Protokoll der Sitzung vom 05.10.2010

Ich will das an zwei Punkten Ihres Verschiebebahnhofs deutlich machen:

Erstens. Das Thema „Veräußerung von Stammkapital der NORD/LB in der Größenordnung von 280 Millionen Euro“ kommt uns bekannt vor, das hatten wir in den Haushaltsjahren schon mehrmals, es wird immer mal wieder verschoben. Man sollte auch ehrlicherweise daran erinnern, dass das keine echte Einnahme ist, sondern es wird an die HanBG verschoben, eine 100-prozentige Tochter des Landes Niedersachsen, also ein echter Schattenhaushalt.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Das Zweite ist das Verschieben der sogenannten allgemeinen Rücklage. Meine Damen und Herren,

bei dem Betrag von 247 Millionen Euro handelt es sich in Wahrheit um nicht ausgeschöpfte Kreditermächtigungen aus den vergangenen Jahren.

Meine Damen und Herren, weshalb machen Sie das? - Damit Sie im nächsten Jahr optisch besser dastehen.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Hans-Henning Adler [LINKE]: Das ist die Trickserei!)

Ich zitiere aus der Pressemitteilung der Landesregierung:

„Das Gesamtpaket aus Nachtragshaushalt, Haushaltsplanentwurf 2011 und mittelfristiger Finanzplanung ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Einhaltung des Neuverschuldungsverbots aus dem Grundgesetz.“

Meine Damen und Herren von der Landesregierung, ich glaube, da haben Sie den Mund noch sehr voll genommen. Denn wir sehen nur eines: Sie treten weiterhin auf der Stelle.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Sie arbeiten mit einer Vielzahl von Einmaleffekten. Nachhaltige Haushaltspolitik sieht anders aus. Wenn Sie über die verantwortungsbewusste Veräußerung von Landesbeteiligungen sprechen, dafür auch 300 Millionen Euro im nächsten Haushalt vorsehen, aber bis heute nicht definieren können, wie das Geld erbracht werden soll, dann hat das nichts mit solider Haushaltspolitik zu tun. Jede Kommune, die so agieren würde, bekäme von der Kommunalaufsicht ins Stammbuch geschrieben: Das ist überhaupt nicht veranschlagungsreif, herausnehmen, noch einmal nacharbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Der Niedersächsische Finanzminister hat in diesem Jahr mehrmals zu Recht gesagt, Niedersachsen sei nicht in der Lage, das strukturelle Defizit allein durch immer neue Einsparungen dauerhaft auszugleichen. Meine Damen und Herren, was sind die Konsequenzen daraus? Warum tun Sie eigentlich nichts?

Stattdessen wird versucht, den Eindruck zu erwecken, als könne man das Ganze jetzt technisch abarbeiten, und behauptet, es wäre möglich, dass die Ausgaben in den nächsten Jahren bis 2020 nur 1 % im Jahr steigen dürfen.

Meine Damen und Herren, der Landesrechnungshof hat Ihnen vorgerechnet, dass selbst dann,

wenn gar nichts mehr passiert, Sie sich also von jeglicher politischen Gestaltung verabschieden, das schon nicht mehr möglich sein wird. Denn allein 3 Milliarden Euro werden schon durch das Ansteigen der Pensionsverpflichtungen und durch höhere Zinsen, die durch weitere Kreditaufnahmen entstehen - also nicht durch einen Anstieg der Zinssätze -, verbraucht. Mit dem Ausgabenanstieg um 1 % erreichen Sie aber lediglich die Summe von 2,7 Milliarden Euro. Wie gesagt, selbst diese Rechnung geht bis heute nicht auf.

Die Landesregierung hat also keinerlei Antwort auf die großen haushaltswirtschaftlichen Herausforderungen. Sie agieren weiter nach dem Prinzip Hoffnung. Das ist bereits heute zum Scheitern verurteilt.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich möchte zum Schluss noch auf eine weitere Folge der Haushaltsakrobatik eingehen, die ich für sehr gefährlich halte: Das ist die Auszehrung des Budgetrechts im Haushaltsvollzug. Für die Mitglieder des Landesparlaments ist die Finanzsituation nicht mehr transparent und nachvollziehbar. Es ist ein hohes Grundprinzip in unserer Verfassung, dass das Parlament und nicht die Regierung das Budgetrecht hat. Auch wegen der durch Ihre Bilanzkosmetik mit ausgelösten schleichenden Kompetenzverschiebung zwischen Landtag und Regierung können wir Ihrem Nachtragshaushalt nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Auf den Beitrag von Frau Geuter hat sich Herr Kollege Hilbers zu einer Kurzintervention gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten.

