Protokoll der Sitzung vom 18.08.2010

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Alles mit massiven staatlichen Subventionen! - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ja! Im Sommer müssen sie abschalten!)

All diejenigen, die sich vor diesem Hintergrund für einen deutschen Alleingang einsetzen, verursachen ein ernst zu nehmendes Sicherheitsrisiko für unser Land.

(Lachen bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Wenn wir im Falle eines überhasteten Ausstiegs aus der Kernenergie

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Was heißt hier „überhastet“? - Detlef Tanke [SPD]: Das Sicherheitsrisiko geht vor!)

die Kernkraftwerke, die weltweit als die modernsten und sichersten gelten, abschalten, müssen wir eine beträchtliche Strommenge aus dem Ausland beziehen, wo Strom in deutlich älteren und damit auch unsichereren Kernkraftwerken produziert wird. Dieses Risiko sollten wir nicht ohne Not eingehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Frage nach verlängerten Restlaufzeiten betrifft für mich auch die Frage nach sozialer Gerechtigkeit. Die durch das EEG in ihrer Höhe künstlich festgeschriebene Einspeisevergütung muss in Deutschland jeder Stromkunde bezahlen, jede Rentnerin, jeder Rentner, jeder Student und jede alleinerziehende Mutter. Die Verlängerung der

Restlaufzeiten würde sicherstellen, dass Energie auch in Zukunft für diejenigen erschwinglich bliebe, die es sich eben nicht leisten können, teuren Ökostrom zu beziehen, sondern auf eine kostengünstige Stromversorgung angewiesen sind.

(Unruhe)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Sie haben gerade eben von der Versorgungssicherheit gesprochen. Würden Sie mir nicht darin zustimmen, dass man seit den letzten Tagen bei der Atomkraft nicht mehr von Versorgungssicherheit sprechen kann, wenn es von der Laune der Atomlobbyisten abhängig ist, ob und wann wir einen Atomausstieg bekommen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bitte sehr, Herr Hocker!

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich halte das Vorgehen der vier großen Kernkraftbetreiber in Deutschland für falsch.

(Beifall bei der FDP)

Ich glaube nicht, dass das eine Grundlage für künftige Diskussionen sein kann. Aber das ändert nichts daran, dass wir die Kernenergie in den nächsten Jahren brauchen, um die Versorgungssicherheit sicherzustellen, weil das mit erneuerbaren Energien leider noch nicht ausreichend der Fall ist.

Meine Position zur Verlängerung der Restlaufzeiten ist in der gegenwärtigen, von Rot und Grün angestachelten Gemengelage - das sehen wir auch heute wieder - in einigen Bevölkerungsschichten nicht populär. Aber wir Abgeordnete werden schließlich nicht dafür bezahlt, dass wir den am lautesten an uns herangetragenen Meinungen hinterherlaufen, sondern dafür, nach unserem Gewissen zum Wohle der Menschen in Niedersachsen zu entscheiden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir in Deutschland noch einige Jahre auf die Kernenergie werden zurückgreifen müssen, wenn wir gleichzeitig die Versorgungssicherheit gewährleisten wollen und die Preise für den Verbraucher nicht explodieren lassen wollen. Aus diesem Grunde hoffe ich, dass das Energiekonzept der Bundesregierung eine angemessene Verlängerung der Restlaufzeiten vorsieht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich erteile dem Kollegen Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr McAllister, die Vorstandsvorsitzenden der vier großen Atomkonzerne führen zurzeit Geheimverhandlungen mit dem Bundesfinanzministerium und drohen der Bundesregierung unverhohlen und in massiver Form Konsequenzen an, wenn die von ihr geplante Brennelementesteuer, die u. a. für die Altlasten in Asse, Morsleben, Jülich, Karlsruhe usw. genutzt werden soll, Gesetz wird.

Sie, Herr McAllister, und auch Sie, Herr Thiele, haben sich nicht eindeutig von dieser Erpressung eines Verfassungsorgans distanziert. Damit machen Sie sich der Duldung eines solchen Vorgehens verdächtig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, was wir derzeit hier in der Republik erleben, erinnert in fataler Weise an Zeiten und Regime, in denen es möglich war, sich Gesetze schlicht und einfach zu kaufen.

(Ulf Thiele [CDU]: Das ist bei uns nicht möglich!)

Was Herr Großmann, was Herr Villis, was Herr Theyssen und was Herr Hatakka hier versuchen, hat die Grenzen des in einer Demokratie zulässigen politischen Lobbyismus überschritten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass CDU und FDP ordnungspolitisch auf den Hund gekommen sind, dann ist dieser Fall bestens dafür geeignet.

