrechtlich bedenklich.

(Widerspruch von Heidemarie Mund- los [CDU])

- Das steht alles auf Seite 2 der Vorlage, Frau Mundlos.

Mehr noch: 2007 bereits wurde darauf hingewiesen, dass auch die Vorschriften zum Datenschutz in den Gesetzen nicht verfassungskonform sind. Dieses sollte laut Aussagen der damaligen Ministerin mit einem sogenannten Gesundheitsdatenschutzgesetz geheilt werden.

Es gibt aber bis heute weder ein solches Gesetz noch sind die Änderungen in den jetzigen Entwürfen eingefügt worden. In der Konsequenz gibt es dafür nur zwei Erklärungsmöglichkeiten. Entweder ist das Ministerium - erstens - in einem so desolaten Zustand, dass selbst die simple Wiedervorlage nicht mehr funktioniert, oder der Datenschutz wurde - zweitens - bewusst nicht angefasst und damit der nächste Verfassungsbruch einkalkuliert.

Beide Alternativen sind abenteuerlich. Sie sprechen aber Bände, was die Handlungsfähigkeit und den Zustand dieser Landesregierung angeht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Schlimm ist das!)

- Ich finde auch, dass das schlimm ist. In der Tat! Da bescheinigt Ihnen ein Gericht, dass verfassungsmäßig nachgearbeitet werden muss, und drei Jahre später tun Sie so, als ob das nicht stattgefunden hätte. Das finde ich in der Tat schlimm.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Bei der Anhörung zu den Gesetzentwürfen hat es in der Tat eine Vielzahl von sehr ernsthaften Änderungsvorschlägen aus der Fachszene gegeben. Für die SPD-Fraktion nenne ich vor allem die Vorschläge von Herrn Professor Spengler und Herrn Professor Mauthe. Sie haben davon nicht eine einzige Anregung aufgegriffen. Sie haben eine Anhörung im Fachausschuss so erneut zur Farce gemacht. Ich stelle fest, dass das in der Zwischenzeit leider ein Routinevorgang bei Ihnen geworden ist.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Böhlke hat gesagt, wir könnten die Anregungen und Vorschläge zusammentragen. Das ist gar nicht mehr nötig. In unserem Änderungsantrag haben wir zur Vereinfachung und als Hilfestellung für die Koalitionsfraktionen die Vorschläge von Herrn Professor Spengler und Herrn Professor Mauthe zusammengetragen.

Herr Riese, ganz nebenbei: Sie haben in der Tat fast drei Jahre gebraucht, um diese eine, angeblich so simple Änderung in einen Gesetzestext zu gießen.

Herr Kollege Böhlke hat gerade gesagt, vielleicht erarbeite man in dieser Legislaturperiode ja doch noch eine Novelle zum PsychKG. Ich frage mich: Wie ernst nehmen Sie eigentlich Ihre eigene Koalitionsvereinbarung? Dort steht nichts von „vielleicht“. Dort steht - Frau Staudte hat es eben vorgetragen -, dass man in dieser Legislaturperiode das PsychKG über das Staatsgerichtshofsurteil hinaus angehen wolle.

Natürlich gab es die Riesenchance, das zu tun. Sie haben für diese eine Änderung jetzt aber schon drei Jahre gebraucht. Ganz nebenbei erwähne ich hier, dass diese Legislaturperiode in weiteren drei Jahren zu Ende ist.

Die Wahrheit ist: Sie haben ohne jede Not, aber dafür mit viel Enthusiasmus hoch profitable Landeskrankenhäuser verhökert, acht Stück an der Zahl.

(Beifall bei der SPD)

Sie sind geradezu verschleudert worden. Diese Häuser waren mit 270 Millionen Euro bewertet. Sie sind dann - dies nur zu Ihrer Erinnerung - für knapp 100 Millionen Euro weggegangen. Keines Ihrer damaligen Scheinargumente für die Privatisierung trifft heute noch zu. Selbst Ihr Hauptargument, Sie seien nicht in der Lage, zusätzlich 200 Betten aus Landesmitteln zu finanzieren, spielt überhaupt keine Rolle mehr. Es ist kein einziges zusätzliches Bett mehr nötig. Es gab also all diese Gründe nicht.

Nun passiert genau das, was vorhergesagt worden ist. Die Gewinne streicht nun der private Betreiber ein. Er diktiert dem Land die Pflegesätze. Die Krankenkassen haben vor einer Woche mitgeteilt, dass die Ausgaben für die ehemaligen Landeskrankenhäuser von 2008 auf 2009 um 23 Millionen Euro bzw. bis zu 16 % gestiegen sind. Es wird klar - ich sage es noch einmal -: Sie wollten die Krankenhäuser aus rein ideologischen Gründen loswerden, im wahrsten Sinne des Wortes: koste es, was es wolle.

Ein Blick in den Tätigkeitsbericht des Psychiatrieausschusses spricht Bände. Das Land wird aufgefordert, die Einhaltung der Kaufverträge zu überwachen. Die gesetzlich vorgeschriebenen Qualitätsberichte der Häuser sollen verstärkt beachtet werden. Zahl und Umfang von Zwangsunterbringungen und Fixierungen sollen überprüft werden. Leistungsstrukturen, und Personalbemessungen müssten in den Fokus des Landes genommen werden. Der Psychiatrieausschuss weist mehrfach darauf hin, dass eine verstärkte Fachaufsicht durch das Land Niedersachsen dringend erforderlich ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, für diese Landesregierung ist der Psychiatriebereich nach meiner festen Überzeugung lediglich ein notwendiges Übel. Immer wieder wird ein Psychiatrie- und Jugendpsychiatriekonzept angekündigt. Dieses liegt nach fast acht Jahren noch nicht vor. Die vorgelegten Gesetzentwürfe sind abermals lustlos und mit heißer Nadel gestrickt worden. Rechts- und Fachaufsicht findet in den ehemaligen Landeskrankenhäusern so gut wie überhaupt nicht mehr statt, was übri