(Johanne Modder [SPD]: Das hat wehgetan, nicht?)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu einigen Punkten möchte ich gern etwas sagen.

Zum Thema JVA Bremervörde. Wir haben im Ausschuss zwei dicke Unterlagen bekommen. Die hätten Sie nur lesen müssen. Darin können Sie jede Zahl nachvollziehen. Die PPP-Variante hat einen Wirtschaftlichkeitsvorteil von über 3 %. Die PPP-Variante ist der Variante der Eigenrealisierung explizit gegenübergestellt worden. Sogar eine

VE über 300 Millionen Euro wäre wirtschaftlich noch vertretbar gewesen.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Was sagt denn der Landesrechnungshof dazu?)

Zum Thema Schattenhaushalt: Sie können doch nicht allen Ernstes behaupten, dass man eine Transaktion von Stammkapitalanteilen vornehmen sollte, wenn das wirtschaftlich keinen Sinn macht. Das hat doch überhaupt nichts mit Schattenhaushalt zu tun. Hier wird Landesvermögen nicht eingesetzt, sondern man behält es. Es bleibt dann für die Zukunft erhalten, und man kann es an anderer Stelle einsetzen.

(Zuruf von der SPD: Und die Erde ist eine Scheibe!)

Im Übrigen will ich Ihnen sagen: Sie haben seinerzeit, als wir uns nicht in einer Wirtschaftskrise befanden und als wir keinen Wachstumsrückgang von über 5 % hatten, eine Nettoneuverschuldung von 3 Milliarden Euro veranschlagt. Wir hingegen veranschlagen mitten in der Krise eine Nettoneuverschuldung von 2,3 Milliarden Euro. Das ist erheblich weniger als bei Ihnen. Und Sie wollen uns zeigen, wie solide Finanzpolitik aussehen soll? - Sie haben damals ohne Krise mehr Schulden gemacht als wir heute in der Krise.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Geuter möchte antworten. Sie bekommen das Wort, ebenfalls für 90 Sekunden. Bitte sehr!

(Zuruf von der CDU: Sie sollten bes- ser schweigen!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Warum sollte ich schweigen? Ich weiß doch, wovon ich rede.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: Jawohl!)

Ich möchte zum Thema Bremervörde eines antworten: Natürlich haben wir eine Vielzahl von Papieren mit einer Vielzahl von Zahlen vorgelegt bekommen.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Die haben Sie nicht gelesen!)

Tatsächlich kommt man bei einer Vollkostenrechnung unter dem Strich zu dem Ergebnis, dass das PPP-Projekt angeblich um etwa 4 % wirtschaftli

cher sein soll als ein öffentlich-rechtliches Projekt. Es wird aber verschwiegen, dass man bei den Stellschrauben ein bisschen gemogelt hat.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Wo denn?)

Das gilt erstens für das Personal. Man ist von einer ganz anderen Personalbesetzung ausgegangen, als wir sie heute in der Realität im Justizvollzug haben.

(Aha! bei der SPD)

Zweitens hat man bei der Baukostensteigerung ein wenig getrickst; Sie werden sich sicherlich an die Anmerkungen des Landesrechnungshofs erinnern.

Das heißt: Sehr viele Zahlen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass das nicht solide erarbeitet worden ist.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: Jawohl!)

Zum Schluss, Herr Hilbers, zu Ihrer letzten Anmerkung, Sie würden in diesem Jahr deutlich besser arbeiten als die ehemalige SPD-geführte Landesregierung:

(Reinhold Hilbers [CDU]: Eindeutig! Das ist wahr!)

Wenn Sie im letzten Jahr bei Ihrem Nachtragshaushalt nicht schon verfassungswidrig getrickst hätten, hätten wir in diesem Jahr eine Nettokreditaufnahme von mehr als 3 Milliarden Euro.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Zuruf von der CDU: Sie haben aber neun Monate gebraucht, um das auszurechnen!)

Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Grascha.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion ist der Auffassung, dass wir mit dem Nachtragshaushalt 2010 und den Änderungsanträgen, die die Fraktionen von CDU und FDP jetzt eingebracht haben, auf dem richtigen Weg sind, die Schuldenbremse spätestens 2020 tatsächlich zu erreichen. Der Nachtragshaushalt bietet hierfür die entsprechenden Zahlen.