Meine Damen und Herren, betrachten wir einmal die 30-Milliarden-Euro-Lüge, die die Atomindustrie als Alternative zur Brennelementesteuer in den Raum gestellt hat! 30 Milliarden Euro hören sich nach viel Geld an. Aber diesen Fonds soll die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau verbürgen und vorfinanzieren. Die Konzerne wollen erst nach Renovierung ihrer alten Schrottreaktoren in diesen Fonds einzahlen. Und dann - das kann man in der Financial Times nachlesen - wollen sie sich diese Zahlungen in den Fonds auch noch von ihrer Steuerschuld absetzen lassen, meine Damen und Herren.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Dann zahlen wir das also selbst!)

Das heißt, der Staat zahlt die gesamte Nachrüstung der Kraftwerke, und am Ende werden diese Summen auch noch gewinnmindernd geltend gemacht. Wenn dieses Konstrukt, wenn diese 30Milliarden-Euro-Lüge Wirklichkeit würde, stünden der öffentlichen Hand am Ende also weit weniger Mittel zur Verfügung als die 2,3 Milliarden Euro aus der Brennelementesteuer.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: So viel zu sozialer Gerechtigkeit!)

Herr McAllister, Herr Thiele, die Konzerne schmeißen Ihnen eine tote Ratte vor die Füße, und Sie finden das auch noch gut. Sie reagieren nicht einmal auf den Versuch, Sie in dieser Art und Weise vor vollendete Tatsachen zu stellen. Sie, Herr McAllister, ergehen sich mit Ihrer Partei und mit der FDP in einer Servilität, die an die Hofschranzen bei Ludwig XIV. erinnert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich frage Sie, Herr McAllister: Wer regiert eigentlich dieses Land? Wer regiert Niedersachsen, und wer regiert die Bundesrepublik?

(Jens Nacke [CDU]: Sie nicht!)

Welchen Einfluss haben diese Konzerne auf Ihre Parteien? - Mit Ordnungspolitik, mit Wettbewerbsrecht, mit seriösen energie- oder wirtschaftspolitischen Argumenten ist Ihr Verhalten in dieser Auseinandersetzung jedenfalls nicht mehr erklärbar.

(Wilhelm Heidemann [CDU]: Herr Wenzel, wischen Sie sich den Schaum vom Mund!)

Am Ende wollen Sie Sicherheit gegen Geld verkaufen. Aber es ist nicht Ihre Sicherheit, die da auf dem Spiel steht, sondern es ist unser aller Sicherheit, die da auf dem Spiel steht, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. Und dabei lassen Sie sich dann auch noch von diesen vier Konzernen über den Tisch ziehen.

(Heinz Rolfes [CDU]: Falsch!)

Meine Damen und Herren, noch ist Zeit zur Besinnung. Ansonsten wird die Kernspaltung Ihre Koalition und am Ende auch Ihre Partei zerreißen. Ich garantiere Ihnen: Spätestens nach der Wahl in Baden-Württemberg - ich empfehle Ihnen, die neueste Umfrage zu studieren - wird Ihr Mappus zum Brutus.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Herr Minister Sander, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Niedersächsische Landesregierung bringt ihre Vorstellungen, wie sie die energiepolitischen Ziele erreichen will, derzeit sehr aktiv in das Energiekonzept ein. Sie alle stimmen mit mir sicherlich darin überein, dass Niedersachsen aufgrund der großen Belastungen, die ihm durch die Kernenergie, aber insbesondere durch zwei Endlager bzw. potenzielle Endlager entstehen, hier auch in besonderer Weise gefordert ist.

Lieber Herr Kollege Wenzel, was die vier Energiekonzerne getan haben, ist sicherlich wenig hilfreich. Aber es wäre genauso wenig hilfreich und im Übrigen schlechter Stil, wenn wir uns so verhalten würden wie die Ministerpräsidenten süddeutscher Länder, die im Augenblick gegen die Bundesregierung und gegen den Bundesumweltminister polemisieren. Wir wollen unsere Ziele schließlich weitgehend durchsetzen.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung braucht ihre Politik nicht zu korrigieren. Wir haben in den Vereinbarungen, die wir seit 2003 geschlossen haben, immer wieder auf den technologieoffenen Energiemix gesetzt. Das heißt, wir wollen erneuerbare Energien nach vorne bringen, und das haben wir auch geschafft: