Protokoll der Sitzung vom 18.08.2010

Meine Damen und Herren, die Landesregierung braucht ihre Politik nicht zu korrigieren. Wir haben in den Vereinbarungen, die wir seit 2003 geschlossen haben, immer wieder auf den technologieoffenen Energiemix gesetzt. Das heißt, wir wollen erneuerbare Energien nach vorne bringen, und das haben wir auch geschafft:

Wir sind das Energieland Nummer eins. Wir haben in diesem Bereich Arbeitsplätze geschaffen.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Also können Sie uns doch nicht dauernd vorwerfen, wir würden die erneuerbaren Energien vernachlässigen. Das Gegenteil ist der Fall: Wir bringen sie nach vorn.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie könnten viel weiter vorn sein!)

Herr Schostok, das, was im Augenblick im Offshore-Bereich erfolgt, dass die Unternehmen die Finanzierung nicht leisten können, ist doch nicht unser Problem. Wir werden die Bundesregierung ermahnen, dort Hilfen zu leisten. Ansonsten werden die klimapolitischen Ziele, die wir alle uns gesetzt haben, nicht zu erreichen sein.

(Beifall bei der FDP)

Der Anteil der erneuerbaren Energien beträgt im Augenblick 16 %. Die ambitionierten Ziele der Bundesregierung liegen für das Jahr 2020 bei 30 %. Das heißt, in den nächsten neun Jahren muss mehr als das Doppelte bereitgestellt werden. Wir werden mit allen unseren Möglichkeiten unseren Beitrag leisten.

Meine Damen und Herren, wir stimmen darin doch auch überein. Warum müssen wir hier also jedes Mal so tun, als wenn wir völlig gegensätzliche Auffassungen hätten? Wir alle sind verpflichtet, für unsere Bürger und für unsere Wirtschaft in der Zukunft eine verlässliche und klimaschonende Energie bereitzustellen.

Meine Damen und Herren, wir wollen keine Abhängigkeit vom Ausland. Wir wollen auch keine Abhängigkeit von den vier großen Energiekonzernen.

(Lachen bei den GRÜNEN - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Dann sorgen Sie für Wettbewerb!)

Herr Wenzel, Sie beschimpfen die vier Energiekonzerne. Das kann man tun.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das muss man tun!)

Das ist aber nicht unser Stil. Wir wollen unsere Ziele erreichen. Unsere Ziele erreichen wir mit der Bundesregierung auf einem anderen Wege.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie ku- schen vor denen!)

Meine Damen und Herren, wir alle stimmen doch darin überein, dass wir uns so schnell wie möglich von der Kernenergie lösen wollen. Die Kernenergie ist für uns eine Brückentechnologie. Als solche haben Sie sie in Ihrer rot-grünen Zeit doch auch als Brückentechnologie bezeichnet, Herr Wenzel. Heute werden 23 % des Stroms aus Kernenergie und 16 % des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugt.

(Stefan Schostok [SPD]: In Nieder- sachsen sind es 22 %!)

Bis zum Jahre 2020 müssten Sie diese 23 % ersetzen. Das ist aber nicht machbar. Wer den Bürgern draußen etwas anderes erzählt, ist ein Scharlatan.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie müssen auch etwas zur Kenntnis nehmen, was jetzt immer deutlicher wird. Leider melden sich zu diesem Thema einige zu wenig zu Wort, insbesondere unsere Wissenschaftler. Wir wissen alle, dass die Kernenergie gerade auch für die erneuerbaren Energien von Bedeutung ist,

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Was sagt denn der Sachverständigenrat für Umweltfragen dazu?)

weil sie außer für die Grundlastversorgung sehr stark für den schnellen Lastwechsel eingesetzt wird. 9 600 MW stehen jede Minute zur Verfügung, wenn es keinen Windstrom gibt. Man darf ja einmal die Frage stellen: Was passiert denn, wenn sich fünf oder zehn Tage lang kein Windrad dreht?

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Oder 100 Tage oder 1 000 Tage!)

- Herr Wenzel, solche Übertreibungen setzen Sie sachlichen Argumenten entgegen.

(Zuruf von der SPD)

- Ich weiß, dass Ihnen das nicht passt. Es ist aber eben eine Tatsache, dass Kernenergie in dieser Hinsicht unverzichtbar ist.

Herr Kollege Schostok, Sie haben einen Bundesvorsitzenden, den ich in der Umweltministerkonferenz, aber auch in vielen Gesprächen erlebt habe.

Wir kommen heute Nachmittag ja noch auf ein anderes Thema zu sprechen, das ebenfalls von sehr großer Bedeutung ist. Bei diesem Thema müssen Sie auch Farbe bekennen. Sie dürfen hier nicht immer nur populistisch argumentieren. Sie wissen, dass der Bundesumweltminister im Jahre 2008 in einem Spiegel-Interview zweierlei gesagt hat. Er hat zum einen gesagt: Über die Laufzeitverlängerung können wir uns unterhalten. Weiterhin wurde gesagt, dass in der nächsten Wahlperiode - auch das ist klar und deutlich; darüber gibt es doch keinen Zweifel - die Frage der Endlagerung in Berlin gelöst werden müsse. In diesem Zusammenhang spielt auch die Laufzeitverlängerung eine Rolle.

Lassen Sie uns deshalb den Appell von Herrn Thiele befolgen, in dieser Frage etwas mehr Sachlichkeit walten zu lassen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Im Zusammenhang mit der Laufzeitverlängerung sind viele Fragen zu lösen. Das ist schwierig genug. Es geht natürlich auch darum, die Sicherheitsanforderungen zu verstärken. Es ist für unsere Behörden nicht ganz einfach, diese Aufgabe zu bewältigen. Wir haben über die Gewinnabschöpfung gesprochen. Auch dieses Thema ist von großer Bedeutung. Gerade für uns ist auch die Brennelementesteuer von erheblicher Bedeutung, und zwar sowohl für die Asse als auch - dies war immer unsere Linie - für die Fondslösung, weil wir auch die erneuerbaren Energien weiter nach vorne bringen wollen. Wir müssen die Speichertechnologien nach vorne bringen. Das heißt, dass wir in dieser Frage auch die Forschung mit nach vorne treiben müssen.

Meine Damen und Herren, eine physikalische Spaltung von Atomkernen ist den Wissenschaftlern vor 70 Jahren mehr oder weniger erfolgreich - manches war auch negativ - gelungen. Eines wird Ihnen aber nicht gelingen, nämlich die Regierungsfraktionen von CDU und FDP in dieser Frage zu spalten.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Da die Landesregierung die Redezeit überzogen hat, erteile ich nach § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung Herrn Kollegen Wenzel für anderthalb Minuten das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat sich vor anderthalb Wochen zum Thema Laufzeitverlängerung geäußert. Er hat dabei aber vieles offengelassen. Er hat es heute nicht für nötig befunden, den Landtag darüber zu informieren, was er tatsächlich will. Er hat stattdessen seinen Umweltminister sprechen lassen. Seine Rede kannte ich. Er hat sie hier schon drei- oder viermal, vielleicht auch öfter gehalten.

(Beifall bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Ihre kenne ich auch! Sie bean- tragen hier die Behandlung immer der gleichen Themen!)

Ich habe mich heute mit den vier Stromkonzernen und dem Beitrag, den sie vor einer Woche vorgelegt haben, befasst. Ich hätte erwartet, dass der neue Ministerpräsident hier Stellung nimmt.

Keiner aus der Regierungskoalition hat sich zur Brennelementesteuer bekannt, die Bestandteil des Sparpaketes Ihrer Bundesregierung und Ihrer Kanzlerin ist, Herr Thiele. Ich habe dazu kein deutliches Wort gehört. Das spricht Bände hinsichtlich des Zustands Ihrer Regierung nicht nur hier in Hannover, sondern auch in Berlin.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Sie haben nicht zugehört!)

Ich erteile nun dem Kollegen Schostok von der SPD-Fraktion ebenfalls nach § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung das Wort. Er hat anderthalb Minuten Redezeit.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Thiele und Herr Sander, wenn Sie jetzt von einer Breite der Debatte bei Ihnen reden, täuschen Sie darüber hinweg, dass es in den 80er-Jahren in der Gesamtgesellschaft eine sehr breite Debatte gegeben hat und von uns ein Atomenergiekonsens erarbeitet wurde. Wir haben über dieses Thema mit der Gesellschaft diskutiert. Die Bevölkerung wollte den Ausstieg aus der Atomenergie.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In den 90er-Jahren haben wir dann gehandelt. Wir haben in der rot-grünen Koalition mit den Versorgern über den Atomausstieg verhandelt und ihn dann im Bundestag beschlossen. Das ist Handeln.

Ferner sind weitere energiepolitische Initiativen erfolgt. Wir haben die Energieerzeugung umgebaut, wir haben Sparprogramme aufgelegt, wir haben das Erneuerbare-Energien-Gesetz aufgelegt. Das ist ein Energiekonzept. Das ist etwas anderes als das, worüber Sie jetzt reden. Sie sagen, Niedersachsen habe wegen der Endlagerfrage ein großes Interesse an einem Energiekonzept. Der Unterschied ist dieser: Was Sie tun, bedeutet den Ausverkauf der Energiepolitik, die wir beschlossen haben. Was Sie tun, ist die Ausübung einer Eisbrecherfunktion, um zu einem ganz neuen Zeitalter für die Atomenergiekonzerne zu kommen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

(Vizepräsidentin Astrid Vockert über- nimmt den Vorsitz)

Herzlichen Dank, Herr Schostok. - Ebenfalls nach § 73 Abs. 1 der Geschäftsordnung erhält nun Herr Herzog von der Fraktion DIE LINKE für anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mein Unverständnis darüber äußern, dass an dieser wirklich entscheidenden Stelle, bei der es um die Weichenstellung für die zukünftige Energiepolitik und möglicherweise um das Versenken von vielen Milliarden Euro in ein falsches Loch geht, der vielfach angesprochene Ministerpräsident kein Wort zu dieser Debatte beigetragen hat.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)